Was die Polizei nicht will: Keine Namen, keine Fotos, keine Zeugen… Nichts, womit Polizeigewalt zur Rechenschaft gezogen werden könnte
„… Dürfen Bürger Polizeieinsätze filmen? Eigentlich hatte das Bundesverfassungsgericht die Frage bejaht und damit geklärt. Doch die Polizei hat sich neue Begründungen für eine Bestrafung filmender Bürger einfallen lassen, wie aktuelle Vorgänge in Kassel zeigen. Am 20. Juli demonstrierte dort die Neonazi-Partei „Die Rechte“. Dagegen formierte sich eine Gegendemonstration. Weil sich auch die oft militante Antifa aus dem nahen Göttingen angekündigt hatte, gab es am Kasseler Bahnhof Polizeikontrollen. Eine 35-jährige Kasseler Politologin wollte eigentlich zur Gegen-Demo. Doch als sie die aus ihrer Sicht „ruppigen“ Polizeikontrollen sah, nahm sie ihr Smartphone und filmte. „Dann hält sich die Polizei vielleicht etwas zurück“, hoffte sie. Die Frau filmte, wie ein Mann an die Wand gestellt wurde und ihm beim Abtasten ein Polizist an die Genitalien griff. Wenig später wurde sogar ihr Freund, der sie begleitete, kontrolliert. Wieder griff sie zum Smartphone. Doch nun wurde das Gerät von der Polizei beschlagnahmt, denn sie habe eine Straftat begangen…“ – aus dem Beitrag „Polizei möchte ungefilmt bleiben“ von Christian Rath am 06. August 2019 in der taz online über den Einfallsreichtum der Polizei beim Verweigern der Durchführung juristischer Entscheidungen… Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge über die Strategien der Polizei zur Vermeidung von Dokumentation ihres Vorgehens:
- „Nummern für die Polizei! Geschichte und Gegenwart einer alten Forderung“ von Anton Tanter und Angelika Adensamer am 04. August 2019 bei Cilip zu einem „Klassiker demokratischer Forderungen“ unter anderem: „… Im Zuge der alljährlichen Demonstrationen zum Tag der Arbeit sind auch mehrere ZivilpolizistInnen im Einsatz und rein äußerlich nicht von DemonstrantInnen zu unterscheiden. Gegen Abend wird ein Zivilpolizist zum Opfer einer Prügelattacke von uniformierten Kollegen: Er erhält Faustschläge ins Gesicht, Pfefferspray wird eingesetzt. Der derart misshandelte Polizist – er ist einer von 200 durch den Polizeieinsatz verletzten Personen, darunter zumindest noch ein weiterer Beamter im Zivil – zieht darauf empört vor Gericht, die Uniformträger werden angeklagt. Was folgt, ist ein Freispruch, denn identifiziert werden konnte zwar laut Richterin die verantwortliche Polizeieinheit, nicht aber, wer genau die Straftat begangen und zugeschlagen hatte. Es sind Vorfälle wie diese, die in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder zu einer Debatte um die Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen geführt haben. Je nach politischer Zusammensetzung der in den einzelnen Bundesländern für die Polizeigesetzgebung verantwortlichen Regierungen werden derlei Kennzeichen – zum Beispiel in Form von sichtbar angebrachten Dienstnummern – mal eingeführt, dann aber auch wieder abgeschafft…“ Siehe dazu unser Dossier: Kennzeichnungspflicht für Polizisten
- „»Viele wenden sich bewusst nicht an die Behörden«“ am 06. August 2019 in der jungen welt ist ein Gespräch von Jan Greve mit Kai Stoltmann zu einem weiteren Mosaikstein polizeistaatlichen Alltags – eben Rechten in der Polizei, worin dieser unter anderem ausführt:“ … Uns erreichen viele Anfragen von Menschen, die sich bewusst nicht an die Beratungshotlines der Landeskriminalämter oder des BKA wenden. Hintergrund ist, dass in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Hessen Fälle bekannt wurden, wo Polizeibeamte Informationen aus behördeninternen Datenbanken für Feindeslisten oder Drohschreiben von Rechtsextremen verwendet haben. Am Ende ist nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die einzelnen Ämter ihre jeweiligen Entscheidungen treffen. Vergleichbare Informationen werden in unterschiedlichen Bundesländern völlig anders bewertet. Das ist es wohl eher, was bei den Betroffenen für Verunsicherung sorgt…“