Die nächste Runde der Vorbereitung weiterer Polizeigesetze hat längst begonnen, medial trotz aller Appelle unterstützt: Gegen ganz böse Clans
Clans kennt man – nicht so genau, aber endlos viele „Tatorte“ oder Hollywood-Produktionen müssen ausreichen. Clans sind böse – ganz, ganz böse. Noch besser: Böse Ausländer. (Denn eine Verschwörung von deutschen Dieselbetrügern zum Beispiel würde man niemals „Clan“ nennen, noch nicht einmal „organisierte Kriminalität“ – das sind ja nur Geschäftsleute, die halt ein bisschen betrogen haben…). Und gegen Clans muss man vorgehen, also stimmt man das aus eben solchen Anfangs erwähnten Filmen bekannte, uralte, Lied an: Behinderung der Polizeiarbeit (durch Gesetze, versteht sich). Das müssen die Jungs doch dürfen: Willkürliche Kontrollen und endlose Razzien, Präsenz zeigen und endlich handeln dürften. In allen Meldungen zu solchen Polizeiaktionen tauchen Formulierungen auf, die nahe legen, dass hier die nächste Runde der Verschärfungen von Polizeigesetzen eingeläutet wird. Und das Ganze, gerade bei diesen Berichten, oft direkt aus den Polizeiberichten abgeschrieben: Trotz anders lautender Appelle des Journalistenverbandes eine alltägliche Praxis. Zur polizeistaatlichen Anti-Clan-Initiative und ihrer medialen Unterstützung vier aktuelle Beiträge:
- „Supergeheimpolizei“ von Wolfgang Hübner am 18. Juli in neues Deutschland online zu einem entsprechenden Vorschlag aus der CDU: „Kriminelle Clans – das ist ein Stichwort, mit dem sich deutsche Innen- und Sicherheitspolitiker schon lange herumschlagen. Und mit dem sie Politik machen. Und Stimmung, denn gemeint sind in solchen Fällen immer Migranten. Unbestritten ist, dass zu den vielen Migranten in den deutschen Städten auch Leute gehören, die kriminellen Geschäften nachgehen. Ebenso übrigens wie eingeborene Deutsche. Soweit sie Straftaten begehen, müssen sie strafrechtlich verfolgt und zur Verantwortung gezogen werden. Nach Recht und Gesetz. Vor allem konservative Politiker benutzen solche Themen gern, um Gesetze und Rechtspraxis zu verschärfen. Einen innovativen Beitrag dazu hat jetzt die CDU-Landtagsfraktion von Rheinland-Pfalz geleistet. Sie schlägt vor, den Verfassungsschutz in den Kampf gegen kriminelle Clans einzuschalten…“
- „Polizei durchsucht Shisha-Bars in NRW“ am 13. Juli 2019 bei n-tv jubelt wie damals, als Mario Götze gegen Argentinien…: „Im Kampf gegen kriminelle Großfamilien gelingt der Polizei in Nordrhein-Westfalen ein weiterer Schlag: Bei Durchsuchungen mehrerer Lokale stellen die Ermittler große Mengen unversteuerten Tabak sicher. Fast die Hälfte der kontrollierten Bars muss noch in der Nacht den Betrieb einstellen. Im nordrhein-westfälischen Langenfeld bei Leverkusen haben Polizei, Zoll und Ordnungsbehörden in einer großangelegten Aktion Shisha-Bars, Gaststätten und ein Wettbüro kontrolliert. Von den sieben überprüften Lokalen wurden drei in der Nacht auf Samstag sofort geschlossen. Alle sieben gelten als Treffpunkt für Menschen, die im Zusammenhang mit Clankriminalität stehen, wie die Polizei mitteilte. Die Behörden kontrollierten 105 Personen, dabei leiteten sie neun Strafverfahren ein und brachten 37 Ordnungswidrigkeitsverstöße zur Anzeige. Zollfahnder stellten rund 15 Kilo unversteuerten Tabak sicher und leiteten Strafanzeigen wegen Schwarzarbeit und Verstößen gegen das Steuergesetz ein. Polizei und Justiz in Nordrhein-Westfalen haben ihre Einsätze gegen kriminelle Mitglieder von Clans in den vergangenen Monaten erheblich ausgeweitet. Immer wieder gibt es großangelegte Razzien. Im bundesweit ersten Lagebild zur Clan-Kriminalität, der im Mai veröffentlicht wurde, verortet die Polizei in Nordrhein-Westfalen 104 kriminelle Clans. Allein in den Jahren 2016 bis 2018 sollen diese für rund 14.000 Straftaten verantwortlich sein, begangen von 6500 Verdächtigen…“ – wozu wir jetzt einmal die blanke Unterstellung begehen, zu vermuten, dass diese konkreten Zahlen im Polizeibericht (oder deren Pressemitteilung) recherchiert wurden…
- „Razzia gegen Clans: Hochfeld nun ein „gefährlicher Ort““ von Fabienne Piepiora am 02. Juli 2019 bei der WAZ online über einen der ständig neuen Orte des polizeilichen Ausnahmezustandes: „… Die Polizei hat bei einer Razzia gegen Clan-Kriminalität in Duisburg und Moers 17 Personen festgenommen. Sie darf nun „strategisch fahnden“. In „Han’s Steh Café“ auf der Wanheimer Straße gibt es am Dienstagmittag keine gemischte Tüte. Stattdessen stehen hunderte Polizisten in Hochfeld und durchsuchen Wohnungen, Geschäfte und Cafés nach Drogen. Teilweise fuhren die Einsatzkräfte mit DVG-Bussen vor. Als „Schienenersatzverkehr“ der Linie 903 Richtung Dinslaken haben sich die Polizisten getarnt, „um in den Stadtteil einzusickern“, wie Polizeisprecher Stefan Hausch es beschreibt. Nun dienen die Busse dazu, die Wanheimer Straße zwischen Tersteegenstraße und Karl-Jarres-Straße zu sperren. Seit September 2018 wurde die Razzia vorbereitet. Es geht um Drogen und Clan-Kriminalität. 17 Personen werden festgenommen, davon werden 14 bestehende Haftbefehle vollstreckt. Die Linie 903 muss während der Razzia ab Haltestelle Platanenhof eine Umleitung über die Trasse der U 79 fahren. (…) Parallel laufen Einsätze in Meiderich, Homberg und Moers gegen mehrere Beschuldigte, die im Verdacht stehen, „als Mitglied einer Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel zu treiben“, so Polizeisprecher Daniel Dabrowski…“ worin auch die üblichen begeisterten Anwohner nicht fehlen (die sicher keine Erfindung sind – über soziale Dimensionen und Probleme zu diskutieren, ist schon länger „aus der Mode gekommen“).
- „Auch Pressearbeit der Polizei kann ‚Fake News‘ sein“ von Annette Brückner am 16. Juli 2019 bei Cives zum Appell des DJV, die Polizeimitteilungen zu hinterfragen: „… Wenn der Einsatzleiter der Hamburger Polizei nach dem G20-Gipfel „476 verletzte Polizeibeamte“ behauptet, jedoch nicht erwähnt, dass mehr als die Hälfte davon schon vor dem Gipfel dienstunfähig war, ist das nur EIN Beispiel für manipulative Fehlinformation durch Polizeiorgane. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) rief jetzt dazu auf, „Meldungen und Informationen der Polizeibehörden in allen Fällen [sic!] kritisch zu hinterfragen“. Gutgläubigkeit von Journalisten ist jedoch nicht das einzige Problem bei Themen mit Polizeibezug: Sachthemen, die für weite Teile der Bevölkerung relevant sind, werden vollkommen links liegen gelassen. Und manche Journalisten / Redaktionen, waren wiederholt sehr hilfreich dabei, interessen-geleitete Darstellungen von Politikern oder Polizei als ‚Tatsachen‘ zu verkaufen…“ – siehe dazu am 3. Juli 2019: Nach der plumpen Polizeilüge: Ist Ausscheren noch erlaubt? Journalistenverband kritisiert die Polizeipropaganda in den Medien