Nach der Exzellenzinitiative kommt die Exzellenzstrategie – immer noch sinnloser Wettbewerb auf Kosten der Studierenden wie WissenschaftlerInnen

Dossier

"Selbständige" SchuleDie Exzellenzstrategie von Bund und Ländern ist das Nachfolgeprogramm der bisherigen Exzellenzinitiative. In zwei Förderlinien werden mit insgesamt rund 535 Millionen Euro Jahr für Jahr Exzellenzcluster an ausgewählten Universitäten und Wissenschaftsverbünden sowie bis zu elf Exzellenzuniversitäten gefördert. Welche Universitäten den Status einer Exzellenzuniversität bekommen, wird am 19.7.2019 eine internationale Expertenkommission gemeinsam mit den für Wissenschaft zuständigen Ministerinnen und Ministern, Senatorinnen und Senatoren des Bundes und der Länder entscheiden. Detaillierte Informationen sind beim Wissenschaftsrat sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft verfügbar. Siehe zuvor unser Dossier: [Exzellenzinitiative] Autoritäre Wissenschaft ist keine Wissenschaft – Studierende weisen Ansinnen der Imboden-Kommission zurück und hier erste Stellungnahmen der GEW und der Studierenden:

  • Exzellenzinitiativen und Exzellenzstrategien. Zur Produktion ganzdeutscher Eliteuniversitäten New
    In diesem kurzen Autorenbeitrag geht es um ganzdeutsche Entwicklungen innert der letzten fünfzehn Jahre im gesellschaftlichen Bereich – oder systemsoziologisch im sozialen Subsystem – Wissenschaft. Was heute bundesministeriell als Exellenzstrategie für Exzellenuniversitäten propagiert wird, wurde Anfang 2004, im vorletzten Regentschaftsjahr des letzten SPD-Kanzlers Schröder und im zweiten rotgrünen Bundeskabinett Schröder-Fischer campagnenhaft angestoßen, 2005/06 als Exzellenzuniversität erstgefördert und auch alltagsspachlich als Eliteuniversität beansprucht. Der aktuelle Förderrahmen des Bundesministerums für Bildung und Forschung (BMBF) machte zuletzt (ab November 2019) auf sieben Förderjahre ausgelegte respektable 148 Millionen Euro pro Jahr für zehn Exzellenzniversitäten in Aachen, Berlin, Bonn, Dresden, Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, München, Tübingen, dazu einen Berliner Exzellenzverbund von Technischer, Freier und Humboldt Universität mit der Charité, aus. Das kann freilich nicht an die Dimension von Forschungsförderung genannter finanzieller Alimentierung durch die wirkmächtige Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG e.V.) mit ihrem Jahresgesamtetat in Höhe von etwa 3,4 Milliarden Euro 2019 heranreichen…“ Artikel von Richard Albrecht vom 29.07.19 bei scharf links externer Link
  • Exzellenz außer Konkurrenz: Die neuen Eliteuniversitäten sind die alten und der Rest geht baden. 
    In einem Interview von Ralf Wurzbacher bei den NachDenkSeiten vom 24. Juli 2019 mit dem Eliteforscher Michael Hartmann externer Link entblößt dieser „den Wettstreit um Ruhm und Fördermillionen als Scheingefecht mit vorhersehbarem Ausgang. (…) Offiziell wurde und wird verlautbart, es bräuchte in Deutschland internationale Leuchttürme der Wissenschaft, um dem Brain-Drain, also der Abwanderung kluger Köpfe ins Ausland, insbesondere in Richtung der USA, zu begegnen und deutsche Universitäten für ausländische Spitzenforscher attraktiver zu machen. Weil das angeblich mit unserem traditionellen, mehr auf Breite angelegten Hochschulsystem nicht zu bewerkstelligen wäre, müssten verstärkt Investitionen in die Spitze erfolgen und besonders leistungsfähige und international sichtbare Einrichtungen geschaffen werden, die mit Eliteuniversitäten wie Harvard, Princeton oder Stanford konkurrieren könnten. Aber, und das wurde in den ersten zehn Jahren stets pflichtschuldig dazu gesagt, beim Wettbewerb um Fördergelder hätten natürlich alle die gleichen Chancen und es gehe lediglich um eine funktionale Differenzierung. (…) Ja, und damit sind wir bei dem, was die inoffizielle Marschrichtung war und ist. Demnach zielt die Exzellenzinitiative auf eine massive hierarchische, also vertikale Differenzierung ab, um bei der Verteilung der Mittel eine deutlich stärkere Konzentration zu erreichen und beim Renommee eine klare Aufteilung in zwei grundsätzlich unterschiedliche Klassen von Universitäten zu schaffen. (…) Das Feld der Profiteure war schon immer ziemlich festgefahren. Bis auf wenige Ausreißer räumen seit Jahren die üblichen Verdächtigen ab. Das ist auch nur logisch und genau so gewollt: Die Sieger werden mit jeder Förderung stärker, bauen ihren Vorsprung aus und mit dem Mehr an Reputation werben sie noch mehr staatliche und private Drittmittel ein. Die Top-Ten der deutschen Hochschullandschaft hat seit Beginn der Exzellenzinitiative die Gelder aus den Töpfen der Deutschen Forschungsgemeinschaft um zehn Prozent gesteigert. (…) Das Ganze ist jetzt eineinhalb Jahrzehnte gelaufen und wurde gerade um weitere sieben Jahre verlängert. Damit ist es Teil der Grundstruktur der Hochschullandschaft, an die sich die Beteiligten gewöhnt haben. Auch die vielen Verlierer haben sich damit abgefunden. Die Aufteilung in eine Zweiklassengesellschaft wird bleiben und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter verstärken.“
  • Miteinander statt gegeneinander – Studierendenvertretungen kritisieren Exzellenzstrategie
    Die Studierendenschaften der Universitäten HU Berlin, FU Berlin, TU Braunschweig, TU Dresden, Freiburg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Kiel und Tübingen, welche sich allesamt noch im Wettbewerb um den Titel Exzellenzuniversität befinden, positionieren sich gemeinsam gegen die Exzellenzstrategie: Morgen, am 19. Juli 2019, wird die Entscheidung über die aktuelle Vergaberunde der Exzellenzstrategie gefällt. Einige Universitäten freuen sich über die zusätzlichen Mittel und den Titel, viele werden leer ausgehen. Ganz gleich, wie der Einzelfall entschieden wird – wir lehnen die Exzellenzstrategie nach wie vor bestimmt ab. (…) „Wir sprechen hier gemeinsam als Studierendenvertretungen, deren Unis aktuell in Konkurrenz zueinanderstehen. Es ist Zeit, diesem sinnlosen Wettbewerb für die Zukunft ein Ende zu setzen. Wir fordern ein Ende der Exzellenzstrategie!“ betont Clemens Ernst, Vorstand der Verfassten Studierendenschaft der Uni Freiburg.“ Gemeinsame Erklärung vom 18.7.2019 beim Asta der FU externer Link der Studierendenvertretungen HU Berlin, FU Berlin, TU Braunschweig, TU Dresden, Freiburg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Kiel und Tübingen sowie des freien zusammenschluss von student*innenschaften
  • GEW: „Exzellenzstrategie – die Verlierer stehen schon fest“. Bildungsgewerkschaft fordert Dauerstellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
    Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Auswirkungen der Exzellenzstrategie auf die Beschäftigungsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angeprangert und sich für mehr Dauerstellen stark gemacht. „Morgen wird entschieden, welche Universitäten im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern künftig als ‚Exzellenzuniversitäten‘ gefördert werden. Egal wie der Wettbewerb ausgeht – die Verlierer stehen schon fest: Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden auf die Straße gesetzt, wenn ihr Projekt nicht weiter gefördert wird, oder mit einem weiteren Zeitvertrag abgespeist, wenn ihre Uni den Zuschlag erhält“, erklärte Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung der GEW.„ Exzellente Forschung und exzellente Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sind zwei Seiten einer Medaille – Schluss mit dem Hire and Fire-Prinzip in der Wissenschaft“, so Keller. Konkret setzte sich Keller dafür ein, dass die künftigen Exzellenzuniversitäten die Fördergelder dafür einsetzen, unbefristete Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern abzuschließen. „Die neue Exzellenzstrategie läuft auf unbestimmte Zeit, die Förderung der Exzellenzcluster und Exzellenzuniversitäten ist auf Dauer angelegt. Es wäre daher folgerichtig, die Fördermittel für eine nachhaltige und stabile Beschäftigung einzusetzen – Dauerstellen für Daueraufgaben!...“ GEW-Pressemitteilung vom 18.7.2019 externer Link
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