a) [Offener Brief] Arbeitskampf Einzelhandel Berlin-Brandenburg: BR und ver.di-Betriebsgruppe bei IKEA lehnen Ergebnis ab
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor der Tarifkampf in Berlin und Brandenburg überhaupt begonnen hat, soll er nach nur einem Gespräch zwischen dem Handelsverband Berlin-Brandenburg HBB und der ver.di-Verhandlungskommission unter der Führung von Erika Ritter schon beendet sein. Am 5. Juli 2019 einigte man sich darauf, das Ergebnis aus NRW zu übernehmen und das, obwohl die Große Tarifkommission erst am 11. Juli 2019 zugestimmt hat. Für unsere Region hatten wir nicht nur ähnliche Forderungen wie in NRW aufgestellt, sondern dazu noch eine kürzere Laufzeit von nur 10 Monaten und eine Arbeitszeitangleichung auf 37 Stunden für alle Beschäftigten im Einzelhandel. Das Verhandlungsergebnis von 3 Prozent im ersten Jahr, aber höchstens 76 Euro und 1,8 Prozent im zweiten Jahr und eine Laufzeit von zwei Jahren (!) ist für uns sogar noch weiter von den Forderungen entfernt, als in anderen Bundesländern.
Von der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags ist gar keine Rede mehr. Dabei wäre sie bitter nötig, um die tausenden von Kolleg*innen aus der Armut zu befreien, die ihnen bei der Beschäftigung in Ketten wie real, Karstadt und Co. droht, wo sie bis zu einem Viertel weniger verdienen, als in Filialen mit ver.di-Tarifbindung. Das können wir nicht akzeptieren! Wir bei IKEA Tempelhof waren und sind bereit, für unsere gemeinsam aufgestellten Forderungen zu streiken und wollen, dass unsere Gewerkschaft alle Beschäftigten dazu aufruft, mit uns gemeinsam die Arbeit niederzulegen.
Wir fordern die Mitglieder der Tarifkommission auf, in ihrer Sitzung am Montag, dem 15. Juli 2019 gegen die Vereinbarung zu stimmen und gemeinsam mit ver.di und den Kolleg*innen in den Filialen in die unmittelbare Vorbereitung eines Arbeitskampfes zu gehen.
Wir billigen eine Vorgehensweise nicht, in dem über unsere Köpfe hinweg ein Ergebnis verkündet wurde, über das niemand außerhalb der Verhandlungskommission diskutieren und schon gar nicht entscheiden konnte. (…) Es wird immer gesagt, dass ver.di eine „Mitmachgewerkschaft“ ist, in der die Mitglieder entscheiden. Hier wurde alles dafür getan, damit sie nicht entscheiden können. (…) Wir wissen auch, dass wir nur gemeinsam etwas erreichen können. Dafür brauchen wir eine Gewerkschaft, die wirklich bereit ist, für unsere Forderungen zu kämpfen. Deshalb schweigen wir nicht und richten uns an alle Kolleg*innen der Branche. „Wir sind mehr wert“, heißt es bei ver.di immer. Deshalb sagen wir ganz deutlich: „Da ist mehr drin!“...“ Offener Brief an die ver.di-Tarifkommission und die Kolleg*innen im Einzelhandel der ver.di-Betriebsgruppe bei IKEA Tempelhof , beschlossen am 12.7.2019 mit Unterstützung von ca 40 Gruppierungen und Einzelpersonen
b) Der Kampf geht weiter… Pilotabschluss im Einzelhandel NRW
„Der im Einzelhandel seit zwei Monaten geführte Arbeitskampf in Nordrhein-Westfalen ist beendet. Überraschend schnell einigte man sich in der vierten Tarifrunde. Erneut vereinbarte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit dem Handelsverband NRW eine zweijährige Laufzeit. Die Allgemeinverbindlichkeit der Entgelttarifverträge (AVE) wurde von der Kapitalseite vom Tisch gefegt. Löhne und Gehälter steigen für die Beschäftigten, die bis zur Gehaltsgruppe der Verkäuferin im letzten Berufsjahr (2579,- Euro in Vollzeit) eingruppiert sind, um 3 Prozent. Für alle Beschäftigten in höheren Entgeltgruppen gibt es einen Festbetrag von 77,50 Euro brutto. Ab 1. Mai 2020 kommen weitere 1,8 Prozent dazu. Ausbildungsvergütungen werden zwischen 45 Euro und 60 Euro und in 2020 von 50 Euro und 80 Euro jeweils zu Beginn der Ausbildungsjahre erhöht. Der jetzige Abschluss muss noch von der großen Tarifkommission bestätigt werden. Gefordert hatte ver.di 6,5 Prozent mehr für alle, mindestens 163,- Euro und 100,- Euro mehr für Azubis! Eine Laufzeit von zwölf Monaten. Im jetzigen Ausstand zeigte sich, wie geschlossen der Handelsverband gegen ver.di und die dort organisierten Belegschaften vorging. (…) Die Warenhauskonzerne führen von oben einen unerbittlichen Klassenkampf. Die vor zwanzig Jahren begonnene Tarifflucht ist mit die Ursache für die existierenden Armutslöhne und eine massive Arbeitsplatzvernichtung. Ver.di führt dagegen einen nicht widerspruchsfreien Kampf. Einerseits ist das Ziel, neben mehr Lohn und Gehalt, zum Flächentarifvertrag zurück zu kommen, richtig und notwendig. Denn würde eine Allgemeinverbindlichkeit wieder erreicht, müssten auch Online Versandhändler höhere Löhne zahlen. (…) Anderseits zeigt sich eine zunehmende Kritik in einigen Tarifkommissionen. Dort und in anderen Gremien wird unter ehrenamtlichen Funktionären diskutiert, ob und wie weit überhaupt eine Steigerung der Reallöhne und eine Laufzeit von 12 Monaten, nur mit Warnstreiks, durchsetzbar ist. Auch die fehlende Einsicht der Gewerkschaft, die Tarifkämpfe fachbereichsübergreifend zu organisieren, spielt dabei eine Rolle. Mehrere Anträge werden sich deshalb auf dem ver.di Bundeskongress im Herbst in Leipzig damit beschäftigen. Inhalt ist dabei die gemeinsame Solidarität und Mobilisierung über die Fachbereiche hinaus bei Streiks. Das wird auch dringend notwendig. Denn mit dem einheitlichen Auftreten der Unternehmer haben diese beim jetzigen Abschluss in NRW durchgesetzt, dass in Sachen Flächentarif für die nächsten 24 Monate Ruhe herrscht. Der ver.di Illusion, die Tarifflucht über die Politik per Gesetz zu verbieten, können die Einzelhändler in Ruhe entgegensehen…“ Artikel von Herbert Schedlbauer vom 10.7.2019 – wir danken!
[Interview] Chiles LehrerInnen haben abgestimmt: Knappe Mehrheit für Fortsetzung des Streiks, gegen die vom Gewerkschaftsvorstand empfohlene Annahme der Regierungszugeständnisse
Es sei ja gar kein Aufruf gewesen, für die Annahme des verbesserten Angebots der chilenischen Regierung zu stimmen, sondern nur eine Meinungsäußerung – so der Vorsitzende des Colegio de Profesores (CdP), der Gewerkschaft an Grund- und Mittelschulen, Mario Aguilar. Nachdem das Ergebnis der Urabstimmung am Mittwoch, den 10. Juli 2018 am späteren Abend fest stand. Das lautete rund 17.900 gegen die Annahme – also für die Fortsetzung des Streiks – und 17.700 für die Annahme, also für seine Beendigung. Diese knappe Mehrheit hatte sich schon während der Bekanntgabe von Zwischenergebnissen angedeutet, auch wenn die Vorstandsmehrheit den ganzen Tag lang unterstrich, das seien ja erst Zwischenergebnisse. Die Stimmen für die Fortsetzung des Streiks kamen vor allem aus zwei Gruppierungen: Traditionell linker Bezirke der Gewerkschaft, wie etwa Antofagasta oder Valparaíso – und von den Betroffenen der nicht erfüllten Kernforderungen. Wenn etwa der Vorstand des CdP den Lehrerinnen, die für die Inklusion arbeiten, als Erfolg anpreist, dass „nunmehr das Problem auf dem Tisch liegt und nicht mehr verheimlicht wird“, anstatt irgendeinen Fortschritt bei der Gleichbehandlung erzielt zu haben, kann man wohl nicht auf sehr viele positive Reaktionen hoffen. Unsere Gesprächspartnerin Janine Heredia arbeitet als Geschichtslehrerin an einer Mittelschule (in der Hoffnung, die Übertragung des Schulsystems möge einigermaßen zutreffend sein) in der Hauptstadt. Und hat für die Fortsetzung gestimmt. Weil sie – wie sehr viele, die so abgestimmt haben – das vom Vorstand faktisch angenommene Angebot als „Brosamen“ bewertet. Siehe das Interview von Helmut Weiss vom 11. Juli 2019 mit Janine Heredia „In Wirklichkeit ein komplexes Ergebnis, wie die Lage im Land – und in der Gewerkschaft: Aber in erster Linie eine Niederlage der Regierung“ (und den Hinweis auf unseren letzten Bericht zum Streik an Chiles Schulen)
AKTUELL BEI LABOURNET.TV: Pariser Metro RATP: Arbeiter_innen im Schatten
„Seit dem 28. Mai streiken die U-Bahn-Reinigungskräfte der Firma Samsic, einem Subunternehmer des Metro-Betreibers RATP, für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne. Sie fordern eine Erhöhung des Grundlohns um drei Prozent, einen zweiten wöchentlichen Ruhetag (Fünf-Tage-Woche), eine Angleichung der Nachtschichtzulage und Neueinstellungen. Der Metrobetreiber lehnt jede Verantwortung für die Situation ab. Als die Streikenden am Sitz der RATP protestieren, stoßen sie auf Sicherheitsleute und werden als „Randalierer“ bezeichnet. (…) Die RATP lagert die Reinigung der Pariser Metro bereits seit mehr als zwanzig Jahren aus, die verschiedenen Subunternehmer sind offenkundig spezialisiert auf die Ausbeutung prekärer, mehrheitlich migrantischer Arbeiter_innen…“ Video bei labournet.tv (Französisch mit dt. Ut | 4 min | 2019)
Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged
Le point de rencontres de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi