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Nach der Wahlschlappe in Istanbul kommt der Prozess: Gezipark-Abrechnung als Demonstration des AKP-Regimes?

Dossier

Brutale Räumung des Gezi-Parks„… Während einige Istanbuler am Montag noch den Sieg des Oppositionskandidaten Ekrem İmamoğlu bei den Bürgermeisterwahlen feierten, wurde 70 Kilometer von der türkischen Metropole entfernt, im Hochsicherheitsgefängnis Silivri, der sogenannte Gezi-Prozess eröffnet. Den 16 Angeklagten wird vorgeworfen, vor sechs Jahren die Gezi-Park-Bewegung organisiert zu haben: Mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen. Zu ihnen gehören der Journalist Can Dündar, der Kulturmäzen Osman Kavala und die Architektin Mücella Yapıcı. Letztere war 2013 in dem Netzwerk »Taksim Solidarity« aktiv und stand deswegen 2015 schon einmal vor Gericht, sie wurde damals freigesprochen. Nun fordert die Staatsanwaltschaft für Yapıcı und die anderen 15 Angeklagten verschärfte lebenslange Haft, also mindestens 30 Jahre hinter Gittern. Zwei der Angeklagten, darunter Dündar, leben im Exil. Zwei weitere sitzen bereits im Gefängnis: der Soziologe Yiğit Aksakoğlu seit November 2018 und Osman Kavala bereits seit Oktober 2017.  (…) Der Sommer 2013 markierte den Beginn von Erdoğans großer Angst vor einem Machtverlust, mithilfe des nun eröffneten Prozesses in Silivri sollte die damalige Bewegung von der – nicht mehr unabhängigen – Justiz ein für alle mal als illegitim abgeurteilt werden…“ aus dem Beitrag „Eine Bewegung vor Gericht“ von Nelli Tügel am 24. Juni 2019 in neues deutschland online externer Link über den Prozessbeginn, die Bedeutung dieser Bewegung bis heute – und die in der Tat offene Frage der Reaktion des Regimes und Erdogans handverlesenen Richtern… Siehe zum Prozess:

  • Amnesty erkennt Osman Kavala und weitere im Gezi-Prozess Verurteilte als gewaltlose politische Gefangene an New
    Sieben Personen, die sich in der Türkei auf der Grundlage konstruierter Anklagen hinter Gittern befinden, werden heute von Amnesty International als gewaltlose politische Gefangene anerkannt. Vor zwei Monaten wurden die sechs Aktivist*innen und der bekannte Kulturförderer und Menschenrechtler Osman Kavala nach einem unfairen Wiederaufnahmeverfahren schuldig gesprochen. Zuvor hatte ein Berufungsgericht ihre Freisprüche gekippt. Anfang Juni veröffentlichte das Gericht sein „begründetes Urteil“, ohne darin allerdings die Gründe für seine Mehrheitsentscheidung anzuführen. „Diese sieben Personen werden als gewaltlose politische Gefangene anerkannt, um das von ihnen erfahrene Unrecht zu verdeutlichen – angefangen bei willkürlicher Inhaftierung und politisch motivierter Strafverfolgung bis hin zu einem Schauprozess und ihrer Verurteilung“, so Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin bei Amnesty International. „Das Unrecht, das diese sieben erfahren haben, steht emblematisch für dieselbe Erfahrung zahlreicher Menschen in der Türkei im Rahmen des scharfen staatlichen Vorgehens gegen die Menschenrechte.“ (…)“Jeder weitere Tag, den die sieben Menschenrechtler*innen hinter Gittern verbringen, ist ein Schlag ins Gesicht für die Konzepte der Gerechtigkeit und der Menschenrechte – Grundsätze, die der türkische Staat laut Eigenverpflichtung aufrechterhalten möchte und dennoch regelmäßig verletzt. Die im Gezi-Prozess Verurteilten sind gewaltlose politische Gefangene und müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden.“…“ Pressemitteilung vom 17. Juni 2022 externer Link mit Hintergrundinformationen
  • Urteil im Gezi-Fall: Verschärfte lebenslange Haftstrafe für Kavala; Yapıcı, Mater, Altınay, Özerden, Atalay, Kahraman, Ekmekçi wurden jeweils zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt 
    Osman Kavala wurde wegen des Versuchs, die Regierung zu stürzen, zu einer verschärften lebenslangen Haftstrafe verurteilt und vom Spionagevorwurf freigesprochen. Mücella Yapıcı, Çiğdem Mater, Hakan Altınay, Mine Özerden, Can Atalay, Tayfun Kahraman und Yiğit Ali Ekmekçi wurden jeweils zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Es wurde beschlossen, sie alle zu verhaften.
    Das Urteil wurde im Gezi-Fall verkündet, wo die AKP-Regierung das Gesetz in einen politischen Rachefall verwandelt hat, indem sie auf dem Gesetz herumgetrampelt hat. Osman Kavala wurde wegen des Versuchs, die Regierung zu stürzen, zu einer verschärften lebenslangen Haftstrafe verurteilt und vom Spionagevorwurf freigesprochen. Mücella Yapıcı, Çiğdem Mater, Hakan Altınay, Mine Özerden, Can Atalay, Tayfun Kahraman und Yiğit Ali Ekmekçi wurden jeweils zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Es wurde beschlossen, sie alle zu verhaften.
    Nach der Urteilsverkündung kehrte Mücella Yapıcı in den Gerichtssaal zurück und gab ein Siegeszeichen, während Can Atalay sagte, dass sie ins Silivri-Gefängnis gebracht würden und sagte: „Wir werden uns der Unterdrückung nicht beugen.“ Die Parolen „Überall Taksim, überall Widerstand“ wurden aus der Halle gehoben. Ein AKP-Vizekandidat im Gerichtsvorstand: Bei der Anhörung, in der das Urteil im Gezi-Prozess verkündet wird, in dem Osman Kavala, Mücella Yapıcı, Can Atalay, Tayfun Kahraman, Çiğdem Mater, Hakan Altınay, Mine Özerden und Yiğit Ali Ekmekçi vor Gericht stehen, hat Rechtsanwalt Evren İşler erklärt, dass Murat Bircan Aus dem Gerichtsvorstand ist ein Kandidat für den Bundestagskandidaten der AKP hervorgegangen. Der Antrag der Anwälte, sich aus der Akte zurückzuziehen, wurde nicht als „Versuch, den Fall zu verlängern“ akzeptiert…“ Maschinenübersetzung der (türk.) Meldung vom 25. April 2022 bei Sendika.org externer Link, bei Sendika viele weitere Berichte, auch auf Twitter externer Link und dort auch über Proteste auch am 26. April… Siehe zudem Berichte und Videos unter #DefendingGezi – die Proteste gehen weiter. Siehe auch:

    • [51 Festnahmen] Massenprotest gegen Gezi in Istanbul: Wir waren alle in Gezi, Gezi kann nicht verurteilt werden!
      Gegen die rechtswidrige Entscheidung im Fall Gezi wurde vor der Kammer der Maschinenbauingenieure in Istanbul protestiert. Hunderte Menschen beteiligten sich an der Aktion und versprachen, bis zur Freilassung der Gezi-Häftlinge zu kämpfen. Nach der Pressemitteilung wurden die Demonstranten, die mit Slogans in den Seitenstraßen spazieren gingen, von Zeit zu Zeit von der Polizei angegriffen. 51 Personen, darunter Journalisten, wurden festgenommen…“ türk. Bericht vom 26. April 2022 bei Sendika.org externer Link
    • Lebenslänglich für Osman Kavala. Türkische Justiz verurteilt den bekannten Kulturförderer und weitere Angeklagte zu langen Haftstrafen
      Am vergangenen Montag fiel im Istanbuler Çağlayan-Justizpalast das Urteil gegen acht Angeklagte im sogenannten Gezi-Prozess. Unter ihnen ist auch der bereits seit viereinhalb Jahren inhaftierte Kulturförderer Osman Kavala. Während Kavala zu lebenslänglicher Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt wurde, erhielten unter anderem die Architektin Mücella Yapıcı, der Anwalt Can Atalay, der Stadtplaner Tayfun Kahraman und die Filmemacherin Çiğdem Mater jeweils eine 18-jährige Haftstrafe. Ihnen wurde vorgeworfen, im Sommer 2013 während der Istanbuler Gezi-Proteste den Sturz der türkischen Regierung geplant zu haben. Die Haftstrafen wurden unmittelbar nach Urteilsverkündigung mit einem Arrestbeschluss eingeleitet. Die Entscheidung des Gerichts sorgte für Empörung im Gerichtssaal und darüber hinaus. Im Anschluss an die Presseerklärung vor dem Gericht, in der unter anderem Oppositionspolitiker von der prokurdischen HDP, der kemalistischen CHP und der Arbeiterpartei TİP die Inhaftierung verurteilten, fand eine Mahnwache statt. Daran beteiligten sich mehrere Hundert Menschen, die die politischen Forderungen der Gezi-Proteste verteidigten. Für Dienstagabend rief die Plattform »Taksim Solidarität« zu einer Kundgebung am Taksim-Platz auf. (…) Anwältin Evren İşler ging in ihrer Verteidigungsrede darauf ein, dass einer der zuständigen Richter sich bei den Wahlen 2018 als Kandidat für die AKP hatte aufstellen lassen und offen das von Erdoğan vorgeschlagene Präsidialsystem unterstützt. Gleichzeitig nimmt Erdoğan im Gezi-Prozess jedoch die Rolle des Geschädigten ein. Kavalas Anwalt Köksal Bayraktar sagte: »Ein Richter, dessen Verbindungen zu einem politischen Anführer ganz offen sind, darf nicht in solch einer entscheidenden Position sein. Das ist nichts, was man einfach so verdecken kann.« Der Antrag der Anwälte auf Ausschluss des Richters vom Gezi-Prozess wurde vom Gericht abgelehnt. (…) Die Gezi-Proteste haben eine ganze Generation politisiert. Diese und die ihr folgende Generation sind nun von der Wirtschaftskrise betroffen und haben Angst vor der Zukunft ihres Landes. Doch nicht alle jungen Leute verlassen die Türkei, sondern gerade die verarmten Bevölkerungsschichten tragen ihren Unmut gegen die AKP-Regierung zunehmend auf die Straße. Die Urteile im Gezi-Prozess sind eine Drohgebärde gegen genau diese Oppositionellen. Die Antwort darauf gab der verurteilte Anwalt Can Atalay unmittelbar nach der Urteilsverkündigung im Gerichtssaal: »Lasst euch gesagt sein, wir werden uns dieser Despotie nicht beugen, sondern dagegen kämpfen!«Artikel von Svenja Huck, Istanbul, vom 26.04.2022 beim ND online externer Link
    • Überall ist Taksim – Überall ist Widerstand! Wir verurteilen die Haftstrafen für die Gezi-Aktivist*innen!
      Wir, die Föderation Demokratischer Arbeitervereine, DIDF, verurteilen auf`s Schärfste das Urteil gegen Kavala und weiterern Aktivist*innen bei den Gezi-Protesten und fordern ihre sofortige Freilassung.
      Die Bilder vom Sommer 2013 aus der Türkei gingen um die ganze Welt! Es begann mit einem Kampf um den Erhalt eines Parks im Istanbuler Stadtzentrum und entwickelte sich zu einem wochenlang andauernden gemeinsamen politischen Protest für Frieden und Solidarität, den die Polizei oftmals gewalttätig zu stören versuchte und letztendlich brutal niederschlug. Protestierende waren den staatlichen Repressalien ausgesetzt und mussten teilweise mit ihrem Leben bezahlen. Die Gezi-Proteste in der Türkei stellten für viele nicht nur einen historischen Moment dar, sondern vor allem auch eine Zeit voller Hoffnung für Veränderungen und die Zukunft des Landes.
      Seitdem wurden Tausende Menschen angeklagt und verurteilt. Nun ging wohl das größte Verfahren zu Ende: Osman Kavala wurde zu lebenslänglich und u.a. Mücella Yapıcı, Çiğdem Mater, Hakan Altınay, Can Atalay, Mine Özerden, Yiğit Ali Ekmekçi, Tayfun Kahraman wurden zu 18 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil verdeutlicht, wie politisch gesteuert die türkische Justiz ist! Erdogan benutzt abermals die Justiz, um seine persönliche Rache gegen alle Mitwirkende der größten Protestbewegung während seiner Regierungszeit zu nehmen.
      Unser Verband protestiert vehement gegen dieses Urteil. Auch wenn so ein Ergebnis vorher schon zu erwarten war, ist unsere Empörung groß. Besonders der Prozess um den Fall Osman Kavala verdeutlicht, dass der Prozess keine Legitimation hatte. Kavala saß vier Jahre ohne Anklage im Gefängnis von Silivri. Er soll mit weiteren Angeklagten die Gezi-Proteste organisiert und finanziert haben, um einen Umsturz der Regierung herbeizuführen. Jedoch wurden von der Anklage keinerlei stichhaltige Beweise vorgelegt. Bereits 2020 hatte ein Gericht aus Mangel an Beweisen Kavala und acht weitere Angeklagte in einem anderen Prozess freigesprochen. Kavala musste anschließend aus der Haft entlassen werden und wurde wenige Stunden später erneut – nun wegen Spionage- und Putschplänen – festgenommen.
      Die Heuchelei der EU und Deutschlands
      Der Türkei droht nun der Ausschluss aus dem Europarat. Doch wie realistisch ist es, wenn das Europäische Menschengerichtshof bereits 2019 die umgehende Entlassung Kavalas gefordert hatte, die Türkei dem aber ohne Konsequenzen nicht nachkam? Es ist kaum eine Unterstützung von Deutschland und der EU zu erwarten, dies wurde bereits mehrmals demonstriert. Die deutsche Außenpolitik, die sich immer wieder Völker- und Menschenrechte auf die Fahne schreibt, verurteilt zwar das Urteil gegen Kavala, dennoch können wir sehr stark davon ausgehen, dass es bei Worten bleiben wird und keine Taten folgen werden. Immerhin ist es die Türkei, die die Festung Europa von Geflüchteten fernhält und die Ukraine mit Rüstungsgütern wie Drohnen beliefert.
      Solidarität ist gefordert!
      Wir fordern die Bundesregierung umgehend dazu auf, die Freilassung der politischen Gefangenen auszusprechen und die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei zu beenden. Sämtliche Deals und Vereinbarungen müssen umgehend eingefroren werden. Wir fordern die Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die DIDF wird sich immer dafür stark machen!“ Pressemitteilung vom 26.4.2022 von DIDF, Föderation demokratischer Arbeitervereine (per e-mail)
    • [Türkei] „Attentat auf die Menschenrechte“: Erschwerte lebenslange Haft für Osman Kavala
      „Der Kulturförderer Osman Kavala sitzt in Zusammenhang mit den Gezi-Protesten seit knapp viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft Im Prozess gegen den international bekannten, seit viereinhalb Jahren inhaftierten Kulturmäzen Osman Kavala und weitere sieben Vertreter der Taksim-Bürgerinitiative sind am Montagabend die wie befürchtet harten Urteile gefällt worden. Das Gericht in Istanbul verurteilte Osman Kavala zu erschwerter lebenslänglicher Haft, die anderen Angeklagten, darunter die 70-jährige Mücella Yapıcı, zu 18 Jahren Gefängnis. Wegen angeblicher Fluchtgefahr ließ das Gericht alle anwesenden Angeklagten noch im Gerichtsaal festnehmen und wie bereits Osman Kavala in Untersuchungshaft deportieren. Das Verfahren gilt als wichtigster politischer Prozess der letzten Jahre. Es ist eine politische Abrechnung mit den landesweiten Protesten gegen den damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die sich 2013 am Istanbuler Gezi-Park entzündet hatten. Aus den damals ursprünglich lokalen Demonstrationen gegen die Abholzung eines kleinen Parks im Zentrum von Istanbul – dem Gezi-Park – hatte sich wegen des völlig unverhältnismäßig harten Einschreitens der Polizei in wenigen Tagen eine landesweite Protestbewegung entwickelt, die sich gegen die immer repressivere Herrschaft Erdoğans insgesamt richtete. Während einige Minister damals mit den Protestierenden sprechen wollten, setzte Erdoğan eine harte Haltung durch und ließ die Proteste gewaltsam niederschlagen. (…) Beweise für den angeblichen versuchten Staatsstreich, der den Angeklagten vorgeworfen wird, hatte die Staatsanwaltschaft nicht. Auch für die angebliche Finanzierung und Steuerung der Proteste durch die Angeklagten – Kavala soll auch noch im Auftrag ausländischer Mächte gewirkt haben – gab es keinerlei Beweise. Es ging allein darum, Rache für die Proteste von 2013 zu nehmen. (…) Das Gericht, hatte Osman Kavala per Videozuschaltung aus der U-Haft in seiner letzten Stellungnahme gesagt, sei „kein legitimes Gericht“. Sollte er zu lebenslanger erschwerter Haft verurteilt werden, sei das „ein politisches Attentat auf mich durch Präsident Erdoğan unter Benutzung der Justiz“. Tatsächlich hatte einer der drei Richter es gewagt, ein Sondervotum abzugeben, und einen Freispruch wegen Mangels an Beweisen gefordert. (…) Nach der Urteilsverkündung gab es eine spontane Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude. Alle Beobachter des Prozesses kritisierten das Urteil als rein politisch motiviert. Von Amnesty International über Human Rights Watch bis zu den Regierungen der USA, Deutschlands und der EU-Kommission wurde das im Auftrag Erdoğans erfolgte Urteil scharf kritisiert. Kristian Brakel, Vertreter der Böll-Stiftung in Istanbul, sagte, das Urteil sei „ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die noch eine Resthoffnung auf den türkischen Rechtsstaat hatten“…“ Bericht von Jürgen Gottschlich aus Istanbul vom 25. April 2022 bei Der Standard online externer Link
    • Freiheit für Osman Kavala! Freiheit für politische Gefangene in der Türkei!
      Anlässlich der Skandal-Urteile gegen Osman Kavala und weitere Angeklagte im Gezi-Prozess in Istanbul appelliert das KulturForum gemeinsam mit Amnesty International, der Akademie der Künste, dem Börsenverein des deutschen Buchhandels, der Deutschen journalisten-Union in ver.di, PEN-Zentrum und weiteren demokratischen Organisationen erneut an die Bundesregierung, sich endlich eindeutig gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei auszusprechen…“ Pressemitteilung vom 26. April 2022 vom KulturForum Türkei Deutschland externer Link
  • [Türkei] Prozess wegen Gezi-Protesten: »Die Anklage ist absurd« – Çarşı-Verfahren von Gezi-Prozess abgetrennt
    • Prozess wegen Gezi-Protesten: »Die Anklage ist absurd«
      Der Anwalt und Aktivist Can Atalay im Interview von Svenja Huck vom 21. Februar 2022 in neues Deutschland online externer Link über die Gerichtsverfahren wegen der Gezi-Proteste in der Türkei: „… Uns wird vorgeworfen, während der Gezi-Proteste im Sommer 2013 versucht zu haben, die türkische Regierung zu stürzen. Davon wurden wir eigentlich vor zwei Jahren freigesprochen. Anschließend wurde die Anklage gegen die Fangruppe Çarşı des Istanbuler Fußballvereins Beşiktaş, die auch freigesprochen wurde, neu aufgerollt und mit unserer Anklage verbunden. Hinzu kommen Anklagen gegen Osman Kavala wegen angeblicher Agententätigkeit und Verstrickung in den Putschversuch vom 15. Juli 2016. Mücella Yapıcı, Osman Kavala und ich werden zudem angeklagt, die Gezi-Proteste finanziert zu haben. Absurd – Mücella und ich wohnen zur Miete! Wir haben uns von Anfang an dagegen gewehrt, dass öffentliche Plätze und das Stadtzentrum Istanbuls bebaut werden. Daraus entstand eine Volksbewegung. Das einzige, was wir gemacht haben, war, diese Forderung wiederzugeben. (…) In der Anklage wurde nicht einmal die Notwendigkeit von Beweisen gesehen. Und das schafft die Unsicherheit in diesem Prozess. Ich bin Anwalt. Die älteren Generationen haben uns immer gesagt, wenn es nichts Konkretes in einer Anklageschrift gibt, ist die Situation umso ernster. Für mich kann ich sagen: Alles, was sie über Gezi sagen, akzeptiere ich. Ich lasse es nicht zu, dass ein gesellschaftlicher Widerstand, an dem Millionen teilgenommen haben, diffamiert wird. Gezi ist eine der wichtigen Quellen der Hoffnung dieses Landes, wenn nicht sogar die wichtigste. (…) Denn Gezi war der Anfang des Prozesses, in dem die AKP Stück für Stück [die] Hegemonie verlor. Sie will Gezi als Komplott des Westens und von ausländischen Mächten gegen die Türkei darstellen. Auch geht es der Regierung darum, den Widerstand der Zivilgesellschaft, die keine eigenen Publikationskanäle hat, zu kriminalisieren und zum Schweigen zu bringen. Gezi ist auch ein Beispiel für den gesamten Nahen Osten und hat gezeigt, dass es Alternativen außerhalb islamistischer Politik gibt. (…) Aber ich erhoffe mir mehr Solidarität von der Linken und den demokratischen Kräften. Das geschieht vor allem durch Kämpfe gegen die populistischen und faschistischen Bewegungen. Diese haben auch Einfluss auf die Situation hier…“
    • Çarşı-Verfahren von Gezi-Prozess abgetrennt
      „Das Verfahren gegen 35 Mitglieder der Fußball-Ultragruppe Çarşı Beşiktaş ist vom Gezi-Prozess abgetrennt worden. Beide Klagen werden fortan wieder in getrennten Prozessen verhandelt, entschied die 13. Schwurgerichtskammer Istanbul am Montag nach entsprechenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der einzige inhaftierte Angeklagte im Gezi-Prozess, Philanthrop Osman Kavala, bleibt trotz drohender Sanktionen durch den Europarat in Untersuchungshaft. Kavala befindet sich seit 2017 im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri, ohne dass er in einem der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte für schuldig befunden wurde. Die türkische Justiz und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan werfen ihm vor, das Land destabilisieren zu wollen. Zunächst hatte es geheißen, der 64-Jährige habe 2013 die Gezi-Proteste federführend organisiert und sei 2016 am vermeintlichen Putschversuch beteiligt gewesen. Zuletzt warf man ihm Spionage vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kritisiert das Verfahren als politisch motiviert und hatte Ende 2019 Kavalas Freilassung angeordnet. Da die Türkei dem nicht nachgekommen ist, hat der Europarat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende der Ausschluss des Landes aus dem Europarat und andere Sanktionen wie der Verlust des Stimmrechts stehen könnten. Kavala nahm an der heutigen Gerichtsverhandlung wie erwartet nicht teil. Seine Ehefrau, die renommierte Akademikerin Ayşe Buğra, war anwesend. Auch mehrere Diplomat:innen, darunter aus Deutschland, Frankreich und den USA, sowie der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Türkei, Nacho Sánchez Amor, saßen im Gerichtssaal. „Es ist schwer zu verstehen, warum die Türkei den Anordnungen des Gerichtshofs nicht nachkommt, obwohl sie Teil dieser Gerichtsbarkeit ist“, sagte Sánchez Amor der Nachrichtenagentur AFP. Die türkische Regierung werde „den Konsequenzen nicht entgehen“. (…) In dem Prozess, der im Oktober vergangenen Jahres nach der Zusammenlegung des Gezi-Verfahrens mit einem eigentlich abgeschlossenen Verfahren gegen knapp drei Dutzend Çarşı-Ultras begann, waren bisher insgesamt 52 Personen angeklagt. Sie waren in erster Instanz zwar freigesprochen worden, ein Berufungsgericht hatte aber entschieden, das Verfahren wieder aufzurollen. Auch hier geht es um den Vorwurf eines Umsturzversuchs und Spionage im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten. Bei den Beschuldigten handelt es sich um prominente Persönlichkeiten, darunter die frühere Vorsitzende der Architektenkammer, Ayşe Mücella Yapıcı, Rechtsanwalt Can Atalay und der im deutschen Exil lebende Journalist Can Dündar. Die nächste Gerichtsanhörung ist für den 21. März angesetzt…“ Meldung vom 21. Februar 2022 bei ANF Deutsch externer Link
  • „Gezi-Prozess: „Ein spekulatives Fantasiegebilde““ am 24. Juni 2019 bei der ANF externer Link berichtet über die Stellungnahme des „Angeklagten“ Kavala zur Prozesseröffnung unter anderem: „… Im Gefängniskomplex Silivri findet heute der Prozess gegen 16 Aktivistinnen und Aktivisten des Gezi-Aufstands von 2013 statt. Den Angeklagten, darunter der Kulturmäzen Osman Kavala und der Journalist Can Dündar, wird ein Umsturzversuch vorgeworfen. Osman Kavala ist seit November 2017 in Haft, Yiğit Aksakoğlu seit November 2018. Sechs weitere Angeklagte, unter anderem Can Dündar und der Schauspieler Memet Ali Alabora, konnten sich nur durch die Flucht ins Ausland einer Inhaftierung entziehen. In der heutigen Verhandlung erklärte Kavala, die Anschuldigungen, wegen denen er seit zwanzig Monaten im Gefängnis ist, entbehrten jeglicher Grundlage und Logik. Die Anklageschrift basiere auf unbewiesenen Mutmaßungen. „Mit verdrehten Tatsachen ist ein spekulatives Fantasiegebilde entworfen worden“, so Kavala. „Ich habe mich bemüht, Projekte zu unterstützen, die dem Frieden, dem Dialog und der Versöhnung der gesellschaftlichen Gruppen untereinander dienen“, betonte Kavala und forderte seine Freilassung: „Ich erkläre hiermit, dass zwischen mir und Hunderttausenden Personen, die sich bei den Gezi-Vorfällen friedlich betätigt haben, kein Unterschied besteht. Ich fordere einen Freispruch und meine Freilassung.“…
  • „Kavala muss im Gefängnis bleiben“ am 25. Juni 2019 bei tagesschau.de externer Link meldet: „… Die Haft wird verlängert: Im Prozess gegen den türkischen Intellektuellen Kavala hat das Gericht den Antrag auf Entlassung abgelehnt. Das Verfahren wegen der Gezi-Park-Proteste soll Mitte Juli weitergehen. Der türkische Kulturmäzen und Bürgerrechtler Osman Kavala muss trotz internationaler Kritik im Gefängnis bleiben. Das Gericht am Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul, vor dem zurzeit gegen Kavala verhandelt wird, lehnte einen Antrag auf Entlassung ab. Kavala befindet sich seit mehr als anderthalb Jahren in Untersuchungshaft. Der ebenfalls angeklagte Aktivist Yigit Aksakoglu kommt nach rund sieben Monaten aus der U-Haft frei, darf das Land aber nicht verlassen. Er muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Der Prozess gegen Kavala, Aksakoglu und 14 weitere Personen wurde auf den 18. Juli vertagt. Das Verfahren hatte am Montag begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten einen „Versuch zum Sturz der Regierung“ vor. Nach der Freilassung von Aksakoglu ist Kavala der einzige Angeklagte in Haft…“
  • „Ernüchterung am Tag danach“ von Ulrich von Schwerin am 24. Juni 2019 beim Spiegel online externer Link zum Prozessbeginn am Tag nach der Siegesfeier: „… Während die CHP-Anhänger noch vom Sieg berauscht sind, beginnt im Gefängnis von Silivri am Westrand von Istanbul der Prozess gegen den Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala und 15 andere Vertreter der türkischen Zivilgesellschaft. Die Anklage: Versuch zum Sturz der Regierung bei den Gezi-Protesten vor sechs Jahren. Die Beweislage: dünn. Die Niederlage in Istanbul mag die Grenzen der Macht Erdogans gezeigt haben, mehr aber auch nicht. Der Präsident kontrolliert nicht nur die Regierung, das Parlament und den Großteil der Medien, sondern auch die Justiz. Der Prozess gegen den renommierten Unternehmer Kavala verdeutlicht einmal mehr, dass im Staate Erdogans niemand vor Verfolgung sicher ist. Auch wenn die Opposition diesmal aufatmen kann…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=150769
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