Der letzte NSU-Untersuchungsausschuss: Der Vorhang fällt – und alle Fragen bleiben offen?
„… „In keinem Bundesland gibt es so viele unterschiedliche Verbindungen des NSU-Trios wie nach Mecklenburg-Vorpommern.“ Das sagte die Rechtsanwältin Antonia von der Behrens jetzt im Landtag in Schwerin vor den Mitgliedern des dortigen Untersuchungsausschusses. Es existiere eine „Fülle“ von Informationen und Details. Kann sein, dass der Superlativ nicht ganz zutrifft, vielleicht wollte die politische Anwältin, die im Prozess in München eine Opferfamilie vertrat, die Abgeordneten vor allem motivieren, den ungeklärten Fragen auch in ihrem Bundesland nachzugehen. Und wo Parlamente noch Fragen haben, können die Antworten von Sicherheitsorganen und Justiz nicht ausreichend sein. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der fünfte Mord der Serie verübt. Zweieinhalb Jahre lang war das Töten ausgesetzt worden. 2001 wurden in Nürnberg, Hamburg und München gleich drei Migranten erschossen, zuletzt Ende August 2001. Warum die Pause, können die Ermittler nicht sagen. Am 25. Februar 2004 wurde in Rostock-Toitenwinkel der 26jährige Türke Mehmet Turgut erschossen. Die Tat unterscheidet sich von den anderen in mehrfacher Weise. Es war der einzige Mord in Ostdeutschland. Das Opfer, das in einem Imbissstand arbeitete, musste sich auf den Boden legen und wurde dann mit Schüssen in Nacken und Kopf getötet, wie bei einer Hinrichtung. Ein Anwalt der Nebenklage will nicht ausschließen, dass Beate Zschäpe dabei war und möglicherweise sogar selber geschossen hat. Bundesanwaltschaft und Gericht dagegen verneinen kategorisch eine direkte Beteiligung Zschäpes bei allen Taten. Die Konstellation ist für die Aufrechterhaltung ihrer Dreier-Kleinstzellen-Theorie notwendig, weil sonst die Person fehlt, die den Rückzug absicherte…“ – aus dem Beitrag „Der letzte NSU-Untersuchungsausschuss“ von Thomas Moser am 17. Juni 2019 bei telepolis über den Untersuchungsausschuss Nummer 13. Siehe dazu auch einen Beitrag zur Entwicklung in dem Jahr nach dem NSU-Urteil:
- „Tickende Zeitbomben“ von Rudolf Stumberger am 18. Juni 2019 in neues deutschland online zum Jahrestag des NSU-Urteils angesichts der Entwicklung der letzten Tage: „… Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse gewinnen die Warnungen, die Terrorismusforscher und Juristen am Dienstag in München aussprachen, zusätzliche Brisanz. Sie zogen ein Jahr nach dem Urteil im Münchener NSU-Prozess und dem Versprechen der Bundesanwaltschaft, die Ermittlungen weiterzuführen, Bilanz. Seit der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 sei die Zahl rechtsterroristischer Vorfälle gestiegen, sagte Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena bei einem Pressegespräch. Vor allem im Zusammenhang mit dem Zuzug Hunderttausender Geflüchteter 2015 habe es eine Verstärkung rechtsradikaler Tendenzen gegeben. Die Rechtsanwältin Antonia von der Behrens – sie hatte die Familie des NSU-Opfers Mehmet Kubasik vertreten – warnte vor einer ähnlichen Entwicklung wie in den 1990er Jahren, als der NSU entstand. Mitat Özdemir, ehemaliger Vorsitzender der Interessensgemeinschaft Keupstraße, sagte, bei der Bekämpfung des Rechtsterrorismus sei es fünf vor zwölf. In der Kölner Keupstraße waren durch ein Nagelbombenattentat des NSU vor 15 Jahren 22 Menschen verletzt worden. Zu dem Gespräch unter dem Titel »Ein Jahr nach dem NSU-Urteil: Wo stehen wir heute?« hatte der Mediendienst Integration eingeladen. Quent sagte, die historische Bedeutung des NSU-Prozesses sei zwar unstrittig. Aber viele Fragen seien unbeantwortet geblieben. So sei nicht geklärt, wie der NSU Tatorte und Opfer ausgewählt habe. Aktive des Unterstützernetzwerks seien nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Zudem habe der Prozess mit seinen milden Urteilen eine Signalwirkung in die rechte Szene gehabt. So werde Ralf Wohlleben in der Neonaziszene als Märtyrer verherrlicht. Der frühere Thüringer NPD-Funktionär war wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden…“