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Sudan

Zwei Tage Protest-Generalstreik ab Dienstag, 28. Mai im Sudan gegen einen Militärrat, der tut, als sei er eine Regierung – bürgerliche Opposition möchte nicht mit streiken

Zur Ikone der Bewegung im Sudan geworden: Der Zug aus Atbara bringt Demostranten nach KhartumDer sudanesische Militärrat beteuert zwar ständig seine Verhandlungsbereitschaft – offensichtlich nicht freiwillig – verhandelt aber nicht wirklich, sondern möchte möglichst viel Macht behalten. Dazu macht er auch – als sei er eine Regierung – massiv Außenpolitik. Die beiden obersten Vertreter dieses Gremiums gingen in diesen Tagen sogar auf zwei Auslandsreisen: Bei potenziellen (oder auch: tatsächlichen) Verbündeten für eine Militärdiktatur. Während eine Reise zum „Kollegen“ al Sisi nach Kairo ging (der viel Erfahrung darin hat, eine demokratische Bewegung und dann auch jede demokratische Regung in Blut zu ersticken), ging die andere nach Saudi Arabien, dessen Kronprinz viel Erfahrung darin hat, jeden Beginn einer demokratischen Regung mit Köpfen, Vierteilen und anderen Mordmethoden zu beenden. Dort maßte sich der sudanesische Besucher sogar an, Außenpolitik zu betreiben: Der Sudan werde auch weiterhin an der Seite Saudi Arabiens im Jemen kämpfen (Synonym für Schulkinder töten). Gegen diese Haltung hat die Koordination der sudanesischen Opposition ab Dienstag, 28. Mai 2019 zu einem zweitägigen Protest-Generalstreik aufgerufen – wogegen sich die bürgerliche, religiös orientierte Umma-Partei öffentlich aussprach und so erstmals eine Spaltungslinie in der gemeinsamen Oppositionsplattform deutlich machte. Siehe zur jüngsten Entwicklung im Sudan drei aktuelle Beiträge und einen Hintergrundbeitrag über die Zusammensetzung der Opposition:

  • „Wer ist die Opposition im Sudan?“ von Magdi El-Gizouli am 21. Mai 2019 bei analyse&kritik externer Link (Ausgabe Nummer 649) informiert unter anderem: „… Die sudanesischen Islamisten nutzten ihr Bündnis mit Nimeiry, um junge, gut ausgebildete Kader, meist aus den Provinzstädten, in staatlichen Institutionen zu platzieren, um sich auf den Griff nach der Macht vorzubereiten. Das Versprechen einer Islamischen Renaissance stattete diese ehrgeizige Mittelschicht mit einem neuen politischen Vokabular aus, mit dem sie gegen die herrschende Klasse agitierte. Schließlich eroberte die islamische Bewegung 1989 mit Hilfe des Militärs den Staat und errichtete eine religiös gefärbte Autokratie. Einmal an der Regierung, setzten die Islamisten genau jene »Reformen« um, die Nimeiry politisch nicht hatte durchsetzen können. Ihr Politikverständnis stimmte mit dem des neoliberalen Modells vollständig überein. Unter ihrer Herrschaft fungierte der Staat als Motor der Privatisierung und Liberalisierung, organisierte die Wirtschaftstätigkeit im Einklang mit den Interessen des Großkapitals, popularisierte eine Konsum- und Konkurrenzkultur, die wenige Gewinner*innen belohnte und die vielen Verlierer*innen durch eine Kombination aus Disziplinarmaßnahmen und roher Gewalt kontrollierte.  In den letzten 30 Jahren kam die Opposition gegen die Herrschaft der sudanesischen Islamisten entsprechend aus zwei Kreisen: der alten herrschenden Klasse (6), die durch die islamistische Übernahme des Staates entmachtet worden war, und den bewaffneten Bewegungen in den Randprovinzen des Sudans – Südkordofan, Blauer Nil und Darfur. Erstere verfolgte eine Politik der Rückkehr zum alten Modell oligarchischer Herrschaft, deren sozioökonomische Grundlagen aber längst erodiert sind. Die zweite versuchte wiederholt – erfolglos -, ein Bündnis der marginalisierten, nicht arabisch sprechenden Bevölkerungsgruppen des Sudans zu schmieden, um das System rassistischer und sozialer Privilegien zu beenden, das die Dominanz der Elite aus dem sudanesischen Kernland absichert. Die Antwort der Islamisten war eine weitgehend erfolgreiche Politik der Einbindung von Führungsfiguren der alten Establishmentparteien und aus den Provinzen in die herrschende Klasse. Die Regierung unterzeichnete mehrere Friedensabkommen mit Rebellengruppen aus Darfur, wie das Darfur-Friedensabkommen von 2006 und das Doha-Abkommen von 2011, und übergab Regierungsposten an Politiker aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Die Realpolitik des Überlebens gegen regionale und internationale Widerstände motivierte al-Baschirs Abkehr vom ideologischen Eifer der Islamischen Renaissance und seine Wende hin zu einem pragmatischeren, klientelistischen Regierungsstil. Um diesen Schritt abzusichern, schaffte er sich auch seinen alten Weggefährten Hassan al-Turabi, den erfahrenen Führer der islamischen Bewegung, vom Hals – und anschließend die meisten bedeutenden Politiker der Bewegung…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149390
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