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Millionen auf den Straßen Brasiliens am 15. Mai: Gegen die Kürzungspolitik der Rechtsregierung im Bildungshaushalt

Zusammenschau der Demonstrationen am 15.5.2019 gegen die Kürzungen der brasilianischen rechtsregierung im BildungswesenIn 170 Städten in ganz Brasilien haben sich am gestrigen Mittwoch mehrere Millionen Menschen dem ersten Generalstreik des Bildungssektors angeschlossen. Sie protestierten gegen die geplanten Kürzungen von 30 Prozent der Bundesmittel im gesamten Bildungsbereich. Diese treffen Institutionen der frühkindlichen Erziehung bis hin zu Universitäten. Landesweit folgten Professoren, Studenten, Lehrer des Primar- und Sekundarbereichs, Angestellte von Bildungseinrichtungen und Schüler dem Aufruf der Gewerkschaften. Vor allem die Mitglieder der staatlichen Universitäten gingen auf die Straße, um die öffentliche Bildung zu verteidigen. Aber auch private Schulen drückten ihre Kritik an den Streichungen aus und schlossen sich den Demonstrationen an. An 70 Universitäten, darunter auch viele renommierte, private Einrichtungen wie die Päpstliche Katholische Universität (PUC) oder die Mackenzie Hochschule, gab es Solidaritätsbekundungen und Proteste. Schließlich werden auch diese privaten Sekundar- und Hochschulen von der umfassenden Verschlechterung der Bildungslage, insbesondere in der Forschung betroffen sein. Direktoren dreier öffentlicher Universitäten im Bundesstaat São Paulo kritisierten die Kürzungen und forderten die akademischen Institutionen auf, während der Proteste statt Unterricht zu geben „Bildungsprobleme zu diskutieren“. Der Direktorenrat der staatlichen Universitäten von São Paulo (Cruesp) teilte mit, dass die Regierungsmaßnahmen ein „strategischer Fehler“ seien und Konsequenzen für die Entwicklung des Landes haben würden…“ – aus dem Bericht „Bildungsproteste in Brasilien gegen Bolsonaros Sparpolitik“ von Mareen Butter und Mario Schenk am 16. Mai 2019 bei amerika21.de externer Link, aus dem bereits sehr deutlich wird, dass sich sehr viel mehr Menschen an diesen Protesten, Aktionen und Streiks beteiligten, als die „üblichen Verdächtigen“. Siehe in unserem Überblick zu diesem Streik- und Protestag 15. Mai 2019 auch weitere aktuelle Berichte mit zahlreichen Fotos und Videos, die neben der riesigen Zahl an DemonstrantInnen auch immer wieder sichtbar machen, dass der Protest gegen dén Kahlschlag im Bildungswesen meist verbunden war mit dem Protest gegen den anstehenden Raubzug gegen die Renten – wie es auch im Sinne der verschiedenen Aufrufe zu diesem Tag war:

„Tsunami da educação para o Brasil e leva o povo às ruas“ zuletzt am 16. Mai 2019 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist ein – unvollständiger – Überblick über die Proteste in verschiedenster Form quer durch Brasilien. Neben den riesigen Massendemonstrationen in Rio de Janeiro, São Paulo und Belo Horizonte, die jeweils zwischen 150.000 und 250.000 Menschen mobilisierten, waren auch beispielsweise 60.000 in Belem, 50.000 in Salvador und Aracaju auf den Straßen. Bereits am Nachmittag des 15. Mai, als längst noch nicht alle Demonstrationen begonnen hatten, wurden offiziell rund 2 Millionen DemonstrantInnen gezählt, die Schätzungen am Abend reichten nochmals weit höher.

„Centenas de milhares marcham em SP contra os cortes à educação do governo Bolsonaro“ am 15. Mai 2019 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Demonstrationsbericht aus São Paulo, woran sich rund 250.000 Menschen beteiligten – versehen mit zahlreichen Videos und Fotos von der Aktion, die allesamt deutlich machen, welche riesige Menschenmassen durch die Straßen der größten Stadt Brasiliens zogen.

„Today, hundred thousands of people take to the streets across the country against cuts to public education and research and also against the pension reform“ am 15. Mai 2019 im Twitter-Kanal Ubique externer Link ist der Thread zu den Demonstrationen an diesem Tag, inklusive Videoberichten etwa aus Belo Horizonte, Recife und Campinas, sowie weiteren Orten quer durchs Land. Deutlich wird bei diesen Bildberichten auch die große Zahl von Plakaten, Transparenten etc., die sich sowohl gegen die Kürzungen im Bildungsbereich wendeten, als auch gegen die aktuell anstehende Rentenreform (wie Bolsonaro seinen rechten Raubzug gegen die Rentenversicherung nennen möchte)

„Tsunami für die Bildung“ von Niklas Franzen am 17. Mai 2019 in neues deutschland externer Link berichtet unter anderem über die Auseinandersetzung um die Proteste: „… Bildung ist ein Reizthema in Brasilien. Präsident Bolsonaro und sein Bildungsminister Abraham Weintraub hatten vergangene Woche verkündet, die Ausgaben für staatliche Universitäten um 30 Prozent zu kürzen. Viele interpretieren dies als einen »ideologischen Vergeltungsschlag«. So hetzen Regierungsvertreter*innen regelmäßig gegen eine angebliche marxistische Hegemonie an den Universitäten. Auch staatliche Schulen sollen von der Sparpolitik betroffen sein, ebenso Stipendienprogramme, von denen gerade marginalisierte Bevölkerungsgruppen profitieren. Die Kürzungspläne sind somit auch ein direkter Angriff auf die Armen. Regierungsvertreter*innen hatten sogar ganz offen erklärt, dass Bildungseinrichtungen in Zukunft wieder einer »intellektuellen Elite« vorbehalten sein sollen. Und wie reagierte Bolsonaro auf die Proteste? Der beschimpfte die Demonstrant*innen in verschwörungstheoretischer Manier als »nützliche Idioten«, die von einer Minderheit gesteuert seien. Zuvor hatten Rechte massenhaft Whatsapp-Nachrichten verschickt, in denen staatlichen Universitäten diffamiert wurden. Diese Reaktionen zeugen vor allem von einer Verängstigung über die aufflammenden Bildungsproteste. Studien zeigen, dass eine große Mehrheit der Brasilianer*innen die Anliegen der Demonstrant*innen unterstützt…“

„Eine Masse „nützlicher Idioten“ von Sunny Riedel am 16. Mai 2019 in der taz online externer Link hebt unter anderem die Versuche der Gegenmobilisierung Bolsonaros hervor: „… Es sind die ersten großen Proteste gegen Präsident Jair Bolsonaro seit seinem Amtsantritt vor erst viereinhalb Monaten. In 160 Städten in Brasilien gingen am Mittwoch Hunderttausende Studierende, Professor*innen, Anhänger*innen von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf die Straße, um gegen Kürzungen im Bildungsbereich zu protestieren. Zudem forderten sie die Autonomie von Forschung und Lehre, sprachen sich gegen das Projekt der „escola sem partido“ (parteilose Schule) aus, mit der die rechtsextreme Regierung eine „politische Indoktrination“ und Vermittlung einer sogenannten Genderideologie verhindern will. Und sie kritisierten die geplante Rentenreform, das derzeit größte Projekt der Regierung. (…) Auch andere Äußerungen legen nahe, dass mit den Kürzungen Regierungsgegner getroffen werden sollen. Carlos Jordy, Abgeordneter der Bolsonaro-Partei PSL von Rio de Janeiro, twitterte: „Heute stehe ich mit Abraham Weintraub zusammen, um ihn zu unterstützen an diesem Tag der Schlacht gegen das Böse.“ Die Proteste, die von Reportern der Zeitung Folha de São Paulo als vielfältig und relativ spontan bezeichnet wurden, hatten auch Kritiken hervorgerufen. Auf den Demonstrationsveranstaltungen waren zahlreiche Fahnen der Landlosenbewegung MST sowie Forderungen nach der Freilassung von Ex-Präsident Lula da Silva zu sehen. Auf Twitter legten User*innen nahe, viele davon aus dem rechten Spektrum, dass es in Wirklichkeit nicht um die Bildung gehe, sondern einfach gegen Bolsonaro und für Lula. Viele zitierten die Worte Bolsonaros, sie seien „nützliche Idioten“…

„Gegen Bolsonaros Kürzungen“ am 17. Mai 2019 in der jungen welt externer Link meldet außerdem noch: „… In Porto Alegre, der Hauptstadt Brasília und in Rio de Janeiro (siehe Bild) kam es während der stundenlangen Proteste am Mittwoch (Ortszeit) zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, wie das Portal Uol berichtete. Die Beamten setzten Tränengas ein, um die Menschenmenge aufzulösen. Verletzt worden sei aber niemand“.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148908
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