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Die angekündigte Katastrophe: Lukrativ sollte die Mine San José sein – auf Kosten der Sicherheit
Dossier
- Ein Jahr nach dem Minenunglück in Chile: Gefangen in der Grube
Wiedergeboren, um am Leben zu verzweifeln: Man feierte sie als Helden, bejubelte ihre Rettung und schmückte sich mit ihnen – heute haben die 33 chilenischen Kumpel der Mine San José mit neuen Problemen zu kämpfen. Eine Reportage von Peter Burghardt , Copiapó, in der Süddeutschen Zeitung vom 09.10.20 - Nachbetrachtung eines Wunders
Nach der totalen Show, bei der sich selbst private Fernsehsender plötzlich für Bergleute interessierten – für ihre Rettung, keineswegs für die vielen anderen, die gestorben sind, auch in Chile – ist wieder Stille eingekehrt. Dan Morgan hat einen Überblick über die Vorgeschichte der Mine, den chilenischen Bergbau und die Siituation der Gewerkschaftsbewegung verfasst „A view from Chile“ , publiziert am 15. Oktober 2010. - Chiles Minenarbeiter drängen auf mehr Sicherheit
„Während die Zukunft der aus der chilenischen Mine San José geretteten 33 Minenarbeiter durch private Schenkungen und Vertragsangebote für Fernsehauftritte und Autobiografien gesichert sein sollte, stehen die restlichen 500 Arbeiter der geschlossenen Mine San José nun auf der Straße. Die Solidarität der Geretteten und ihrer Angehörigen gilt den Kollegen ohne mediale Verkaufbarkeit: »Wir sind sehr besorgt, was nun mit diesen Arbeitern geschieht«, sagt Angélica Álvarez, Ehefrau des Bergmanns Edison Peña, der zwei Monate eingeschlossen unter der Erde verbrachte. Wie in den meisten Bergarbeiterfamilien arbeiteten mehrere ihrer Angehörigen in der Mine. »Während alle Welt auf das Schicksal der 33 schaute, sind die übrigen Arbeiter schlichtweg vergessen worden. Das Dringendste ist, dass den Männern die ihnen zustehende Abfindung ausgezahlt wird. Genauso gravierend ist aber auch, dass fast niemand der Bergleute Arbeitsunterlagen besitzt, die ihre Erfahrungen belegen und mit denen sie sich anderswo vorstellen könnten. Auch wenn die Unglücksmine San José nun geschlossen ist, müssen sie in eine risikoreiche Arbeitswelt zurückkehren«, betont Álvarez...“ Artikel von Kathrin Zeiske, San José im Neues Deutschland vom 25.10.2010 - 33 sind gerettet. 31 sind gestorben: „Es muss sich viel ändern in Chile“
„Es muss sich viel ändern in Chile“ – das waren die Worte des Mannes, der als Zweiter der 33 geretteten Bergleute wieder hochkam, Mario Sepulveda Espinace, oft als Sprecher der Eingeschlossenen bezeichnet. Bei aller Freude vergass der Mann die Hintergründe des Unglücks nicht. Und wenn ein weltweiter Medienrummel um die Rettung der Verschütteten dazu führen sollte, dass auch das eine oder andere Mal weiter geschaut werden sollte, dann hätte es in diesem Falle sogar einmal etwas gutes gehabt – trotz aller Bühne für die Profilierungsversuche keineswegs nur des Präsidenten. Dessen Engagement für die Bergarbeiter geht jedenfalls noch nicht einmal so weit, dass Chile bisher die Konvention 176 der Internationalen Arbeitsagentur unterzeichnet hätte, die Sicherheit im Bergbau bringen soll. Was auf der anderen Seite direkt bedeutet: Über die Freude der Rettung kann nicht vergessen werden, dass in diesem Jahr in Chile 31 Bergleute bei kleineren Unfällen starben, was keinerlei internationale Schlagzeilen hervorrief. Dass keineswegs „alle an einem Strang ziehen“ macht auch die nicht sehr oft berichtete Tatsache deutlich, dass 27 der 33 betroffenen Familien Klagen gegen das Unternehmen angestrengt haben, wegen Sicherheitsverstößen. Die Zeche war von den Behörden bis Mitte 2009 vorübergehend geschlossen worden, eben weil für den Weiterbetrieb zuerst Sicherheitsauflagen erfüllt werden mussten – allerdings erhielt das Unternehmen die Erlaubnis, den Grundbetrieb mit Subunternehmen aufrecht zu erhalten…Unsere kleine aktuelle Materialsammlung „Das Wunder und der Alltag“ vom 15. Oktober 2010. - Die angekündigte Katastrophe: Lukrativ sollte die Mine San José sein – auf Kosten der Sicherheit
Elf Jahre lang warnte der Gewerkschafter Javier Castillo vor einem Unglück in der chilenischen Kupfermine San José – vergeblich. Seit mehreren Wochen warten 33 Kumpels, verschüttet in tief liegenden Stollen, auf ihre Befreiung. Artikel von Gerhard Dilger im Neues Deutschland vom 14.09.2010 . Aus dem Text: „»Überraschend ist das nicht gekommen«, sagt Javier Castillo, der rührige Gewerkschaftssekretär im chilenischen Kupfer- und Goldbergwerk San José. Am Telefon schildert der 42-jährige Bergmann, warum 33 seiner Kollegen seit dem 5. August in 688 Meter Tiefe »eingesperrt sind, ohne dass sie ein Verbrechen begangen haben«. (…) Für das Desaster macht Castillo die neoliberale Öffnung Chiles verantwortlich, die in den 70er Jahren unter der Pinochet-Diktatur eingeleitet wurde. Nach der Diktatur (1973 bis 1990) wurde sie fortgesetzt, der rechte Milliardär Piñera forciert sie. In den nun flugs gegründeten Reformkommissionen sitzen keine Gewerkschafter. »Nennenswerte Abgaben, Steuern oder strenge Sicherheitsvorschriften wie in Kanada oder Australien, das gibt es hier nicht. Hier steht alles unter der unternehmerfreundlichen Logik der Pinochet-Verfassung von 1980«, sagt Castillo. Darin sei von »Arbeitsfreiheit« statt vom »Recht auf Arbeit« die Rede. »Das bedeutet: Wenn dir die Sicherheitsbedingungen nicht passen, bist du frei, dir einen anderen Job zu suchen.« Die Gewerkschaftsarbeit wird systematisch behindert – auch von der Firma San Esteban. »Selbst heute noch erschwert man mit bürokratischen Schikanen den Zutritt zum Camp.« Von den 33 Verschütteten sind nur 12 organisiert. Insgesamt arbeiteten bis zum Unfall 150 Festangestellte in der Mine, 75 davon sind in der Gewerkschaft – »Aber die meisten erst seit Juli, nach dem Unfall von Gino.«…“