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Hunderttausende auf Algeriens Straßen: Weg mit Bouteflika! Unabhängige Gewerkschaften in der ersten Reihe gegen das Projekt „5. Mandat“
„Nach den landesweiten Massendemonstrationen am Freitag kann seine Kandidatur bei der im April geplanten Präsidentschaftswahl keine Option mehr sein für das Regime, das trotz achttägiger Proteste bisher eisern an dem 81jährigen festhält. Die mit Spannung erwarteten Demonstrationen gegen eine weitere Amtszeit des seit 1999 amtierenden Bouteflika haben sämtliche Hoffnungen der überwiegend jungen algerischen Bevölkerung um Längen übertroffen. Allein in der Hauptstadt zogen hunderttausende Menschen durch die Straßen und forderten lauthals den bedingungslosen Rückzug Bouteflikas von seiner Kandidatur für ein fünftes Mandat, aber auch einen grundsätzlichen Systemwechsel. „Wir wollen eine zweite Republik“, sagt der pensionierte Banker Karim auf dem Höhepunkt der Massenproteste vor der Grande Poste im Herzen Algiers gegenüber der taz. „Bouteflika und sein Mafia-Clan rauben das Land seit 60 Jahren aus, das ist doch nicht normal“, so der Mitfünfziger. (…) Innerhalb weniger Minuten dreht sich die Stimmung. Allein an der Grande Poste versammeln sich binnen Minuten mehrere tausend Menschen, ziehen in Richtung Place Audin und skandieren Parolen wie „Hau ab Bouteflika“, „Das Volk und die Armee sind Brüder“ oder „Wir wollen weder Bouteflika noch Said“ – eine Anspielung an den im Hintergrund agierenden jüngeren Bruder des Präsidenten…“ – aus dem Bericht „Gegen den ewigen Präsidenten“ von Philipp Sofian Naceur am 01. März 2019 in der taz über die Freitagsproteste in Algier, die nochmals ein Vielfaches an Menschen mobilisierten, als in den Tagen zuvor und auch am Freitag zuvor… Siehe zu den Protesten in Algerien eine aktuelle Materialsammlung, inklusive einiger Beiträge zu den sozialen Ursachen der aktuellen Krise, einer Videosammlung zu den Protesten in Algier vom 1. März 2019 und Materialien zur Rolle der unabhängigen Gewerkschaften in Algerien – mit einem Update vom 04. März zu neuen Protesten am Sonntag – vor und nach der Bekanntgabe der erneuten Kandidatur Bouteflikas unter polizeilichem Belagerungszustand:
„Des centaines de milliers de manifestants dans la rue à Alger“ am 01. März 2019 bei Liberté Algerie ist eine ausführliche Tageschronologie vom Freitag, versehen mit zahlreichen kurzen Videoberichten. Daraus wird deutlich, dass es in der Tat Unmengen von Menschen waren, die da gegen das „5. Mandat“ des Präsidenten protestierten, während in europäischen Medien meist nur „Tausende“ berichtet werden. Deutlich wird auch, dass die Großdemonstration in Algier eher den Charakter eines Familienausfluges hatte – zumindest in weiten Teilen der Videoberichte sind immer wieder Kinder mit ihren Eltern zu sehen. Was auch dazu führte, dass ein besonders häufig betrachteter Kurzbericht zeigt, wie ein Polizeioffizier „seine Leute“ anschreit, weil sie keine Anstalten machen, seinem Befehl zu folgen und auf die Menschen einzuprügeln…
„In Wut vereint“ am 02. März 2019 in der tagesschau meldet zu durchgeführten Polizeieinsätzen unter anderem: „In Algerien haben erneut Zehntausende Menschen gegen die nächste Kandidatur von Präsident Abdelaziz Bouteflika protestiert. In der Hauptstadt Algier kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Polizei setzte an mehreren Stellen in der Stadt Tränengas ein, um die Menschen zurückzudrängen. In der Innenstadt blockierten Sondereinsatzkräfte einen Protestmarsch. Demonstranten seien daran gehindert worden, den Sitz der Regierung zu erstürmen, teilten die Behörden mit. Während eines Demonstrationszugs zum Präsidentenpalast kam es zu Zusammenstößen. Mehrere Autos wurden beschädigt und Schaufenster von Geschäften zerstört. Auch ein kleiner Brand wurde gemeldet. Die Demonstranten schwenkten algerische Flaggen und riefen nach Angaben von Reportern Slogans wie „Mörderregime“ oder „Das Volk fordert den Sturz des Regimes“…“
„Bouteflika, le peuple a décidé: dégagez!“ am 23. Februar 2019 bei Algérie Résistance war ein Bericht über die Demonstrationen am Freitag der Vorwoche, der bereits die Teilnahmezahlen jenes Tages als Entscheidung gegen Bouteflika bewertete und den 22. Februar als historischen Tag unterstrich.
„Des journalistes arrêtés en Algérie lors d’un rassemblement contre la censure“ am 28. Februar 2019 bei Assawra ist eine Meldung über einen Protest von Journalisten gegen die Zensur am Vortag der neuerlichen Großdemonstration – bei dem abermals Festnahmen stattfanden, wie schon in den Tagen zuvor. Sowohl die öffentlichen Medien, als auch die privaten Medienunternehmen – durchweg im Besitz von Unternehmern, die der Regierung (sehr) nahe stehen – hatten faktisch ihren Beschäftigten den Befehl erteilt, nicht über die Proteste zu berichten, was auf wachsenden Widerstand stieß, wie auch dieser Protest und eben die vorhergehenden Festnahmen zeigten.
„Algérie: chômage, crise du logement, les jeunes des cités populaires dénoncent „l’injustice““ am 01. März 2019 ebenfalls bei Assawra ist ein Beitrag über das Leben – und damit über die Gründe, sich an den Protesten zu beteiligen – der jungen Einwohner der Hauptstadt, wo Erwerbslosigkeit und Wohnungsnot den Alltag prägen. Über 50% der Menschen in Algerien sind unter 30 Jahre alt – und viele von ihnen leben mit ihren Familien notgedrungen bei der Restfamilie, mit 15 und mehr Menschen in drei Zimmern, in Siedlungen ohne Infrastruktur. Ihre Versuche, sich irgendwie durchzuschlagen – im Bericht am Beispiel selbsternannter „Parkwächter“ für die PKW der Innenstadt – werden vom Regime mit Polizei und Justiz verfolgt.
„From the War of National Liberation to Gentrification“ von Robert P. Parks am 08. Oktober 2018 bei Merip ist ein Beitrag, der sich mit der Entstehung der seit langen Jahren bestehenden Wohnungsnot befasst und mit der Reaktion der Herrschenden darauf, eine Politik der Gentrifizierung umzusetzen, mit der das Leben eines kleineren Teils der Gesellschaft verbessert werden solle.
„Contestation sociale, une explication au désarroi des jeunes“ am 28. Februar 2019 bei El Acil ist ein Beitrag, der die Ankündigungen des Premierministers, man werde ein Reformprogramm beginnen, als leere Versprechungen bewertet, die nun auch keinen Sinn mehr mache, nachdem es 40 Jahre lang bei eben solchen Ankündigungen geblieben sei. Die landesweit in den letzten Monaten sich verstärkenden sozialen Proteste, die sich mit der Ankündigung der abermaligen Kandidatur Bouteflikas lediglich verstärkt hätten, seien Indiz genug dafür, dass es einen grundlegenden Wandel geben müsse…
„Algérie: la crise du régime Bouteflika s’approfondit“ am 09. Dezember 2018 bei Europe Solidaire dokumentiert, war eine Stellungnahme der PST (trotzkistisch orientiert), eine der größeren linken Organisationen des Landes. Die Krise des Systems mache sich nicht an der Person des Präsidenten fest, sondern daran, dass die Machthabenden, ebenso wie die bürgerlich-neoliberale Opposition, einen autoritären Staat bräuchten, um ihre Interessen durchsetzen zu können. Was angesichts wachsender Proteste auch nicht mehr so ohne Weiteres vom staatstragenden Gewerkschaftsverband UGTA unterstützt werden könne. Hier müssten die unabhängigen Gewerkschaften, wie sie teilweise in der CGTA zusammen geschlossen seien, eine entscheidende Rolle spielen.
„Le PST appelle à une grève générale pour contraindre le pouvoir à abandonner son projet de 5e mandat“ am 26. Februar 2019 bei Le Matin d‘Algérie berichtet vom Aufruf der PST zum Generalstreik gegen das Projekt „5. Mandat“ – ein Aufruf, dies wird in dem Beitrag ausführlich dargelegt, der beschlossen wurde, nachdem es zahlreiche Proteste im Gewerkschaftsbund UGTA gab, in denen Gewerkschaftsmitglieder sich weigerten, für die vorbereiteten Unterstützungsresolutionen für das 5. Mandat zu stimmen – oder sich gleich weigerten, mit dem eigens erschienenen Gewerkschaftsvorsitzenden zu reden, sondern massenhaft Versammlungen verließen.
„Gewerkschaften fordern Regierung heraus“von Sofian Philipp Naceur am 28. Februar 2018 bei Qantara.de war vor einem Jahr ein Beitrag über die Streikwelle der unabhängigen Gewerkschaften vor allem im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen. Zu den sozialen Protesten – die seitdem immer weiter fortgesetzt wurden und sich übers Land und verschiedene Bevölkerungskreise ausbreiteten – wurde damals unter anderem festgehalten: „Die Zeiten, in denen sich Algeriens Regierung mit Hilfe der milliardenschweren Erlöse aus dem Öl- und Gasexport einen fragilen sozialen Frieden erkaufen konnte, sind vorerst wohl vorbei. Denn angesichts der Talfahrt der Weltmarktpreise für Erdöl und Erdgas haben sich Algeriens Staatshaushalt und die Währungsreserven seit 2014 fast halbiert. Hohe Arbeitslosigkeit, steigende Inflation, der Wertverfall des algerischen Dinar sowie Engpässe bei der Versorgung mit importierten Grundnahrungsmitteln stellen weite Teile der Bevölkerung inzwischen vor ernsthafte Probleme. Denn der Staat hat keine Mittel mehr, um die strukturellen Verwerfungen der algerischen Volkswirtschaft durch Subventionen und andere Transferleistungen aufzufangen. Während Ahmed Ouyahia, Premierminister und Vorsitzender der Regierungspartei „Rassemblement National Démocratique“ (RND), mit Verweis auf den klammen Staatshaushalt beschwichtigt und mit populistischer Stimmungsmache gegen afrikanische Einwanderer von eigenen Verfehlungen abzulenken versucht, verlieren Algeriens Arbeitnehmer zunehmend die Geduld. Unabhängige Gewerkschaften machen bereits seit zwei Jahren mobil gegen die Arbeits- und Sozialpolitik der Regierung, beschränkten sich aber zunächst auf verhaltene Proteste und Warnstreiks. Doch seit November 2017 gehen unzählige unabhängige Berufsverbände im öffentlichen Dienst zunehmend auf Konfrontationskurs zur Regierung. Neben der staatlichen Fluggesellschaft Air Algérie, öffentlicher Nahverkehrsbetriebe und der Post waren zuletzt auch staatseigene Elektrizitäts- und Gasunternehmen von Warnstreiks und Protesten betroffen. Sogar pensionierte Armeeangehörige zogen im vergangenen Januar auf die Straße, um ihrer Forderung nach einer inflationsbedingten Rentenanpassung Nachdruck zu verleihen…“
„Algérie: «Pouvoir dégage!»“ am 28. Februar 2019 beim Alternativen Gewerkschaftlichen Netzwerk für Solidarität und Kampf (dem auch LabourNet Germany angehört) ist einerseits eine Unterstützungserklärung für die Massenproteste in Algerien, andererseits auch insbesondere eine Unterstützung für die aktuelle Politik der unabhängigen Gewerkschaften im Land, die zum Freitag 1. März eine massive Mobilisierungskampagne organisiert haben, unter der Losung, es gehe nicht um einen Präsidentenwechsel, sondern um einen Systemwechsel zu sozialen und demokratischen Strukturen in Algerien.
Update vom 04. März 2019: Die Proteste gehen weiter – gegen das „System“
„Algeriens Präsident kandidiert wieder und kündigt Rückzug an“ am 03. März 2019 ist eine abendliche dpa-Meldung (hier bei der SZ Online), in der es unter anderem heißt: „Algeriens amtierender Präsident Abdelaziz Bouteflika kandidiert trotz der massiven Proteste gegen ihn in den vergangenen Tagen erneut für das höchste Staatsamt. In einer am Sonntagabend veröffentlichten Nachricht überraschte Bouteflika allerdings und kündigte im Fall seiner Wiederwahl seinen Rückzug an. Er werde nicht die gesamte Amtszeit regieren, sondern es werde vorgezogene Neuwahlen geben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur APS. Bei einer solchen Wahl werde er selbst nicht mehr antreten. Zugleich kündigte er eine Nationalkonferenz an, bei der über politische, wirtschaftliche und soziale Reformen diskutiert werden soll. (…) In zahlreichen Städten Algeriens waren schon am Sonntagmorgen erneut Zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen eine fünfte Amtszeit und für demokratische Reformen zu demonstrieren. Die Polizei setzte am abgeriegelten Sitz des algerischen Verfassungsrates nach Augenzeugenberichten Tränengas und Waffenwerfer gegen die Menge ein. Dort mussten die Kandidaten ihre Unterlagen einreichen. In großen Teilen der Hauptstadt Algier blieb es den Tag über friedlich. Auch in weiteren größeren Städten des Landes zogen die Menschen friedlich durch die Straßen. „Bouteflika und Dein Clan: Verschwindet!“, riefen Demonstranten. Kritiker sehen in Bouteflika eine Marionette von Militärs, Familienclans und der einflussreichen Wirtschaftselite des Landes…“