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Paris: Viertes Protestwochenende in Folge
„Einige persönliche Beobachtungen und solche politischer Art – Rekordzahl an Festnahmen – Sachschäden fallen trotzdem höher aus als am Samstag zuvor – Emmanuel Macron empfängt „Sozialpartner“ und wird am Abend quasseln
Paris am Wochenende. Ein angespannter Samstag zeichnet sich ab, nachdem die Regierung im Vorfeld so gut wie Alles daran setzte, zu dramatisieren, bevor die Protestbewegung der „Gelben Westen“ zum „Akt Vier“ ihrer Mobilisierung (nach dem 17. November, 24. November und 1. Dezember 18) zusammenkommen konnte…“ Artikel und einige Bilder von Bernard Schmid vom 10.12.2018 – wir danken!
Paris: Viertes Protestwochenende in Folge
Einige persönliche Beobachtungen und solche politischer Art – Rekordzahl an Festnahmen – Sachschäden fallen trotzdem höher aus als am Samstag zuvor – Emmanuel Macron empfängt „Sozialpartner“ und wird am Abend quasseln
Paris am Wochenende. Ein angespannter Samstag zeichnet sich ab, nachdem die Regierung im Vorfeld so gut wie Alles daran setzte, zu dramatisieren, bevor die Protestbewegung der „Gelben Westen“ zum „Akt Vier“ ihrer Mobilisierung (nach dem 17. November, 24. November und 1. Dezember 18) zusammenkommen konnte.
Eigene Beobachtungen
Ausnahmsweise – wirklich ausnahmsweise – stimmt es sogar, dass der Autor die Ereignisse anfänglich vom Schreibtisch aus beobachtet. Das tut er in aller Regel nicht, auch wenn dies von einem Vertreter der „Hauptsache Bewegung-und-bloß-keine-lästige-Kritik“-Fraktion so behauptet oder jedenfalls suggeriert wird. (Vgl.: https://www.heise.de/tp/features/Gelbwesten-machen-Grenzen-zu-Frankreich-dicht-4246007.html – Zitat unter Bezugnahme auf den Verf. dieser Zeilen: „Hier gab es an keiner Blockade fremdenfeindliche Verbalattacken oder Angriffe, die bisweilen angeführt werden, wo vom Schreibtisch aus auch festgestellt wird, dass in dieser Revolte keine „solidarische Perspektive“ liegen soll.“ Höhö, selten so gelacht: Als ob der Autor dieser Zeilen auch nur eine soziale Bewegung der letzten 25 Jahre vom Schreibtisch aus wahrgenommen hätte… Sicherlich muss inhaltlich über die ursprüngliche Feststellung eines mehr oder minder nicht-fortschrittlichen Gesamtcharakters dieser Bewegung diskutiert werden. Die objektive Realität hat sich seit den ersten Regungen der „Gelben Westen“ im November d.J. gewandelt, einige Fronten haben sich beträchtlich verschoben! Alles in Allem haben wir es heute mit einer Patchwork-Bewegung mit progressiven, aber auch deutlich reaktionären Elemente, die bislang nebeneinander stehen, zu tun.)
An diesem Samstag allerdings sitzt der Verfasser dieser Zeilen um 12.05 Uhr tatsächlich hinter seinem Schreibtisch; und zwar in seiner Kanzlei, unter einer Zeichnung, die einen erdolchten Code du travail (französisches Arbeitsgesetzbuch) zeigt, unter Bezugnahme auf „Reformen“ in den Jahren 2016 und 2017. Zwischen 12 Uhr und 13.30 Uhr will der Verf. dort zwei Mandaten im Arbeits- und Ausländerrecht empfangen, bevor er danach – tatsächlich in eigener Person – zur Demo abrücken will, bzw. zu einer der Demos, die zu dem Zeitpunkt weitgehend parallel zueinander stattfinden. Der Termin zieht sich etwas hinaus. Daraufhin kommt um kurz vor 14 Uhr… die Demo zum Verfasser. Unter dem Fenster unserer Kanzlei wird es plötzlich zunehmend laut. Demonstrant/inn/engruppen in, gelben Westen ziehen vorbei, erst in lockeren Pulks, dann dicht gedrängt. Einigen tragen auch Gewerkschaftsfahnen, was in der „Gelbe Westen“-Bewegung bislang unüblich war; es lönnte sich um die 13 Uhr-Demo handeln, zu der Teile der CGT vor dem Pariser Rathaus aufgerufen hatten. Andererseits kamen mir schon am Vormittag von der anderen (nördlich gelegenen) Seite her, vom Ostbahnhof her, diverse Protestgruppen bis hierher entgegen. Überall an diesem Tag wird in Paris an unterschiedlichen Punkten demonstriert, dort, wo Leute sich gerade zusammenfinden. Es wird ja im Zuge dieser Bewegung generell ohne behördliche Anmeldung protestiert, im Unterschied zu den allermeisten klassischen Gewerkschaftsdemonstrationen.
Nach einigen Minuten rücken Polizeifahrzeuge um die Ecke, dann noch mal Polizeifahrzeuge, kurz darauf dann Panzerfahrzeuge. Drei blau gestrichene Panzer biegen unter unserem Kanzleifenster ab, durch dieses strömen Tränengasschwaden herein. Auf der Rückseite des Gebäudes haben sich offensichtlich Demonstrantengruppen gesammelt, es fliegen ein paar Gegenstände herbei. Einzelne Protestteilnehmer ziehen hektisch Mülltonnen vorbei, sei es zum Barrikadenbau oder zum Anzünden. An mehreren Stellen treten Menschen auf ihre Balkone und photographieren oder filmen. Unten beziehen Einheiten in Uniform Aufstellung, unter sie sind aber auch Männer in Zivil mit roten Armbinden und der Aufschrift „Polizei“ gemischt. Wahrscheinlich Angehörige der Sondereinsatzeinheiten unter dem Namen BAC (Brigades anti-criminalité), die vor allem in den urbanen Krisenzonen der Trabantenstädte hinreichend als Schlägertrupps in Erscheinung traten. Einige unter ihnen schlagen sich nervös mit dem mitgeführten Knüppel in die Handinnenfläche und springen von einem Bein auf das andere wobei sie es offensichtlich gar nicht erwarten können, in Aktion zu treten.
Nun sammelt sich auf der anderen Seite, hinter den Polizeieinheiten und also vor unserer Gebäudeseite, eine größere Gruppe eine Kreuzung weiter; die meisten tragen „Gelbe Westen“, ein Teil ist vermummt. Auf „ihrer“ Kreuzung entzünden sie ein kleines, eher symbolisches Feuerchen. Die Polizeikräfte drehen um und marschieren, Schilde voran, in ihre Richtung. Nun ziehen alle Beteiligten im geographische Sinne (und in unserer Blickrichtung) nach rechts, in Richtung Stadtzentrum, ab.
Kurz darauf macht sich der Autor selbst auf die Socken, auf den Weg zu den Demos (mit dem Ansinnen, möglichst mehrere zu sehen). Zu allem Glück sind die dafür strategisch wichtigen Métrostationen offen. Doch insgesamt 22 Stationen schloss der Pariser Métro-Betreiber RATP (Régie autonome des transports parisiens), „auf Verlangen der Polizeipräfektur hin“, wie es in Lautsprecheransagen immer wieder heißt. Die von Süden nach Norden verlaufende Linie 13 wurde etwa bereits am Vormittag ab dem Montparnasse-Bahnhof – also weit im Pariser Süden – komplett geschlossen. Offensichtlich, um die Anreise zur 11 Uhr-Demo am (ebenfalls auf der Linie 13 liegenden) Saint Lazare-Bahnhof zu verhindern. Zu ihr riefen, wie bereits am vorausgehenden Samstag, den 01.12.18, vor allem Gewerkschafter aus dem Front social – einem Zusammenschluss vorwiegend linksradikaler Gewerkschaftsflügel – sowie das „Komitee Gerechtigkeit für Adama Traoré“ auf. Adama Traoré wurde im Juli 2016 an seinem 24. Geburtstag in der Pariser Vorstadt Persan-Beaumont getötet und ist eines der prominentesten Polizeiopfer in Frankreich, zu dem Thema gibt es eine ziemlich aktive Kampagne. Dieser Treffpunkt jedenfalls ist dezidiert links und staatskritisch. Am vorausgehenden Samstag zog von dort aus ein Demoblock in Richtung Champs-Elysées.
Die nur fünfzig Meter von meinem Büro entfernt liegende Station ist jedoch offen, trotz augenblicklicher Auseinandersetzungen mit den „Sicherheits“kräften. Auch die Station an der zentral gelegenen place de la République, nur fünf Minuten entfernt, ist offen. Dort treffe ich einen befreundeten Gewerkschafter (sogar ein CFDT-Mitglied, doch in manchen Unternehmen kommt es vor, dass es nur Gewerkschaften rechts und nichts links von diesem Verband gibt…) und einen weiteren Kollegen. Wir gehen zunächst der Klimaschutz-Demonstration entgegen, zu welcher seit Wochen mobilisiert wurde, obwohl Innenminister Christophe Castaner sie „wegen der Bindung starker Polizeikräfte im Zusammenhang mit den Protesten“ abgesagt wissen wollte.
Eine Reihe von Teilnehmer/inne/n dort tragen selbst gelbe Neonwesten. Es mag sich dabei sowohl um Personen handeln, die auch zuvor – im Zusammenhang mit dem aktuellen sozioökonomischen Protest – welche trugen, als auch um Menschen, die mit ihr noch nichts zu tun hatten,; aber dadurch den Brückenschlag symbolisieren möchten. Zu einem Brückenbau zwischen beiden Bewegungen bzw. Anliegen hatte im Vorfeld u.a. der linke Gewerkschaftszusammenschluss Solidaires aufgerufen (wir berichteten am Freitag, den 07. Dezember). Dessen Fahnen bzw. Neonwesten – in rosaroter Farbe mit schwarzem Aufdruck – sind zwar sichtbar, gehen jedoch in der Menge ein bisschen unter. Viele Gesichter, die zu mir bekannten Linken respektive radikalen Linken zählen, tauchen auf. Auch einige linke Organisationskennzeichen, im engeren und im weiteren Sinne, also von der linken Partei Ensemble (kritische Mélenchon-Unterstützer/innen mit antikapitalistischer Orientierung) über die französische KP bis hin zu den französischen Grünen (EE-LV). Daneben laufen offensichtlich auch viele dem Umwelt- und Klimaschutz verbundene Menschen ohne politische Bindung, mit und ohne bürgerlichen Hintergrund. Einzelne Teilnehmer pappen einen Aufkleber mit der Aufschrift „Ich verschmutze, ich töte“ auf ein paar parkende Autos, was bei den „Gelben Westen“ vielleicht eher anecken denn auf Zustimmung treffen würde.
(Auch dort sind gewiss nicht alle Autofanatiker!, Viele sind eher über den nicht einkommensproportionalen und deswegen antisozialen Charakter der Spritsteuererhöhung empört oder betrachten Letztere nur als Aufhänger für generellen sozialen Unmut. Allerdings zählt zum Kontext der aktuellen Protestbewegung auch die Tatsache, dass in den letzten Wochen die Hälfte der in Frankreich stationierten Radarfallen zur Messung von Geschwindigkeitsbegrenzungen mutwillig beschädigt oder zerstört wurde (vgl. https://www.europe1.fr/faits-divers/information-europe-1-gilets-jaunes-la-moitie-des-radars-automatiques-de-france-sont-hors-service-3817205 ) Ein Vorgehen, das man als progressiver Mensch ganz gewiss nicht unterstützen kann, im ländlichen Raum allerdings durchaus seine Unterstützer/innen zählt.)
Ziemlich gut ist der Ansatz, der sich in zahlreichen mitgeführten Schildern, aber auch im Fronttransparent der Demonstration ausdrückt: Fin du monde, fin du mois – même combat! Also ungefähr: „Das Ende der Welt“ (d.h. Umwelt- und Klimakatastrophe), „das schwierige Monatsende“ (wenn der Monat länger als das zum Leben monatlich vorhandene Geld reicht), „ein gemeinsamer Kampf“. Dadurch wird ein inzwischen längst geflügeltes Wort aufgegriffen, mit dem in der aktuellen Debatte oftmals versucht wird, soziale und ökologische Anliegen, Gattungserhalt und eigenes ökonomisches Überleben gegeneinander auszuspielen. Erstmals fiel dieser Ausdruck, als Zitat von Teilnehmern an einer Verkehrsblockade (in „gelben Westen“) im ostfranzösischen Département Jura, in einer Reportage der Pariser Abendzeitung Le Monde, im November dieses Jahres. (Vgl. https://www.lemonde.fr/politique/article/2018/11/24/gilets-jaunes-les-elites-parlent-de-fin-du-monde-quand-nous-on-parle-de-fin-du-mois_5387968_823448.html ) Hier eine Verbindung statt einen Gegensatz aufzubauen, erscheint nur sinnvoll. OK, es wird vielleicht nicht mit allen einzelnen Umweltaktiven funktionieren, und erst recht nicht mit Allen, die über die Spritsteuererhöhung empört sind (jedenfalls nicht mit Idioten, die gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen polemisieren)…
Um circa 16 Uhr vermeldet die französische Nachrichtenagentur AFP: „2.000 Teilnehmer an der Klimaschutzdemonstration.“ Ich reibe mir bei der Lektüre der AFP-Meldung verwundet die Augen, sehe mich um und beobachte: So viele kommen hier gerade binnen zwei Minuten vorbei, denn zu dem Zeitpunkt wurde die Menge dicht, und die Menschen laufen zu vierzig nebeneinander, auf der ganzen Straßenbreite sowie auf beiden Trottoirs. Wahrscheinlich beobachtete die Nachrichtenagentur, die einen Status als regierungsunabhängige Behörde innehat, nur die VORHUT der Demonstration. Denn kleinere Teilnehmergruppen liefen ihr voraus, danach klafften aus unerfindlichen Gründen – die jedoch wahrscheinlich mit dem vorübergehenden Anhalten durch die, ansonsten kaum sichtbar präsente (sondern vorneweg vorausfahrende) Polizei, zusammenhängen) rund 600 oder 800 Meter Lücke. Anscheinend ließ es AFP dabei bewenden. Die reale Teilnehmer/innen/zahl (ohne veranstalterübliche Übertreibungen) dürfte eher 25.000 betragen. Ein Freund sendet AFP eine Mitteilung über Twitter, wahrscheinlich tun dies dies auch noch andere Leute. Eine gute halbe Stunde vermeldet AFP nun, äußerst vage bleibend: „mehrere tausend Demonstranten“.
Vielleicht stimmt es ja doch, was manche Anhänger/innen eines eher flammenden Protests in diesen Tagen meinen – und deren These zufolge ein friedlich bleibender Protest in den bürgerlichen Medien und höheren Staatsetagen schlicht kein Schwein interessiert? Grübel, grübel und studier‘…
Wir unternehmen zwischendurch einen Abstecher zur Place de la Bastille, von wo am frühen Nachmittag Unruhe vermeldet wurden. Der Platz ist absolut gähnend leer; drum herum geht es beinahe wie in einer Geisterstadt zu, da nahezu alle Geschäfte und auch Restaurants geschlossen scheinen. Zwischendurch laufen immer wieder einmal mal Gruppen von zehn Personen in „gelben Westen“, mal gelbwestig gekleidete Pärchen, mal Gruppen von fünf Personen in gelb vorbei und suchen offensichtlich irgendwie irgendwo Anschluss. Die Schaufensterscheiben von Banken (diese tun sich offensichtlich aus ihrer Sicht gut daran), Versicherungen, aber auch „einfachen“ Geschäften wurden mit dicken Sperrholzplatten abgedeckt. Hm, als ob da jemand etwa bei diesem Teppichbodengeschäft hier vordringlich die Scheiben einwerfen wollen würde.. [Allerdings, allerdings, am kommenden Tag – am gestrigen Sonntag –sehe ich dann auf der Höhe der Métrostation Richeliueo-Drouot etwa einen Laden für Friseurbedarf, dessen Scheiben offensichtlich attackiert wurden. Gut, nicht alle Menschen, die an irgendwelchen „Aktionen“ im Kontext von Protest teilnehmen, sind unbedingt immer intelligent!!]
Auf einmal fällt ein Auto auf, aus dem vier oder fünf jüngere Männer aussteigen, um sich gemächlichen Schritts zu entfernen. Diese parkten ihren Jaguar (!) unmittelbar vor den Sperrholzplatten solcherart geschützter Geschäfte. Hinter der Vorderscheibe fällt ein, offenkundig ziemlich improvisiert wirkendes, Papier auf, das die mit Filzschreiber dahingeschmierte Aufschrift trägt: „I love Macron!“ Das Fahrzeug trägt allerdings ein deutsches, konkret: Kölner Kennzeichen. Hm, hm – eine beabsichtigte Provokation, ein honey pot? Oder handelt es sich doch eher um die Aufzeichnung einer Sendung mit versteckter Kamera für irgendeinen deutschen TV-Sender, welcher Leute in lustigen oder kompromittierenden Situation überraschen möchte? Hallo WDR, bitte melden…
Auf der Place de la République, wohin die Demonstration führt und wo sie am Spätnachmittag eintrifft, mischen sich bei Dämmerungsbeginn tatsächlich Klimaschützer/innen, ziemlich viele „Gelbwesten“-Träger/innen, Linksradikale. Stände wurden aufgebaut. Das Ambiente erinnert ein wenig an die Nuit debout-Platzbesetzerbewegung, die sich dortselbst im April, Mai, Juni 2016 abspielte. An der Ecke in Richtung rue du Temple versperren Polizeieinheiten mit Bussen und Absperrgittern den Weg, ebenso in Richtung Bastille. Kurzfristig weist la fanfare – das bei vielen Protesten mitlaufende Demoorchester -, die voranschreitet, den Weg in eine Seitenstraße (die rue Béaranger, wo etwa die Tageszeitung Libération ihren Sitz hat), biegt ab und zieht mehrere Hundert, wahrscheinlich sogar eine vierstellige Zahl von Menschen hinter sich her. Die Polizei riegelt kurz danach hinter dem Zug ab. Doch die Befürchtung, ein Kessel entstehe, bewahrheitet sich nicht: Man hört alsbald nichts mehr, und dieser Demonstrationsteil zog offensichtlich über die rue Béranger in Richtung Pariser Innenstadt ab. Von dort ist zugleich über Whatsapp-Gruppen etwa aus dem Umfeld des Front social zu vernehmen, es brenne auf halbem Wege zwischen dem zentral gelegenen Pariser Rathaus und der im Pariser Nordosten gelegenen place de la Bastille. Also östlich des unmittelbaren Stadtzentrums.
Um uns ein Bild von der Lage zu machen, fahren wir zum Pariser Rathaus und treffen dort innerhalb von zehn Minuten ein – die direkt vor dem Gebäude liegende Métrostation ist allerdings den ganzen Tag über geschlossen -, während gerade ein Feuerwehrauto vorbeifährt. Die Insassen befinden sich offensichtlich im Stress und habe ihre Leiter auf dem Dach nicht richtig eingefahren. Das Fahrzeug wankt gefährlich; Umstehende rufen den Insassen zu: „Die Leiter! Die Leiter!“, woraufhin diese das Ungleichgewicht reparieren. Zwei Minuten später läuft eine Polizeieinheit hektisch über die Straße und bezieht vor dem Rathaus Stellung. Wir gehen in die Richtung, aus welcher sie kamen, und treffen auf ein kokelndes und völlig ausgebranntes Auto. Nur die Sitzformen sind noch erkennbar. Umstehende informieren uns, der Tank sei explodiert. Wenn man sich hinter dem Wrack positioniert, stinkt es grauenhaft, zugleich zieht eine süßliche Parfümwolke vorbei. Sie lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass fünf Meter weiter Glastüren und –scheiben bei einer Filiale der Kosmetikwarenkette Marrioneaud beschädigt sind. Eine Journalistin oder Pressephotographin läuft in Windeseile an uns vorbei in Richtung Stadtzentrum, offensichtlich auf der Suche nach ihrem nächsten Einsatzort.
Wir gehen ebenfalls zurück in Richtung Zentrum. Dort fährt eine längere Kolonne von Einsatzfahrzeugen der Gendarmerie mit Blaulicht an uns vorbei. Kurz zuvor liefen uns drei Jungmänner, allem Anschein nach mit Aktionsdurst aber ohne (jeglichen) Plan, über den Weg. Sie befragten uns, wo sich denn hier mal die Champs-Elysées befänden – Letztere sind allerdings nicht wirklich in der Nähe, und zu diesem Zeitpunkt ist es dort absolut ruhig.
Nun begebe ich mich zurück zur place de la République, dieses Mal allein, nachdem über Whatsapp von dort frische Festnahmen vermeldet wurden. Es geht bald auf 21 Uhr zu. Stärkere Polizeieinheiten umstellen den Platz und hindern einen am Zutritt. In einer Seitenstraße, die in Richtung Boulevard Saint-Martin führt, sind Beamte dabei, jungen Männern oder Heranwachsenden – anscheinend eher migrantischer Herkunft – Handfesseln anzulegen und/oder sie zu durchsuchen. Ich mache Aufnahmen. „Monsieur, Sie haben nicht zu photographieren!“ ruft mir ein Polizist zu. „Ein Gesetz von 2013 erlaubt es ausdrücklich!“ antworte ich. Diskussion beendet. Um die Ecke auf dem Boulevard Saint-Martin angekommen ist eine kleine Gruppe anscheinend Zorniger damit beschäftigt, dicke Böller in Richtung Polizei zu entwerfen (welch Letzere allerdings nicht wirklich in der Nähe steht). Einer von ihnen ruft allerdings aus: „Gelbe Westen, Hurensöhne!“ Hm, hm. Die gute Frage, die sich stellt, vermag ich nicht zu beantworten – vielleicht Plünderer.
Am folgenden Tag inszipiere ich, mehr oder weniger zufällig oder auch nicht, ein paar Glasschäden in der Gegend um die Métrostation Richelieu-Drouot, wo sich auch das oben erwähnte, beschädigte Geschäft für Friseurbedarf befindet. Als ich ein Graffity auf einer etwas in Mitleidenschaft gezogenen Bankfiliale („Paris, Stunde Null“) photographiere, befragt mich ein junger Mann offensichtlich nordafrikanischer Herkunft aus einer Dreiergruppe: Hé, bist Du für die Gelben Westen? Als ich noch die beste Antwort suche, fährt er bereits fort: „Ich bin Rapper und stelle heute Abend ein Video ins Netz –,Wir werden nicht nachlassen‘. Unbedingt angucken!“
Rekorde an Festnahmen – und Glasschäden
Die französische Staatsmacht geizte an diesem Wochenende nicht mit ihren Mitteln. Am Samstag fanden vorläufige Festnahmen in Rekordzahl statt – insgesamt 1.723, wovon 1.220 in Polizeigewahrsam verlängert wurden (vgl. https://www.francetvinfo.fr/economie/transports/gilets-jaunes/direct-gilets-jaunes-apres-une-quatrieme-journee-de-mobilisation-l-attente-d-annonces-d-emmanuel-macron_3092095.html ) -, viele davon offensichtlich präventiv, also wegen „drohender Gefahr“ vor Eintreten irgendeiner Straftat. (Vgl. https://actu.orange.fr/france/mobilisation-des-gilets-jaunes-de-nombreuses-interpellations-en-amont-de-la-manifestation-magic-CNT000001aRt8E.html ) Dies traf zum Teil auch mehr oder minder prominente Aktivisten. Und dies sowohl im rechtsextremen Bereich (vgl. https://actu.orange.fr/politique/manifestations-plusieurs-interpellations-preventives-dans-le-milieu-de-l-ultradroite-francetv-CNT000001aQb9i.html ) als auch im Bereich der autonom-anarchistischen Unterströmung der Insurrektionalisten, mit ihrem Prominenten Julien Coupat (vgl. https://www.francetvinfo.fr/economie/transports/gilets-jaunes/gilets-jaunes-julien-coupat-interpelle-a-paris-et-place-en-garde-a-vue_3091101.html ). Letzterer wurde am Ausgang einer Bäckerei aufgegriffen und vorläufig festgenommen, weil sich eine gelbe Weste, eine Sprühdose sowie eine Maske in seinem Auto oder das seiner Begleiter befanden. Nun sind solche Neonwesten im Auto allerdings Vorschrift… Am Montag mittag war er mit einer „Verwarnung“ wieder frei (vgl. https://www.lemonde.fr/police-justice/article/2018/12/10/julien-coupat-interpelle-a-paris-ne-fera-finalement-l-objet-que-d-un-rappel-a-loi_5395171_1653578.html ).
In Nancy traf es gar den Organisator der Demo für Klimaschutz, welche der Präfekt zuvor verboten hatte (vgl. https://reporterre.net/La-garde-a-vue-du-president-des-Amis-de-la-terre-Les-ordres-venaient-d-en-haut ); auch er kam inzwischen wieder frei, nach 21stündigem Polizeigewahrsam (vgl. http://www.amisdelaterre.org/Le-president-des-Amis-de-la-Terre-en-garde-a-vue.html ). Die von ihm mitveranstaltete Demo blieb ohne jeglichen Glasbruch, rein friedlich.
Trotz des beachtlichen Polizeistaat-Aufgebot fielen die Sachschäden am zurückliegenden Samstag, den 08. November dennoch höher aus als am Samstag zuvor (vgl. https://actu.orange.fr/france/videos/violences-a-paris-des-degats-materiels-plus-importants-que-lors-des-precedents-heurts-VID0000002J1FQ.html ). Zwar kam es zu weniger Auseinandersetzungen an zentralen Stellen wie zuvor etwa auf den Champs-Elysées, dafür verteilten diese sich wohl stärker.
Und noch ein Ausblick: An diesem Montag trifft Emmanuel Macron seit dem Vormittag mit den fünf auf nationaler Ebene als „repräsentativ“ (ungefähr: tariffähig) anerkannten Gewerkschaftsdachverbänden sowie den drei wichtigsten Arbeit„geber“verbänden zusammen. Bereits am Vortag hatte seine Arbeitsministerin Muriel Pénicaud allerdings signalisiert, dass die aus der Bewegung heraus unter anderem geforderte Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns (SMIC) abgelehnt werde, da dies arbeitsplatzgefährdend und beschäftigungsfeindlich sei. (Vgl. https://actu.orange.fr/politique/gilets-jaunes-un-coup-de-pouce-au-smic-detruit-des-emplois-selon-muriel-penicaud-magic-CNT000001aSwzJ.html )
Am Montag Abend wird Emmanuel Macron nun – wie angekündigt – in der Flimmerkiste quasseln. Wir halten unsere Leser/innen auf dem Laufenden, in diesem Falle wohl wirklich vom Schreibtisch aus…
Artikel und einige Bilder von Bernard Schmid vom 10.12.2018 – wir danken!
- Siehe zuletzt am 7. Dezember 2018: Frankreich: Bewegung der „Gelben Westen“ (und der SchülerInnen/StudentInnen) vor entscheidender Kraftprobe?