[Anleitung für Arbeitgeber – Warnung für uns] Krankheitsbedingte Kündigung – 3 Prüfungsstufen

Dossier

Mag Wompel: Jagd auf Kranke - Rückkehrgespräche auf dem VormarschDer durchschnittliche Krankenstand ist zwar im Jahr 2017 geringfügig zurückgegangen (Quelle: Statistisches Bundesamt), mit durchschnittlich 10,6 Krankheitstagen im Jahr aber immer noch eine enorme Belastung für Arbeitgeber und Mitarbeiter, die Fehlzeiten abfedern müssen. Auch wenn in Unternehmen vielfältige Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ergriffen werden, bleibt dennoch häufig nur die Frage, ob man sich von einem Mitarbeiter krankheitsbedingt trennen kann. Die Kündigung wegen Krankheit ist der Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung, wobei im Wesentlichen zwischen der Kündigung wegen lang andauernder Krankheit und der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen differenziert wird. Beide Formen der krankheitsbedingten Kündigung sind kündigungsrechtlich im Wesentlichen nach den gleichen Kriterien zu beurteilen, die wir hier aufzeigen…“ Beitrag von Doris Kilg (Fachanwältin für Arbeitsrecht) vom 3. Dezember 2018 bei „Arbeitsrecht.Weltweit“ externer Link – siehe auch:

  • Kündigungsschutz abschaffen? Wie Firmenchefs Kranke loswerden wollen New
    „… Kranksein ist wieder Thema in den Medien. Tesla ist in die Schlagzeilen geraten. Arbeiter der Brandenburger Tesla-Fabrik haben unangekündigt Kontrollbesuche zu Hause erhalten. Und zwar von Geschäftsführer André Thierig und Personalchef Erik Demmler, wie das Handelsblatt schreibt. Kritik an dem Vorgehen übt der Anwalt für Arbeitsrecht Anton Barrein von der Kanzlei activelaw Offenhausen: „Denn der Arbeitgeber dringt dabei massiv in die Privatsphäre der Beschäftigten ein. Er darf sich daher auch nicht auf das Grundstück oder in die Wohnungen ihrer Beschäftigten begeben. Arbeitnehmende müssen auch weder die Tür öffnen noch ihre Vorgesetzten in die Wohnung lassen. Sie haben hier überhaupt keine Pflicht, zu kooperieren.“ Was jedoch in manchen Medien als abstruses Vorgehen einer amerikanischen Firma dargestellt wurde, ist auch hierzulande für Unternehmensvertreter bekannt: Methoden, um Druck auf Kranke auszuüben. Manche Manager kommen auf die Idee, erkrankte Angestellte durch einen Detektiv überwachen zu lassen. „Eine dauerhafte Beschattung – auch durch eine Detektei – wäre ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und in die Privatsphäre des Mitarbeitenden. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu kürzlich eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf bestätigt: Da hat ein Arbeitnehmer 1.500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen bekommen.“ (Anton Barrein) Das Instrument des Krankenrückkehrgesprächs wird im Betrieb häufig angewandt. Allerdings werden diese Gespräche, für die es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, häufig zur „Krankenjagd“ genutzt. Erstes Ziel des Unternehmens ist es, den Krankenstand in der Belegschaft zu senken und damit Kosten zu sparen. Es wird nicht nach Ursachen gesucht, für die der Betrieb verantwortlich ist, sondern der Einzelne aufgefordert, sein Verhalten zu ändern. Dies suggeriert Betroffenen, sie tragen Schuld an einer Krankheit. Neben der Einschüchterung von Beschäftigten dienen die Krankenrückkehrgespräche oft auch der Vorbereitung einer Kündigung. (…) Firmenbosse haben unterschiedliche Ideen. Finanzielle Strafen gehören dazu. Beschäftigte bei Tesla erhalten eine jährliche Prämie von 1.000 Euro – wer fünf Prozent seiner Arbeitszeit fehlt, erhält dieses Geld jedoch nicht, berichtet die Wirtschaftswoche. Der Chef der Münchner-Rückversicherung, Joachim Wenning, möchte das Thema grundsätzlich angehen und das Kündigungsschutzgesetz einschränken: „Wofür brauchen wir eigentlich bei nicht vorhandener Arbeitslosigkeit noch den Kündigungsschutz von vor 50 Jahren? De facto zwingt er Unternehmen, Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, mit denen es nicht weiterarbeiten möchte.“ (…) Wer sich kritisch zu den Entwicklungen in den Betrieben äußert, geht ein hohes Risiko ein. „Die Mitarbeitenden trauten sich teils nicht, sich krankzumelden“, sagte Michael Betke, der Betriebsratsvorsitzende des Verteilzentrums der Drogeriekette dm in Weilerswist, nach einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers. Dem Gremiumsvertreter möchte das Unternehmen kündigen. (…) Ursachen spielen bei den Diskussionen um Hausbesuche oder fehlende Prämien keine Rolle. Denn Krankenkassen sind von den Krankenständen nicht überrascht. Untersuchungen zeigen: „Beschäftigte in Branchen mit Personalnot und Fachkräftemangel haben ein höheres Gesundheitsrisiko.“ (DAK) (…) Häufige Krankentage überraschen deshalb kaum.“ Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 1. Oktober 2024 in Telepolis externer Link
  • Vorsicht: “Krankfeiern”, wirklich feiern und sich dabei fotografieren lassen rechtfertigt (lt. Arbeitsgericht Siegburg) fristlose Kündigung
    Arbeitsgericht Siegburg: “Krankfeiern” auf White Night Ibiza Party rechtfertigt fristlose Kündigung: Meldet sich eine Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber für zwei Tage krank und nimmt währenddessen an einer “Wild Night Ibiza Party” teil, ist von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Eine fristlose Kündigung kann dann gerechtfertigt sein. Das hat das Arbeitsgericht Siegburg entschieden (Az.: 5 Ca 1200/22). Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2017 als Pflegeassistentin beschäftigt. Sie war für Samstag, den 02.07.2022, und Sonntag, den 03.07.2022, zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei der Beklagten krank. In dieser Nacht fand im sog. Schaukelkeller in Hennef die White Night Ibiza Party statt, auf der Fotos von der feiernden Klägerin entstanden. Diese fanden sich beim WhatsApp-Status der Klägerin und auf der Homepage des Partyveranstalters. Die Beklagte kündigte ihr daraufhin fristlos…“ Meldung vom 12.01.2023 bei betriebsratspraxis24.de externer Link

  • [Arbeitsrechtsurteil] Krankheitsbedingte Kündigung 
    Laut Gesetz müssen Arbeitgeber einem Beschäftigten, der länger als sechs Wochen »am Stück« oder wiederholt krankgeschrieben ist, ein »betriebliches Eingliederungsmanagement« anbieten. Was bedeutet das praktisch? Bevor der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigt, muss er mit ihm besprechen, ob und wie erneute Arbeitsunfähigkeit zu verhindern wäre. Das heißt, mit welchen Leistungen oder Hilfen das Unternehmen dazu beitragen kann, dass der Mitarbeiter wieder arbeiten und seine Stelle behalten kann. Diese Pflicht gilt allerdings nicht ausnahmslos…“ Arbeitsrechtsurteile im Überblick am 27.11.2020 in ND online externer Link
  • Fragwürdige Ratschläge für Arbeitgeber: “Wirklich krank? Kündigung bei Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit”
    “Arbeitnehmer, die regelmäßig wegen kurzer Erkrankungen fehlen, sind im Arbeitsleben häufiger anzutreffen. Für Sie als Arbeitgeber ist es dabei schwierig festzustellen, ob tatsächlich eine Erkrankung vorgelegen hat. Allerdings kann sich in bestimmten Fällen der Verdacht aufdrängen, dass der Mitarbeiter lediglich blaugemacht hat. Um gegen den Arbeitnehmer vorgehen zu können, müssen Sie jedoch den Beweiswert der vorgelegten Krankschreibung erschüttern…” Beitrag von Günter Stein vom 28. April 2016 bei wirtschaftswissen.de externer Link – dagegen hilft nur Bildung: “Lieber krank feiern als gesund schuften! Wege zu Wissen und Wohlstand!”
  • Kündigung aufgrund und während Krankheit. Fragen und Antworten zur krankheitsbedingten Kündigung
    Entgegen anderslautenden Gerüchten kann ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten während dessen Arbeitsunfähigkeit kündigen. Auch die Krankheit selbst kann Kündigungsgrund sein. Gewerkschaftsjurist Dr. Till Bender beantwortet die wichtigsten Fragen – und erklärt, was Arbeitnehmer beachten müssen…” Info der IG Metall vom 12.06.2014 externer Link

Siehe aus dem LabourNet-Archiv:

  • Mobbing gegen Kranke – wie Unternehmen Mitarbeiter rausekeln
    Text der Panorama-Sendung vom 07. Mai 2009 externer Link und das Video der Sendung externer Link
  • Keine krankheitsbedingte Kündigung ohne betriebliches Eingliederungsmanagement
    Wenig Beachtung hat die Neuregelung in § 84 Abs. 2 SGB IX gefunden, obwohl damit eine der wichtigsten Änderungen der letzten Jahre bezüglich krankheitsbedingter Kündigungen vorgenommen wurde: diese Vorschrift gilt für alle AN, also auch die nicht schwer behinderten und verbietet eine Kündigung, wenn der Arbeitgeber nicht zuvor Präventionsmaßnahmen durchgeführt hat. Liegen die Voraussetzungen ansonsten vor, verstößt eine krankheitsbedingte Kündigung trotzdem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der AG nicht zuvor – zusammen mit dem AN und BR/PR – geklärt hat, ob durch Präventionsregelungen die Kündigung hätte vermieden werden können. Mehr dazu im Mandanteninfo des Anwaltsbüro Bell & Windirsch vom Februar 2005 

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=140978
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