Reiner Hoffmann (DGB) auf dem GdP-Bundeskongress: „Wir DGB-Gewerkschaften sind die größten antifaschistischen Organisationen in diesem Land! Wir sind nicht die ANTIFA!“
Dossier
„… so wie die Polizei in der Gesellschaft ein verlässlicher Partner ist, so ist die GdP ein verlässlicher Partner für uns und eine tragende Säule der Einheitsgewerkschaften im DGB. Und Einheitsgewerkschaft heißt auch, dass wir uns in politischen Debatten immer wieder verständigen müssen: Konflikte werden dabei offen ausgetragen. Das ist dann unsere Aufgabe, die Auffassungen zu versöhnen und unsere gemeinsamen Werte und Traditionen in den Vordergrund zu stellen. Und deshalb möchte ich ganz selbstbewusst darauf verweisen: Wir DGB-Gewerkschaften sind die größten antifaschistischen Organisationen in diesem Land! Das heißt – und das sage ich in aller Deutlichkeit: wir sind nicht die ANTIFA! Und wir müssen uns den Kampf gegen Rechtsextremismus von niemanden erklären lassen. Deshalb werden wir in Zukunft keine DGB-Häuser an irgendwelche, gewaltbereiten Gruppen vermieten, die aus ideologischer Verblendung Rechtsstaat mit NS-Staat gleichsetzen und damit offen gegen unsere Prinzipien, aber auch gegen unsere Kolleginnen und Kollegen agitieren. Ihr habt ebenso wie alle DGB – Gewerkschaften eine antifaschistische Tradition, die uns niemand nimmt…“ Aus der Rede von Reiner Hoffmann auf GdP-Bundeskongress „Schluss mit dem Sparstaat!“ im Wortlaut beim DGB am 27.11.2018 – siehe weitere Infos und nun erste Reaktionen:
- „Wer sich heute aber hinstellt und behauptet „die Antifa“ wäre per se gewalttätig (…) tritt unsere Beschlusslage mit Füßen und – und das wollen wir in aller Deutlichkeit sagen – sie spricht nicht für uns, nicht für die ver.di Jugend Bayern.“ Offener Brief der ver.di Jugend Bayern an den DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann
„Am vergangenen Wochenende hat der Landesbezirksjugendvorstand von ver.di Bayern sich auch mit den umstrittenen Äußerungen des DGB Vorsitzenden auf dem Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei auseinander gesetzt. Der LBJV hat dabei den folgenden offenen Brief an den Kollegen Hoffmann beschlossen, der im Laufe dieser Woche auch auf postalischem Weg übersandt wird:
„Lieber Kollege Hoffmann, mit Fassungslosigkeit haben wir in der vergangenen Woche Deine Grußworte auf dem Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei zur Kenntnis genommen. Hierbei gäbe es vieles, worüber wir mit Dir nicht übereinstimmen; besonders erschrocken sind wir allerdings über Deine Formulierung dass der DGB nicht Teil der Antifa ist.
Als ver.di Jugend Bayern verstehen wir „die“ Antifa nicht als einheitliches, strukturelles oder gar organisiertes Gebilde. Wir verstehen den Begriff „Antifa“ als Gesamtheit all derer, welche sich zum Kampf gegen jede faschistische Entwicklung in unserer Gesellschaft verpflichtet fühlen. Mit allem Nachdruck wollen wir klarstellen, dass wir uns zu diesen Gruppen zählen.
Zum einen verpflichten unsere Geschichte und unsere Tradition uns zum Kampf gegen jeden Faschismus und jede Form der Diskriminierung und alle, die entsprechende Tendenzen unterstützen. Zu unserem Bedauern scheinen wir Dich daran erinnern zu müssen, dass es schließlich auch Gewerkschafter*innen, Sozialist*innen, Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen waren, die von den Faschist*innen in allen Ländern unterdrückt, verfolgt, gefoltert und ermordet wurden. So waren es auch unsere gewerkschaftlichen Vorfahren die von Anfang an daran mitgearbeitet haben in Deutschland und auf der ganzen Welt antifaschistische und progressive Strukturen mit zu entwickeln. In den vergangenen Jahrzehnten haben sie sich wieder und wieder zusammen mit zahllosen anderen Verbündeten, welche sich ebenfalls zur Antifa zählen, den rechten Umtrieben in den Weg gestellt.
Auch die ver.di Jugend Bayern distanziert sich in diesem Zusammenhang ohne jeden Kompromiss von Gewalt – nicht nur, aber auch gegen Kolleg*innen aus den verschiedenen Gewerkschaften. Dies ist nicht unser Weg der demokratischen Auseinandersetzung. Wer sich heute aber hinstellt und behauptet „die Antifa“ wäre per se gewalttätig, diffamiert damit nicht nur „irgendwelche Gruppen“ – sondern damit auch, und in Deinem Fall besonders, die Gewerkschaftsjugend und die aktiven, antifaschistischen Gewerkschafter*innen im Allgemeinen. Eine solche Person entsolidarisiert sich, völlig unbedarft, von Verbündeten, von Mitstreiter*innen und von zahllosen Unterstützer*innen, an deren Seite wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gegen Rechte und Faschist*innen gekämpft haben. Sie tritt unsere Beschlusslage mit Füßen und – und das wollen wir in aller Deutlichkeit sagen – sie spricht nicht für uns, nicht für die ver.di Jugend Bayern.
Uns ist die unterschiedliche Interessenslage innerhalb der DGB Gewerkschaften durchaus bewusst. Gerade der, in unserem Gewerkschaftshaus in München, stattfindende Antifa(schistische) Kongress des vergangenen Jahres war es schließlich, der uns die unterschiedlichen Befindlichkeiten und Bedürfnisse der Einzelgewerkschaften und ihrer Untergliederungen schmerzlich vor Augen geführt hat. In diesem Jahr haben wir deshalb, zusammen mit der DGB Jugend Bayern und dem gesamten bayrischen DGB einen intensiven und konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten angestoßen und dahingehend zu Ende geführt, dass alle damit verbundenen Befürchtungen und Reibungspunkte aus dem Weg geräumt wurden. Dieser Dialog war kompliziert und für alle Beteiligten beileibe nicht immer erfreulich. Aber in unseren Augen handelt es sich bei diesem Dialog um eine demokratische Selbstverständlichkeit.
Mit einer demokratischen Selbstverständlichkeit nichts zu tun hat es indes, wenn Du als Vorsitzender unseres Dachverbandes nun ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur ein einziges Mal die Kommunikation mit uns zu suchen diesen demokratischen Konsens in aller Öffentlichkeit beiseite wischt, als wäre das alles nichts wert gewesen. Diesen Dialog zu erwähnen und darauf hinzuweisen, dass eben gerade aus dem demokratischen Miteinander unserer Organisationen überhaupt erst unsere Kraft entspringt wäre unserer Meinung nach Deine Aufgabe gewesen. So hast Du die Wunden, die in der Auseinandersetzung des Jahres 2017 geschlagen worden sind, einfach nur wieder aufgerissen, dass Thema erneut zum Thema gemacht und damit dafür gesorgt, dass sich der DGB erneut gespalten zeigt. Das enttäuscht und verärgert uns maßlos. Dies entspricht in keinster Weise auch nur den minimalsten Anforderungen, die wir an den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, unseres Dachverbandes, haben.
Die ver.di Jugend Bayern bekennt sich dazu, ein Teil der Antifa zu sein und knüpft damit nahtlos an unseren jahrzehntelangen und zuletzt auf dem Parlament der Arbeit beschlossenen Kontext an. Wir fordern dich hiermit auf, deine diesbezügliche Äußerung zurück zu nehmen, mitzuteilen, dass die Fehlwiedergabe deines Zitates auf der GDP Twitter Seite dich verärgert und endlich wieder in unseren antifaschistischen Konsens zurück zu kehren. Wir werden darüber hinaus die aktuell anstehenden Orgawahlen in ver.di dazu nutzen, um diese Haltung auch von Seiten der Gesamtorganisation erneut bestätigen zu lassen.
Wir sind darauf bedacht unsere Organisation zu schützen. Wir waren zutiefst erschrocken darüber, dass die Kolleg*innen der Gewerkschaft der Polizei sich dazu genötigt fühlten, über den Austritt aus dem DGB zu debattieren, weil Teile der GdP sich durch diesen nicht mehr repräsentiert fühlen. Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass durch deine fehlende Rücksichtnahme auf unsere Beschlüsse sowie die Haltung der ver.di Jugend Bayern entsprechende Tendenzen auch in unserer Organisation aufkommen.
Unsere Stärke entspringt aus unserer Solidarität, nicht aus der Teilung.
Zu einem klärenden Gespräch sind wir gerne bereit, dich in eine unserer nächsten Landesbezirksjugendvorstandssitzungen einzuladen.
Mit antifaschistischen Grüßen
Der Landesbezirksjugendvorstand der ver.di Jugend Bayern“ Offener Brief der ver.di Jugend Bayern vom 3.12.2018 – wir danken!
- Der DGB-Vorsitzende auf zweifelhaftem Kurs
„… Damit hat Hoffmann eher Zweifel gesät, dass der DGB-Vorstand eine verlässliche Stütze im Kampf gegen Rechts ist. Statt diesen Kongress auch als Podium zu nutzen, kritische Worte gegen die eskalierende Polizeigewalt beim G20-Gipfel in Hamburg vorzubringen und seine Sorge darüber zu äußern, wie die in allen Bundesländern geplanten neuen Polizeigesetze die Demokratie bedrohen, hat er es vorgezogen, angesichts des stärker wehenden Windes von Rechts den Kopf einzuziehen. Diese Haltung erinnert eher an den katastrophalen Anpassungskurs der damaligen ADGB-Führung am Ende der Weimarer Republik. Wer sich zum „größten Antifaschisten in diesem Land“ erklärt, sollte andere Konsequenzen aus der deutschen Geschichte ziehen. Der schleichende Machtübergang zu einem autoritäten Regime wird nicht nur an den Rändern der Gesellschaft gefordert. Er kommt auch aus der Exekutive. (…) Zur Erinnerung: auf dem letzten DGB-Bundeskongress wurde der Antrag „A006: Bekenntnis zum Antifaschismus – Grundpfeiler gewerkschaftlicher Arbeit“ beschlossen. Der besagt: „Dabei unterstützt der DGB verbündete, demokratische, gewaltfreie, antifaschistische Organisationen […]“. In unseren Räumen sind verbündete, antifaschistische Gruppierungen nach wie vor willkommen – so wie es auf dem Bundeskongress beschlossen wurde.““ Beitrag von und beim AK Internationalismus der IG Metall Berlin
- [DGB Jugend Chemnitz] Wir widersprechen: Wir sind alle Antifa!
„Die jüngsten Äußerungen Reiner Hoffmanns sind gerade für uns junge Gewerkschafter*innen in Chemnitz ein Schlag ins Gesicht. Richtigerweise gehört Antifaschismus für uns auf der Straße und in der gewerkschaftlichen Arbeit im Betrieb natürlicherweise zur DNA. In Zeiten gesellschaftlichen Rechtsrucks, AfD und Pro Chemnitz sehen wir es als unsere Pflicht an uns rechten Parolen entschlossen umd engagiert entgegenzustellen. Dabei müssen allerdings alle demokratischen Kräfte an einem Strang ziehen. Äußerungen die darauf abzielen sich voneinander zu distanzieren sind dabei nicht hilfreich und behindern breiten Widerstand.“ Stellungnahme der DGB Jugend Chemnitz vom 28. November 2018 bei Fratzebuch , siehe auch eine längere Fassung beim Neuen Deutschland am 30.11.2018 : „DGB und Antifaschismus: Wir widersprechen: Wir sind alle Antifa! Man kann nicht Antifaschismus predigen und selbst kein Antifaschist sein“
- ver.di-Jugend Baden-Württemberg: Wir sind alle ANTIFAschist_innen!
„Als ver.di Jugend positionieren wir uns klar antifaschistisch und gegen jegliche Form von Rassismus, Diskriminierung, Queerphobie und Hass.
Reiner Hoffmann sagte vergangenes Wochenende in seiner Rede beim #GdP-Bundeskongress: „Deshalb werden wir in Zukunft keine DGB-Häuser an irgendwelche, gewaltbereiten Gruppen vermieten, die aus ideologischer Verblendung Rechtsstaat mit NS-Staat gleichsetzen und damit offen gegen unsere Kolleginnen und Kollegen agitieren“. Unsere Kolleginnen und Kollegen der GdP veröffentlichen anschließend einen Post mit folgendem Wortlaut: „Klare Position von Hoffmann: […] Deshalb werden wir in Zukunft keine Häuser an die Antifa vermieten!“. Wir möchten an dieser Stelle unsere Kolleginnen und Kollegen der GdP, sowie Reiner Hoffmann, an etwas erinnern:
Es gibt nicht „die Antifa“, sondern Aktivist_innen in verschiedensten Gruppierungen, die sich unter dem Sammelbegriff „Antifa“ finden. Da wir uns selbst als ANTIFAschist_innen verstehen, müssten auch uns die Räume in den DGB-Häusern verwehrt bleiben und Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen der GdP, als Teil des DGBs ebenfalls.
Zur Erinnerung: auf dem letzten DGB-Bundeskongress wurde der Antrag „A006: Bekenntnis zum Antifaschismus – Grundpfeiler gewerkschaftlicher Arbeit“ beschlossen. Der besagt: „Dabei unterstützt der DGB verbündete, demokratische, gewaltfreie, antifaschistische Organisationen […]“. In unseren Räumen sind verbündete, antifaschistische Gruppierungen nach wie vor willkommen – so wie es auf dem Bundeskongress beschlossen wurde.“ Stellungnahme der ver.di-Jugend Baden-Württemberg vom 28.11.2018 auf ihrer Homepage (in Fratzebuch-Fenster)
- In der Rede von Reiner Hoffmann auch: „Es gibt durchaus linke Irrlichter, die meinen: der Rechtsstaat, den ihr schützt, wäre ein rechter Staat. Das ist falsch, dumm und gefährlich!„
- 26. Ordentlicher Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin Unter dem Motto „Leben in Sicherheit“ – siehe die Sonderseite der GdP
- DGB-Chef: Keine Räume an Antifa mehr vermieten. Gewerkschafter meinen es sei unklar, ob Äußerungen praktisch zu mehr Abgrenzung gegenüber Antifa-Gruppen führen werden
„… Von Antifa-Gruppen müsse man sich »den Kampf gegen Rechts nicht erklären lassen«, erklärte Hoffmann auf dem Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Der kommt alle vier Jahre zusammen. Neben der Vorstandswahl geht es bei dem viertätigen Treffen im Estrel-Hotel in Berlin auch »langfristige zentrale inhaltliche Positionen«. Die GdP ist Mitglied im DGB und hatte neben rechten Kreisen immer wieder gegen die Vermietung von Gewerkschaftsräumen an antifaschistische Gruppen mobilgemacht. (…) Ein ähnliches Manöver versuchte die Polizeigewerkschaft im Februar in Frankfurt. Die lokale GdP in Frankfurt am Main zeigte sich »erschüttert«, dass die »Antifa United Frankfurt« Räume für Veranstaltungen nutzen konnte. Mit dem allgemeinen Verweis auf »linksradikale Straftäter«, die auf Demonstrationen Polizisten angreifen würden, meinten die Polizeigewerkschafter eine Vermietung von Gewerkschaftsräumen an »radikale Gruppierungen« dürfe es nicht geben. Der DGB in Frankfurt entschied sich anders als die Gewerkschaftsspitze in München und zog die Zusage der Räume nicht zurück. (…) Ein »fatales Signal« und »nicht hilfreich für eine antifaschistische Position« in den Gewerkschaften seien die Äußerungen Hoffmanns, heißt es dazu aus DGB-Kreisen gegenüber »nd«. Es gebe keine Gefahr von links, sondern einen Rechtsruck, gegen den alle Antifaschisten zusammenhalten müssten. Doch aus dem Gewerkschaftsapparat kommt auch Verständnis für Hoffmann. Gewerkschaften seien nun einmal »in erster Linie Arbeitnehmerorganisationen«, auch wenn das manchmal widersprüchlich sei. Polizisten hätten eben auch ein Anrecht auf Schutz bei ihrer Arbeit. Ob die Äußerungen Hoffmanns vor Ort nun zu mehr Abgrenzung gegen Antifa-Gruppen führen werden, ist unklar. Vor Ort halte sich an die Politik der Gewerkschaftsspitze »der eine mehr dran und der andere weniger«, meint eine Gewerkschaftsfunktionärin gegenüber »nd«. Sie warnt aber auch: »Wenn Hoffmann etwas sagt, dann ist das nicht nur etwas, was er selber meint, sondern das fußt auf einer Diskussion in der Gewerkschaftsspitze«...“ Bericht von Moritz Wichmann vom 27.11.2018 beim ND online