(Fachkräfte)Einwanderungsgesetz – und die Debatte
Dossier
„Der Entwurf für das Einwanderungsgesetz steht. Welche Voraussetzungen sieht er für ausländische Fachkräfte vor – und was wurde aus dem „Spurwechsel“? Lange wurde es diskutiert – nun soll das Einwanderungsgesetz am 19. Dezember vom Kabinett auf den Weg gebracht werden. Einen Entwurf haben Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium den anderen Ministerien nun vorgelegt. Es soll Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern den Zuzug nach Deutschland erleichtern, wenn sie hier arbeiten wollen…“ Die Eckpunkte im Überblick am 20.11.2018 bei tagesschau.de , siehe dazu Stellungnahmen und Debatte:
- [Jetzt übertreibt aber die Satire] Aufforderung an die Regierung: Ostdeutsche Bundesländer wollen mehr Fachkräfte aus dem Ausland
„Verbesserungen bei Visaverfahren und der Anerkennung von Berufsabschlüssen: Die Ostländer drängen beim Bund auf Bürokratieabbau. In den ostdeutschen Bundesländern gibt es zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte. Deshalb haben Regierungschefs der Ostländer den Bund aufgefordert, Hindernisse bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte abzubauen. Die Fachkräftesicherung müsse höchste Priorität haben, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff nach einem Treffen der ostdeutschen Regierungschefs in Berlin. (…) Die ostdeutschen Bundesländer leiden besonders stark unter dem sogenannten Geburtenknick. Für zwei Menschen, die in Rente gehen, rückt im Moment nur etwa einer nach. Die Länder wollen nun mit dem Bund eine Fachkräftestrategie unter dem Titel »Berufe der Zukunft« erarbeiten. Nötig sei Zuwanderung über den Arbeitsmarkt, aber nicht in die Sozialsysteme, betonte der CDU-Politiker Haseloff…“ Agenturmeldung vom 8. November 2024 im Spiegel online - Wie das »Fachkräfteeinwanderungsgesetz« Menschen locken will und sie zugleich auf ihre Verwertbarkeit reduziert – fast nur in schlecht bezahlten Berufen
- Migranten machen Drecksarbeit: Menschen mit Einwanderungsgeschichte arbeiten in BRD meist zu schlechten Arbeitsbedingungen für wenig Geld
„Migranten arbeiten in der BRD zumeist für wenig Geld unter besonders schlechten Bedingungen. Pünktlich zum vollständigen Inkrafttreten des »Fachkräfteeinwanderungsgesetzes« am Freitag teilte dies das Statistische Bundesamt – womöglich unfreiwillig – mit Verweis auf Zahlen des Mikrozensus 2022 mit. Demnach sind Beschäftigte mit »Einwanderungsgeschichte« etwa in Reinigungsberufen (rund 60 Prozent) oder in der Gastronomie (45,6 Prozent) überdurchschnittlich häufig anzutreffen. Gleiches gilt für die Bereiche Bau, Fahrzeugführung und Körperpflege (etwa Friseure). Bei einem Anteil von 25 Prozent aller Erwerbstätigen stellen Menschen mit »Einwanderungsgeschichte« demnach mehr als die Hälfte aller in »geringqualifizierten Berufen« Tätigen. Unter den »Hilfsarbeitskräften« etwa liegt ihr Anteil bei 52 Prozent. In Führungspositionen (18 Prozent), akademischen Berufen (19 Prozent) oder im Gerichtswesen (sechs Prozent) waren Migranten dagegen deutlich unterrepräsentiert. »Bereits heute leisten Menschen mit ›Einwanderungsgeschichte‹ in vielen Berufen einen wichtigen Beitrag auf dem deutschen Arbeitsmarkt«, hieß es. Richtiger – und vor allem anerkennender – wäre wohl, klarzustellen, dass Migranten unter verschärfter Ausbeutung die BRD seit ihrem Bestehen am Laufen halten, während sich die herrschende Politik die längste Zeit jede Rede vom »Einwanderungsland« verbat. (…) Aktuelle Diskussionen betonen nun zwar die Unabkömmlichkeit von zugewanderten Menschen als »Fachkräfte« für den Arbeitsmarkt, reduzieren sie aber zugleich beinahe restlos auf ihre Verwertbarkeit. Das neue »Fachkräfteeinwanderungsgesetz« fügt den einzelnen oder die einzelne in ein Raster von Konzerninteressen, ebenso wie der von Arbeitsminister Hubertus Heil und Arbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles (beide SPD) angeworfene »Jobturbo«. Während vielen Geflüchteten die Aufnahme einer Erwerbsarbeit, die ihrer Qualifikation entspräche, verboten ist, setzt seit Freitag ein erster Landkreis die im »Asylbewerberleistungsgesetz« verankerte »Arbeitspflicht« für Asylsuchende um. Für manchen Unionspolitiker ist das so schnell wie möglich auf alle Bezieher von Sozialleistungen anzuwenden. Nach den neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hatten 40 Prozent aller Leiharbeiter im Jahr 2022 eine ausländische Staatsangehörigkeit, 17 Prozent stammten aus einem Asylherkunftsland. Der Anteil von Geflüchteten in der Leiharbeit liegt bei 13 Prozent, ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Beschäftigten bei nur zwei Prozent…“ Artikel von David Maiwald in der jungen Welt vom 2. März 2024 , siehe auch: - Migration: Arbeitsmarkt in Deutschland nach Herkunft unterteilt
„Ohne Arbeiter:innen mit Migrationshintergrund wäre der Arbeitsmarkt in Deutschland längst zusammengebrochen. Dabei zeigt sich eine Arbeitsteilung und soziale Hierarchie nach Herkunft: In schlechter bezahlten Berufen wie in der Reinigungsbranche oder der Gastronomie arbeiten überwiegend Menschen mit ausländischen Wurzeln.
Ohne Migration würde in Deutschlands Wirtschaft nichts laufen. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt auf der Basis von Zahlen aus dem Jahr 2022. Demnach haben 25 Prozent aller Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren einen Migrationshintergrund, das heißt sie selbst oder ihre beiden Elternteile sind aus dem Ausland nach Deutschland eingewandert.
Hoher Migrationsanteil in schlecht bezahlten Berufen
Die Zuwanderungsgeschichte spielt offenbar eine große Rolle für die spätere berufliche und soziale Stellung. Die Beschäftigten mit Migrationshintergrund verteilen sich nämlich nicht gleichmäßig über alle Branchen und Jobs. Vielmehr ist die Migrant:innenquote in Berufen mit überwiegend körperlicher Arbeit, schlechterer Bezahlung und atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie befristeten Verträgen oder Minijobs besonders hoch. (…) Deutlich unterrepräsentiert sind Arbeiter:innen mit Migrationshintergrund dagegen in staatlichen Berufen wie Lehrer:innen (10,8 Prozent), bei der Polizei oder im Strafvollzug (5,7 Prozent). Auch in den klassischen ständischen Angestelltenberufen z.B. bei Banken und Versicherungen liegt der Migrationsanteil mit 16 Prozent sehr niedrig, ebenso selbst in der Landwirtschaft (10,7 Prozent). (…) Die Bundesregierung will im Interesse des deutschen Kapitals vermehrt Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland locken, etwa durch erleichterte Regelungen für Einwander:innen aus Nicht-EU-Ländern…“ Beitrag vom 3.03.2024 von und bei Perspektive Online - Siehe auch: Arbeitsfelder der Ankunft: Migrantische Perspektiven auf Arbeit in Gastronomie, Reinigung und Pflege
- Migranten machen Drecksarbeit: Menschen mit Einwanderungsgeschichte arbeiten in BRD meist zu schlechten Arbeitsbedingungen für wenig Geld
- Umstrittene Anwerbung: Gewerkschaften wollen aus- und inländische Beschäftigte besser vor Lohndumping schützen
„… So beklagen Unternehmen zu hohe bürokratische Hürden bei der Anwerbung von Arbeitskräften, vorrangig für kleine und mittlere Betriebe. Gewerkschaften fordern dagegen einen besseren Schutz für ausländische Arbeiter*innen. »Ein Großteil derjenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten zu uns gekommen sind, hat die größte Drecksarbeit gemacht«, sagte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, am Dienstag. Ein überwiegender Teil mache Arbeit, die schlecht bezahlt sei und körperlich anspruchsvoll, »manchmal in geradezu ausbeuterischen Verhältnissen«, kritisierte sie.
Arbeiter*innen aus Drittstaaten gelten als besonders vulnerabel, weil ihre Aufenthaltsperspektive meist an den Job geknüpft ist. Sie können sich kaum gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren. Auch erschweren ihnen oft mangelnde Sprachkenntnisse und komplexe Verfahren den Zugang zu ihren Rechten. Unternehmen nutzen das laut DGB aus, um Löhne zu drücken.
Dies zeigt sich insbesondere an der Westbalkanregelung, die als Vorbild für die Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen Regionen gilt. Ziel der seit 2016 geltenden Regelung ist es, »die verdeckte Wirtschaftsmigration aus den Westbalkanländern zu regulieren«, erklärte die Anwältin für Einwanderungsrecht, Bettina Offer. Staatsangehörige der sechs Westbalkanstaaten erhalten damit einen leichteren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Die Arbeiter*innen brauchen lediglich ein Angebot eines Unternehmens. Und die Arbeitsbedingungen müssen mit anderen Stellen in der Branche vergleichbar sein, was von der Arbeitsagentur geprüft werden muss.
Doch hier liegt aus Sicht der Gewerkschaften das Problem. So stehe zwar auf dem Papier, dass die Löhne auf dem Niveau der branchenüblichen Bezahlung liegen sollen. Doch ist nicht klar geregelt, was das bedeutet. »Und es ist kein einklagbarer Anspruch«, kritisierte Antonius Allgaier von der Gewerkschaft IG BAU. Dadurch könnten die Unternehmen Lohndumping betreiben.
Zudem seien die Kontrollen durch die Arbeitsagentur und den Zoll unzureichend, insbesondere auf dem Bau, bemängelt er. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeitet fast die Hälfte derjenigen, die über die Westbalkanregelung nach Deutschland kommen, in der Baubranche. »Das ist grundsätzlich gut, aber die Integration muss fair stattfinden«, forderte Allgaier. »Das ist es, was die Leute aufbringt. Wir müssen nicht nur den Rassismus aus den Köpfen kriegen. Ein anderer Teil ist auch die Erfahrung, dass Leute kommen, die die Arbeit mit schlechten Löhnen wegnehmen«, sagte Fahimi am Dienstag. »Wir haben Probleme, in unseren Reihen zu erklären, was an Migration gut ist, wenn es solche ausbeuterischen Verhältnisse gibt«, betonte sie und unterstrich die Forderung nach einer gesetzlichen Verpflichtung zur Tarifbindung für Unternehmen, die Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben.
Dass die Bundesregierung dieser Forderung bald nachkommt, ist unwahrscheinlich. Zwar gestand Arbeitsminister Heil zu, dass die derzeitige Regelung verbesserungswürdig sei. Doch er betonte, dass er mit Blick auf die Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeiter*innen vor allem die Unternehmen in der Verantwortung sehe.“ Artikel von Felix Sassmannshausen vom 21.02.2024 in ND online - Was sich mit dem reformierten Fachkräfte-Einwanderungsgesetz ab 18. November 2023 ändert
„Der Fachkräftemangel ist riesig und der Arbeitsmarkt angespannt. Das soll sich nun mit einem neuen Gesetz ändern. Doch was verbirgt sich dahinter? Und was sagen Verbände dazu? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.
Fachkräfte werden in Deutschland dringend gebraucht. Die Lücke auf dem Arbeitsmarkt muss auch durch Zuwanderung geschlossen werden, da sind sich Politik, Wirtschaft und Fachleute einig. Helfen soll das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz , das am 18. November 2023 in Kraft getreten ist. (…) seit März 2020 hat Deutschland ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das Gesetz war von der schwarz-roten Koalition beschlossen worden, um den Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern. Jetzt wurde es reformiert, weil immer noch vielerorts Personal fehlt, vor allem Fachkräfte. (…) Neu ist die Einführung einer sogenannten Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Auswahlkriterien für arbeitswillige Einwanderer, die diesen Weg wählen, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Ausländische Fachkräfte müssen künftig ein Mindestgehalt von rund 43.800 Euro erreichen, statt wie zuletzt 58.400 Euro brutto jährlich. Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und eine Qualifikation sowie ein Jobangebot haben, sollen – wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen – eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen können. Bislang musste man dafür erst ausreisen und sich dann vom Ausland aus um ein Arbeitsvisum bemühen. Wer als hochqualifizierte Fachkraft aus dem Nicht-EU-Ausland nach Deutschland kommt, soll künftig nicht nur den Ehepartner und die Kinder mitbringen dürfen, sondern auch Eltern und Schwiegereltern. Voraussetzung für den Familiennachzug ist aber, dass der Lebensunterhalt für die Angehörigen gesichert ist. Sozialleistungen beantragen können die Eltern nicht…“ Fragen und Antworten von Kilian Genius vom 19.11.2023 im Migazin - Bundesrat winkt Fachkräfte-Einwanderungsgesetz durch – wenn sie denn kommen, werden sie Deutschland ohnehin schnell wieder verlassen…
- Fachkräftemangel: Bundesrat winkt Fachkräfte-Einwanderungsgesetz durch
„… Mit dem Gesetz soll Deutschland für besonders qualifizierte Drittstaatsangehörige attraktiver werden, indem sie schneller und unbürokratischer ankommen können. Einen Antrag Bayerns, den Vermittlungsausschuss anzurufen, lehnte der Bundesrat ab. Nachdem der Bundestag das Gesetz vor zwei Wochen beschlossen hatte, kann es nun in Kraft treten. IT-Spezialisten sollen künftig eine „Blaue Karte EU“ erhalten können, wenn sie keinen Hochschulabschluss besitzen, „aber bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können“. Damit sind Berufserfahrungen auf akademischen Niveau gemeint. Für Personen mit einem ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss oder einem Hochschulabschluss, die in Deutschland eine Arbeit suchen, wird eine Chancenkarte mit einem Punktesystem eingeführt. Auswahlkriterien sind Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Das Studium in Deutschland soll attraktiver werden, indem Studierende leichter eine Nebenbeschäftigung aufnehmen können, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. (…) Mit dem Gesetz werden bestehende Gehaltsschwellen für Regel- und Engpassberufe gesenkt. Auch wird eine niedrige Mindestgehaltsschwelle für Berufsanfänger mit akademischem Abschluss geschaffen, so wie es sich Arbeitgeber wünschten. Künftig können Menschen aus allen Berufsgruppen nach Deutschland kommen und eine qualifizierte Beschäftigung aufnehmen, auch wenn sie keinen in Deutschland formal anerkannten Abschluss haben. Allerdings brauchen sie eine zweijährige Erfahrung in dem jeweiligen Beruf, ein Mindestgehalt sowie eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mindestens zweijährige Ausbildung. Der Wechsel von Aufenthaltstiteln hin zu Aufenthalten zu Bildungs- und Erwerbszwecken wird leichter. Das heißt, wer seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen will, kann dies nun auch erst nach der Einreise machen. Zudem werden die Regelungen zur Mobilität und des Familiennachzugs vereinfacht. Verringert wird die Voraufenthaltsdauer, die erforderlich ist, damit Inhaber einer Blauen Karte EU und deren Familienangehörige eine Niederlassungserlaubnis bekommen. Eine neue zentrale Stelle im Außenministerium soll helfen, die Bearbeitungszeiten für Anträge zu verkürzen…“ Beitrag von Andreas Wilkens vom 7. Juli 2023 in heise news zum Gesetz - Wieso ausländische Arbeitskräfte Deutschland wieder verlassen
„Günstige Flüge und dank Internet immer Kontakt nach Hause – mal hier, mal da zu arbeiten, ist kein Problem. Ein Land muss attraktiv sein, damit Arbeitskräfte bleiben. Ist Deutschland das? Fünf Jahre hat Raymund Guevara als Pflegekraft in einem Krankenhaus in Niedersachsen gearbeitet. Seit Januar lebt der 37-jährige Filipino nun mit seiner Frau in Florida in den USA. (…) Doch wie bewegt man Menschen dazu, zu bleiben? Um das zu beantworten, muss man auch die Gründe kennen, wieso Arbeitskräfte Deutschland wieder verlassen. Dazu hat das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit fast 1.900 Menschen über Facebook befragt. Das Ergebnis: Viele Arbeitskräfte aus dem Ausland kehren Deutschland vor allem aus aufenthaltsrechtlichen und beruflichen Gründen den Rücken, wie das Ende einer befristeten Beschäftigung oder weil die berufliche Qualifikation nicht anerkannt wurde. (…) „Es hat aber auch mit dem Leben hier zu tun“, sagt Studienleiter Bernhard Boockmann. So erklärten zwei von drei hoch qualifizierten Fachkräften aus außereuropäischen Ländern, Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft erfahren zu haben. (…) Ohne dass sie danach gefragt habe, habe außerdem etwa ein Fünftel berichtet, Diskriminierung und Rassismus erlebt zu haben, sagt Lugert-Jose. „Zum Beispiel Beleidigungen und herablassendes Verhalten, weil man eben noch nicht so perfekt Deutsch spricht.“ (…) Die Lebensbedingungen insgesamt in Deutschland seien ausschlaggebend, sagt Brücker. „Engpässe in der Kinderbetreuung treffen alle, aber Migranten mehr. Und sind unsere Schulen so inklusiv, dass Migrantenkinder gleiche Chancen haben?“. Auch der soziale Wohnungsbau in den Ballungszentren müsse gestärkt werden. Denn wenn Migranten viel für Wohnungen zahlten, werde der Lohnvorteil im Vergleich zu anderen Ländern verspielt. „Man muss bei allem, was man tut, Migration mitdenken“, sagt Brücker…“ Beitrag von Irena Güttel vom 10. Juli 2023 im MiGAZIN - Siehe auch entsprechende Berichte in unserem Dossier: Pflegenotstand ohne Lohnerhöhung: „(Wieder mal) Ausländer rein! Also in die Pflege.“
- Fachkräftemangel: Bundesrat winkt Fachkräfte-Einwanderungsgesetz durch
- Zuwanderung nach Wunschzettel: Kommen jetzt die passenden Fachkräfte?
„Nach der Zustimmung zum EU-Asylkompromiss hat die Ampel-Mehrheit im Bundestag ein neues Fachkräfteeinwanderungsrecht beschlossen (…) Der Gesetzentwurf soll im Grunde profitable Migration erleichtern, nachdem durch die Zustimmung zum EU-Asylkompromiss die Einreise von Traumatisierten und Armutsflüchtlingen erschwert wird. Dieser „Nützlichkeitsrassismus“ ist der Kritikpunkt der Linken, während Unionsparteien und AfD immer noch meinen, dass es weniger profitablen Einreisewilligen zu leicht gemacht wird. Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, soll nach der neuen Regelung als Arbeitskraft einwandern können. Der Berufsabschluss muss künftig nicht mehr in Deutschland anerkannt sein – „das bedeutet weniger Bürokratie und damit kürzere Verfahren“, verspricht die Bundesregierung. (…) Neu eingeführt wird auch eine sogenannte Chancenkarte zur Arbeitssuche, basierend auf einem Punktesystem: Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und mitziehende Lebens- oder Ehepartner. Bis zu sechs Monate darf mit dieser Chancenkarte die Arbeitssuche dauern. Die Möglichkeit einer Verlängerung um bis zu zwei Jahre ist vorgesehen, wenn ein Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt. (…) IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss einreisen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll auch der „Spurwechsel“ für Asylsuchende, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und bereits eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder nachweisbar in Aussicht haben. (…) Gökay Akbulut (Die Linke) hält es dagegen für „zu einseitig an den Interessen der Wirtschaft und der Arbeitgeber ausgerichtet“. Eine Reform des Einwanderungsrechts müsse sich aber vor allem an menschenrechtlichen Gesichtspunkten orientieren. „Wir wollen, dass die Rechte der Migrantinnen und Migranten gestärkt werden“, so die Abgeordnete. Es sei zwar erfreulich, dass die Ampel in dem Entwurf nachgebessert habe und den Familiennachzug erleichtern wolle. Davon würden aber nur Fachkräfte profitieren, die als leitende Angestellte, Führungskraft oder „Unternehmensspezialist“ tätig seien. Das führe zu einer „Zwei-Klassen-Migrationspolitik“. Ihre Fraktion enthielt sich daher letztendlich. Was in Teilen der Linken außerdem kritisiert wird, ist der „Brain-Drain“: Statt einer umfassenden Aus- und Weiterbildungsoffensive für Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, die bereits hier leben – und attraktiveren Arbeitsbedingungen etwa im Pflegebereich – wird darauf gesetzt, dass Fachkräfte, in deren Ausbildung andere Länder investiert haben, sich entscheiden, nach Deutschland zu kommen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2022 könnten in Deutschland bis zum Jahr 2035 rund 307.000 Pflegekräfte in der stationären Versorgung fehlen. Zur Schließung dieser Versorgungslücke soll unter anderem das reformierte Fachkräfteeinwanderungsrecht beitragen.“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 23. Juni 2023 in Telepolis - „Spurwechsel“ für „vernünftig sortierte“ Asylbewerber passt die Fachkräfteeinwanderung an die Asylrechtsverschärfung an, auch Mindestgehalt sinkt…
„Die Ampel-Koalition hat Änderungen am Gesetz für eine leichtere Fachkräfteeinwanderung vereinbart. Erstmals soll es Asylbewerbern im Verfahren die Chance auf ein Bleiberecht geben, wenn sie ein Jobangebot haben. Die Gruppe ist aber eng definiert. Arbeitsminister Heil spricht von vernünftiger Sortierung.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz steht kurz vor der Abstimmung im Bundestag. Am Montag präsentierten die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP kleinere Änderungen, auf die sich die Ampel-Koalitionäre auf den letzten Metern noch verständigt haben. Nun soll es noch in dieser Woche kurzfristig zur abschließenden Beratung im Parlament aufgesetzt werden (…)
Spurwechsel bedeutet, dass Menschen, die keinen Anspruch auf einen Asylstatus in Deutschland haben, bleiben können, wenn sie eine Arbeit finden. Diese Möglichkeit soll nun kommen für all diejenigen, die zum Stichtag 29. März dieses Jahres im laufenden Asylverfahren waren. (…)
Künftig soll es Ausländerinnen und Ausländern aus Nicht-EU-Ländern ermöglicht werden, mit einer „Chancenkarte“ auf der Basis eines Punktesystems zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen. Fachkräfte mit Berufsabschluss und -erfahrung können kommen, ohne dass sie vorher ihren Abschluss von Deutschland anerkennen lassen müssen. Für Ausländerinnen und Ausländer mit einem von Deutschland anerkannten Abschluss werden die Hürden gesenkt, etwa das vorgeschriebene Mindestgehalt. (…) Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte, es werde auch dabei helfen, Migration „vernünftig zu sortieren“. Beide betonten zugleich, dass Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und solche aus humanitären Gründen künftig grundsätzlich nicht vermengt werden sollen…“ Meldung vom 19.06.2023 beim Migazin („Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Ampel verständigt sich auf Spurwechsel für „vernünftig sortierte“ Asylbewerber“)- Siehe zum „Geist“ die aktuellen Ausführungen zu GEAS im Dossier: Migrationspakt etc.: Neuer Anlauf in der EU-Flüchtlingspolitik (???)
- Die Bundesregierung und der Mensch als „Arbeitspotenzial“ für den deutschen Arbeitsmarkt
- Menschenmaterial für den deutschen Arbeitsmarkt (Teil 1)
„… Das Fachkräfteproblem in Deutschland ist ein rundum anerkannter Missstand. (…) Aber es wird nicht nur geklagt: „Fachkräfteland Deutschland“ – unter diesem Titel stellte die Bundesregierung bereits im letzten Oktober ihre Strategie zur Fachkräftesicherung vor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, gingen nun am 23. April mit diesem Projekt wieder in die Öffentlichkeit, nachdem sie das Weiterbildungsgesetz und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in den Bundestag eingebracht hatten. Die Strategie der Fachkräftesicherung umfasst fünf Handlungsfelder. Deren Definition gibt darüber Auskunft, was regierungsoffiziell unter dem vielfach beschworenen Problem am Arbeitsmarkt zu verstehen und was hier zu tun ist. Das Bundesarbeitsministerium erläutert den Handlungsbedarf der Regierungsstrategie: „Mit einer zeitgemäßen Ausbildung, gezielter Weiterbildung und einer modernen Einwanderungspolitik wollen wir die Arbeit als Fachkraft wieder attraktiver machen und Unternehmen bei der Fachkräftesicherung unterstützen.“ Berufstätigkeit ist nicht mehr attraktiv? Haben deutsche Arbeitnehmer keine Lust mehr, als Fachkräfte im legendären „Normalarbeitsverhältnis“ zu arbeiten? Das sind ja seltsame Neuigkeiten. Dass viele sich lieber als Hilfsarbeiter irgendwo im Niedriglohnsektor verdingen wollen, gehört doch wohl eher in den Bereich der Legendenbildung. Was die Regierung durch ihren Arbeitsminister kundtun lässt, zielt auch auf etwas anderes; nämlich darauf, dass sie noch reichlich Potenzial im Inland wie Ausland erschließen will, das bislang der lohnenden Beschäftigung durch die deutsche Wirtschaft nicht zur Verfügung steht und dem Arbeitsmarkt erst zugeführt werden soll. Sonst leide der Standort schwere Not. Die Politik will in dem Feld jetzt gezielt strategisch handeln. Da hat sie zum einen die Millionen Arbeitslosen im Auge, über die die Wirtschaft das Urteil gefällt hat, dass sie unbrauchbar sind, weil sie nicht über die entsprechende Qualifikation – sprich unmittelbare Brauchbarkeit – verfügen; oder weil sie nicht die geforderte Arbeitsmoral mitbringen, um jederzeit pünktlich oder auf Abruf zur Verfügung zu stehen. Alleinerziehende Mütter und Menschen mit Behinderung, die nicht immer flexibel einzusetzen sind, oder Menschen mit physischen und psychischen Einschränkungen entsprechen alle nicht den Ansprüchen, die Unternehmen an ihr Menschenmaterial, pardon: an ihre verehrten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellen. Dieses Urteil will die Regierung so nicht stehen lassen und verspricht nicht weniger, als dass mit Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ein Teil dieser Menschen brauchbar zu machen ist. Das soll dann sowohl im Sinne derer sein, die auf der Arbeit als Einkommensquelle angewiesen sind, als auch der Wirtschaft nützen, die immer über ein reichhaltiges Angebot an menschlichem Input verfügen muss. Dabei haben die vielen Überflüssigen bereits nützliche Dienste geleistet. Halten sie doch die Konkurrenz um Arbeitsplätze in Gang und tragen zur Lohndrückerei bei. Deshalb ist die Meinung, dass ausreichend Arbeitskräfte im Lande vorhanden seien und diese nur entsprechend bezahlt werden müssten, kein willkommener fachlicher Rat, der die Regierung beruhigt. Sie macht sich ernsthaft Sorgen um den Arbeitsmarkt und sieht sich gefordert. (…) In der Regierungsinitiative geht es zudem um Migration, also um den Zugriff auf ausländische Arbeitskräfte. Warum es dazu einer „modernen Einwanderungspolitik“ bedarf, erschließt sich auch nicht auf den ersten Blick. An einschlägiger Attraktivität fehlt es Deutschland wahrlich nicht, wird doch ständig über die steigende Zahl von Flüchtlingen oder Migranten geklagt. Offenbar sind aber diese Menschen in den Augen der den Menschenrechten verpflichteten Politiker nicht die Richtigen. Sie haben sich allein schon deswegen disqualifiziert, weil sie sich ohne Erlaubnis auf den Weg gemacht haben. Der Wille allein, nach Deutschland zu kommen, um dort sein Glück zu machen, zeichnet eben eine Fachkraft nach den Kriterien der hiesigen Politik nicht aus, auch wenn das Motto des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes lautet: „Make it in Germany“. Es sollen nämlich genau diejenigen sein, die die verschiedenen Branchen mit ihren entsprechenden Qualifikationen benutzen wollen. Da gibt es viel zu regeln…“ Kommentar Teil 1 der neuesten Reformvorhaben der Regierung von Suitbert Cechura vom 31. Mai 2023 bei Telepolis - Die Bundesregierung und der Mensch als „Arbeitspotenzial“ (Teil 2)
„… Mit der Bezeichnung „Arbeitspotenziale“ macht die Regierung klar, als was sie die Menschen im Lande betrachtet. Das ist schon eine bemerkenswerte Bestimmung: Sie sind Menschen, deren Arbeit ausgenutzt gehört, sie sind zum Arbeiten da. „Erwerbstätigkeit erhöhen“ ist ebenso eine seltsame Zielsetzung, schließlich wird damit ausgedrückt, dass die Menschen im Lande mehr für ihren Lebensunterhalt arbeiten sollen – was das Leben natürlich nicht angenehmer macht. Aber auch so kann man das Grundprinzip des Kapitalismus thematisieren, dass die Menschen nicht arbeiten, um zu leben, sondern leben, um zu arbeiten. Das Ganze soll jedoch als eine einzige Dienstleistung an diejenigen verstanden werden, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen und dies bislang nicht konnten, stattdessen auf Sozialleistungen angewiesen waren (…) Wenn die Erhöhung des Mindestlohns als Beispiel für die Steigerung der Erwerbstätigkeit angeführt wird, dann unterstellt das Arbeitsministerium, dass viele Menschen nicht oder nur wenig arbeiten, weil sie eingesehen hätten, dass sich für sie das Arbeiten nicht lohnt. Ganz so, als ob ein Leben vom Bürgergeld, das die Existenz nicht sichert und die Menschen zur Tafel treibt, eine Alternative wäre, für die sich viele entscheiden (…) In den Augen der Regierung arbeiten Frauen noch zu wenig. Damit ist nicht ihre Hausarbeit gemeint, sie vollbringen vielmehr zu wenig Arbeitsleistung für den Gewinn der deutschen Wirtschaft. Damit sie sich dafür entscheiden, möchte die Politik nachhelfen. Dabei kommen ihr die ständigen Reallohnsenkungen zupass, die es immer schwieriger machen, von einem Einkommen den Unterhalt einer Familie zu bestreiten. Wenn von der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben die Rede ist, dann wird damit umschrieben, dass die Notwendigkeiten des Alltag mit der zusätzlichen Berufstätigkeit der Frauen nicht weniger werden. Das soll sie allerdings nicht daran hindern, mehr zu arbeiten. Ein weiteres Potenzial sieht die Regierung bei den Menschen mit Behinderung (…) Eine bessere Integration dieser Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt entlastet zunächst einmal die Sozialkassen, von denen die meisten leben müssen, weil sie entweder nicht arbeiten können oder keinen Arbeitgeber finden, der ihre Beschäftigung als lohnend erachtet. (…) Wenn es darum ginge, den Arbeitenden ein gutes Auskommen zu sichern, bei dem sie ihre Gesundheit nicht ruinieren, dann müsste die Regierung sich gegen die Art und Weise des hierzulande üblichen Wirtschaftens wenden. Denn im Kapitalismus sind Löhne und Gehälter Kosten, also niedrig zu halten. Sie müssen sich lohnen, sind unter diesem Kriterium zu kalkulieren, weswegen das Lohnarbeiterleben immer eine unsichere und auch ungesunde Angelegenheit bleibt. Denn durch das vom Unternehmen in Personal verausgabte Geld soll immer eine möglichst hohe Leistung erbracht werden, was die Menschen auf Dauer verschleißt. (…) Mit dem Ziel der Verbesserung der Arbeitsqualität zielt die Regierung auf die älteren Erwerbstätigen. Dass die nach einem langen Erwerbsleben meist gesundheitlich angeschlagen und verschlissen sind, ist der Ausgangspunkt für die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen: Diese Menschen sollen länger für den Gewinn der Unternehmen brauchbar bleiben. (…) „Moderne Einwanderungspolitik und Reduzierung der Abwanderung“ Dieses Handlungsfeld steht wahrscheinlich nicht zufällig am Ende der Regierungsstrategie. (…) Bei der Initiative geht es nun aber darum, die richtigen Ausländer ins Land zu holen, und so will erst einmal bestimmt sein, wer die Erlaubnis, in Deutschland arbeiten und leben zu dürfen, erhalten soll (…) Dass die Regierung nichts für ihre Bürger tun würde, kann man ihr wahrlich nicht vorwerfen. Sie weiß um deren Abhängigkeit vom Erfolg der deutschen Wirtschaft, die sie als billige und willige Arbeitskräfte braucht. Wenn die zur Mangelware werden und das freie Unternehmertum „nachhaltige Planung auf dem Arbeitsmarkt“ vermisst, sieht sich die Regierung zum Handeln herausgefordert. Also tut sie alles, damit möglichst viele Menschen als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und ihren Beitrag zum Erfolg der Nation leisten. Die Ansprüche der deutschen Wirtschaft reichen aber weit über das Potenzial der heimischen Arbeitskräfte hinaus, somit braucht es auch Zuwanderer, aus denen gute Deutsche werden können. So wird deutlich, was einen guten Deutschen auszeichnet: nicht sein Pass oder sein Geburtsort, sondern sein Dienst an der Nation. Wer meint, einfach wegen seiner (bio-)deutschen Herkunft eine besondere Behandlung verdient zu haben, hat eben den Witz verpasst, was es heißt, ein guter Deutscher zu sein.“ Kommentar Teil 2 der neuesten Reformvorhaben der Regierung von Suitbert Cechura vom 1. Juni 2023 bei Telepolis - Siehe zum Hintergrund die BMAS-PM vom 29. März 2023 : „Kabinett beschließt neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Bundesregierung schafft neue Wege der Erwerbsmigration“
- Menschenmaterial für den deutschen Arbeitsmarkt (Teil 1)
- [Die Guten ins Töpfchen…] Kabinett beschließt Gesetzes-Fahrplan zur Fachkräfteeinwanderung
„Die Bundesregierung will mit einfacheren Regeln und neuen Angeboten mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Berlin Eckpunkte für ein Gesetz, das es für Menschen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) attraktiver machen soll, in Deutschland zu arbeiten. Dazu zählt auch ein Punktesystem. Die Wirtschaft begrüßte das Vorhaben. (…) Es sei eine gemeinsame Ausgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass Deutschland nicht abschreckend, sondern einladend sei für „helfende Hände und kluge Köpfe“, sagte Heil. Der SPD-Politiker plant nach eigenem Bekunden, den Gesetzentwurf Anfang kommenden Jahres in den Bundestag einzubringen. Zu den neuen Regeln gehört, dass Menschen künftig mit einer „Chancenkarte“ zunächst für ein Jahr nach Deutschland kommen können, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Punkte gibt es für die Qualifikation, berufliche Erfahrung, Sprachkenntnisse oder einen persönlichen Bezug zu Deutschland sowie das Alter. Neu ist beispielsweise auch, dass Berufserfahrung mehr Gewicht erhält. Ausländische Fachkräfte sollen auch dann eine Stelle annehmen können, wenn ihr Berufsabschluss in Deutschland nicht anerkannt ist, sie aber über eine mindestens zweijährige Berufserfahrung verfügen. Es ist dann möglich, die Anerkennung in Deutschland nachzuholen. (…) Zuwanderer mit einem anerkannten Abschluss können künftig nicht nur in ihrem erlernten Beruf arbeiten, sondern auch eine andere Tätigkeit aufnehmen. Damit kommt die Regierung Wünschen der Wirtschaft entgegen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärte, die Politik stelle die richtigen Weichen dafür, die Einwanderung in den Arbeitsmarkt einfacher zu machen. Es könnten bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen, wenn nicht gegengesteuert werde. (…) Heil hatte die Eckpunkte im Oktober zur Abstimmung mit den anderen Ministerien vorgelegt. Die Regelungen für Fachkräfte sind Teil eines Gesetzespakets zur Migration, mit dem die Ampel-Koalition das Einwanderungs-, Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht modernisieren will. Kontrovers wird derzeit innerhalb der Ampel über die Erleichterung von Einbürgerungen debattiert. Die bisherigen Regeln zur Arbeitskräftegewinnung im Ausland stammen aus dem März 2020, als das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der damaligen großen Koalition in Kraft trat. Bewähren konnte es sich wegen der Corona-Pandemie zunächst nicht.“ Meldung vom 30. November 2022 im MiGAZIN- Statt Kommentar lese dazu den Thread von Chris Pyak vom 28. Nov. 2022 : „Ich lese tweets zur #Staatsangehörigkeit und kann nur noch den Kopf schütteln. Als jemand der in 7 Ländern gelebt hat & hunderten internationalen Fachkräften bei der Jobsuche in Deutschland geholfen hat: Liebe Mitbürger – ihr müsst mal in der realen Welt ankommen! Viele Deutsche leben in einer Fantasiewelt. Hier ein paar Illusionen von denen ihr euch bitte trennt, wenn ihr nicht von der harten Wirklichkeit bestraft werden wollt: Niemand, wirklich niemand, träumt davon nach Deutschland zu ziehen. Fast alle meine Klienten sehen Deutschland als EINE von mehreren Karrieremöglichkeiten. Findet sich ein besseres Angebot in Holland, US, UK – dann gehen sie halt da hin. Das bringt mich zur zweiten Illusion. Die Ausländer die heute kommen müssen nicht „dankbar“ sein & auch nix beweisen. Die sind überwiegend BESSER ausgebildet als der Durchschnittsdeutsche. (…) Die dritte Illusion: Zu denken dem hochqualifiziertem Expat wäre es egal wenn ihr gegen Asylanten hetzt. Ich hatte bereits mehrfach Coaching Klienten die dringend aus Ostdeutschland wegwollten. Auf der Strasse in #Dreden sah niemand ihren Doktortitel. Nur ihre dunklere Hautfarbe. Jeder von Ihnen wurde regelmäßig beschimpft, bespuckt, bedroht. Soviel kann kein Arbeitgeber zahlen, dass fähige Menschen sich so erniedrigen lassen. Vierte Illusion: #Rassismus wäre für Weiße folgenlos. Eine frühere indische Klientin von mir hat nach einem Jahr ihren Forschungsjob gekündigt und ist weggezogen. Damit war das Forschungsprojekt des Arbeitgebers tot. Alle (deutschen) Laborassistentinnen wurden entlassen. Grund: Die Deutschen waren unfreundlich und sie fühlte sich isoliert. Kein Einzelfall, sondern der Regelfall. Deutschland hat einen schlechten Ruf bei hochqualifizierten Fachkräften. (…) Wer die BESTEN Fachkräfte will, muss sich um sie bemühen. Wer dass nicht tut, bekommt nur jene DIE KEINE ANDERE WAHL haben. Internationale Fachkräfte sehen wie wir z.B. Geflüchtete behandeln – und ziehen ihre Schlüsse. (…) Es ist verrückt: Alle jammern vom #Fachkräftemangel aber nur VIER Prozent aller Firmen stellt auf Englisch ein. 100% #Homeoffice bietet auch nur eine Handvoll…“
- Anwerbung von Fachkräften: Mangelnde Solidarität mit Herkunftsländern – Konzept der Zirkulärmigration als Alternative
„Fachkräfte anzuwerben ist ichbezogen und sozial ungerecht! Das Konzept der Zirkulärmigration dagegen birgt eine mögliche Alternative zur Fachkräfteanwerbung.
Die Freizügigkeit für Erwerbstätige ist eine der meistgelobten Errungenschaften der Europäischen Union. Angesichts der teils immensen Auswanderung aus weniger entwickelten Ländern und der anschließenden Einwanderung in die wirtschaftlich stärkeren Industrieländer kann diese Freiheit jedoch auch schwerwiegende Probleme mit sich bringen, und zwar für die weniger entwickelten Länder. Aufnahmeländer setzen große Hoffnungen in Zugewanderte – so auch Deutschland. (…) Der Elefant im Raum bei alldem: Diese Fachkräfte fehlen selbsterklärenderweise im Herkunftsland – welches plausiblerweise somit auf noch mehr auf Fachkräfte angewiesen ist. So sieht internationale Solidarität gewiss nicht aus. Die unausgesprochene ichbezogene, ja nationalistische Haltung lautet: Ein weniger entwickeltes Land muss für unser Wohlstandsproblem, den Fachkräftemangel herhalten. (…) Hier sollte es eine Alternative sein, die sowohl für das Herkunfts- als auch das Aufnahmeland nützlich ist. Sie kann lauten: Zirkulärmigration. (…) Eine solidarische Zirkulärmigration darf den eigenen Nutzen fokussieren und dabei nicht das Herkunftsland beeinträchtigen. Das kann durch eine Lastenverteilung geschehen, ein Beispiel: Die Ausbildung erfolgt im Herkunftsland – eventuell vom temporären Aufnahmeland finanziell unterstützt bis vollständig getragen – für eine zuvor festgelegte Zeit wird der Beruf im Aufnahmeland fortgesetzt, wobei die sprachliche, soziale, bestenfalls auch emotionale (d. h. die Identifikation mit dem Aufnahmeland) Integration bewusst gefördert wird. Zurück in der Heimat wird die Ausübung des Mangelberufes fortgesetzt – unter gleichen Vergütungsbedingungen. Das Spiel kann auch andersherum gespielt werden: Die Ausbildung erfolgt im Aufnahmeland – unter genannten Integrationsbedingungen versteht sich – die letztendliche Berufsausübung in der Heimat. Notwendig, zu erwähnen, dass dies unter gleichen Vergütungsbedingungen geschehen muss? Hoffentlich nicht. Zugegeben, einen prominenten Haken gibt es. Es besteht die Befürchtung, dass mit steigendem Wohlstand aufgrund mehr Fachkräfte im Heimatland auch der Migrationswille steigt. Demnach wäre nur mit Parität des Entwicklungsstandes zwischen Herkunft- und Aufnahmeland ein weiterer Brain-Drain zu verhindern. Und da man einen Aus- bzw. Einwanderungswillen gesetzlich nur sehr schwer beschränken kann, bleibt eine zweigeteilte Möglichkeit: dass potenzielle Fachkräfte den Mut fassen, ihr Bestes im Heimatland zu versuchen, und dass sich das temporäre Aufnahmeland zur internationalen Solidarität bekennt.“ Beitrag von Clemens Becker vom 6. November 2022 im MiGAZIN - „Westbalkanregelung“ bringt hunderttausenden Wanderarbeitern und Tagelöhnern Elend, Armut und Ausgrenzung – sie setzt ein weiteres globales Rotationsverfahren von Arbeitskräften in Gang
„Deutschland zählt zu den Staaten, die am stärksten vom Zuzug hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus ärmeren Regionen Europas profitieren und konnte über die Jahre einen gigantischen Niedriglohnsektor und unregulierten Arbeitsmarkt auf dem Rücken der prekär beschäftigten Menschen aufbauen. Mit Wirkung zum 28.10.2015 wurden die gesetzlichen Bestimmungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Republik Nord Mazedonien, Montenegro und Serbien gelockert. Seit dem 01.01.2016 können sie befristet bis zum 31.12.2023 in Deutschland für jede Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, obwohl sie nicht aus EU-Staaten kommen. Sie müssen für die Einreise ein Visum beantragen, sie benötigen dafür nur die verbindliche Zusage eines Unternehmens, eine bestimmte Qualifikation oder Deutschkenntnisse brauchen sie nicht. Ausgenommen sind Tätigkeiten im Rahmen der Leiharbeit. Die sogenannte Westbalkanregelung wurde 2020 für weitere 3 Jahre verlängert und eine Kontingentfestsetzung für bis zu 25.000 Personen jährlich eingeführt. (…) Deutschland zählt zu den Staaten, die am stärksten vom Zuzug hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus ärmeren Regionen Europas profitieren. Während die lohnabhängig arbeitenden Menschen aus Westbalkan-Ländern durch die Bundesregierung abgeworben werden, deckt man dort den entstandenen Arbeitskräftebedarf mit Menschen aus anderen Ländern, wie beispielsweise aus asiatischen Ländern. Deren Arbeitsbedingungen sind in den Westbalkan-Ländern dann noch einmal extrem verschlechtert worden, die Beschäftigten noch weiter entrechtet und Arbeitsverhältnisse noch mehr deregulieren. Dieser Prozess ist weltweit in Gang gesetzt worden, ein globales Rotationsverfahren mit den größten Verlierern, den Menschen aus den südlichen Ländern. Die Beschäftigten sind zwar Teil eines globalisierten Arbeitsmarktes, aber dennoch jeweils den besonderen Formen nationalstaatlich regulierter Ausbeutung unterworfen. Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass nationalistische Forderungen, die eigenen Arbeitsbedingungen durch Abschottung zu schützen, sich schnell als illusionär herausstellen, denn in der Regel wird bestehendes Recht massiv unterlaufen. Durch die Westbalkanregelung ist es bei uns weiterhin möglich, dass legale Arbeitsmigration vom Westbalkan durch eine weiter ausgebaute illegale Beschäftigung ergänzt wird, die von den Stunden- und Tagelöhnern ausgeführt wird. Die Verlängerung der Regelung ist für die hiesigen Unternehmen eine Verlängerung der Lizenz zur Ausbeutung. Die Gewerkschaften sind gefordert, sich stärker in die migrantischen Kämpfe einzubringen und gleichzeitig verstärkt internationale Solidaritätsarbeit zur Angleichung der arbeitsrechtlichen Standards zu machen.“ Beitrag vom 24. August 2022 vom und beim gewerkschaftsforum.de - Dossier: Es sind zuerst Geflüchtete: Es ist jetzt nicht die Aufgabe von Ukrainer*innen, den deutschen Fachkräftemangel zu beheben
- Arbeitsagentur-Chef: „Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr“ – „Aber mir geht es hier nicht um Asyl, sondern um gezielte Zuwanderung für die Lücken am Arbeitsmarkt“
„Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, appelliert an die Bundesregierung, deutlich mehr Einwanderer ins Land zu holen. Durch die demografische Entwicklung nehme die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte im typischen Berufsalter bereits in diesem Jahr um fast 150.000 ab, sagte Scheele der „Süddeutschen Zeitung“ . In den kommenden Jahren werde es noch „viel dramatischer“. Deutschland könne das Problem nur lösen, indem es etwa Ungelernte qualifiziere, Arbeitnehmerinnen mit unfreiwilliger Teilzeit länger arbeiten lasse – und vor allem, indem es ein Einwanderer ins Land hole, sagt Scheele. „Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren.“ Er warnte, dass in allen Branchen Arbeitskräfte fehlen werden. „Man kann sich hinstellen und sagen: Wir möchten keine Ausländer. Aber das funktioniert nicht.“ (…) Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte in Berlin, die Bemühungen zur Integration von Migranten müssten verstärkt werden. Das sei kein Selbstläufer. Es „braucht politischen Willen und Investitionen in differenzierte Deutschkurse, Migrationsberatung und Förderprogramme zur Erwerbsintegration.“ Von den Menschen, die nach 2015 nach Deutschland gekommen sind, haben laut Lilie mittlerweile die Hälfte eine Arbeitsstelle. Das sei ein großer Erfolg und unbedingt ausbaufähig. „Wenn sich Flüchtlinge aus Afghanistan oder anderen Ländern auf den Weg machen, sollte Deutschland seinen Beitrag leisten, um sie aufzunehmen und ihnen den Weg in die Berufstätigkeit erleichtern“, sagte der Diakoniechef: „Das erwarten wir auch von der Politik und der neuen Bundesregierung.“ Meldung vom 25. August 2021 von und bei MiGAZIN – siehe dazu: „Aber mir geht es hier nicht um Asyl, sondern um gezielte Zuwanderung für die Lücken am Arbeitsmarkt“, sagte Scheele der „Süddeutschen Zeitung“. „Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen.“ – siehe dazu:- In der SZ heißt es genauer: „Aber mir geht es hier nicht um Asyl, sondern um gezielte Zuwanderung für die Lücken am Arbeitsmarkt“, sagte Scheele der „Süddeutschen Zeitung“. „Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen.“
- Die Schlechten ins Meer. Martin Höfig über den großdeutschen Kleingeist Detlef Scheele
„… Dass Scheele über solch gefilterte Zuwanderung hinaus auch längere Arbeitszeiten für in Teilzeit Beschäftigte als Lösung für den drohenden Arbeitskräftemangel sieht, zeigt umso mehr, wes Geistes Kind er ist. Zur Erinnerung: Vor wenigen Monaten antwortete er auf Forderungen verschiedener Sozialverbände und Gewerkschaften, den von seiner Partei verbrochenen Hartz IV-Satz auf 600 Euro anzuheben: »Ich bezweifle, dass jemand mit 600 Euro deutlich zufriedener wäre.« Klarer kann sich ein deutscher Beamtendünkel kaum ausdrücken, genau wie jetzt wieder über gut ausgebildete Migrant*innen, wenn das saubere Deutschland sie gerade braucht.“Kommentar von Martin Höfig vom 24.08.2021 im ND online
- Verlängerung der „Westbalkanregelung“ – Lizenz zur Ausbeutung von Arbeitskräften
„Deutschland zählt zu den Staaten, die am stärksten vom Zuzug hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus ärmeren Regionen Europas profitieren. Mit Wirkung zum 28.10.2015 wurden die gesetzlichen Bestimmungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Menschen aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien gelockert. Seit dem 01.01.2016 können sie befristet bis zum 31.12.2020 in Deutschland für jede Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, obwohl sie nicht aus EU-Staaten kommen. Sie müssen für die Einreise ein Visum beantragen, sie benötigen dafür nur die verbindliche Zusage eines Unternehmens, eine bestimmte Qualifikation oder Deutschkenntnisse brauchen sie nicht. Ausgenommen sind Tätigkeiten im Rahmen der Leiharbeit. Das Bundeskabinett hat nun beschlossen, diese sogenannte Westbalkanregelung bis 2023 zu verlängern. Neu eingeführt wird ein Kontingent für bis zu 25.000 Personen jährlich. (…) Während die lohnabhängig arbeitenden Menschen aus Westbalkan-Ländern durch die Bundesregierung abgeworben werden, deckt man dort den entstandenen Arbeitskräftebedarf mit Menschen aus anderen Ländern, wie beispielsweise aus asiatischen Ländern. Deren Arbeitsbedingungen sind in den Westbalkan-Ländern dann noch einmal extrem verschlechtert worden, die Beschäftigten noch weiter entrechtet und Arbeitsverhältnisse noch mehr deregulieren. Dieser Prozess ist weltweit in Gang gesetzt worden, ein globales Rotationsverfahren mit den größten Verlieren, den Menschen aus den südlichen Ländern. Die Beschäftigten sind zwar Teil eines globalisierten Arbeitsmarktes, aber dennoch jeweils den besonderen Formen nationalstaatlich regulierter Ausbeutung unterworfen. Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass nationalistische Forderungen, die eigenen Arbeitsbedingungen durch Abschottung zu schützen, sich schnell als illusionär herausstellen, denn in der Regel wird bestehendes Recht massiv unterlaufen. Durch die Westbalkanregelung ist es bei uns weiterhin möglich, dass legale Arbeitsmigration vom Westbalkan durch eine weiter ausgebaute illegale Beschäftigung ergänzt wird, die von den Stunden- und Tagelöhnern ausgeführt wird. Die Verlängerung der Regelung ist für die hiesigen Unternehmen eine Verlängerung der Lizenz zur Ausbeutung. Die Gewerkschaften sind gefordert, sich stärker in die migrantischen Kämpfe einzubringen und gleichzeitig verstärkt internationale Solidaritätsarbeit zur Angleichung der arbeitsrechtlichen Standards zu machen.“ Beitrag vom 2. Oktober 2020 vom und beim gewerkschaftsforum.de - Bau, Pflege, Gastgewerbe: Überangebot an Lohnsklaven – Regierung will Einwanderung aus »Westbalkan«-Staaten begrenzen. »Zuwanderungsdeckel« mit Coronakrise begründet
„Die Bundesregierung will die Einwanderung aus den Ländern des sogenannten Westbalkans beschränken. Bis zum Dezember 2023 sollen nur noch 25.000 Menschen im Jahr auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland kommen dürfen. Seit 2016 gilt die Westbalkanregelung. Durch sie können Menschen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen. Sie müssen dafür nur die verbindliche Zusage eines Unternehmens vorweisen; eine bestimmte Qualifikation benötigen sie nicht. (…) Gekommen sind vor allem junge Männer: In den Jahren 2016 und 2017 waren 73 Prozent der Eingewanderten jünger als 40, und zu 86 Prozent waren es Männer. Vor allem das Baugewerbe hatte einen hohen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften; dort fanden 44 Prozent einen Arbeitsplatz. Im Gastgewerbe waren es 13 Prozent, im Gesundheits- und Sozialwesen elf Prozent und in anderen Dienstleistungen kamen noch einmal zehn Prozent unter. Die geplante Reform begründet die Bundesregierung nun mit der hohen Nachfrage, welche die Visastellen in den Ländern enorm belaste. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) sieht in der Reform eine Kompromisslösung. (…) »Beschäftigte spielt man nicht gegeneinander aus – deswegen brauchen wir keine Obergrenze«, kommentierte Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, am Montag gegenüber jW die Regierungsentscheidung. Statt am rechten Rand zu fischen, gelte es, die Solidarität in diesem Land zu stärken, indem man Lohndumping und Schmutzkonkurrenz verhindere. Dafür brauche es eine stärkere Tarifbindung und einen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro pro Stunde. Darüber hinaus brauche es mehr staatliche Kontrollen, um ausbeuterische Arbeitsbedingungen zu verhindern. Für »schwarze Schafe« müsse es härtere Strafen geben. Betroffene müssten besser über ihre Rechte am Arbeitsplatz beraten werden; Gewerkschaften sollten ein Verbandsklagerecht bekommen. Wirtschaftsvertreter zeigten sich entsetzt. Trete der »Zuwanderungsdeckel« in Kraft, könne es zu einem Fachkräftemangel kommen, monierte Achim Dercks, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Sollte die Wirtschaft nach der Coronakrise wieder Fahrt aufnehmen, könnte es zu Engpässen kommen…“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 18. August 2020 - IW-Studie: Ungesteuerte Einwanderung hat Deutschland geholfen
„Die Zahl der Einwanderer aus den neuen EU-Staaten nach Deutschland ist innerhalb von fünf Jahren um 744.000 gestiegen. 2015 lag die Zahl bei 2,1 Millionen, Ende 2019 waren es bereits fast 2,9 Millionen, wie das Institut der deutschen Wirtschaft am Montag in Köln anlässlich einer aktuellen Studie mitteilte. Der Großteil der Einwanderer kam demnach aus Rumänien sowie aus Polen, Bulgarien und Kroatien…“ Beitrag vom 18.08.2020 beim Migazin (im Abo), siehe auch die PM des IW - Westbalkanregelung: Mehr als die Hälfte arbeitet als Fachkraft
„54 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse, die über die Westbalkanregelung in Deutschland zustande kommen, sind auf Fachkraftniveau. Auf den noch höheren Qualifikationsniveaus „Spezialist“ und „Experte“ sind zusammengerechnet vier Prozent, 42 Prozent sind auf dem Helferniveau. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Seit 2016 können Arbeitnehmer aus den Nicht-EU-Ländern Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien im Rahmen der Westbalkanregelung eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen. Voraussetzung ist die verbindliche Arbeitsplatzzusage eines Betriebs in Deutschland. Ein Qualifikationsnachweis ist nicht notwendig. Die derzeit noch bis Ende 2020 befristete Regelung traf auf hohe Nachfrage bei Beschäftigungssuchenden in den Westbalkanstaaten – und zumindest bis zum Ausbruch der Covid-19 Pandemie auch bei Betrieben in Deutschland…“ Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 11.8.2020 - Fehlende Wertschätzung, prekäre Bedingungen: Jede dritte Fachkraft aus dem Ausland arbeitet zum Niedriglohn
„Am 1. März ist das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten – verbunden mit der Hoffnung, die vielen offenen Stellen im Handwerk, in Krankenhäusern und im Gastgewerbe leichter mit Fachkräften aus dem Ausland besetzen zu können. Doch ein Gesetz allein reicht nicht. Gut ausgebildete Menschen werden nur zu uns kommen und bleiben, wenn sie fair behandelt werden. (…) Mehr als 4o Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten in atypischen Arbeitsformen. Mit Ausnahme der geringfügigen Beschäftigung finden sich in all diesen Beschäftigungsformen überdurchschnittlich oft Kolleg*innen ohne deutschen Pass wieder. In der Leiharbeit beispielsweise hat jede*r dritte Beschäftigte einen ausländischen Pass. Auch viele Fachkräfte sind davon betroffen. Knapp 20 Prozent von ihnen arbeiten in Vollzeit zu einem Niedriglohn. Dabei ist der Anteil der Kolleg*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mit 35 Prozent hier sogar noch wesentlich höher. Branchen wie Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung und Unterricht oder Gastgewerbe sind Vorreiter beim Einsatz von Befristungen, bei niedrigen Löhnen und geringer Tarifbindung. Viele davon beklagen aber gleichzeitig einen gestiegenen Fachkräftemangel…“ Fakten zur Zahl des Monats am 2.3.2020 beim DGB - Von Kosovo nach Deutschland: Auch erwünschte Arbeitsmigranten bekommen keine Visa
„Ab 1. März gilt das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz. Die ähnliche Vorgängerregelung für den Westbalkan gibt Hinweise darauf, wo es in der Praxis hakt. (…) Für nächstes Jahr rechnet man bei insgesamt nur 1,8 Millionen Kosovarinnen und Kosovaren mit einer halben Million Menschen im Erwerbsalter, die keine Arbeit haben – hoch- ebenso wie geringqualifizierte. Das ist der höchste Wert aller sechs Westbalkanländer. Das Pro-Kopf-Einkommen im Kosovo ist das viertniedrigste auf dem europäischen Kontinent. (…) Die Bilanz, die beide Institute am Dienstag veröffentlichten und die auch im Blick auf das neue Gesetz Bedeutung bekommen könnte, ist durchwachsen. Wie schon frühere liberale deutsche Gesetze zur Arbeitsmigration scheint auch hier die schleppende Erteilung von Visa sie in der Praxis auszubremsen. Die Verfahrensdauer sei „derzeit nicht nachhaltig“, rügt die Studie. Die Bundesregierung müsse das Personal der Botschaft in Kosovos Hauptstadt Prishtina dringend aufstocken. „Zwischen 2017 und 2018 kamen lediglich zwei neue Mitarbeiter, obwohl die Zahl der Anträge rasch wuchs.“ (…) Oft vermuteten die Botschaften fingierte Verträge oder ausbeuterische Arbeitsverhältnisse hinter den vorgelegten Papieren. Statt diese Prüfungen der deutschen Arbeitsverwaltung zu überlassen, verzögerten sich so die Visa-Verfahren. (…) Ein Problem sei auch die mangelnde Koordination zwischen den beteiligten Herkunftsländern und dem Zielland Deutschland, moniert die Studie. So bestehe die Gefahr, dass gerade Menschen abgeworben würden, deren Fähigkeiten im Heimatland fehlten, während andere Sektoren der heimischen Wirtschaft unterversorgt seien. (…) Ein „Brain Drain“ im Gesundheitssektor sei höchstens mäßig riskant, im übrigen brauche das Land „eher ärztliches Personal als Krankenschwestern“. Anders sehe dies aktuell für den Verwaltungs- und Dienstleistungssektor und für die Bauindustrie des Kosovo aus…“ Beitrag von Andrea Dernbach vom 26. Februar 2020 beim Tagesspiegel online - Rekrutierer statt Ausbilder: Fachkräftemangel und Zuwanderungsgesetz / OECD-Studie: Deutschland für ausländische Fachkräfte nur mäßig attraktiv
„Auf einmal kann es nicht schnell genug gehen. Am 1. März 2020 tritt das Gesetz, das die Zuwanderung von Fachleuten aus Nicht-EU-Ländern regeln soll, in Kraft. (…) Das offizielle Geschichtsmärchen dazu lautet: Jahrzehntelang haben sich insbesondere CDU und CSU gegen Einwanderung gesträubt. Das ist Schwindel. Zum einen historisch: Das Geschäftsmodell der Bundesrepublik – Dumpinglöhne und Exportweltmacht – ist Fortsetzung einer alten Strategie des deutschen Kapitals. Sie basiert auf massenhaftem Hereinholen von Niedriglöhnern, also gezielter Lohndrückerei nach innen. Das geht traditionell einher mit rassistischer Hetze. Der »Alldeutsche Verband«, so etwas wie die AfD des Kaiserreichs, behauptete schon damals, die ins Ruhrgebiet einwandernden Polen und Italiener schafften die Deutschen ab. Die Sozialdemokratie war damals so gespalten wie heute: standortchauvinistisch oder internationalistisch. Nach 1945 änderte sich wenig: Die Geschichte der Bundesrepublik ist eine Geschichte des Fachkräfteklaus. In den 50er Jahren aus der DDR, dann aus Südeuropa, der Türkei, ab 1990 wieder aus Ostdeutschland, seit den 2000ern aus Osteuropa. Grundsatz ist: Die Abgeworbenen werden nicht als gleichwertige Bürger behandelt. Zum anderen wird beim Gejammer über Fachkräftemangel die hiesige Bildungskatastrophe »vergessen«. (…) Bisher übernahm das nahe Ausland ja die Kosten für Qualifizierung. Nun rücken also Drückerkolonnen nach Brasilien, Indien, Vietnam und Mexiko mit der Parole »Make it in Germany« aus. Geheuert wird wie eh und je mit falschen Versprechungen auf raschen Wohlstand, friedliches Zusammenleben oder sogar Staatsbürgerschaft. Angela Merkel fasste das Programm am Sonnabend in der Binse zusammen: »Ohne ausreichend Fachkräfte kann ein Wirtschaftsstandort nicht erfolgreich sein.« Tja, und wenn der Erfolg ausbleibt, Krise herrscht, dann fliegen wie gewohnt die zuerst, die zuletzt kamen.“ Kommentar von Arnold Schölzel bei der jungen Welt vom 17. Dezember 2019 – siehe dazu auch:- OECD-Studie: Deutschland für ausländische Fachkräfte nur mäßig attraktiv
„Deutschland ist für zugewanderte Akademiker bislang mäßig attraktiv. Im OECD-weiten Vergleich schneidet die Bundesrepublik lediglich auf Platz zwölf ab. Spitzenreiter bei den Akademikern sind Australien, Schweden und die Schweiz. Zu diesem Ergebnis kommen die „OECD Indicators of Talent Attractiveness“, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung entwickelt wurden. In einem gemeinsamen Policy Brief finden sich Vorschläge, wie Deutschland für hochqualifizierte Migranten attraktiver werden kann…“ Meldung vom 17.12.2019 beim Migazin - „Stellenmarkt: Deutschland sucht: fähige Köpfe, fleißige Handwerker, engagierte Pflegekräfte.
Deutschland bietet: wenig bezahlbaren Wohnraum, mittelmäßigen Verdienst, schlechtes Wetter
Kommt zu uns! #Fachkräfte“ Tweet von quer vom BR vom 16.12.2019 bei Twitter - [DGB] Fachkräfte gewinnen und binden: Durch Integration und Weltoffenheit
„Zum Fachkräfteeinwanderungsgipfel der Bundesregierung sagt Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied: „Es ist gut, dass die Bundesregierung endlich die längst überfällige Strategie festlegen will, um Fachkräfte zu gewinnen. Aber die Bundesregierung muss das eine tun, ohne das andere zu lassen: Denn hierzulande gibt es bereits ein Fachkräftepotential, das gehoben werden muss, insbesondere über Qualifizierung und Weiterbildung. Nötig ist nicht nur eine bessere Beteiligung von Frauen, Älteren und aktuell arbeitslosen Menschen am Erwerbsleben, sondern auch Ausbildung und Integration von Zugewanderten, die bereits bei uns sind. Trotzdem wird ohne Fachkräfte aus dem Ausland der Bedarf in den kommenden Jahren nicht zu decken sein. Deshalb ist es richtig, auch auf Anwerbung im Ausland zu setzen. Bei der Anwerbung müssen Transparenz und hohe Standards ganz oben auf die Agenda des Gesetzgebers. Wenn sich die Menschen für die Vermittlungsgebühren dubioser privater Firmen erst einmal verschulden und dann jede Arbeit unter den schlechtesten Bedingungen annehmen müssen, um diese Schulden abzubezahlen, macht sich der Gesetzgeber mitverantwortlich für ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Deshalb sollte die Anwerbung aus Sicht der Gewerkschaften bestenfalls über die öffentliche Arbeitsverwaltung organisiert werden, unter Beteiligung der Sozialpartner. Darüber hinaus muss die Bundesregierung für gute Arbeit sorgen. Ausländische Kräfte kommen mit großen Erwartungen auch in Branchen, die viele Deutsche aus guten Gründen verlassen haben – wegen prekärer Beschäftigung, niedrigen Löhnen und belastenden Arbeitsbedingungen. Bestes Beispiel sind hier die Pflegeberufe. Nicht zuletzt sind wir alle gefragt und gefordert, Fachkräfte und ihre Familien in unsere Gesellschaft zu integrieren und vor ausländerfeindlicher Hetze und Rassismus zu schützen – in Betrieben, auf dem Wohnungsmarkt, in Schulen, in Ausländerbehörden und Stadtverwaltungen und überall im alltäglichen Leben.“ Pressemitteilung vom 16.12.2019
- OECD-Studie: Deutschland für ausländische Fachkräfte nur mäßig attraktiv
- Fachkräftemangel: Gewerkschaftsbund fordert bessere Förderung inländischer Fachkräfte
„Die Bundesregierung will mehr ausländische Fachkräfte anwerben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund plädiert dafür, auch Fachkräfte im Inland besser zu fördern. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die Bundesregierung aufgefordert, Fachkräfte auch innerhalb von Deutschland besser zu fördern. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei richtig, auf Anwerbung im Ausland zu setzen, denn sonst werde der Fachkräftebedarf in den kommenden Jahren nicht gestillt werden können. „Die Bundesregierung muss das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Denn hierzulande gibt es bereits ein Fachkräftepotenzial, das über Qualifizierung und Weiterbildung endlich gehoben werden muss.“ Dazu gehöre nicht nur eine bessere Beteiligung von Frauen, Älteren und aktuell arbeitslosen Menschen am Erwerbsleben, sondern auch Ausbildung und Integration von Geflüchteten, die bereits in Deutschland seien. Auch die Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen im Inland müsse deutlich besser werden, forderte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. „Wir kümmern uns jetzt glücklicherweise um eine dringend notwendige bessere Steuerung der Einwanderung von Fachkräften“, sagte Kramer der Rheinischen Post. „Aber dabei dürfen wir auch die Bildungsanstrengungen bei unseren Kindern nicht außer Acht lassen.“ Die Qualität der Bildung müsse deutlich und über alle Schulformen hinweg verbessert werden. Das sei vor allem dringliche Aufgabe der Ministerpräsidenten und der Kultusminister der Länder, sagte Kramer. „Der Mangel an Fachkräften ist das größte gesamtwirtschaftliche Risiko der näheren Zukunft in Deutschland.“…“ Artikel vom 14. Dezember 2019 bei der Zeit online - Zuwanderung aus dem Ausland: Mit diesen fünf Punkten will die Regierung Fachkräfte gewinnen
„… Erstens soll genau analysiert werden, in welchen Berufen ein besonderer Fachkräftemangel besteht und „welche Länder über die notwendigen Fachkräftepotentiale verfügen“. Mögliche negative Auswirkungen auf Partnerländer – wie der sogenannte Brain Drain – sollen ausdrücklich vermieden werden. Interessierte Fachkräfte und Unternehmen sollen umfangreich zum Zuwanderungsprozess beraten werden. Das mehrsprachige Internetportal „Make it in Germany“ werde zu diesem Zweck ausgebaut. Die Regierung ist sich außerdem bewusst: Wer nach Deutschland kommen möchte, muss auch dazu befähigt werden, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. So soll es Angebote zur Sprachförderung im In- und Ausland und mehr berufsbezogene Qualifizierungsmaßnahmen geben. Die Bundesagentur für Arbeit soll außerdem bei der Vermittlung unterstützen. Die Behörde habe mit Pilotprojekten schon Erfahrungen gesammelt und Kooperationsstrukturen in anderen Ländern aufgebaut. In Mexiko und Vietnam werden die Menschen vom deutschen Fachkräftemangel womöglich nichts wissen. „Deswegen wird das Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes durch eine gezielte Kommunikationskampagne begleitet“, heißt es schließlich noch in dem Papier. (…) Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat berechnet, dass bis 2060 jedes Jahr 260 000 Menschen nach Deutschland einwandern müssten. Die Bundesregierung hofft, dass durch das Einwanderungsgesetz zumindest 25 000 im Jahr kommen werden.“ Beitrag von Marie Rövekamp vom 13. Dezember 2019 beim Tagesspiegel online - Mehr Fachkräfte, mehr Abschiebungen
„Noch in dieser Woche will der Bundestag ein Einwanderungsgesetz verabschieden. Er setzt damit eines der wichtigsten Vorhaben der Koalition um. Was genau wird beschlossen? Ein Einwanderungsgesetz gehört zu den Hauptvorhaben der großen Koalition. Im vergangenen Dezember hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen. Doch dann stockte das Projekt, weil die Union härtere Abschieberegelungen wollte. Nun ist ein Kompromiss gefunden, den der Bundestag am Freitag verabschieden soll. (…) Vor allem für Nichtakademiker mit qualifizierter Berufsausbildung soll nun der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden. So entfällt die bisher geltende Beschränkung auf Mangelberufe. Erstmals dürfen auch beruflich qualifizierte – und nicht nur Akademiker – für sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen. Sie müssen also nicht schon vorher ein Jobangebot haben. IT-Fachkräfte sollen auch ganz ohne formalen Abschluss einwandern können – wenn sie entsprechende berufliche Erfahrung haben und nachweisen können, dass sie mindestens 50.000 Euro im Jahr verdienen werden. Besondere Regeln gelten für Menschen über 45 Jahre. Sie müssen ein Mindestgehalt oder eine sonstige angemessene Altersvorsorge nachweisen. So wolle man verhindern, dass ältere Menschen einwanderten, die später Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, sagte der Unionsabgeordnete Thorsten Frei. (…) Vor allem die SPD wollte gut integrierten Flüchtlingen, die in Deutschland nicht als Asylbewerber anerkannt werden, einen sogenannten Spurwechsel ermöglichen. Wer in Deutschland arbeitet und seinen Lebensunterhalt selbst verdient, sollte gesetzlich die Möglichkeit erhalten, in Deutschland zu bleiben. Die Union wehrte sich gegen die Vermischung beider Gesetze. Denn sie befürchtete, dass dadurch mehr Menschen als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, auch wenn sie keine Chance auf Asyl haben. Letztlich bleibt es jetzt bei zwei getrennten Gesetzen: Bis Ende 2023 sollen gut integrierte Flüchtlinge, die Arbeit haben, aber kein dauerhaftes Bleiberecht, eine Beschäftigungsduldung erhalten können. Die bereits bestehende Ausbildungsduldung wird auf Helferberufe ausgeweitet. (…) Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird der Bundestag das Geordnete-Rückkehr-Gesetz verabschieden, wie die Verschärfung des Abschieberechts von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) euphemistisch genannt wurde…“Artikel von Katharina Schuler vom 5. Juni 2019 bei der Zeit online , siehe auch unser Dossier: Asyl-Verschärfungen 2019: „Geordnete-Rückkehr“ – und ungestörte Abschiebungen (das “Gute-Abschiebungs-Gesetz”)
- Das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ wird durch den parlamentarischen Raum bugsiert und bei einer Anhörung im Bundestag überwiegend als „Schritt in die richtige Richtung“ bewertet
„… Im Fall der Zuwanderung von Arbeitskräften außerhalb der EU-Staaten sind es vor allem die Arbeitgeber, die ordentlich Dampf machen beim „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“. Denn dessen Geburt war schon mit erheblichen und lang anhaltenden Geburtswehen versehen und nun drängt die Zeit, das Regelwerk über die parlamentarischen Hürden zu hieven, bevor einem der GroKo-Laden um die Ohren fliegt. (…) Nun also wurde zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eine öffentliche Anhörung im Bundestag durchgeführt. Das Parlament berichtet dazu unter der Überschrift „Fachkräfteeinwanderungsgesetz Schritt in richtige Richtung“: »Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (19/8285) wird von Experten überwiegend als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, der aber noch nicht ausreicht, um dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken.« (…) Das mit der „teilweisen Gleichwertigkeit“ hört sich aber einfacher an, als es dann in praxi ist. Wo erkennt man an, wo nicht? Wie ist es mit den Qualifikationen in den gerade vom realen Fachkräftemangel betroffenen Berufen wie in der Pflege? Soll man da auch schneller und flexibler anerkennen, weil der Bedarf gerade so groß ist und noch weiter wachsen wird? Was ist mit dem Schutz der betroffenen Pflegebedürftigen? Und dem Qualifikationsschutz für die einheimischen Fachkräfte? Das wurde auch in der Anhörung aufgerufen: »Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erkenne an, dass es auch unterhalb der Akademikerebene einen Fachkräftebedarf gibt, sagte Gewerkschaftsvertreter Johannes Jakob. Es müsse aber sichergestellt sein, dass es sich tatsächlich um Fachkräfte handelt. „Wir sehen keine Notwendigkeit, Geringqualifizierte zusätzlich einwandern zu lassen“, sagte Jakob und verlangte zugleich, auch inländische Potenziale zu fördern. Was die Anerkennung von Abschlüssen angeht, so sagte der DGB-Vertreter, es sei richtig, den Ansatz der Fachkräfteprüfung beizubehalten. Andernfalls würde für Ausländer und Inländer unterschiedliches Recht geschaffen, was problematisch wäre, sagte der DGB-Vertreter.«...“ Beitrag von Stefan Sell vom 3. Juni 2019 bei Aktuelle Sozialpolitik- Siehe dazu beim Bundestag: Kritik an Plänen zur Fachkräfteeinwanderung aus Nicht-EU-Staaten
- Wasch mir den Pelz, aber mach mich möglichst wenig nass? Das „Fachkräfte“-Einwanderungsgesetz als Paradigmenwechsel mit eingebautem Bremsklotz / gewerkschaftliche Stellungnahmen
„Die Pläne der Bundesregierung zur Einwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten stoßen bei den Oppositionsfraktionen im Bundestag auf scharfe Kritik. Dagegen verteidigten Redner der Regierungskoalition das Vorhaben in der ersten Lesung des Regierungsentwurfs eines „Fachkräfteeinwanderungsgesetzes“ (…) Der Gesetzentwurf ist schlichtweg ein Kompromisspapier zwischen denen, die einen erheblichen Zuwanderungsbedarf aus arbeitsmarktlicher Sicht unterstellen und denen, die Angst davor haben, dass die legalisierte Variante der Migration vor allem Menschen anziehen wird, die man „nicht haben will“. Beide Seite haben im Bundestag ihre Positionierungen vorgetragen (…) Unabhängig von den Heilserwartungen, die manche mit der Zuwanderung hinsichtlich der Arbeitsmarktprobleme verbinden, sowie den generell ablehnenden Haltungen der anderen Seite muss man zur Kenntnis nehmen, dass die realen Auswirkungen des Gesetzes, sollte es denn verabschiedet werden, überschaubar bleiben werden (müssen). Denn die „Fachkräfte“, die man vor Augen hat und die tatsächlich ersetzt werden müssen, die gibt es den imaginierten Form vieler Apologeten des Gesetzes im Nicht-EU-Ausland schlichtweg nicht. Denn wie soll jemand in fernen Ländern eine deutsche dualen Berufsausbildung gemacht haben, die es eben nur bei uns gibt? (…) Und man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Eine der größten Hürden ist die Sprachbarriere. Wie würde es einem selbst ergehen, wenn wir in einem ganz anderen Land arbeiten sollen? Wie viele nicht oder nur etwas sprachbegabten Menschen gibt es unter uns? (…) Fazit: Wenn der Gesetzentwurf das parlamentarische Verfahren durchlaufen haben wird, wovon man ausgehen kann, dann wird es partielle Vereinfachungen und Klarstellungen und Öffnungen geben, aber keinesfalls einen Startschuss für eine größere Einwanderunsgwelle ausländischer „Fachkräfte“. Und viele von denen sind schon woanders untergekommen. Irgendwie bleibt erneut das Gefühl: Nicht Fisch, nicht Fleisch.“ Kommentar von Stefan Sell vom 9. Mai 2019 auf seiner Homepage
- [ver.di] Grundpositionen und Anforderungen an ein Einwanderungsgesetz
„… ver.di setzt sich grundsätzlich dafür ein, die Debatten um Einwanderung und Integration zu versachlichen und Mobilität und Migration als selbstverständlich in einer globalisierten Welt zu verstehen, die gesellschaftlich gestaltet werden müssen. Spätestens mit der Etablierung der Freizügigkeit in der EU kann nicht mehr die Frage nach dem „ob“ von Migration gestellt, sondern muss das „wie“, also die Ausgestaltung von Prozessen der Migration, in den Mittelpunkt gerückt werden. Ein Arbeitsmarkt der guten Löhne, menschenwürdige Beschäftigungsverhältnisse und soziale Absicherung befördern nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch die Beschäftigungschancen der eingewanderten Menschen – inklusive ihrer materiellen und sozialen Teilhabe, sprich der gesellschaftlichen Integration. (…) Ein neues Einwanderungsrecht darf sich nicht allein auf Regelungen zum Aufenthalt von Erwerbstätigen, Familienangehörigen und Flüchtlingen konzentrieren, es muss auch mit der Verbesserung der gesellschaftlichen und ökonomischen Teilhabechancen von Eingewanderten verbunden sein. Zugleich muss es die Gleichbehandlung bei den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verankern und durchsetzen. Bei der Beschäftigung von Migrant*innen muss die Einhaltung des Grundsatzes »gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« garantiert sein. (…) Viele Migrantenverbände und die Gewerkschaften kritisieren, dass die derzeitige Integrationspolitik, für die vor allem das Bundesinnenministerium zuständig ist, bislang von sicherheits- und innenpolitischen Interessen überlagert wird. In der Folge werden beispielsweise Flüchtlinge aus bestimmten Herkunftsländern von Integrationsmaßnahmen ganz oder teilweise ausgeschlossen, obwohl sie häufig über lange Zeiträume in Deutschland verbleiben. Zudem bleiben längerfristige positive gesellschaftliche, wirtschaftliche und entwicklungspolitische Effekte häufig unberücksichtigt. Eine Neuorientierung in der Einwanderungspolitik muss mit der Verbesserung der gesellschaftlichen und ökonomischen Teilhabechancen für alle im Inland lebenden Menschen, gleich welcher ethnischen und sozialen Herkunft sie auch sind, verbunden werden. Und: Integrationspolitik muss als Querschnittsaufgabe verstanden werden!“ ver.di-Stellungnahme vom 10. Mai 2019
- Sieben Punkte für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz – IG BAU: Rechte von Erwerbsmigranten stärken
„Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Rechte von Erwerbsmigranten zu stärken. Ein Sieben-Punkte-Katalog macht die Forderungen der IG BAU an ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz deutlich. Diesen Katalog hat der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger in einem Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages Anfang Mai vorgestellt. (…) Im Einzelnen fordert die IG BAU: 1. die Rolle der Sozialpartner im Fachkräfteeinwanderungsgesetz fest zu verankern; 2. tarifgebundene Unternehmen bei der Beschäftigung von Erwerbsmigranten durch z.B. beschleunigte Verfahren zu bevorzugen; 3. Auszubildende aus Drittstaaten zu ihrem Schutz eng zu begleiten; 4. einen Nebenerwerb oder Probearbeiten gesetzlich auszuschließen; 5. ausländische Berufsqualifikationen zügig anzuerkennen; 6. die Erpressbarkeit von Beschäftigten gegenüber ihren Arbeitgebern zu reduzieren, indem ein Arbeitgeberwechsel oder eine vorübergehende Arbeitslosigkeit keine Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus hat; 7. einen Ausbau der Arbeitskontrollen, insbesondere den Abgleich der tatsächlichen mit den vor Reiseantritt vereinbarten Beschäftigungsbedingungen.“ Pressemeldung der IG BAU vom 10. Mai 2019
- [DGB] Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Jetzt ist das Parlament am Zug
„Zur Beratung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Bundestag sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Donnerstag in Berlin: „Jetzt ist das Parlament am Zug: Ziel muss doch sein, dass alle, die hier leben, einen Zugang zu guter Arbeit bekommen, um ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu können. Arbeitnehmerrechte statt Sozialdumping ist oberstes Gebot. Wer junge Leute für den Arbeitsmarkt gewinnen will, muss den Betrieben die nötige Sicherheit für die Ausbildung geben – und den Betroffenen eine echte Chance. Dieses Ziel verfehlen die aktuellen Gesetzentwürfe zu Migration, Integration und Asyl der Bundesregierung leider weit, hier sind erhebliche Verbesserungen nötig. Nötig sind klare Regeln, um Sozialdumping zu vermeiden und Arbeitnehmerrechte zu stärken. Stattdessen bringt der Entwurf für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz Arbeitnehmer in erpressbare Abhängigkeit, wenn ihr Aufenthaltsstatus an das Arbeitsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber gebunden wird…“ DGB-PM vom 09.05.2019
- Fortschrittsfalle – Über den Entwurf zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz
„Der Entwurf ist noch nicht Gesetz, und aus der Union, also der Koalition selbst, kommen bereits Änderungswünsche. Gleichwohl ist das Fachkräftezuwanderungsgesetz, vor wenigen Jahren noch unvorstellbar, Beleg einer erstaunlichen Veränderung. Mit ihm erleidet nationale Engstirnigkeit eine Niederlage. Die mit spitzen Fingern in ein zweites Gesetz ausgelagerte Beschäftigungsduldung integrierter Flüchtlinge zeigt zugleich, wie verschwiemelt der Umgang von Konservativen mit dem Thema bleibt, die sich mit einem »Spurwechsel« nicht anfreunden konnten. Andererseits liegt im Fortschritt auch Gefahr. Klar sollte sein: Allein um die Bedürfnisse der Wirtschaft geht es bei der Fachkräftezuwanderung. Nicht um die von Arbeitsuchenden, erst recht nicht um menschenrechtliche Motive von wem auch immer. Die möglichst reibungslose, das heißt auch von nationalen Grenzen unbehelligte Behebung eines Arbeitskräftebedarfs ist das Ziel…“ Kommentar von Uwe Kalb bei neues Deutschland vom 19. Dezember 2018
- Ausbildungs- und Arbeitsmarkt: Zuwanderungsgesetz schließt Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten aus
„Der Zuwanderungsgesetz-Entwurf sieht zahlreiche Verschärfungen des Aufenthaltsrechts vor. Betroffen sind vor allem Roma. Sie werden von Arbeit und Ausbildung quasi vollständig ausgeschlossen – eine kafkaeske Rechtsetzung. Da ist er also, der Entwurf für das sogenannte Zuwanderungsgesetz. Aber statt geduldeten Beschäftigten und Auszubildenden sowie ihren Betrieben Sicherheit zu bieten, sieht der Entwurf zahlreiche Verschärfungen des Aufenthaltsrechts vor. Unter anderem sollen Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten mit einer tautologischen Konstruktion vollständig von Arbeit und Ausbildungsduldung ausgeschlossen werden. Betroffen wären vor allem Roma. Schon seit einigen Jahren sind abgelehnte Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten von der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und (daran anknüpfend) von der Ausbildungsduldung ausgeschlossen (§ 60a Abs. 2 S. 4, Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG). Letztlich handelt es sich bei diesem Ausschluss um eine verfassungswidrige Kollektivstrafe, wie ich an anderer Stelle dargelegt habe (…) Im Referentenentwurf für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird behauptet, dass „teilweise Asylbewerber ihren Asylantrag gezielt dann zurücknehmen, wenn deutlich wird, dass dieser zu keinem Schutzstatus führt, um dadurch das Erwerbstätigkeitsverbot zu umgehen.“ Der Ausschluss von Beschäftigung und Ausbildungsduldung soll daher nach dem Willen des BMI auch dann gelten, wenn der Asylantrag zurückgenommen oder gar nicht erst gestellt wurde. (…) Die Debatten der letzten Jahre um sogenannte Armutszuwanderung aus Osteuropa waren geprägt von antiziganistischen Ressentiments und Geschichtsvergessenheit, was auch bei der Ausweisung der sicheren Herkunftsstaaten eine Rolle gespielt hat. Der vorliegende Entwurf knüpft daran an...“ Beitrag von David Werdermann vom 11. Dezember 2018 beim Migazin
- Fachflüchtlinge gesucht
„Mit dem sogenannten »Flüchtlingsproblem« werden zwei Jahre nach dem »Sommer der Migration« politische Mehrheiten organisiert bzw. verloren. Sind die erbitterten Debatten über den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz nur Schaukämpfe? Wie passt dies alles zusammen mit dem Gejammer von Unternehmen über Fachkräftemangel? Inwieweit ist es der Flüchtlingsverwaltung gelungen, die hier Angekommenen in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Wir haben versucht, offizielle Zahlen zusammenzutragen, was nicht ganz einfach ist – zu viele politische Interessen sind hier im Spiel. (…) Wie viele Geflüchtete zumindest offiziell auf Jobsuche sind, kann man den Statistiken grob entnehmen. Die Bundesagentur hat für Dezember 2017 181 000 Arbeitslose aus diesen Ländern als arbeitslos registriert, das sind 7000 mehr als vor einem Jahr. Immer mehr Geflüchtete werden von den Ausländerbehörden an die Jobcenter »übergeben«, aber nur ein Teil von ihnen taucht in der Arbeitslosenstatistik auf. Die Zahl derer, die als »Unterbeschäftigte« bezeichnet werden, ist im Jahr bis zum Oktober 2017 von 320 000 auf 420 000 gewachsen. Dahinter verbergen sich diejenigen, die gerade Kurse, Praktika und andere Maßnahmen absolvieren. Viele Geflüchtete haben geringfügige Jobs, insgesamt sind es 61 000. Von Oktober 2016 bis Oktober 2017 haben 56 000 Geflüchtete, die vorher arbeitslos waren, eine sozialversicherungspflichtige Arbeit am ersten Arbeitsmarkt aufgenommen, 7000 eine geringfügige Beschäftigung, weitere 9000 eine am zweiten Arbeitsmarkt. Im Oktober 2017 haben etwas mehr als 200 000 Menschen aus den acht genannten Ländern sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Die Beschäftigungsquote (die geringfügig Beschäftigte einschließt) stieg damit im Verlauf des Jahres von 16 auf 25 Prozent an. Das bedeutet, dass ein Viertel der erwerbsfähigen Geflüchteten bereits offiziell arbeitet, bei den Ausländern insgesamt sind es 47 Prozent und bei den Deutschen 67 Prozent. Ein Viertel der arbeitenden Flüchtlinge ist über Leiharbeit beschäftigt, gefolgt von Beschäftigungsverhältnissen in Unternehmen, die »wirtschaftliche Dienstleistungen« erbringen, und dem Gastgewerbe. Fast die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeitet als Helfer. Die Zugewanderten verfolgen unterschiedliche Strategien. Anders als die »Gastarbeiter« sind viele Flüchtlinge nicht hierher gekommen, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen und dann wieder in ihr Herkunftsland zu gehen. Sie wollen ein besseres Leben, nicht in beschissenen Jobs ackern bis zum Umfallen…“ Beitrag von und aus Wildcat 101 Winter 2018 / 2019
- »Die Interessen der Einwanderer mit einbeziehen«. Bundesregierung will per Gesetz Fachkräfte anwerben – und schafft neuen Hürden für Asylbewerber
„… AfD und andere Rechtspopulisten wollen in einen Nationalstaat zurück, in dem es keine Einwanderer gibt. Dabei stellen sie das Recht von Migranten, hier zu leben, selbst dann in Frage, wenn es im Interesse der deutschen Gesellschaft liegt. Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich sinnvoll, wenn die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringt. Den aktuellen Entwurf kritisieren wir aber, weil er einen unüberwindbaren Hürdenlauf für die hier lebenden Schutzsuchenden darstellt. Ein jetzt bereits hier lebender abgelehnter Asylsuchender soll nur dann eine Beschäftigungsduldung bekommen, wenn er Vollzeit – mindestens 35 Stunden pro Woche – arbeitet, seinen Lebensunterhalt komplett sichern kann und ein sehr hohes Sprachniveau hat. Vor dieser Duldung besteht eine Wartezeit von sechs Monaten, während der diese Menschen abgeschoben oder zur Ausreise gedrängt werden. Diese Konstruktion ist perfide, weil sie vorgibt, eine Perspektive zu eröffnen, zugleich aber alle Hebel in Bewegung setzt, sie zu verhindern. Weiterer Kardinalfehler: Eine Ausbildungsduldung soll nicht möglich sein, wenn ein sogenanntes Dublin-Verfahren eingeleitet wurde. Es bleibt offen, für welchen Zeitraum dieses Duldungsverbot gelten soll. Da auf europäischer Ebene auch noch die Abschaffung der Fristenregelung von Dublin-Verfahren diskutiert wird, resultiert dessen »Einleitung« in einem Dauerzustand. Die Menschen landen in einer nie endenden Wartesituation. (…) Menschen sollten uns willkommen sein, auch wenn sie nicht Kategorien von ökonomischem Nutzen erfüllen. Weiterhin macht es keinen Sinn, Menschen abzulehnen und abzuschieben, die bereits Deutsch können und hier eine Schule besucht haben; zugleich aber andere nach Deutschland zu holen, die sich noch nicht eingelebt haben. Wenn abgelehnte Asylsuchende hier sind, bei denen alles darauf hindeutet, dass sie Teil dieser Gesellschaft werden, ist ein sogenannter Spurwechsel sinnvoll. Da schiebt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz aber mehrere Riegel vor…“ Interview von Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 08.12.2018 mit Günter Burkhardt, Geschäftsführer von »Pro Asyl«
- Weiterhin nur geduldet: Fachkräftezuwanderung wird restriktiv geregelt. Sie entspricht den Bedürfnissen der Wirtschaft. Nicht denen der Migranten
„Es mag der Einsicht geschuldet sein, dass die Koalition aus CDU/CSU und SPD ohnehin nichts anderes mehr hinbekommen wird – jedenfalls soll das Bundeskabinett noch vor Weihnachten das Fachkräftezuwanderungsgesetz verabschieden. Nach endlosen Debatten und Beratungen in den beteiligten Bundesministerien für Inneres, Wirtschaft sowie Arbeit präsentierte das BMI am 20. November einen 60seitigen Entwurf. Ein wahres Bürokratiemonster haben die Politiker auf den Weg gebracht, das am Ende nur wenigen Fachkräften aus anderen Ländern eine Perspektive auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt bieten dürfte. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete den Entwurf als »kurzsichtig und integrationsfeindlich«. Er bleibe noch hinter dem zuvor veröffentlichten Eckpunktepapier zur Fachkräftezuwanderung zurück, das »einen sicheren Status für gut integrierte Geduldete in Sachen Ausbildung und Beschäftigung« vorgesehen habe. Außerdem fehle eine branchenbezogene Analyse des realen Fachkräftemangels, die auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber für nötig erachtet hätte. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ausreisepflichtige Asylbewerber eine auf zwei Jahre befristete Beschäftigungsduldung erhalten können, die an Voraussetzungen gekoppelt ist. So müssen sie seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, über eine Aufenthaltsduldung verfügen, ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse haben. Außerdem dürfen sie nicht wegen einer Straftat verurteilt sein, und ihre Identität muss geklärt sein. Statt eines »Spurwechsels« vom Asylstatus ohne Bleiberecht ins Einwanderungsverfahren, das die SPD durchsetzen wollte, habe in den Gesetzentwurf ein »Spurwechsel light« Eingang gefunden, wie es bei tagesschau.de hieß. (…) Viel Zeit für Änderungen gibt es nicht mehr; angeblich soll der Entwurf bereits am 19. Dezember verabschiedet werden.“ Beitrag von Gudrun Giese in der jungen Welt vom 27. November 2018
- Ein Einwanderungsgesetz – „ohne Einwanderung“?
„Dazu schreibt Dinah Riese in der TAZ: „Ein klein bisschen Einwanderung“ (http://www.taz.de/!5548753/ ). Jedoch dieser Entwurf geht nicht weit genug, erklärt Annelie Buntenbach (DGB): Es bleibt einfach Flickschusterei – und ist kein umfassendes Konzept – so bleibt dieser Entwurf kurzsichtig und integrationsfeindlich (http://www.dgb.de/presse/++co++33fb25f0-ecd4-11e8-b8fa-52540088cada ). Umfassendere Vorstellungen hatte Annelie Buntenbach schon bei der Vorlage des Migrationsberichtes dargelegt (http://www.dgb.de/themen/++co++f9f7df2a-a18b-11e4-9898-52540023ef1a )
Die Fachfrau bei den Grünen, Filiz Polat, sprach von einem Einwanderungsgesetz ohne Einwanderung (siehe dazu das Einwanderungsgesetz der Grünen: https://www.gruene-bundestag.de/integration-fluechtlingspolitik/deutschland-braucht-ein-einwanderungsgesetz-04-04-2017.html )“ Kurzer Überblick von Volker Bahl vom 22.11.18 – wir danken!
- Einwanderungsgesetz: Geduldete Schüler/innen, Studierende und Alleinerziehende dürfen nicht vergessen werden
„… Der Bundesfachverband umF und PRO ASYL befürchten, dass der laut Medienberichten erzielte Kompromiss beim Einwanderungsgesetz zu Bildungsabbrüchen führt, wenn nur eine Beschäftigungsduldung und nicht gleichzeitig Perspektiven für geduldete Schüler/innen und Studierende geschaffen werden. Zudem warnen die Organisationen davor, dass die Regelungen für Azubis und Arbeitnehmende ins Leere laufen, wenn die Beschäftigungsverbote für Geduldete bestehen bleiben. „Wir befürchten ein Förderprogramm für Schul- und Studienabbrüche“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband umF. „Wenn Perspektiven für eine Aufenthaltssicherung nur über Arbeit und Ausbildung bestehen, werden zahlreiche junge Menschen die Schulen verlassen und arbeiten, statt ihren Bildungsweg fortzusetzen.“ Notwendig ist eine Regelung von der Studierende, Schüler, Azubis und Arbeitnehmende gleichermaßen profitieren. (…) Der Ansatz greift darüber hinaus zu kurz, wenn Geduldete zum Teil erst gar keine Arbeit aufnehmen dürfen. „Wir brauchen echte Perspektiven statt eiliger Kompromisse“, erklärt Günter Burkhardt von PRO ASYL. „Wenn Menschen weiterhin Arbeit und Ausbildung verboten werden kann, läuft jede Neuregelung ins Leere“…“ Gemeinsame Pressemitteilung von PRO ASYL und Bundesfachverband umF vom 20. November 2018
- Standort Deutschland: Fachflüchtlinge gesucht! Fachkräftemangel: Ausländische Arbeitskräfte zwischen rassistischer Hetze, brutaler Ausbeutung und Integrations-Heuchelei
„… Mehrere Ministerien haben ein Eckpunktepapier für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. Es hat wenig mit der Realität zu tun und ist ein Versuch, die Wünsche des Kapitals zu verbinden mit der Abwehr von »Armutsmigration«. Es dreht sich allein um die Einwanderung von Fachkräften, die bereits Deutsch können. Da dies auch ohne Arbeitsvertrag zur Arbeitssuche möglich sein soll, müssen sie vorübergehend Arbeit unterhalb ihrer Qualifikation annehmen… Um die Geflüchteten, die bereits hier sind, geht es im Entwurf so gut wir gar nicht. Weil aber im Alltag auch Unternehmern ständig Probleme entstehen, wenn Leute von Abschiebung bedroht sind, ist eine Debatte entbrannt, ob Geflüchtete, die sich bei der Arbeit bewährt haben, zu ArbeitsmigrantInnen werden können – »Spurwechsel«. (…) Kämpfe sind für Geflüchtete vor allem in Situationen möglich, die sie mit Vielen teilen. Die afrikanischen Erntearbeiter in Süditalien wehren sich regelmäßig gegen schlechte Löhne und die Brutalität des Mafiasystems, dem sie untergeordnet sind (dort ist die Lage allerdings auch ziemlich anders als in der BRD). Auch hier wehren sich Geflüchtete gegen Abschiebungen, Schikanen und rechtliche Einschränkungen, oft in Wohnheimen und Lagern, wo die Vereinzelung noch nicht so stark ist. In Ellwangen z.B. haben Geflüchtete gut organisiert auf einen völlig ausgeflippten Polizeieinsatz reagiert, schnell eine Demo gemacht und eine Pressekonferenz, auf der man ihnen zuhören musste. Auf Arbeit treffen oft Leute aus ganz unterschiedlichen Situationen aufeinander, ein paar Flüchtlinge, andere MigrantInnen, ein paar Leiharbeiter, langjährige Stammarbeiter… Jeder hat seine eigenen Probleme und ein gemeinsamer Kampf ist nicht leicht, wenn einer unkündbar ist und die anderen morgen vielleicht abgeschoben werden. Entlang dieser Unterschiede und über sie hinweg muss die Klasse handlungsfähig werden.“ Beitrag aus Wildcat Nr. 102 bei arbeitsunrecht in Deutschland vom 20. November 2018
- Debatte: »Wir brauchen ein linkes Einwanderungsgesetz«
„Im Mittelpunkt eines linken Einwanderungsrechts müssen der soziale Anknüpfungspunkt und die soziale Verwurzelung eines Menschen stehen. (…) Im Mittelpunkt eines Einwanderungsgesetzes müssen die Bedürfnisse der Menschen und damit die individuellen Gründe und Ursachen für Migration, nicht die Bedürfnisse und ökonomischen Zwänge des deutschen Arbeitsmarktes stehen. Ein linkes Einwanderungsrecht muss drei Aufgaben erfüllen: Es muss bestehende aufenthaltsrechtliche Fragen systematisieren, liberalisieren und entbürokratisieren. Dabei ist der Anspruch an ein linkes Einwanderungsrecht, menschenrechtliche Mindeststandards bei der Einwanderung wiederherzustellen, Zugänge zu sozialer Sicherung und gesellschaftlicher Teilhabe zu erleichtern und entsprechende Hürden abzubauen. Das geltende Recht verfolgt nur die »Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern«. Anstelle der Formulierung von Ausnahmen sollten die Voraussetzungen und rechtlichen Grundlagen für eine legale Einreise und den Aufenthalt bestimmt werden. Das Asylgrundrecht muss durch die Abschaffung der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten-Regelungen wiederhergestellt und die Verletzung von grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten als Fluchtgründe anerkannt werden…“ Beitrag con Susanne Hennig-Wellsow vom 8. Januar 2018 bei Marx21
- Siehe die DGB-Forderung von 2015: Migrationsbericht: Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz. Rassismus und Ausgrenzung klar entgegentreten