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Härtere Regeln für Geflüchtete: Innenministerium will u.a. die Zahl der Abschiebungen erhöhen – auch nach Syrien/Afghanistan?

Dossier

Tödliche Folgen der FlüchtlingspolitikEine nächtliche Meldepflicht, Post nur noch per Chipkarte: Mit solchen Maßnahmen will Innenminister Seehofer laut Medienbericht Geflüchtete häufiger und schneller abschieben. Auch für Flugbuchungen gibt es Pläne. (…) Ausreisepflichtige Migranten in Gemeinschaftsunterkünften müssten sich demnach künftig abmelden, wenn sie ihre Unterkünfte zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens verlassen. Bei einem Verstoß gegen diese Anzeigepflicht solle Haft angeordnet werden können. (…) Als weitere Maßnahmen zur Erleichterung von Abschiebungen schlägt das Innenministerium laut „BamS“ vor, dass Migranten in Aufnahme- und Rückführungszentren ihre Post nur noch mit einer Chipkarte abholen dürften. Diese registriere, wann abgelehnte Asylbewerber den Abschiebebescheid erhalten haben. Mit Fluggesellschaften sollten überdies Vereinbarungen getroffen werden, wie die Plätze für Abschiebungen erhöht werden können. (…) Erst am Freitag hatten Zeitungen berichtet, dass Seehofer derzeit auch Abschiebungen ins Bürgerkriegsland Syrien prüfen lasse…“ Meldung vom 18.11.2018 im Spiegel online externer Link, siehe auch:

  • EU-Ohrfeige für Unionsparteien: Innenkommissarin setzt Forderung nach Zurückweisungen deutliche Grenzen New
    Wenn EU-Mitgliedstaaten an ihren Binnengrenzen Asylsuchende zurückweisen wollen, können sie dazu nicht ohne Weiteres auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder den Schutz der inneren Sicherheit verweisen. Dies erklärte die EU-Kommissarin Ylva Johansson am Montag in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Europaabgeordneten Erik Marquardt (Grüne). Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird eine solche Möglichkeit zwar benannt. Dieser Artikel 72 sei aber keine generelle Ermächtigung für Zurückweisungen, erklärt Johansson. Wollen sich Staaten dennoch darauf berufen, müssen sie dies ausführlich begründen. Die anschließende Entscheidung unterliegt dann der Prüfung des Europäischen Gerichtshofs. Die Antwort aus Brüssel ist auch eine Ohrfeige für die deutschen Unionsparteien… “ Artikel von Matthias Monroy vom 29.10.2024 in ND online externer Link
  • Länder wollen mehr Abschiebungen von Flüchtlingen in andere EU-Staaten: Geschichtsvergessene und asylfeindliche Beschlüsse der MPK von Leipzig
    • Ministerpräsidenten-Konferenz: Länder wollen mehr Abschiebungen von Flüchtlingen in andere EU-Staaten
      Die Bundesländer erkennen in ihrem Beschluss zur Flüchtlingspolitik an, dass die Zahl der Flüchtlinge in diesem Jahr zurückgegangen ist. Trotzdem fordern sie weitere Maßnahmen vom Bund – ohne „Obergrenze“ und „Zurückweisungen“ an Grenzen. Der Flüchtlingsrat kritisiert scharf. ..“ Meldung vom 27.10.2024 im Migazin externer Link
    • Grundrechtsversprechen mit Stumpf und Stiel exozieren?
      Flüchtlingsrat SH kritisiert geschichtsvergessene und asylfeindliche Beschlüsse der Ministerpräsident*innenkonferenz von Leipzig
      Im Nahen Osten bersten die Häuser und brennen die Menschen, im Sudan gehören Massenvergewaltigungen und millionenfacher Hunger zum Kriegshandwerk, die Türkei, Ägypten und Libyen sind wegen bestialischer Folterpraktiken berüchtigt – und überall werden regelmäßig gute Fluchtgründe geschaffen. In Leipzig allerdings feiern sich die Ministerpräsident*innen der Bundesländer dafür, dass die Abriegelungen europäischer und nationaler Grenzen gegen den Überlebenswillen von Schutzsuchenden erfolgreich in Stellung gebracht worden sind. Der migrationspolitische Beschlusskatalog der MPK vom 23. bis 25.10.2024 ist ein geschichtsvergessenes morbides, von regelmäßiger Missgunst gegen Menschen des globalen Südens, fehlendem Rechtsbewusstsein und grundsätzlicher Asylfeindlichkeit gekennzeichnetes Instrumentarium kritisiert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
      …“ Presseerklärung vom 27. Oktober 2024 beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein externer Link
    • Beschlusskatalog der MPK vom 23. bis 25.10.2024 externer Link
  • „Sicherheitspaket“ als Anreiz zur „freiwilligen“ Ausreise, weil Deutschland zu unbequem wird? Bündnis „Zusammen für Demokratie“ erinnert an soziale Gerechtigkeit und Integration
    • „Sicherheitspaket“: Freiwillige Ausreise, weil Deutschland zu unbequem wird?
      Die Ampel-Regierung streicht bestimmten ausreisepflichtigen Geflüchteten alle Sozialleistungen, selbst Unterkunft und Nahrung. Damit will sie Menschen zur freiwilligen Ausreise bewegen. Dabei scheitern die meisten Abschiebungen von „Dublin-Fällen“ aus ganz anderen Gründen.
      Die Ampel-Regierung will mit ihrem „Sicherheitspaket“ den Druck auf ausreisepflichtige Geflüchtete erhöhen. Sogenannte Dublin-Fälle, für deren Asylverfahren bereits ein anderes EU-Land zuständig ist, sollen in Zukunft keine Sozialleistungen mehr bekommen, sobald ihre Ausreise angeordnet wurde. Die Erwartung der Ampel: Ausreisepflichtige werden sich dadurch eher selbst mit den Abschiebebehörden in Verbindung setzen oder freiwillig ausreisen. (…) Jurist:innen und Fachleute von Asylverbänden weisen hingegen darauf hin, dass die Rechnung nicht aufgeht. Die Menschen, denen die Ampel nun jegliche Unterstützung entziehen will, könnten das Land oft aus ganz anderen Gründen nicht verlassen. (…) Tatsächlich scheitern die „Überstellungen“ von Dublin-Geflüchteten ganz überwiegend aus einem anderen Grund: den zuständigen EU-Staaten. Das zeigt auch die Statistik für das Jahr 2023, wie sie der Mediendienst Integration dokumentiert. In gut einem Viertel der Fälle weigern sich Mitgliedstaaten demnach, Geflüchtete zurückzunehmen. So macht es derzeit etwa Italien, wo die Postfaschistin Georgia Meloni regiert. In anderen Fällen haben Gerichte festgestellt, dass Deutschland nicht in Staaten abschieben darf, wo Asylsuchenden eine unwürdige Behandlung droht. Am zweithäufigsten scheitern Abschiebungen an Problemen bei den Ausländerbehörden. Erst an dritter Stelle steht das Abtauchen der Betroffenen. In rund 12 Prozent der Fälle scheitert eine Überstellung in ein anderes EU-Land daran. (…) Fachleute für Migrationsrecht warnen, die Leistungskürzungen würden nicht dazu führen, dass Menschen freiwillig ausreisen. Stattdessen sei zu erwarten, dass Menschen ohne Nahrung, Unterkunft und Gesundheitsversorgung in Deutschland festsitzen, weil sie faktisch nicht ausreisen können. Damit würde man Dublin-Geflüchtete eher zum Untertauchen bewegen, als dass sie dadurch das Land verlassen. (…) In der Bundestagsdebatte am Freitag wiegelten SPD-Vertreter ab: Menschen würden nicht auf die Straße gesetzt und bekämen auch etwas zu essen, wenn sie sich den Behörden stellen würden. Dennoch gilt: Rechtlich sind jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass einzelne Bundesländer besondere Härte demonstrieren können. (…) Nachdem Fachleute diesen Punkt im Gesetzentwurf der Ampel harsch kritisiert hatten, haben die Fraktionen die Pläne noch einmal überarbeitet. So steht im Gesetz jetzt zur „Klarstellung“, dass die Leistungen nur dann gestrichen werden dürfen, wenn das Bundesamt für Migration festgestellt hat, dass die Ausreise „rechtlich und tatsächlich möglich“ sei. „Zu diesem Zweck wird dem Ausländer ein Laissez-passer ausgestellt.“ Gemeint sind damit Pass-Ersatzpapiere. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte weist darauf hin, dass die Verwaltungspraxis des BAMF sich nicht dadurch ändern wird, dass die Bundesregierungen Sozialleistungen streicht. Auch nach einer Abschiebeanordnung würden sich Geflüchtete ohne Sozialleistungen durchschlagen müssen, während sie auf ihrer Abschiebung warten… Beitrag von Chris Köver vom 19. Oktober 2024 bei Netzpolitik.org externer Link
    • Gemeinsam Demokratie und Menschenrechte verteidigen! Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft.
      Das Bündnis „Zusammen für Demokratie“ aus 69 zivilgesellschaftlichen Organisationen übt in einer gemeinsamen Stellungnahme Kritik an der einseitigen politischen Debatte über Migration und fordert stattdessen eine Politik der sozialen Gerechtigkeit und Integration.
      Mit großer Sorge verfolgen wir die aktuellen gesellschaftlichen Debatten und insbesondere die Diskussion um Migration. Statt drängende Zukunftsfragen wie die Bildungskrise, die Wohnungsnot, den Fachkräftemangel und die notwendige Transformation zu einer klimaneutralen, sozialen Wirtschaft endlich nachhaltig zu beantworten, liegt der Fokus vor allem auf dem Thema Asyl. Getrieben durch die extreme Rechte erleben wir immer häufiger Diskussionen und Haltungen, die auf Ausgrenzung und Abschottung zielen. Wir beobachten, dass das soziale Klima und der Umgang miteinander in der Bevölkerung immer rauer werden: Täglich ereignen sich Bedrohungen, Beleidigungen und rassistische, antisemitische und geschlechtsspezifische Angriffe mit existenziellen Folgen für die Betroffenen
      …“ gemeinsame Stellungnahme vom 17.10.2024 beim Paritätischen externer Link
    • Sicherheitspaket der Ampel: Wer ist hier gefährdet?
      Bundesregierung und Opposition fordern eine Verschärfung des Asylrechts. Die Sicherheit von Schutzsuchenden gerät aus dem Blick. (…) Die neue Asylpolitik zeigt sich schon jetzt in Zahlen: Im ersten Halbjahr 2024 wurden 9.465 Personen in Nicht-EU-Staaten abgeschoben – etwa 20 Prozent mehr als noch im Vorjahreszeitraum. Weitere 3.043 Menschen wurden per Dublin-Verfahren in EU-Länder abgeschoben. Der frühere Grünenpolitiker Tareq Alaows, der heute als Sprecher von Pro Asyl arbeitet, nennt das neue Ampelgesetz ein „Unsicherheitspaket“, denn es lasse die Sicherheit von Asylsuchenden völlig außen vor. „Das Gesetz schafft das letzte bisschen Menschenwürde ab, das Geflüchteten geblieben ist“, sagt Alaows. (…) Jenny Baron ist Psychologin und Sprecherin der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Sie sagt: „Für viele unserer Pa­ti­en­t:in­nen ist die Abschiebedebatte extrem bedrohlich.“ Der feindselige öffentliche Diskurs spiegele sich im alltäglichen Leben Geflüchteter wider und verstärke das Gefühl, dem Land zur Last zu fallen. So komme es bei Betroffenen zu einem massiven Vertrauensverlust. „Selbst wenn Geflüchtete einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, fragen sich viele inzwischen: Was ist dieser noch wert? Bin ich der nächste, der abgeschoben wird?“ (…) Psychologin Jenny Baron sieht die Vorgehensweise bei Abschiebungen sehr kritisch: „Die Konfrontation mit Uniformierten kann gerade bei Menschen, die traumatische Erfahrungen in Haft gemacht haben, extreme Panik auslösen.“ Dass Beamten unangekündigt und meist nachts kämen, sei hochproblematisch. Die weite Entfernung zum nächsten Flughafen rechtfertige nächtliche Abholungen zu Abschiebungen, schreibt der Migrationsfachdienstleiter des Unstrut-Hainich-Kreises, in dem Obermehler liegt, auf taz-Anfrage. Jenny Baron argumentiert dagegen: Nicht nur für akut Betroffene könne eine nächtliche Abschiebung extrem belastend sein. „Wenn nachts Türen eingeschlagen werden und Freunde aus der Unterkunft am nächsten Tag plötzlich weg sind, greift das tief in das Sicherheitsgefühl der Menschen ein.“ Seit Februar dürfen Po­li­zis­t:in­nen auch ohne richterlichen Beschluss in Zimmer von Unbeteiligten eindringen, die in Sammelunterkünften leben. Baron zufolge führe das dazu, dass nicht nur tatsächlich von Abschiebung bedrohte Menschen eine solche fürchteten, sondern nahezu alle Geflüchteten. (…) Tareq Alaows von Pro Asyl sagt: „Die immer lauter werdenden Forderungen nach mehr Abschiebungen, setzen die Kommunen massiv unter Druck.“ Dies führe dazu, dass Landkreise ihre Abschiebepraxis verhärteten und häufiger Fehlentscheidungen treffen würden…“ Artikel von Joscha Frahm vom 19.10.2024 in der taz online externer Link
  • Mit Sicherheit Verfassungsbruch: Appell an die Abgeordneten von PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräten: Wohnungslosigkeit und Verelendung verhindern! (ungehört)
    Anlässlich ihrer Herbsttagung in Erfurt fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte die Bundestagsabgeordneten auf, das sogenannte Sicherheitspaket abzulehnen. Auch nach den jüngsten Änderungen gilt: Die für bestimmte Gruppen von Geflüchteten vorgesehene Streichung von Sozialleistungen steht im klaren Widerspruch zur Verfassung. (…)Insbesondere die Kürzung und Streichung von Sozialleistungen für sogenannte Dublin-Fälle und Menschen mit einer Flüchtlingsanerkennung in einem anderen EU-Mitgliedstaat ist offensichtlich verfassungswidrig und trägt nicht zur Sicherheit Deutschlands bei. Stattdessen verletzen die vorgesehenen Maßnahmen grundlegende Freiheitsrechte und gefährden den sozialen Zusammenhalt insgesamt. PRO ASYL hat auf die gravierendsten Verschärfungen bereits in einer Stellungnahme aufmerksam gemacht. „Dieses Gesetzesvorhaben führt zu vorsätzlich herbeigeführter Wohnungslosigkeit und Verelendung bei Schutzsuchenden. Es bedeutet zudem einen fatalen Abbau des Rechtsstaates durch die Hintertür”, so Alaows weiter. (…) PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte appellieren an Bundestagsabgeordnete, gegen das Sicherheitspaket zu stimmen. Sie fordern von allen demokratischen Abgeordneten: Stehen Sie zu unserer Verfassung und lehnen Sie das Gesetz ab. Auch wenn der Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Entscheidung mit der Vertrauensfrage droht…“ Pressemitteilung vom 18.10.2024 bei PRO ASYL externer Link

  • Ja, diese Migrationspolitik ist der größte Fehler der Ampel – Menschenrechte wären das beste Präventionskonzept 
    • Die wiedereingeführten Grenzkontrollen: „Es ist das Ergebnis einer toxischen und polarisierenden Debatte
      Seit dem 16. September gibt es in Deutschland für mindestens sechs Monate wieder systematische Grenzkontrollen. Sie wurden im Zuge einer hitzigen Debatte über Terroranschläge durch Geflüchtete eingeführt und treffen damit vor allem Migrant*innen und Asylsuchende. RDL hat mit Tareq Alaows, flüchtlingspolitscher Sprecher von Pro Asyl, gesprochen, der die Maßnahme als wirkungslos kritisiert und vor allem als Ergebnis einer toxischen und ausländer*innenfeindlichen Debatte sieht.“ PRO ASYL-Referent Tareq Alaows am 25. September 2024 im Radio Dreyeckland externer Link Audio Datei
    • [ver.di] „Höchste Zeit, die Debatte um Asyl und Migration zu versachlichen“
      Der ver.di-Vorsitzende fordert in der Diskussion um die Bekämpfung von Terrorismus mehr Investitionen in die innere Sicherheit, mehr Personal, schärfere Waffengesetze und Maßnahmen gegen die Radikalisierung auf den digitalen Plattformen…“ Interview vom 23.09.2024 bei ver.di externer Link
    • Diese Migrationspolitik ist der größte Fehler der Ampel
      Der Diskurs zur Migrationspolitik wird falsch geführt und stärkt AfD und BSW. Sich gegen Zuwanderung abzuschotten, schadet Deutschland auch wirtschaftlich enorm. (…)
      Die AfD hat recht mit ihrer Behauptung, die demokratischen Parteien hätten nun die AfD-Positionen übernommen und implementierten deren Forderungen. Sowohl der aktuelle politische Diskurs als auch das Handeln beruhen jedoch auf fünf falschen Behauptungen zur Zuwanderung. Sie werden katastrophale soziale, politische, rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen für Deutschland und Europa haben. Und diese Entscheidungen dürften sich als das größte Versagen der Bundesregierung erweisen.
      ..“ Kolumne von Marcel Fratzscher vom 20. September 2024 in der Zeit online externer Link
    • Migration und Rassismus in Deutschland: „Mir sind die Ängste der AfD-Wähler völlig egal“
      Im Interview von Bascha Mika vom 21. September 2024 in der Frankfurter Rundschau online externer Link beantwortet der 1987 in Duisburg geborene Sohn türkisch-kurdischer Eltern und Pädagoge, Burak Yilmaz, die provokante Frage „Sind Migrant:innen die schlechteren Deutschen?“ so: „Absolut nicht. Aber ihr Deutschsein wird immer wieder an gigantische Erwartungen gekoppelt, die sich ständig neu definieren. Und selbst wenn sie diese Erwartungen erfüllen, wird ihnen ihr Deutschsein abgesprochen. Immer wenn ich im Ausland sage, dass ich Deutscher bin, wollen die Leute mehr wissen und fragen nach Bayern München und so. Wenn ich hier sage, dass ich Deutscher bin, kommen Kommentare wie: Du siehst aber gar nicht deutsch aus. (…) Leistung schützt nicht vor Diskriminierung – egal, was man auf die Beine stellt, ob man etwas Übergalaktisches leistet oder einen Impfstoff entwickelt. Wenn ich Jens oder Christian heißen würde, wäre mein Leben deutlich einfacher gewesen. (…) Ich muss mich nicht beweisen. Ich muss für nichts dankbar sein. Dieses Land soll dankbar dafür sein, dass Menschen wie ich hier leben und auch hierbleiben werden. Kein Deutscher kennt dieses Land so gut wie ich. Vielleicht sollte ich lieber die Deutschen integrieren, damit sie ihre Rolle im Einwanderungsland Deutschland schneller finden und wir diese Gesellschaft endlich mal nach vorne bringen können. (…) Es kann doch nicht sein, dass man in der Politik und vielen Medien pauschal über Syrer und Afghanen spricht, als seien sie gefährlich. Viele von ihnen haben ihre Sprachkurse gemacht, einen Job und eine Wohnung gefunden. Die haben echt geliefert und können trotzdem aus Angst vor einem Abschiebebescheid nicht mehr schlafen. Im Moment geht unfassbar viel Vertrauen verloren. Sehr viele migrantische Menschen haben Existenzängste und suchen nach einem Plan B, weil sie fürchten, dass Deutschland seine Geschichte wiederholt. Die ständige Stigmatisierung und die fehlende Solidarität ist ein großes Thema in den Communities. Und bei vielen Deutschen kommt die Debatte gut an, obwohl sie hysterisch verkürzt geführt wird und jede Differenzierung fehlt. (…) Natürlich müssen wir über Fälle wie in Solingen und den Islamismus sprechen. Ich habe nach dem Anschlag sehr viele Veranstaltungen gemacht, wo es um islamistischen Terror gehen sollte. Doch nicht ein einziges Mal wurde über Islamismus und die Opfer von Solingen geredet, es ging permanent nur gegen Geflüchtete und Migranten. Alles wird in einen Topf geworfen, das muss echt aufhören! Wir sind gesellschaftlich an einem gefährlichen Kipppunkt. Und was soll denn dann die Lösung sein? Weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Sollen die einfach verhungern, sich ermorden lassen oder stehen bleiben, wenn die Bomben fallen? Ich bin wirklich wütend darüber, wie schnell dieses Land seine eigene Vergangenheit vergisst und immer weniger Empathie und Solidarität zeigt. Das Asylrecht muss als demokratische Errungenschaft verteidigt werden!“
    • Solingen 93/24: Menschenrechte als bestes Präventionskonzept
      „… Zweimal Solingen, zweimal unterschiedlichste extremistische Motivlagen, und doch: zweimal Solingen als Verstärker für Verschärfungen des Asylrechts, einmal 1993, und ganz aktuell 2024 mitzuerleben beim Migrationsgipfel und neuen Asylpaketen, gefordert nicht nur von rechts, sondern umgesetzt aktuell von der Ampelregierung. Damals wie heute waren die Anschläge, im Vorfeld wie im Nachgang, von einem Wording begleitet, dass Verunsicherung, Wut1), Ärger und scheinbare Hilflosigkeit erzeugt(e) – und nein, das ist nicht verständnisvoll gemeint. (…) Eine rechtssoziologische und kriminologische Perspektive zeigt, wie gefährlich Diskursverschiebung und Gesetzesverschärfungen als alleiniges „Allheilmittel“ in Reaktion auf das Attentat sind. Diese Spirale erhöht die Gefahr, dass sich weitere „Solingen“ – hier oder anderswo – ereignen.
      Radikalisierte Migrationsdebatte statt rationaler Prävention
      Die zentrale Frage lautet, warum wir nach Solingen – 93 wie 24 – über Migrationsprobleme diskutieren, und nicht über Extremismus und Radikalisierung. Die Risikofaktoren für Radikalisierung sind in den letzten Jahren auch hierzulande breit beforscht worden, teilweise mit Fördermitteln des BMBF (…) Das Präventionskonzept kann also schon deshalb nicht allein darin bestehen, sog. Gefährder zu erfassen, da dies zu kurz greift, zu schlecht funktioniert, die Risikobewertung, wie beschrieben, auf der Individualebene fehleranfällig ist. Zudem sind es im Bereich des religiös motivierten Extremismus immer wieder auch Täter*innen, die vorher nicht auffällig waren, die also gar nicht ins Raster fielen. Aber die Identifikation von Risikofaktoren durch die Prognoseforschung ermöglicht uns etwas anderes: Wir können durch die Kenntnis eben dieser Risikofaktoren auf der gesellschaftlichen Ebene daran arbeiten, diese Risikofaktoren allgemein zu minimieren, sprich: Wir sollten daran arbeiten, soziale Bindungen und die Aussicht auf ein gutes, sicheres Leben zu ermöglichen. (…) Was für ein Gefühl9) würde sich wohl in Ihnen einstellen, wenn Sie lesen, dass ein Landsmann von Ihnen einen schrecklichen terroristischen Messerangriff gemacht hat, und nun viele Menschen dieser Nationalität eben wegen dieses Einzeltäters zurückgeschoben werden sollen, in Ihr Land, in dem das Leben von existentiellen Krisen geprägt ist. Was würden Sie fühlen, wenn Sie im Supermarkt nur mit Bezahlkarte bezahlen dürfen, obwohl sie dringend ein bisschen Geld für Ihre Angehörigen sparen möchten? Ach nein – Supermarkt, das war ja mal, Sie sind ja jetzt auf einem „geeigneten Haftplatz“ untergebracht… Nicht mehr nur Sippenhaft, sondern „Herkunftshaft“? (…) Das vielgepriesene Rückführen – im Fall von Solingen 2024 – hilft auch nur bedingt weiter, denn wenn man nicht an die Ursachen geht, dann steht zu befürchten, dass der Anschlag unter Umständen in Bulgarien stattgefunden hätte; zweifelsohne keine zu bevorzugende Lösung. Radikalisierung ist eben mit Blick auf Solingen das Problem, das es zuerst zu bearbeiten gilt, auch und gerade durch Prävention auf der Meta-Ebene, nicht die davon im Ausgangspunkt strikt zu trennende Migrationsfrage. Radikalisierungsursachen sind mit Blick auf die Realität, dass wir in einer globalisierten Welt leben, nur global zu bearbeiten, denn auch Terror und Extremismus in Syrien und Afghanistan sind schrecklich und zu verhindern. Alle Menschen sind gleich. (…) Zentral für friedliches Zusammenleben ist, dass kein anomischer Zustand vorherrscht, nicht Gefühle der Ausweglosigkeit dominieren, sondern die Menschen Perspektiven entwickeln und Bindungen schließen können. Verwirklichen kann dies im Großen ein verantwortungsvolles Handeln im politischen Diskurs, das von einer den Menschenrechten und der Menschlichkeit verpflichteten Motivation getragen ist; und im Kleinen das Aufstehen und Diskutieren gegen rechte Hetze, ein Stärken und Mehren kommunaler Demokratie- und Schulprojekte17) u.a. (ja, es wird etwas kosten, doch auf längere Sicht sicher weniger, als wenn man alleine auf Abschottung und eine Verschärfung von Migrations- und Sicherheitsvorschriften setzt). (…) Der häufig geäußerten Furcht, dass es „bei uns dann so schön ist“, also dann „alle zu uns kommen“ (oftmals als Pull-Effekt bezeichnet, der aber in der Migrationswissenschaft an sich schon bezweifelt bzw. verneint wird20)), kann nicht durch Abschiebungen und Kasernierung begegnet werden. Xenophobie21), das lehrt uns die Geschichte, ist ein schrecklicher Motor22) und darf keinen Raum bekommen. Entgegenzusetzen ist dem die zentrale Errungenschaft der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte. Ohne Wenn und Aber, ohne „Ausnahmezustand“. Das Gute ist: Das Unterlassen von permanent Furcht erzeugenden Narrativen im öffentlichen Diskurs kann dieser Furcht effektiv Einhalt gebieten…“ Beitrag von Katrin Höffler vom 20. September 2024 im Verfassungsblog externer Link
  • „Smarte“ Verfassungsbrüche im „Unsicherheitspaket“: „Wir überschreiten einen Kipppunkt“ – erster Protest vor der SPD-Zentrale darf nicht letzter bleiben
    • Protest gegen Ampel-Pläne: Gegen das „Unsicherheitspaket“
      Nach der Schockstarre: Tausend Menschen demonstrieren am Dienstag vor der SPD-Zentrale gegen Abschiebungen, Grenzkontrollen und Überwachung.
      Gespenstisch ruhig blieb es in den vergangenen Wochen auf den Straßen angesichts des kollektiven Rechtsrucks der deutschen Politik nach dem islamistischen Anschlag von Solingen. Am Dienstagabend hat diese Schocklähmung zumindest in Berlin ein Ende gefunden: Vor dem Willy-Brandt-Haus, der Bundeszentrale der SPD, versammelten sich mehr als 1.000 Menschen zu einer Kundgebung, die maßgeblich von der Initiative Seebrücke organisiert wurde. „Die neueste Zuspitzung rassistischer Diskriminierung ist nicht hinnehmbar“, sagte eine der Veranstalter:innen in ihrer Auftaktrede. Seien Anfang des Jahres noch Hundertausende gegen die Remigrationspläne rechtsextremer Politiker auf die Straße gegangen, werde „genau diese rassistische Politik“ nun umgesetzt: „Dies ist der wahre Erfolg der AfD.“ Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) „tragen Verantwortung für diese Politik“, so die Seebrücke-Aktivistin. Auch ein Banner im Publikum brachte den Vorwurf auf den Punkt: „Sellners Remigration? Jetzt Ampelposition!“ Das Publikum, die Mehrheit kaum 30 Jahre alt, reagierte mit Sprechchören, die schon lange nicht mehr auf den Straßen zu hören waren: „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“. Und beklatschte sich danach selbst, eher aufmunternd angesichts einer um sich greifenden resignierten Stimmung als wirklich wütend. Unter den Anwesenden waren viele, die sich schon lange für die Rechte von Geflüchteten stark machen; Vertreter:innen von Sea Watch, Pro Asyl, dem Republikanischen Anwält:innenverein oder der Evangelischen Kirche, auch die Bundesgeschäftsführerin der Linken, Katina Schubert, war zugegen. Die Reden allerdings hielten mehrheitlich jene, die von einer Politik, die vor allem auf Abschiebungen und Abschottung setzt, direkt betroffen sind
      . Und für die das Sicherheitspaket der Bundesregierung ein „Unsicherheitspaket“ ist, wie es immer wieder hieß: Flüchtlingsaktivist:innen aus Syrien, Kurdistan und Iran, von Women in Exile oder der Brandenburger Initiative Jugendliche ohne Grenzen…“ Artikel von Erik Peter vom 18.9.2024 in de taz online externer Link
    • Angebliches »Sicherheitsgesetz«: Angriff auf Grundrechte
      Dem Bundestag liegt einmal mehr ein Gesetzesentwurf mit Asyl- und Aufenthaltsrechtverschärfungen vor. Mit einem geplanten Leistungsausschluss für Dublin-Fälle ist darunter eine Regelung, die eindeutig gegen die Verfassung verstößt. Doch auch die anderen Regelungen sind rechtlich bedenklich sowie meist überflüssig. Innerhalb von zwei Wochen macht die Bundesregierung aus dem noch kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen vorgestellten Sicherheitspaket einen eilig zusammengezimmerten Gesetzentwurf externer Link , der am 12. September 2024 in erster Lesung im Bundestag verhandelt wurde. Einmal mehr wird auf asyl- und aufenthaltsrechtliche Verschärfungen gesetzt, statt sich nach dem schrecklichen Anschlag von Solingen zum Beispiel auf Extremismusprävention zu konzentrieren. Anfang dieser Woche machten 27 Organisationen externer Link gemeinsam deutlich: »Nach Deutschland geflüchtete Menschen sind Teil unserer Gesellschaft (…) Zu den Regelungen im Einzelnen:…“ Beitrag vom 13.09.2024 bei Pro Asyl externer Link
    • Migration: „Wir überschreiten einen Kipppunkt“
      Maximilian Pichl: „Nach dem schrecklichen Anschlag von Solingen wäre es geboten gewesen, dass Politik und Öffentlichkeit zunächst einmal innehalten, den Opfern gedenken und dann besonnen darüber nachdenken, wie sich islamistische Gewalt eindämmen lässt. Stattdessen ging schon einen Tag danach ein politischer Überbietungswettbewerb über Abschiebungen und Zurückweisungen los, der der Komplexität der aktuellen Situation nicht gerecht wird. Wenn wir auf die aktuellen Maßnahmen blicken, die die Ampel-Fraktion und die Union einbringen, muss man feststellen: Der Anschlag hätte sich auch mit diesen Maßnahmen wahrscheinlich nicht verhindern lassen. Zumal die Gefahr von sogenanntem „Homegrown“-Terrorismus hinlänglich bekannt ist. Und der lässt sich nicht abschieben. Was fehlt, ist eine Debatte, die deutlich mehr von der Gesellschaft verlangt: Was sind die tieferliegenden Ursachen für die Anziehungskraft islamistischer Ideologien? Wie bekommt man Zugänge zu Personen, die sich potenziell radikalisieren? Wie lassen sich in den sozialen Netzwerken aufklärerische Gegenöffentlichkeiten schaffen? Wie können effektive und nachhaltig aufgestellte Präventionsstrukturen aufgebaut werden? (…) Mit der Rede von einem angeblichen Notstand bewegen wir uns gefährlich nahe im Bereich der Carl Schmittschen Ausnahmezustandskonzeption. Der Notstandsparagraph ermöglicht unter Umständen – aber das ist eher theoretischer Natur – ein Abweichen vom Europarecht im Bereich der Sicherheits- und Migrationspolitik. Ein Mitgliedstaat kann demnach eigene Maßnahmen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit durchführen. Das sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die natürlich Einfallstore für polizeiliche Praktiken eröffnen. (…) Tatsächlich werden unter der Ampel Projekte in der Flüchtlingspolitik durchgesetzt, an denen der ehemalige Innenminister Horst Seehofer noch aufgrund des gesellschaftlichen Widerstands und der Blockade von CDU und SPD gescheitert ist. Im Parlament gibt es aktuell eine riesige Repräsentationslücke für Menschen, die eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik haben wollen. Um diese „besorgten Bürger:innen“ kümmert sich niemand, außer der erheblich geschrumpften Linken. (…) Durch die aktuellen flüchtlingspolitischen Debatten fühlen sich viele Rechte bestätigt. (…) Ich habe mich gefragt, ob die aktuelle Debatte zumindest teilweise dem üblichen Wahlkampfgetöse zwischen den ostdeutschen Landtagswahlen geschuldet ist. Folgt man dieser Annahme, könnte sich die Situation nach der brandenburgischen Landtagswahl zunächst beruhigen – wobei dann aber schon die Weichen für den Bundestagswahlkampf gestellt werden. Aber je länger die Debatte andauert, desto mehr gehe ich von einem gesellschaftlichen Kipppunkt aus, der gerade überschritten wird. Rechtsstaatliche Prinzipien, die Gewaltenteilung und das europäische Recht werden grundlegend zur Disposition gestellt, nicht nur von den üblichen Verdächtigen. Mir macht Sorge, welche Langzeitfolgen diese Diskussionen haben. (…) Die großen Demonstrationen gegen die AfD Anfang des Jahres haben gezeigt, dass es durchaus Widerstandspotenziale gegen diese Entwicklungen gibt. Die Frage wird sein, ob sich daraus eine politische Repräsentation ergibt – in einer Multitude sozialer Bewegungen, Parteien oder ganz neuen politischen Kollaborationen. Und wichtig ist es, dass nicht nur die Strukturen einer offenen Gesellschaft verteidigt, sondern zukunftsgerichtete Alternativen ausgearbeitet werden.“ Interview von Valeria Hänsel vom 13. September 2024 bei medico international externer Link mit Maximilian Pichl
    • Warum die deutsche Ampel das Spiel der extremen Rechten mitspielt
      Nach dem Messerattentat von Solingen waren sich alle Parteien einig, dass etwas getan werden musste. Gegen Gewalt und Radikalisierung kann man viel tun. Die Ampel tut aber genau das Falsche: Sie lässt es so aussehen, als hätte die AfD recht…“ Kommentar von Natascha Strobl vom 10. September 2024 in moment.at externer Link
  • Petition von Pro Asyl: Gegen Rechts – Für das Recht 
    „Die Antwort vieler Politiker*innen auf steigende Umfragewerte und Wahlerfolge von Rechtsextremisten? Die Übernahme ihrer Begriffe und Forderungen. Entzug der Sozialleistungen, eine Abschiebeoffensive in Folterstaaten und Zurückweisungen (Pushbacks) auch an deutschen Grenzen: Mit dem täglichen Überbietungswettbewerb wird den Rechtsextremisten in die Hände gespielt. Wir sagen: Damit muss Schluss sein! Schreib‘ deshalb mit unserem Tool eine Mail an die Spitzen der Bundesregierung und fordere sie auf, sich wieder an unseren Werten und Grundrechten zu orientieren, anstatt den Rechten hinterherzulaufen! [Petitionstext:] Sehr geehrte*r Herr/Frau…,“ angesichts der aktuellen Debatte über die Verschärfungen in der Asylpolitik mache ich mir große Sorgen. Die Übernahme von Forderungen der Rechtsextremen, wie z.B. der Entzug von Sozialleistungen, Abschiebeoffensiven in Folterstaaten und Zurückweisungen auch an deutschen Grenzen, wird die drängendsten Probleme in unserem Land nicht lösen, aber den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch die europäische Idee weiter gefährden. Ich wünsche mir eine auf unseren Grundrechten basierende Politik, die die Werte unserer demokratischen Gesellschaft widerspiegelt. Zusammen mit PRO ASYL fordere ich Sie daher auf: Schluss mit dem Rechtsruck und dem Überbietungswettbewerb! Wir brauchen eine an Fakten orientierte Debatte, anstatt den Parolen der Rechten hinterherzulaufen und sie dadurch weiter zu stärken, wie auch die Wahlergebnisse zeigen. Mit freundlichen Grüßen …“ Petition von Pro Asyl von Anfang September 2024 externer Link mit der Bitte um Beteiligung
  • 27 Organisationen appellieren eindringlich an die Bundesregierung: Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in aktueller Asyldebatte verteidigen!
    In einer Zeit von sich überbietenden rechtswidrigen Vorschlägen und populistischen Ultimaten mahnen 27 Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und juristische Organisationen alle demokratischen Parteien, für die Werte unserer Gesellschaft einzustehen: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte.
    In dem gemeinsamen Appell “Flüchtlingsschutz ist Teil unserer demokratischen Werte – Forderungen nach Zurückweisungen ablehnen, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Europa verteidigen” externer Link , kritisieren sie, dass die aktuellen Debatten um asylrechtliche Verschärfungen diesen Werten eindeutig widersprechen. Denn Zurückweisungen an den Binnengrenzen, die der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz weiterhin vehement fordert, sind eindeutig europarechts- und menschenrechtswidrig. Die Organisationen fordern von der Bundesregierung, solche Überlegungen deutlich abzulehnen. Am Dienstag treffen sich laut Medienberichten erneut Vertreter*innen der Bundesregierung, von Landesregierungen und von der CDU, um über die Asylpolitik zu beraten.
    Die unterzeichnenden Organisationen warnen: Das Asylrecht wird, wie schon in anderen EU-Ländern wie Ungarn oder Polen zu beobachten, nur das erste Ziel von Populist*innen sein. Die Angriffe gegen die Grundfesten unserer Gesellschaft werden weitergehen. Die unterzeichnenden Organisationen machen deutlich: Die Zivilgesellschaft stellt sich gegen politische Kräfte, die ein Interesse an Spaltung und Verunsicherung haben. Von der Bundesregierung erwarten die Organisationen: “Anstatt sich zu stets neuen Verschärfungen treiben zu lassen, muss die Bundesregierung für ein Europa der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte einstehen. Für alle Menschen.”…“ Pressemitteilung vom 09.09.2024 bei Pro Asyl externer Link – die Vorstellung, wie sich die AfD gerade entspannt lächelnd zurücklehnt, ist schier unerträglich
  • Die AfD regiert bereits: Entgrenzte Abschiebedebatte und schnelles „Sicherheitspaket“ gegen alle Asylsuchende als Folge eines einzigen islamistischen Syrers 
    • Solingen: Gewalt lässt sich nicht abschieben. Autoritäre Mobilisierung in Parlamenten und auf der Straße stoppen 
      „… Der Schock und die Trauer über die Tat in Solingen wurden sofort überschattet von rassistischen Reden und politischer Instrumentalisierung. Der Attentäter besitzt die syrische Staatsangehörigkeit und war in Solingen in einer Geflüchteten-Unterkunft untergebracht. Eine 2023 geplante Abschiebung nach Bulgarien, dem Ankunftsstaat seiner Einreise in die EU, wurde nicht durchgeführt. Der Mann erhielt Ende 2023 subsidiären Schutz.  Die massive Hetze gegen geflüchtete Menschen erreicht nun ihren vorläufigen Höhepunkt und findet katastrophalen Ausdruck in neuen Gesetzesvorhaben: Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan, vereinfachte Abschiebungen, willkürliche und unbegrenzte Inhaftierung in Abschiebehaft, Verschärfung von Waffenrecht und erweiterte Befugnisse der Sicherheitsbehörden.
      Unter rassistischem Generalverdacht
      Ganze Bevölkerungsteile werden unter rassistischen Generalverdacht gestellt und für Taten von einzelnen Personen durch umfassende Entrechtung kollektiv bestraft (…)Die bislang äußerst umstrittene Forderung nach Anwendung automatisierter Gesichtserkennung in Sozialen Medien ist nun Teil von Faesers „Sicherheitspaket“, darunter der Abgleich von Datenbanken mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI). Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhält die Befugnis zum biometrischen Abgleich von Internetdaten, insbesondere um Identitäten von Schutzsuchenden festzustellen. Die Ausweitung von Messerverboten verhindert keine Angriffe, sondern führt zu mehr Kontrollen und mehr Racial Profiling. Die angekündigten Leistungskürzungen für Geflüchtete im Dublinverfahren entmenschlichen Schutzsuchende massiv. Viele der Vorschläge dürften verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Prüfungen nicht standhalten.  Diese Gesetze dienen dazu, Menschen pauschal zu potentiellen Terrorist*innen zu erklären. (…) Der abstoßende Wettbewerb um die härtesten Forderungen zeigt, dass die politischen Verantwortlichen immer mehr darauf abzielen, mit rechten Forderungen mitzuhalten und damit immer mehr der AfD gleichen, von der sie sich an anderer Stelle abzugrenzen behaupten. Zu Ende gedacht münden die genannten Pläne in dem Wunsch der extremen Rechten nach „Remigration“: Der Entledigung all jener Menschen, denen sie einen „Migrationshintergrund“ zuschreiben
      …“ Statement von Aktiven mehrerer Kölner Gruppen vom 3.9.2024 beim Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. externer Link, siehe auch:

      • Solingen: Solidarität statt Rassismus
        „Es steht außer Frage, dass die Tat in Solingen schrecklich ist. Unsere volle Solidarität und unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen und den Verletzten. Wir stellen uns aber zugleich entschieden gegen die daraus folgende Welle an Rassismus und Entrechtung von Menschen, die über die Republik rollt…“ Pressemitteilung der Regionalgruppe NRW des RAV e.V. vom 03.09.2024 externer Link
      • Reaktion auf Terroranschläge Gefühlte Bedrohungen und reale Risiken
        Der Anschlag von Solingen ist verabscheuungswürdig. Weist er aber auf eine »nationale Notlage« hin? Bestehen ganze Nationen aus potenziellen Mördern? Wer so redet, spielt Terroristen und Rechtsextremen in die Hände…“ Kolumne von Christian Stöcker vom 01.09.2024 im Spiegel online externer Link
    • Nach Anschlag von Solingen: Die nächste entgrenzte Abschiebedebatte: Ein Faktencheck
      „… Wie schon vorherige islamistische Attentate löst auch die terroristische Gewalttat von Solingen die immer gleichen Reflexe aus, einfache Lösungen für komplexe Herausforderungen werden propagiert, angetrieben von den Rechtsaußenparteien, aber befördert auch von den Parteien der Mitte, angefeuert aber auch von Zeitungen wie BILD und WELT sowie einer vielfach entgrenzten, rassistischen und menschenverachtenden Debatte auf den Social Media-Kanälen. Die zahlreichen Fehlinformationen und die Debatte, in der Abschiebung, Abschottung und rassistische Vorurteile gegenüber Geflüchteten dominieren, erfordern eine politische und rechtliche Einordnung. Angesichts der unzähligen erhobenen politischen Forderungen ist die Übersicht auf die zentralsten das Abschiebungsreporting NRW betreffende Themen begrenzt. Forderungen nach Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Ein Diskurs voller Falschinformationen…“ Beitrag vom 29. August 2024 beim Abschiebungsreporting NRW externer Link
    • „Sicherheitspaket“: Nach Solingen will die Ampel die Asylpolitik verschärfen
      Nicht einmal eine Woche ist seit dem Messeranschlag von Solingen vergangen. Nun zieht die Bundesregierung Konsequenzen – bei Messern, Asyl und Sicherheitsbehörden. An Kritik mangelt es nicht – auch aus den eigenen Reihen der Regierungsparteien…“ Artikel von Martina Herzog und Michael Fischer vom 29.08.2024 im Migazin externer Link
    • Siehe das „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung externer Link
    • Nach Solingen: Friedrich Merz’ Forderungen juristisch nicht haltbar
      Nach dem Messerangriff in Solingen am vergangenen Freitag warnt der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) vor der Verbreitung juristisch falscher Behauptungen durch Politiker*innen wie Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende hat zahlreiche Einschränkungen des Asylrechts gefordert, die mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, moralisch falsch und politisch brandgefährlich sind…“ RAV-Pressemitteilung vom 30. August 2024 externer Link
    • Solingen: Opferberater beklagen „rassistische Scheindebatte“
      Nach dem Anschlag von Solingen gibt es eine Debatte um Abschiebungen und die Einschränkungen des Asylrechts. Aus Sicht von Thüringer Opferberatern ist das gefährlich. Der Schritt zu rassistischen Angriffen sei nicht mehr weit…“ Meldung vom 29.08.2024 im Migazin externer Link
    • Koalition will offenbar Leistungskürzungen für „Dublin-Flüchtlinge“
      Die Ampel-Koalition plant laut einem Medienbericht weitere Leistungseinschränkungen für bestimmte Flüchtlingsgruppen. Demnach sollen sogenannte „Dublin-Flüchtlinge“ – also solche, die über einen anderen EU-Staat einreisten und dort registriert wurden – künftig weder Geldleistungen noch eine Bezahlkarte erhalten. Stattdessen sollen ihnen nur die nötigsten Sachleistungen wie Unterkunft, Verpflegung und Hygieneartikel gewährt werden…“ Meldung vom 29.08.2024 im deutschlandfunk externer Link
    • Abschiebedebatte wegen Solingen: Im Düsseldorfer Landtag wird über Konsequenzen aus dem Anschlag diskutiert
      „… Eine der Stellschrauben, an denen Paul gedreht hat, ist ein Erlass vom Montag. Die Zentralen Ausländerbehörden, die für die Ausführung von Abschiebungen und Rücküberstellungen zuständig sind, können nun in Echtzeit auf die Anwesenheitsdatenbanken von Asylunterkünften zugreifen. In diesen wird beispielsweise erfasst, ob ein Bewohner regelmäßig zur Essensausgabe erscheint. In der Ausschusssitzung erklärte Paul, mit dem Zugriff auf die Daten könnten die Ausländerbehörden ihre Chancen erhöhen, Personen anzutreffen, die abzuschieben sind. Diese könnten etwa zu den Essenszeiten aufgegriffen werden…“ Aus dem Artikel von Sebastian Weiermann vom 29.08.2024 in ND online externer Link
    • Festung Deutschland
      Die Forderung deutscher Politiker nach dauerhaften Grenzkontrollen zur Abwehr von Flüchtlingen stößt in mehreren Nachbarstaaten auf scharfen Protest und verschärft die Konflikte innerhalb der EU…“ Beitrag vom 27.8.2024 in german-foreign-policy.com externer Link
    • Debatten um Abschiebregeln: Jenseits des Grundgesetzes
      Die Bundesregierung reagiert auf den Anschlag von Solingen mit Asylverschärfungen. Damit ist sie denen, die sie bekämpfen will, näher als sie glaubt. (…) Man könnte nun sagen: Die demokratischen Parteien lassen sich treiben von der AfD und ihrem befürchteten Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Aber getrieben wirken sie nicht wirklich. Eher dankbar für die Gelegenheit, nun allzu bereitwillig Hand an das Asylrecht anlegen zu können. Merz sieht außerdem die Gelegenheit, der taumelnden Ampelregierung den letzten Schlag versetzen zu können. Dass die Wortmeldungen der AfD gerade untergehen, ist kein Zeichen ihrer Schwäche, im Gegenteil, die anderen Parteien verbreiten jetzt ihre rassistische Propaganda. Die AfD braucht sich nur zurückzulehnen. Rechtsextreme und Islamisten wollen Schluss machen mit dem demokratischen Grundsatz, dass Individuen für ihre Handlungen haften. Sie wollen Kollektivbestrafungen und Sippenhaft. So, wie Islamisten den Westen als Gemeinschaft verachten, verachten Rechtsextremisten Menschen, die nicht in ihr völkisches Weltbild passen. Wer nun Asylbewerber unter Generalverdacht stellt, passt sich dem an…“ Kommentar von Volkan Agar vom 30.8.2024 in der taz online externer Link
    • Rechtsruck in der Asylpolitik: Wo bleibt der Protest?
      Nun kommt es zur Überbietungsschlacht, wer härter und umfassender Abschieben will. Es wird Zeit, dass sich mehr Leute dagegen erheben.
      Seit über einem Jahr wird vor einem möglichen Sieg von Rechtsextremen bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland gewarnt. Jetzt stehen wir unmittelbar davor und der Rechtsruck ist längst da – und zwar in ganz Deutschland. Statt nach dem schrecklichen Attentat in Solingen populistischen Forderungen mit solidarischer Politik entgegenzutreten, gießen die Parteien von CSU bis hin zu den Grünen in einem irren Überbietungswettbewerb Öl ins Feuer. (…) Das Ausmaß an Faktenfreiheit, Ideologie und Missachtung des Grundgesetzes, mit dem in diesen Tagen über den Umgang mit Geflüchteten diskutiert wird, ist nur noch gruselig. Wollten die Parteien islamistische Hasskriminalität bekämpfen, könnten sie auf Erkenntnisse der Kriminologie hören: Unwürdige Lebensbedingungen wie etwa in Flüchtlingslagern begünstigen, dass Menschen sich radikalisieren und gewaltbereit werden. Das soziale Umfeld ist entscheidend dafür, wer zum Täter wird. (…) Das wirklich Irre an der Debatte ist aber, dass sie auf dem rhetorischen Strohmann basiert, es gäbe keinen ausreichenden Willen zu Abschiebungen. Dabei hat Olaf Scholz es bitterernst gemeint, als er im letzten Winter eine Abschiebe-Offensive „im großen Stil“ forderte: Schon in der ersten Jahreshälfte 2024 gab es 20 Prozent mehr Abschiebungen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Trotzdem schaffen es rechte Kräfte mit diesem Strohmann, Politikern immer radikalere Forderungen nach Abschiebungen zu entlocken.
      Während noch im Januar bundesweit Millionen auf die Straße gingen, um gegen die Deportationspläne der AfD zu demonstrieren, fragt man sich: Wo bleiben diese Leute jetzt? Die Forderungen nach noch mehr Abschiebungen in noch gefährlichere Länder bedeuten nämlich in der Realität nichts anderes als das: Deportationen von schutzbedürftigen Menschen, die gegen ihren Willen vom deutschen Staat in Kriegs- und Krisengebiete gebracht werden. Diese Menschen, die sich im Januar gegen den Rechtsruck stellten, braucht es jetzt dringender denn je, um für mehr Menschlichkeit und das Grundrecht auf Asyl einzustehen…“ Kommentar von Marta Ahmedov vom 30.8.2024 in der taz online externer Link
    • Kommentar von Gereon Asmuth zur Abschiebedebatte: Die AfD regiert
      „Es ist schon irre. Erst am Sonntag wird in Thüringen und Sachsen gewählt. Die rechtsextreme AfD wird laut Umfragen 30 Prozent und mehr einsacken. Doch sie regiert schon jetzt. Sie bestimmt das politische Handeln bis weit hinein in sich einst als links definierende Parteien. Tun muss sie dafür gar nichts. Nur demonstrativ in der rechten Ecke stehen. (…) Schon am Mittwoch stellte Innenministerin Nancy Faeser das messerscharfe Sicherheitspaket der Ampel vor. Der zentrale Punkt lässt sich mit zwei Worten übersetzen: Ausländer raus.
      Natürlich sagt das niemand so direkt. Und es geht ja auch nicht um alle Nichtdeutschen. Aber gehört werden soll sie genau so, diese Botschaft für die rechte Ecke. Dass damit nicht nur „berechtigte Ängste“ ernst genommen, sondern ebenso geschürt werden wie der um sich greifende Rassismus, scheint mal wieder egal. Genauso egal wie die Gewissheit, dass am Ende nur die AfD profitiert. Aber was soll man denn sonst auch machen?
      Man könnte zum Beispiel mit Fakten dagegenhalten. Etwa dass laut Bundeskriminalamt die aus Syrien, Afghanistan und Irak Geflüchteten, für die es offenbar jetzt auch nur noch die Konzepte Raus! Raus! Raus! gibt, die Migrantengruppen mit der niedrigsten Kriminalitätsrate sind. Oder dass der Besuch von Volksfesten nicht erst durch irre Islamisten bedroht wird, sondern auch durch irre Autofahrer, wie in Volkmarsen 2020, oder durch irre Nazis, wie in München 1980. Vor allem aber, dass nicht Abschiebung, sondern Integration das Gebot der Stunde wäre
      …“ Kommentar von Gereon Asmuth vom 30.8.2024 in der taz online externer Link und unsere Lieblingskommentare:
    • Wie viel Lack muss man eigentlich saufen, um in der aktuellen Situation seine restliche Regierungszeit zu nutzen, um alles für nen schlüsselfertigen autoritären Staat vorzubereiten?Post von annskaja (Co-Chefredakteurin von Netzpolitik) am 29.8.2024 auf bsky externer Link
    • Das kann doch nicht echt sein, was die Regierung hier plant! Geflüchtete, traumatisierte Menschen zu demütigen und sie wie Gefangene zu halten, wird null Terrorakte verhindern! Eines der reichsten Länder der Welt zeigt, dass es ein Land der Arschlöcher ist!Post von Mario Sixtus am 29.8.24 auf Mastodon externer Link
    • Rechter Kulturkampf. Im Windschatten der Trauer um die Opfer von Solingen soll das Recht auf Asyl weiter ausgehebelt werden.
      Wir sind erschüttert über den Anschlag von Solingen, bei dem drei Menschen getötet wurden und mehrere schwerverletzt. Der Anschlag stürzt die betroffenen Familien in große Trauer, er verbreitet Angst. Schnell bekannte sich Da´esh/ISIS zu der Tat.
      Anstatt sich in der Trauer über die Opfer zu begegnen, entbrannte auf der politischen Ebene eine erneute Abschiebedebatte. Es wirkt wie eine Wiederholung der Debatte nach dem Attentat von Mannheim im Mai dieses Jahres. Politiker:innen von AfD, CDU, BSW und der Ampelkoalition überbieten sich mit Forderungen nach einem Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan sowie einer Erleichterung von Abschiebungen in diese Länder. 1,3 Millionen Menschen aus Syrien und Afghanistan sind in Deutschland. Sie leben hier, sie arbeiten hier, sie werden hin- und herausgehalten. Sie alle werden für die schreckliche Tat eines 26-jährigen verantwortlich gemacht. Im Windschatten richtungsweisender Wahlen – dieses Mal die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg – behaupten Politiker:innen im Wahlkampf, für Sicherheit zu sorgen, indem sie Migration stoppen, Menschen nach Syrien und Afghanistan abschieben, dafür mit dem jeweiligen diktatorischen Regime verhandeln und entschlossen gegen sogenannten Islamismus vorgehen wollen. In einer offenen Gesellschaft kann es keine absolute Sicherheit geben. Wer dies dennoch verspricht, betreibt Populismus – in der Regel auf dem Rücken der Schwächsten.
      Auch zeitlich unbegrenzter Abschiebegewahrsam für Straftäter:innen und anlasslose Kontrollen in Fußgängerzonen werden von der CDU/CSU ins Spiel gebracht. Was das alles noch mit Menschenrechten und dem Grundgesetz zu tun haben soll, bleibt im Verborgenen. Dies wiegt umso schwerer, als das Recht auf Asyl gerade in Deutschland nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs eigentlich besonderes Gewicht hat
      …“ Kommentar von Imad Mustafa vom 28.08.2024 bei medico externer Link
    • Siehe für den aktuellen Hintergrund unser Dossier: Auch 20, 30 Jahre nach dem Brandanschlag von Solingen: Das Problem heisst Rassismus! mit den ersten asylfeindlichen Reaktionen
    • Siehe auch u.a.:
  • Abschiebedebatte nach Solingen-Anschlag: Wie bekämpft man Terror? Mit Zusammenarbeit mit Terrorregimen und Abschiebungen in den Folterstaat Syrien
    Nach dem Anschlag in Solingen offenbart sich eine neue Achse der Härte gegen Flüchtlinge: CDU und BSW wollen Abschiebungen in den Folterstaat Syrien.
    Wie bekämpft man Terror? Deutsche Politiker haben ein neues Pauschalrezept entdeckt: Zusammenarbeit mit Terrorregimen. „Nach Syrien und Afghanistan kann abgeschoben werden, weitere Flüchtlinge aus diesen Ländern nehmen wir nicht auf“, schrieb der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in seiner „Merzmail“ am Sonntag. „Ich würde mir wünschen, dass wir die Wirtschaftssanktionen gegenüber Syrien aufheben“, sekundierte in der Tagesschau vom Montag die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht, Sahra Wagenknecht, und schlug eine Rückführung der Flüchtlinge vor: „Der Krieg ist vorbei, es gibt keinen Grund, generell Menschen aus Syrien in Deutschland zu behalten.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte schon eine Woche vorher gesagt, an Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan sei sie „dran“. Dass in Afghanistan und Syrien Staatsterror herrscht, ist da offensichtlich egal. (…) Erst drei Jahre ist es her, da stellte das Oberlandesgericht Koblenz in einem ersten wegweisenden Urteil externer Link fest: Das Assad-Regime in Syrien beging Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen eines „ausgedehnten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung“, und zwar schon zu Beginn der friedlichen Demonstrationen für Demokratie in Syrien 2011, lange bevor deren Scheitern in den Bürgerkrieg führte.
    Das Koblenzer Urteil beschreibt Assads Vernichtungsapparat, dessen Opferzahlen „monatlich in die Tausende“ gingen, bis ins Detail. Im Rahmen der heutigen Syrien-Debatten muss man das genau lesen (…) Wissen deutsche Politiker, die nach Syrien abschieben wollen, dass die Verantwortlichen hierfür bis heute an der Macht sind? Haben sie die Syrien-Urteile deutscher Gerichte gelesen? Bedeutet „Nie wieder ist jetzt“ nicht auch, nie wieder staatliche Massenvernichtung gewähren zu lassen?…“ Kommentar von Dominic Johnson vom 27.8.2024 in der taz online externer Link („Die deutschen Assad-Versteher“)

    • Siehe zum aktuellen Hintergrund die neuesten Beiträge im Dossier: Auch 20, 30 Jahre nach dem Brandanschlag von Solingen: Das Problem heisst Rassismus! und darin u.a.:
    • Erklärung von PRO ASYL zum Anschlag von Solingen
      „… PRO ASYL erinnert daran: Flüchtlinge suchen oft genau vor der islamistischen Gewalt Schutz, der wir in Solingen begegnet sind. Und wir fordern: Gegen islamistische Terroristen muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats vorgegangen werden.
      Wer vor Terror, Gewalt und Verfolgung flieht, braucht Schutz. Zurzeit werden jedoch Stimmen laut, die ein Ende der Flüchtlingsaufnahme aus Afghanistan und Syrien fordern. Bundesdeutsche Grenzen sollen geschlossen und Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien forciert werden. Der „Jetzt reicht es“-Vorschlag des CDU- Parteichefs Friedrich Merz ist eindeutig verfassungswidrig und mit dem EU-Recht unvereinbar. Er verstößt zudem gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention, ist zutiefst unmenschlich und spaltet unsere Gesellschaft. PRO ASYL warnt: Die politischen Verantwortlichen in der demokratischen Mitte dürfen nicht in einen Überbietungswettbewerb mit den Rechtsextremen und Völkischen eintreten. Es ist unerträglich, Schutzsuchende aus Afghanistan und Syrien unter einen Generalverdacht zu stellen
      …“ Erklärung vom 26.08.2024 externer Link
  • „Zivilpersonen müssen nicht mehr damit rechnen, getötet oder verletzt zu werden“: Urteil des OVG NRW zu Schutzstatus eines Syrers sorgt für Angst bei 700.000 Betroffenen
    • OVG Nordrhein-Westfalen zum Asylrecht: Kein pau­schaler Schutz­status mehr für Syrer
      Seit 2011 sind Hunderttausende Syrer vor Krieg und Gewalt nach Deutschland geflohen. Aber besteht in Syrien immer noch eine allgemeine Gefahr für Leib und Leben der Zivilbevölkerung? Nein, sagt das OVG in Münster als erstes OVG.
      Für Asylbewerber aus Syrien sieht das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster derzeit keine pauschale Gefahr durch einen Bürgerkrieg mehr. Die erste obergerichtliche Entscheidung dieser Art stehe damit gegen die bislang gängige Praxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), syrischen Asylbewerbern im Regelfall den sogenannten subsidiären Schutz als Bürgerkriegsflüchtlinge zuzusprechen, sagte ein Gerichtssprecher über die jetzt veröffentlichte Entscheidung (Urt. v. 16.07.2024, Az. 14 A 2847/19.A).
      Dieser eingeschränkte Schutz gilt für Menschen, die nicht als individuell verfolgte Flüchtlinge anerkannt werden, aber stichhaltige Gründe liefern, warum ihnen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafte Schäden – etwa durch Bürgerkrieg – drohen. Auch für Syrien war in Asylverfahren aufgrund der dortigen Lage bislang im Regelfall von einer solchen ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit von Zivilisten ausgegangen worden.
      Zuletzt hatte es zum Beispiel vom Landkreistag und aus der Union Forderungen gegeben, Syrern den subsidiären Schutz – der bereits die unterste Ebene für Schutzsuchende ist  – nicht mehr zuzusprechen. Dagegen wandte sich der Verband Pro Asyl, der dadurch eine Aufwertung des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad befürchtet.
      „Zivilpersonen müssen nicht mehr damit rechnen, getötet oder verletzt zu werden“
      Im Falle des Klägers, einem syrischen Staatsangehörigen aus der Provinz Hasaka, sah der 14. Senat die entsprechenden Voraussetzungen weder in dessen Heimatregion im Nordosten noch in Syrien allgemein als gegeben an und wies die Klage daher ab.  Zwar fänden zum Beispiel in der Provinz Hasaka noch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und verbündeten Milizen einerseits und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) andererseits statt. Gelegentlich komme es auch zu Anschlägen des Islamischen Staates auf Einrichtungen der kurdischen Selbstverwaltung. Diese bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschläge erreichten jedoch kein solches Niveau mehr, dass Zivilpersonen damit rechnen müssten, getötet oder verletzt zu werden, begründete der Senat seine Entscheidung…“ Beitrag vom 23.07.2024 in LTO externer Link
    • Urteil zu Schutzstatus eines Syrers sorgt für Aufregung
      In Deutschland leben mehr als 700.000 syrische Flüchtlinge und Asylbewerber. Nicht nur sie lässt ein Urteil aus Nordrhein-Westfalen aufhorchen. Auch Politik und Pro Asyl schauen genau hin. Die Richter entschieden: Syrien sei nicht mehr so gefährlich.
      Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster externer Link zum Schutzstatus eines Syrers hat Fragen aufgeworfen, die über den konkreten Einzelfall hinausgehen. Die Logik dahinter sei, dass man sich immer genau anschauen müsse, wer in welchen Teil Syriens abgeschoben werden könne, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstag in Berlin zu möglichen Konsequenzen. Buschmann sagte: „Man kann eben nicht mehr pauschal sagen, dass die Sicherheitslage im gesamten Land überall gleich ist, sondern es muss genau hingeschaut werden. Dies sei eine Entscheidung des Gerichts, die man nachvollziehen kann, wenn man davon ausgeht, dass es mittlerweile auch in diesem Land Regionen gibt, die sehr gefährlich sind, aber auch andere Regionen gibt, wo nicht zwingend Gefahr für Leib und Leben besteht“. (…)
      Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann (CSU), sagte dem Sender Welt TV: „Ich halte dieses Urteil für sehr, sehr wichtig und wohl auch richtungsweisend. Und es ist bezeichnend, dass jetzt doch eine völlig neue Lageeinschätzung für Syrien angesagt ist.“ Dabei gehe es nicht nur um die Abschiebung von Straftätern. Es kämen nach wie vor jeden Monat viele Asylbewerber aus Syrien neu nach Deutschland. „Es gibt nicht mehr diesen Bürgerkrieg, wie er da zeitweilig herrschte“, sagte Herrmann. Das „Regime“ von Präsident Baschar al-Assad in Damaskus habe sich zwar bedauerlicherweise verfestigt. Es sei aber nicht mehr so, dass in Syrien ein Bürgerkrieg herrsche, wo praktisch jeder täglich um sein Leben bangen müsse. (…)
      Bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern im Juni hatte Einigkeit darüber bestanden, dass Straftäter und islamistische „Gefährder“ künftig wieder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden sollten – womöglich über Nachbarländer. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte damals in Potsdam, sie sei dazu bereits mit mehreren Staaten im Gespräch. (…)
      Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, sagte: „Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entscheidet an der Realität in Syrien vorbei.“ Einschlägige Quellen wie der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zeigten, dass es weiterhin „eine beachtliche Konfliktlage“ gebe. Hinzu komme, dass praktisch niemand vor dem „Folterregime des Diktators Assad“ sicher sei
      .“ Beitrag vom 23.07.2024 im Migazin externer Link
  • Seehofer schließt Abschiebungen nach Syrien aus
    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Abschiebungen nach Syrien zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen. Auch straffällig gewordene Flüchtlinge könnten nicht in das Bürgerkriegsland zurückgeschickt werden, sagte er dem „Spiegel“ laut Vorabmeldung vom Freitag. Der neue Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Syrien sei „plausibel“, erklärte der Minister: „Im Moment kann in keine Region Syriens abgeschoben werden, das gilt auch für Kriminelle.“ Pro Asyl begrüßte die Äußerungen Seehofers. Zugleich verlangte die Flüchtlingsorganisation, auch Abschiebungen nach Afghanistan und in den Irak zu stoppen…“ Meldung vom 26. November 2018 beim Migazin externer Link
  • Auswärtiges Amt warnt vor Abschiebungen nach Syrien 
    Die Innenminister wollen kommende Woche beraten, ob sie beim generellen Abschiebestopp für Syrien bleiben. Zur Debatte steht, ob Straftäter und Gefährder in das Bürgerkriegsland zurückgeschickt werden sollen. Das Auswärtige Amt warnt davor. Das Auswärtige Amt warnt laut einem Medienbericht vor Abschiebungen nach Syrien. Abgeschobenen Flüchtlingen drohe in dem Bürgerkriegsland Gefahr für Leib und Leben, heißt es in einem Lagebericht des Ministeriums, aus dem „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR (Dienstag) zitierten. „In keinem Teil Syriens besteht ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen“, heißt es demzufolge in dem Papier, das auf den 13. November 2018 datiert ist. Der Bericht soll Grundlage für die Entscheidung über eine Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien sein, über den in der kommenden Woche die Innenministerkonferenz in Magdeburg berät. In dem 28-seitigen Bericht heißt es, männliche Rückkehrer im wehrpflichtigen Alter zwischen 18 und 42 Jahren würden nach ihrer Rückkehr in der Regel zum Militär eingezogen, vorher jedoch oft noch für mehrere Monate wegen Desertion inhaftiert. Auch wenn einzelne Rückkehrer in jüngerer Zeit wieder in ihrer syrischen Heimat hätten Fuß fassen können, bleibe das Risiko hoch. „Innerhalb der besonders regimenahen Sicherheitsbehörden, aber auch in Teilen der vom Konflikt und der extremen Polarisierung geprägten Bevölkerung gelten Rückkehrer als Feiglinge und Fahnenflüchtige, schlimmstenfalls sogar als Verräter beziehungsweise Anhänger von Terroristen“, heißt es. Schon die Herkunft aus einer als oppositionsnah geltenden Ortschaft könne zu Gewalt oder anderer staatlicher Repression führen. Es seien Fälle bekannt, in denen Rückkehr dauerhaft „verschwunden“ seien…“ Beitrag vom 21. November 2018 beim Migazin externer Link
  • Innenminister beraten über mögliche Abschiebungen nach Syrien 
    Der Abschiebestopp für Syrien gilt noch bis Ende des Jahres. Was danach passiert, darüber wollen Innenminister von Bund und Ländern bei Ihrer Konferenz beraten. Einen ersten Lagebericht gibt es bereits – Verschlussache. Pro Asyl reagiert empört auf die Diskussion. Die Innenminister von Bund und Ländern wollen bei ihrer Konferenz Ende November über die Möglichkeit von Abschiebungen nach Syrien beraten. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bestätigte am Freitag in Berlin, dass die Länder den Bund um eine Einschätzung der Lage gebeten haben. Das Auswärtige Amt hat nach eigenen Angaben den Behörden bereits einen Bericht zur Lage in dem Bürgerkriegsland zur Verfügung gestellt. Inhalte wurden nicht bekannt. Der Bericht sei als Verschlusssache eingestuft, sagte ein Sprecher des Außenamts. (…) Im August hatte das Auswärtige Amt noch erklärt, dass in Syrien die Mindestbedingungen für Rückführungen nicht erfüllt seien. Der Sprecher sagte am Freitag, die Lage in dem Land sei weiterhin „komplex“ und „schwierig“…“ Meldung vom 19. November 2018 beim Migazin externer Link

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=140194
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