[Leipziger Autoritarismus-Studie] 2018: Die „Mitte“ geht nach Rechts. Wer arbeitet daran?

Dossier

Leipziger Autoritarismus-Studie 2018Nach einer Studie von Forschern der Universität Leipzig vertritt etwa jeder dritte Bundesbürger ausländerfeindliche Positionen. 36 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Ausländer nur hierherkommen, um den Sozialstaat auszunutzen, heißt es in der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Langzeitstudie zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen. Über ein Viertel würde Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken, wenn in Deutschland die Arbeitsplätze knapp werden. Rund 36 Prozent hielten die Bundesrepublik durch Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet. Bei all diesen Fragen war die Zustimmung im Osten größer als im Westen. Eine »Überfremdung« sahen etwa 44,6 Prozent der befragten Ostdeutschen und 33,3 Prozent der Westdeutschen. Bundesweit stimmten 56 Prozent der Aussage zu, sie fühlten sich »wegen der vielen Muslime hier wie ein Fremder im eigenen Land«. Mehr als zehn Prozent waren zudem der Meinung, dass »der Einfluss der Juden zu groß« sei…“ – aus dem Beitrag „Rassismus breitet sich in Deutschland aus“ von Aert van Riel am 07. November 2018 in neues deutschland online externer Link über die Veröffentlichung der Leipziger Studie, die es seit 2002 alle zwei Jahre gibt. Siehe dazu auch die Studie selbst sowie Kommentare und nie nachfolgenden Studien:

  • Leipziger Autoritarismus-Studie 2020: Ausländerfeindlichkeit sinkt, aber neue Radikalität
    Die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland hat abgenommen, aber es gibt ein dauerhaft hohes Niveau bei rechtsextremen Einstellungen. Zu beobachten ist zudem eine „Radikalisierung und Enthemmung unter extremen Rechten“. Das sind zentrale Ergebnisse der „Leipziger Autoritarismus-Studie“. Verschwörungsmythen sind in der aktuellen Corona-Pandemie in Deutschland weit verbreitet. Das geht aus der 10. Leipziger Autoritarismus-Studie externer Link mit dem Titel „Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität“ hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde externer Link. Die Studienautoren warnen vor einem weiterhin hohen Niveau bei Ausländerfeindlichkeit. Der Studie zufolge gab es bei 47,8 Prozent der Befragten eine deutliche Zustimmung zu der Aussage: „Die Hintergründe der Corona-Pandemie werden nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen“ und bei 33 Prozent zu der Aussage: „Die Corona-Krise wurde so groß geredet, damit einige wenige davon profitieren können“. Im Osten waren diese Überzeugungen dabei wesentlich stärker ausgeprägt als im Westen. Der Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig, Oliver Decker, sprach von einer Zunahme solcher Einstellungen und warnte, dass Verschwörungmythen als „Einstiegsdroge“ für ein antimodernes Weltbild wirken könnten. Sie seien neben der Ausländerfeindlichkeit derzeit sehr tragfähige Bindeglieder zwischen den verschiedenen antidemokratischen Milieus – genauso wie Antisemitismus und Antifeminismus…” Meldung vom 19. November 2020 von und bei MiGAZIN externer Link. Siehe dazu:

    • [Interview] „Rechtsextreme Einstellungen sind tief verwurzelt“ New
      Rechtsextreme Einstellungen sind die größte Gefahr für die liberale und plurale Demokratie. Zu diesem Schluss kommen Elmar Brähler und Oliver Decker auch in ihrer neuen Leipziger Studie zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland. An ihren durchaus erschreckenden Ergebnissen gibt es aber auch Kritik. (…) Rechtsextreme Einstellungen in Form alter NS-Ideologie gibt es in ausgeprägter Form bei einer nennenswerten Anzahl von Personen, durchgehend von 2002 bis heute. Während hier die Zahl erfreulicher Weise fast durchgehend unter 10 Prozent liegt, sind Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit in einem sehr höheren Ausmaß anzutreffen, teilweise bei bis zu 40 Prozent der Bevölkerung. Die Zahl der ausländerfeindlich Eingestellten war 2012 am höchsten, lange bevor die Zahl der Geflüchteten bei uns angestiegen ist. Auch chauvinistische Einstellungen lagen fast immer über 20 Prozent der Bevölkerung. (…) Am niedrigsten ist die Zustimmung zur Demokratie, wie sie gelebt wird. Diese wird vor allem in den neuen Bundesländern kritisch gesehen. Autoritäre Denkweisen sind beim großen Teil der Bevölkerung  durchgehend vorhanden. Antidemokratische Einstellungen und rechtsextreme Einstellungen werden weniger von Frauen geteilt und sehr viel weniger von Personen mit einem höheren Bildungsabschluss. In den neuen Bundesländern haben  wir durchgängig ein höheres Ausmaß von rechtsextremen Einstellungen gefunden, wozu sicherlich auch die Tatsache beigetragen hat, dass sehr viele Gebildete und vor allem auch Frauen die neuen Ländern verlassen haben, vor und nach der Wende. (…) Wir verwenden den Begriff Rechtsextremismus eigentlich nicht gerne und beschreiben rechtsextreme und antidemokratische Einstellungen. Rechtsextreme Einstellungen sind die größte Gefahr für die liberale und plurale Demokratie. Die Gewalttaten in Deutschland werden eher von Rechtsextremen begangen als von Linksextremen. Die fast reflexhafte Aufforderung an Forscher, die sich mit Rechtsextremen befassen, sich auch mit Linksextremen zu befassen, kommt von Anhängern einer Extremismustheorie, die davon ausgeht, dass es eine gute Mitte und böse Ränder gibt. Rechtsextreme Einstellungen sind tief in unserer Bevölkerung verwurzelt. Sie sind tief in vielen unserer Familien verwurzelt, und haben unser Land in großes Unglück geführt. Dies ist immer noch ein Problem für uns, und sollte nicht durch den Verweis, dass es auch antidemokratische Linksradikale gibt, relativiert werden. [Wäre es nicht sinnvoll, für die Folgestudien dem Zusammenhang zwischen der beruflichen Situation der Befragten und ihrer Anfälligkeit für die simplen Lösungsvorschläge der neuen Rechten nachzugehen? Warum nehmen Sie die von der Transformation der deutschen Industriegesellschaft ausgehenden Brüche und Verunsicherungen nicht mehr in den Blick?] In Ihrer Frage wird etwas sehr Wichtiges angesprochen. Hier haben wir in Kapitel 4 unseres Buches „Beteiligung, Solidarität und Anerkennung in der Arbeitswelt“ Stellung bezogen. Das Gefühl, am Arbeitsplatz ernst genommen zu werden und gefragt zu sein, stärkt auch demokratische Einstellungen. Mitbestimmungsmöglichkeiten, Sicherheit des Arbeitsplatzes, Wertschätzung und gerechte Bezahlung sind sicherlich sehr wichtige Punkte, die wir noch stärker in den Fokus nehmen müssen. Wir haben ja bislang Arbeitslosigkeit und häufige Arbeitslosigkeit, Armut, Angst vor Arbeitsplatzverlust etc. erhoben. Die wuchtigste Transformation hat ja in den neuen Bundesländern stattgefunden, nach 1990. Hier haben wir versucht, mit spezifischeren Untersuchungen, wie der Sächsischen Längsschnittstudie, mehr Aufschluss über die Verwerfung zu erhalten. Im Rahmen von bundesweiten Repräsentativstudien sind die von Ihnen angesprochenen Fragestellungen nur begrenzt zu untersuchen. Hier wären zur Vertiefung spezifische Milieustudien notwendig…“ Interview von Peter Kern vom 06.01.2021 in der DGB-Gegenblende externer Link mit Elmar Brähler und Oliver Decker

2018:

  • „Extreme Mitte beleuchtet“ von Marc Bebenroth am 08. November 2018 in der jungen welt externer Link hebt unter anderem hervor: „Auch wenn bei den Angaben über Zustimmung zu oder Ablehnung von extrem rechten Positionen stets zwischen ostdeutschen und westdeutschen Teilnehmern unterschieden wurde, betonen die Forscher, dass es ihnen nicht darum gehe, »die Bevölkerung in einem Teil der Republik besonders herauszustellen«, wie es auf Seite 71 heißt. So sei auf der »Einstellungsebene« das Bild in Mecklenburg-Vorpommern ähnlich wie in Bayern. Aber »auf der Handlungsebene« lasse sich »zur Zeit eine stärkere Mobilisierung der extremen Rechten in Ostdeutschland« beobachten, wie die Autoren weiter schreiben. Eine Differenzierung zwischen Bewohnern ländlicher Räume und denen in urbanen Zentren fand jedoch nicht statt, wie Decker auf jW-Nachfrage am Mittwoch erklärte. Den Befragten wurden Aussagen vorgelegt wie: »Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.« Dem stimmten bundesweit rund 30 Prozent latent und wiederum 35,7 Prozent »manifest«, also »voll und ganz«, zu. Der Satz: »Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben«, fand ebenfalls rund 30 Prozent latente und 36,5 Prozent vollständige Zustimmung. Ähnlich fällt das Ergebnis zu der Frage aus, ob »unser Land heute« ein »hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen« gegenüber dem Ausland brauche…
  • „Studie „Flucht ins Autoritäre“: Zunahme von Ausländerfeindlichkeit und Abwertung von Muslimen in Deutschland“ von Thomas Pany am 07. November 2018 bei telepolis externer Link zum Thema der Dynamik der Entwicklung: „Dazu ein Schlüsselsatz: „Blicken wir auf die autoritäre Dynamik, sehen wir also nicht nur, dass sich Menschen für den Markt optimieren sollen, sondern auch, warum sie es selbst wollen.“ Der Satz illustriert, dass ökonomische Gründe, obschon sie wichtig sind, nicht der Pfad sind, den die Studie bei der Analyse sucht. Man will tiefer gehen. Zwar habe die ökonomische Argumentation ihre Berechtigung. Die wird folgendermaßen aufgeführt: „Menschen, die entlassen sind aus den sozialen Sicherungssystemen, flexibilisiert zum unternehmerischen Selbst, dem Markt ausgeliefert und in Sorge um ihren sozialen Status“ seien „empfänglich geworden für autoritäre Verführungen“. Das sei „nicht ganz falsch“. Aber dabei werde zweierlei aus dem Blick verloren: „die historische Tiefe und die Komplizenschaft, die die Menschen mit der Herrschaft eingehen und unter deren Druck sie gleichzeitig leiden“. Nach Ansicht der Studienautoren wird die Gesellschaft „von einer autoritären Dynamik beherrscht, die das Einverständnis vieler Bürgerinnen und Bürger hat“….“
  • „Eifrig trommelt die „Bild““ von Steffen Grimberg am 07. November 2018 in der taz online externer Link zum Zentralorgan der Bewegung anhand aktueller Personalien:  „Noch vor ein paar Wochen war Hans-Georg Maaßen der Mann, der als Bollwerk die Deutschen vor Terror und Gefahr schützte. Man werde sich schon noch umgucken, wenn der wegmüsse, so der Generalbass im knietief-rechtskonservativen Sumpf. Dass hier linksradikale Elemente der SPD gegen den kernigen Verfassungsschützer Maaßen üble Komplotte schmiedeten, hätte auch von Julian Reichelt sein können. Jetzt ist Maaßen also tatsächlich weg, und was macht Bild? Gar nichts, knapper Beitrag, Tagesgeschäft und einen Kommentar zur – ähm: Rentenerhöhung. Die passt natürlich auch besser zum ZDF unter den Zeitungen als weiteres Trommeln für einen Unhaltbaren. Getrommelt wird jetzt einfach für Friedrich Merz…“
  • „Der Geist der Nation“ von Peter Decker am 19. September 2018 in der jungen welt externer Link hielt unter vielem anderen fest: „Bei aller Ablehnung der Sprache der CSU fragt sich mancher aus dem weltoffenen Lager ganz ohne Schaum vorm Mund, ob die Zuwanderung das Volk nicht tatsächlich überfordert und die Elite dessen Sorgen nicht ernst genug genommen hat bzw. gegen Fremdes allzu tolerant gewesen ist. Ohne menschenverachtende Häme, aber auch ohne Kritik haben die Deutschen die Unverträglichkeit ihres Lebens als Volk mit den Überlebensinteressen der Bewohner von halb Afrika und dem Nahen Osten zu konstatieren. Das ist sie schon, die besonnene Gegenposition gegen die inzwischen mehrheitsfähige nationalistische Hetze; ihre nähere Bestimmung gibt ihr die Frau, gegen die der Aufstand der CSU sich richtet. Merkel widersetzt sich Seehofers »Masterplan Migration« ausschließlich in dem einen Punkt der Zurückweisung anderswo registrierter Asylsuchender an den deutschen Landesgrenzen. So etwas will sie in der EU »nicht unilateral, nicht unabgestimmt, nicht zu Lasten Dritter« durchziehen. Der Gegensatz zwischen den C-Parteien dreht sich also gar nicht um die Frage, ob in Deutschland Platz für die Zuwanderer sein soll, sondern einzig darum, ob sie souverän deutsch an der deutschen oder europäisch an der EU-Außengrenze gestoppt bzw. über dieselbe zurückverfrachtet werden sollen. Die weltoffene, aufgeklärte Position, für die Merkel heute steht, ist die der europäischen Abschottung. Auch für die CSU hat die »Festung Europa« zwar einen guten Klang, sie ist aber nicht mehr bereit, sich von der dafür nötigen Kooperation der EU-Partner abhängig zu machen und auf deren Ergebnisse zu warten…

2016:

  • Die Leipziger Mitte-Studie 2016 externer Link : Die enthemmte Mitte: Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland

Siehe für alle Studien die Sonderseite der Heinrich-Böll-Stiftung externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139749
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