Nach dem NSU-Skandalprozess in München: „Deckel zu!“ muss verhindert werden

Dossier

Aufruf „Kein Schlussstrich!“ des Münchner Bündnisses gegen Naziterror und Rassismus vom Mai 2017 für die Vorbereitung einer Demonstration am Tag der UrteilsverkündungDer Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München hat sein Urteil im NSU-Prozess gesprochen und er hat das geliefert, was von ihm zu erwarten war. Lebenslang mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld für Beate Zschäpe als überlebendes Mitglied der angeblich »isolierten Gruppe« und für die übrigen vier angeklagten Unterstützer so niedrige Urteile, dass die Kernaussage deutlicher nicht sein kann: Diese seien weit weg gewesen vom eigentlichen »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU), es habe keine Einbindung in ein militantes Netzwerk gegeben und es existierten in Deutschland keine militanten beziehungsweise terroristischen Neonazi-Netzwerke. (…) Ähnlich ist die Verurteilung des Angeklagten André Eminger zu bewerten, der lediglich eine Strafe von zweieinhalb Jahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erhielt. (…) Irgendwann muss dem Senat klar geworden sein, dass Eminger bei einer Verurteilung, wie sie der Bundesanwalt gefordert hatte, in der Öffentlichkeit logischerweise als viertes Mitglied des NSU gesehen werden würde….“ – aus dem Artikel „Staatsschutzsenat liefert Schlussstrichurteil“ von Björn Elberling und Alexander Hoffmann in der Ausgabe 174 (Oktober 2018) von der rechte rand externer Link. Siehe zu den „Schlussstrich-Versuchen“ und dem Widerstand dagegen weitere Beiträge:

  • Bayerisches Landeskriminalamt hat Daten mit Bezug zum NSU gelöscht New
    „… Im Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) sind Daten gelöscht worden, die man aufgrund eines Löschmoratoriums nicht hätte löschen dürfen. Das bestätigte der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts, Harald Picker, in einer Sitzung des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag. Während CSU und Freie Wähler die Transparenz des LKA loben, verlangt die Opposition genaue Aufklärung. (…)Die Datenlöschung sei unbeabsichtigt gewesen, so Pickert. Beim Einspielen eines Updates des betroffenen Programms sei die Löschfunktion wieder aktiviert worden. Diese Funktion sei eigentlich momentan wegen des Löschmoratoriums deaktiviert. Das Problem sei wenige Stunden später aufgefallen, die Funktion wieder deaktiviert worden. Allerdings sei der Vorfall hausintern nicht weitergegeben worden. In der Zeit seien Daten zu rund 29.000 Personen gelöscht worden – mindestens eine dieser Personen war im Fokus des NSU-Untersuchungsausschusses. Die Löschung sei erst jetzt, durch eine Daten-Anfrage des Untersuchungsausschusses aufgefallen. Das Landeskriminalamt sieht allerdings keine größeren Probleme für die Aufklärungsarbeit des Ausschusses: Es handele sich um ein Spezialprogramm, das auf Papierakten basiert – diese Akten seien noch vorhanden, man gehe davon aus, dass die gelöschten Daten so vollständig wiederhergestellt werden können. (…) Im Zuge der Aufarbeitung des NSU-Komplexes war in der Vergangenheit bekannt geworden, dass Geheimdienste und Polizei in ganz Deutschland hunderte Akten geschreddert hatten. Teilweise war das erwiesenermaßen geschehen, um Vorgänge rund um den Nationalsozialistischen Untergrund zu vertuschen.“ Beitrag von Lisa Weiß vom 7. Juli 2022 bei BR24 externer Link

  • BR-Reporter als Sachverständige im NSU-Ausschuss: Hatte der NSU bei seinen rechtsterroristischen Anschlägen Helfershelfer in Bayern? 
    „… Der zweite Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags zur Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hat mit seiner inhaltlichen Arbeit begonnen: Mehrere Stunden dauerte der Vortrag der beiden BR-Journalisten Jonas Miller und Robert Andreasch. Sie brachten die elf Ausschussmitglieder mit detaillierten Recherchen auf den Stand ihrer Spurensuche zu den Verbindungen des NSU nach Bayern. (…) Zahlreiche Namen, Daten, Zitate aus einschlägig rechten Zeitschriften und privaten Briefen, Berichte von Treffen bei Konzerten einschlägiger Bands und in der Szene bekannten Gaststätten belegen: die rechtsextreme Szene ist äußerst gut vernetzt, auch das NSU-Kerntrio – Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe – muss Helfer im Freistaat gehabt haben. (…) Einige Spuren, die es im Zusammenhang mit dem NSU gab, wurden von den Behörden nicht weiterverfolgt. „Wenn wir vergleichen, wie gegen Rechtsextreme und wie gegen Hinterbliebene ermittelt wurde, dann sehen wir da einen deutlichen Unterschied: Gegen Hinterbliebene gab es ganz viele Ermittlungen wie Telefonkommunikationsüberwachungen oder Observierungen. Bei den Rechtsextremen waren die Ermittlungen relativ schnell abgearbeitet“, sagt Miller. In den Jahren 2006 und 2007 habe es sogenannte Gefährderansprachen gegeben. „Etliche Neonazis wurden konfrontiert: Habt ihr mit der Mordserie etwas zu tun? Kennt ihr jemanden, der mit der Mordserie etwas zu tun hat? Als dann ein Nein kam war die Spur geschlossen. Wie kann es sein, dass es hier um eine Mordserie geht, um schwerste Straftaten und die Spuren so schnell beiseitegelegt werden?“, fragt Miller. (…) Aufklären und vor allem die Kontinuität der rechtsextremen Szene durchbrechen, das gibt BR-Journalist Robert Andreasch den Abgeordneten als Anstoß mit. „Wir haben eine über 100-jährige Geschichte rechter terroristischer Attentate gerade in Bayern“, sagt Andreasch. „Da sind teilweise dieselben Personen, da sind dieselben Neonazi-Netzwerke beteiligt, die über Generationen und Jahre hinweg Wissen über terroristische Taten, Propaganda in der Szene weitergeben – und das muss durchbrochen werden.“…“ Beitrag von Julia Kammler vom 27. Juni 2022 bei BR24 externer Link
  • Wir klagen an! Ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag
    Am 14. Februar legen die Angehörigen, Überlebenden und die Initiative 19. Februar die Ergebnisse ihrer Recherche offen und zeichnen die Kette des Versagens nach. Wir klagen an und klären auf! Wir fordern politische Konsequenzen!Meldung am 14. Februar 2021 der Initiativer 19. Februar Hanau externer Link zum Video bei youtube externer Link , siehe dazu:

    • “Wir werden keine Ruhe geben”. Angehörige und Überlebende des rassistischen Anschlags in Hanau erinnern in einem Video mit dem Titel “Wir klagen an!” an ihre Erlebnisse. Sie fordern echte Konsequenzen.
      Unter dem Titel “Wir klagen an! Ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag” haben Angehörige, Überlebenden und die Initiative 19. Februar von ihren Erlebnissen berichtet externer Link und die Ergebnisse eigener Recherchen in einem Video verlesen. Darin kommen sie zu dem Schluss, dass sich Behörden und Politiker bis heute nicht entschlossen genug gegen Rassismus stellen. Die Behörden hätten auf vielfältige Weise versagt, eine Zäsur habe seit dem Anschlag nicht stattgefunden. (…) Die Sprecherinnen und Sprecher beklagten unter anderem, dass Menschen in Hanau vor der Mordnacht nicht ernst genommen wurden, wenn sie rassistische Vorfälle meldeten. Als Beispiel nannten sie einen Fall aus dem Jahr 2017, als Jugendliche von einem Mann mit Sturmgewehr bedroht wurden. Eine weitere Frage, die in dem Video von den Angehörigen und Überlebenden thematisiert wurde: Warum konnte der Täter seinen Waffenschein verlängern, obwohl bekannt war, dass er psychisch krank war? Wie konnte er sich noch zu Schieß-Trainingslagern in der Slowakei anmelden? Kritik übten die Angehörigen und Überlebenden auch daran an, wie Angehörige in der Tatnacht behandelt wurden. Sie seien erst Stunden später informiert und nach der Todesnachricht nicht begleitet worden. Ein Überlebender musste zu Fuß zur Polizeiwache laufen, um dort auszusagen. Die Leichen seien beschlagnahmt und obduziert wurden, bevor ihre Angehörigen sie hätten sehen können. Die Angehörigen berichten auch, wie sie später von den Behörden aufgefordert wurden, sich vom Vater des Täters fernzuhalten, ihn nicht zu bedrohen oder Rache zu nehmen – als wären sie selbst potenzielle Täter. Gleichzeitig seien sie nicht vor dem Vater des Täters gewarnt worden, der die Waffen und das Auto  seines Sohnes zurückgefordert hatte. Es gebe bei der Vergabe von Waffenscheinen bis heute nur minimale Veränderungen…” Beitrag vom 14. Februar 2021 in der Zeit online externer Link
  • Kulturprojekt gegen NSU-Schlussstrich: Mit Kultur gegen das Vergessen
    „Die ersten rechtsterroristsichen NSU-Morde sind 20 Jahre her. Das bundesweite interdisziplinäre Projekt „Kein Schlussstrich“ externer Link soll daran erinnern. (…) „Die strukturelle Empathie für die Opfer und ihre Angehörigen fehlt bis heute“, sagt Jonas Zipf vom städtischen Betrieb „Jena Kultur“, ansässig also in jener thüringischen Stadt, aus der der NSU stammte. Gemeinsam mit der Kuratorin Ayşe Gulec, den Dramaturgen Tuncay Kulaoğlu und Simon Meienreis sowie dem Soziologen Matthias Quent hat er eine bundesweite Kooperation von Theatern und anderen Kulturinstitutionen gegründet, die im Oktober und November 2021 – zum 20. Jahrestag der ersten NSU-Morde – das Projekt „Kein Schlussstrich“ präsentieren: In insgesamt 14 Städten – Tatorten oder solchen, an denen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe lebten oder zumindest unterstützt wurden – sollen Theaterstücke, Performances, Symposien und Ausstellungen stattfinden. „Das Schlimmste ist, das die Opfer – Menschen, die ohnehin eher sprachlos sind in unserer Gesellschaft – viel zu wenig gehört wurden“, sagt Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard, die „fast spontan zusagte“, Mit-Veranstalterin von „Kein Schlussstrich“ zu werden, das vom Verein „Licht ins Dunkel“ getragen wird. (…) „Das Problem des strukturellen Rassismus auf die Bühnen zu bringen, reicht heute nicht mehr“, sagt auch Kampnagel-Chefin Deuflhard. „Es geht konkret auch um die Frage: Was tun wir in unsern Institutionen, damit unsere MitarbeiterInnenschaft vielfältiger wird?“ Auch Kampnagel sei nicht so weit, wie es sein könnte, wäre vor 30 Jahren damit angefangen worden. „Aber wir werben in jeder Ausschreibung offensiv dafür, dass sich auch Menschen nichtdeutscher Herkunft bewerben.“ Und in den häufiger fluktuierenden Jobs – etwa bei Einlass- und Kassenpersonal – würden schon relativ viele Menschen unterschiedlicher Herkunft beschäftigt. „Aber in unseren Büros sind immer noch die meisten MitarbeiterInnen deutschstämmig und weiß“, räumt Deuflhard ein. „Es ist uns wichtig, dass die Mitarbeiterschaft diverser wird, aber ich kann und will jetzt auch nicht der Hälfte meiner Leute kündigen. Das sind eben sehr langsame Prozesse, die wir beschleunigen, so gut es geht.“ Artikel von Petra Schellen vom 9. Februar 2021 in der taz online externer Link
  • NSU-Blind? Vieles über den Mordkomplex ist weiterhin im Dunkeln. Vieles ist inzwischen aber auch bekannt – vor allem, wer die Aufklärung verhindert 
    Sorry für das Wortspiel, aber es bietet sich nach den Ausführungen einer Vertreterin von „NSU-Watch“ zum nämlichen Skandal einfach an. Hinter dem NSU-Trio stehe ein rechtsextremes Netzwerk – wer oder was oder wo oder wie, wissen wir aber nicht. In etwa so kann man diese Ausführungen zusammenfassen, die an dieser Stelle am 28. Dezember 2020 erschienen: „Es gab oder gibt ein bundesweites Netzwerk“ externer Link hinter dem NSU-Trio. Ein klein bisschen wenig für neun Jahre Beschäftigung mit dem NSU-Komplex. Außerdem stimmt die Bilanz nicht. Doch wer so urteilt, hat entweder eine Entwicklung verpasst oder er bestreitet sie. Tatsächlich wissen wir ein paar Dinge mehr, zum Beispiel, wo wir suchen müssen, um Antworten zu finden. Streng genommen wissen wir aber auch weniger. Zum Beispiel, wer letztendlich die Täter bei allen Taten waren. Denn, dass es einzig und allein Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gewesen sein sollen, ist zurecht fraglich. (…) Ausnahmslos die beiden neonazistischen Männer Böhnhardt und Mundlos sollen alle zehn Morde begangen haben. Das ist die offizielle Darlegung. An keinem Tatort wurden aber Fingerabdrücke und DNA-Hinterlassenschaften der beiden gesichert. Nirgends gibt es Tatzeugen. Waren sie tatsächlich die Täter oder die alleinigen Täter? (…) Es gibt Dokumente aus den Ermittlungsakten, die die Frage aufwerfen, ob es Kontakte des Trios oder von einzelnen Mitgliedern zu staatlichen Stellen gegeben hat. (…) Neonazistische Netzwerke? Wir können sie benennen und müssen nicht im künstlichen Nebel stochern: Thüringer Heimatschutz, Fränkischer Heimatschutz, Thule-Netz, Hilfsorganisation Nationaler Gefangener, Blood and Honour, Furchtlos und Treu, Ku Klux Klan, Hammerskins, Hooligans gegen Salafisten (Hogesa). Der Punkt: Sich mit ihnen zu beschäftigen, heißt unausweichlich, sich auch mit dem Verfassungsschutz (VS) beschäftigen zu müssen. In all diesen Gruppierungen saßen überall staatliche Spitzel, nicht selten sogar an der Spitze. Für prominente neonazistische Musikgruppen gilt das genauso. (…) Wahrscheinlich ist alles sogar noch dramatischer. Man muss davon ausgehen, dass der VS nicht nur von neonazistischen Untaten wusste, sondern dass er möglicherweise aktiv an ihnen beteiligt war. (…) Wir haben im NSU-Komplex also die folgenden Elemente: Neonazis, echte und falsche, V-Leute von Verfassungsschutz und Polizei, VS-Hauptamtliche, Polizisten. Hinzu kommen Spuren, die auf Verbindungen des Täterkreises mit der Organisierten Kriminalität verweisen, auf Drogenhandel, Waffenhandel, Geldwäsche und möglicherweise sogar Kinderhandel. (…) 2018, einen Monat nach dem Urteil von München, das einzig die Hauptangeklagte Zschäpe schwer bestrafte, aber zum Beispiel die NSU-Männer No. 4 und No. 5, Ralf Wohlleben und André Eminger, verschonte, tauchte das Label „NSU 2.0“ auf. (…) Keine Normalisierung ohne Aufklärung. Und die kann im NSU-Komplex – erstens – nur gelingen, wenn auch der Sicherheitsapparat in den Fokus genommen wird. Und zwar in der Gewissheit, dass nicht etwa nur VS-Erkenntnisse „irgendwo versickert“ seien, sondern dass Geld und Figuren von dort Teil des Tatkomplexes sind. Zweitens heißt Aufklärung aber auch: Rassismus und systemischer Rassismus erklären einiges, aber nicht alles. Die Hintergründe sind nicht zu verstehen, wenn man den Polizistenmord von Heilbronn aus der Mordserie herausnimmt. Doch genau das geschieht in sogenannten anti-rassistischen Kreisen immer wieder. Das Opfer Michèle Kiesewetter kommt bei ihnen nicht vor, vergessen, verschwiegen, ein zweites Mal liquidiert. Die ermordete Polizistin zu eliminieren und von den ermordeten Migranten zu trennen, bedeutet eine Manipulation des NSU-Komplexes. Zugleich die beste Voraussetzung, um nichts aufzuklären. Beim Mord an der Polizistin war kein Rassismus im Spiel. Und obwohl deren Angehörige im Gegensatz zu den Angehörigen der migrantischen Opfer durch die Ermittler auffällig anders behandelt wurden, formal korrekt und regelrecht umsorgt, ist das Ergebnis identisch mit dem der anderen neun Opfer. Auch ein Polizistenmord, aus Staatssicht das schlimmste Verbrechen überhaupt, soll offensichtlich nicht aufgeklärt werden. Das ist das Verbindende aller zehn Morde…“ Artikel von Thomas Moser vom 6. Januar 2021 bei telepolis externer Link
  • NSU-Morde in Bayern: Löschung der Akten wird geprüft – Hinterbliebene fordern Untersuchungsausschuss
    Hinterbliebene der NSU-Mordopfer in Bayern fordern einen neuen Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags. Unterdessen wird bekannt, dass das Innenministerium prüft, Unterlagen mit Bezug zu der Terrorserie zum Löschen freizugeben. Der NSU hat allein in Bayern fünf Menschen ermordet – vier stammten aus der Türkei, einer aus Griechenland. Auch neun Jahre nachdem die Neonazi-Terrorgruppe aufgeflogen ist, sind viele Fragen zum NSU-Komplex externer Link ungeklärt. Hinterbliebene der Mordopfer fordern deshalb gemeinsam mit zahlreichen Initiativen und Einzelpersonen einen Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags externer Link und sammeln dafür aktuell im Internet Unterschriften – unterstützt werden sie dabei von Politikern, Gewerkschaftern, Aktivisten und Künstlern wie dem Kabarettisten Frank-Markus Barwasser. Nach BR-Recherchen könnten allerdings wichtige Behörden-Unterlagen mit NSU-Bezug demnächst gelöscht werden. Vor Jahren hat das bayerische Innenministerium ein Löschmoratorium für Akten mit NSU-Bezug erlassen. Wie das Ministerium dem BR jetzt bestätigt hat, wird aktuell geprüft, das Moratorium zu beenden. Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Terrorgruppe stehen, könnten also demnächst gelöscht werden. Das sorgt für Kritik – insbesondere bei Hinterbliebenen des NSU-Terrors wie Yvonne Boulgarides. Die Witwe des Münchner Opfers Theodoros Boulgarides will gemeinsam mit ihren Töchtern und den Kindern des Nürnberger NSU-Opfers Enver Şimşek einen neuen Landtags-Untersuchungsausschuss erreichen. „Ich wünsche mir, dass alles, was jetzt noch unter Verschluss ist, endlich aufgedeckt wird, dass nicht alles unter den Teppich gekehrt wird und dass die Verantwortlichen beim Namen genannt und zur Rechenschaft gezogen werden“, so Boulgarides. Die Enttäuschung der Hinterbliebenen über die mangelnde Aufklärung der Affäre ist groß. Sie sind nicht nur durch die Morde traumatisiert, sondern auch durch die Voreingenommenheit der Ermittler, die Hinweise auf rechtsextreme Täter systematisch ignorierten und stattdessen den Opfern kriminelle Geschäfte unterstellten. (…) Solange aber noch keine Entscheidung über einen neuerlichen Untersuchungsausschuss gefällt ist, dürften keine NSU-Akten vernichtet werden, fordern die Grünen. Überlegungen des Innenministeriums, Unterlagen zu löschen, könnten als „Versuch der Verschleierung von Informationen“ gewertet werden, so Cemal Bozoğlu, Fraktionssprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus: „Ich fordere die Staatsregierung daher auf, Abstand von diesem Gedanken zu nehmen und das Moratorium um weitere Jahre zu verlängern.“ Das Innenministerium betont indes, dass die aktuelle Überprüfung des Löschmoratoriums in keinem Zusammenhang steht mit einem geplanten neuen Untersuchungsausschuss. „Selbstverständlich werden wir die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit einer Entscheidung des Landtags über einen möglichen weiteren NSU-Untersuchungsausschuss berücksichtigen“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem BR…“ Meldung vom 20.11.2020 beim BR externer Link
  • „Planen Rechte aus dem NSU-Umfeld weitere Taten?“ am 01. November 2018 beim nordbayern.de Portal externer Link zum Widerstand gegen die Beendigung aller Untersuchung: „Der Berliner Rechtsanwalt Scharmer (41) fordert, die Bundesanwaltschaft müsse nun „alle Akten auf den Tisch legen“. So sei es nun nötig, die Spur der Waffen zu verfolgen. „Wir haben sehr viele Ermittlungen zur Tatwaffe Ceska 83, aber wir haben weitere Tatwaffen, zu denen bisher keine Ermittlungen angestellt wurden. Und wir haben fast 20 Waffen aus dem Arsenal des NSU, von denen wir auch nicht wissen, wo sie herkommen“, sagte Scharmer dem gemeinsamen Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk. Der seit über sechs Jahren mit dem NSU befasste Rechtsanwalt hält es für unwahrscheinlich, dass die Verfassungsschutzbehörden nichts über den Verbleib und die Aktivitäten des NSU-Kerntrios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erfahren haben. Die Drei aus Jena waren vor und während der Mordserie insgesamt 13 Jahre untergetaucht. Zahlreiche Experten gehen davon aus, dass der NSU mehrere Helfer hatte, die zum Beispiel die Tatorte ausspähten oder Waffen lieferten…
  • „Eine Abschreckung bleibt aus“ von Konrad Litschko am 03. November 2018 in der taz externer Link zum ungebremsten Fortwirken eines freigelassenen:  „André Eminger kommt ganz in Schwarz gekleidet ins kleine Kirchheim in Thüringen. Konspirativ haben Neonazis dort in einer Scheune zu einem Konzert geladen: Zwei Thüringer „Kameraden“ müssen in den Knast, es wird Abschied gefeiert. Auf der Bühne stehen knallharte Rechtsrockbands, der Undercover-Journalist Thomas Kuban filmt es. „Blut muss fließen, knüppelhageldick“, hört man einen Sänger auf seinen Aufnahmen brüllen. „Lasst die Messer flutschen in den Judenleib.“ Die Menge grölt. Und Eminger ist mittendrin. Bereits Mitte August fand das Konzert in Kirchheim statt. Eminger selbst war da noch nicht lange wieder auf freiem Fuß. Erst gut drei Wochen zuvor war er vor dem Münchner Oberlandesgericht verurteilt worden, im Prozess über den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU): zu zweieinhalb Jahren Haft. Es war die geringste Strafe aller fünf Angeklagter. Eminger wurde darauf noch im Gerichtssaal aus der Untersuchungshaft entlassen – unter dem Applaus angereister Neonazis…“
  • „NSU-Watch: Kritische Begleitung“ von Caro Keller (NSU Watch) am 03. November 2018 beim Antifa-Infoblatt externer Link ist eine Erklärung, diese fortgesetzte Vertuschung nicht hinzunehmen: „Die Nebenklage im NSU-Prozess, Journalist*innen, engagierte Abgeordnete, Aktivist*innen, Antifaschist*innen, NSU-Watch – wir alle haben über die letzten sieben Jahre ein Wissen über den NSU-Komplex, über Neonazis, rechten Terror, Rassismus, die Polizei, den Verfassungsschutz und nicht zuletzt die deutsche Gesellschaft erarbeitet und errungen, das auch ein niederschmetterndes Urteil im NSU-­Prozess nicht zunichte machen kann. Dieses Wissen zeigt auf die (antifaschistischen) Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten. Der gesellschaftliche Rechtsruck bringt rechten Terror mit sich. Nicht nur beim OEZ-Attentat in München wurde er bereits Realität. Es ist nicht erkennbar, dass gesellschaftlich wirklich aus dem NSU-­Komplex gelernt wurde. Der Verfassungsschutz gilt den Medien wieder als verlässliche Quelle zur extremen Rechten und spielt die Gefahr rechten Terrors regelmäßig herunter. Von der mutmaßlichen Finan­zierung der Neonaziszene durch die unun­terbrochene Führung von V-Leuten ganz zu schweigen. Die Polizei erkennt rechte Anschläge und rechten Terror selbst mit „Bekennerschmierereien“ und Hitlergruß nicht. Rassistische Übergriffe und Hetze kommen aus allen Ecken der Gesellschaft. Wer sich mit dem NSU-Komplex ernsthaft auseinandersetzt hat diese Dynamik, dieses gesellschaftliche Zusammenspiel, das zum rechten Terror dazu gehört, klar vor Augen. Dieses Wissen muss eine weitere Verbreitung finden zusammen mit der Forderung, dass dies aufhören muss. Dabei können wir als Antifaschist*innen eines mit Sicherheit tun: Die eigene Rolle beim gesellschaftlichen Mittun am rechten Terror ändern. Wir wissen, wie rechter Terror funktioniert, und wie ernst diese Bedrohung zu nehmen ist. Wir nehmen die eigenen Analysen ernster und versuchen mit unseren Recherchen, aufzudecken, was passiert ist und was geplant ist…
  • „Sieben Jahre nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist das Versprechen der umfassenden Aufklärung immer noch nicht eingelöst worden“ am 04. November 2018 beim VBRG e.V externer Link ist eine Presseerklärung zu diesem Jahrestag, in der unterstrichen wird: „Sieben Jahre nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist das Versprechen der umfassenden Aufklärung immer noch nicht eingelöst worden“, kritisieren die unabhängigen Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die u.a. Hinterbliebene der rassistischen NSU-Mordserie und Überlebende der rassistischen Anschläge des NSU unterstützen und begleiten. „Die allenfalls halbherzige Strafverfolgung von polizei- und gerichtsbekannten Unterstützerinnen und Unterstützern des NSU-Kerntrios hat eine fatale Signalwirkung“, betont Robert Kusche, Vorstandsmitglied des VBRG e.V. und Geschäftsführer der Opferberatung der RAA Sachsen. Diese zeige sich u.a. in Chemnitz, wo das Netzwerk militanter Neonazis, die dem NSU-Kerntrio den Weg in die Illegalität und die Vorbereitung der rassistischen Mord- und Anschlagsserie ermöglicht haben, von Strafverfolgungsmaßnahmen nahezu unangetastet geblieben ist. „Das Selbstbewusstsein, mit dem militante Neonazis in Chemnitz und Umgebung aktuell schwerste rassistische Gewalttaten verüben und neue Terrorgruppen aufbauen, ist auch eine Konsequenz aus der allenfalls halbherzigen Strafverfolgung für bekannte Unterstützerinnen und Unterstützer des NSU-Netzwerks, betont Robert Kusche…
  • „Ein verfrühter Schlussstrich“ von Hendrik Lasch am 04. November 2018 in neues deutschland externer Link zur Kritik an einer weiteren Beendigungs-Maßnahme, dem Abschluss des Untersuchungsausschusses im Landtag Sachsen: „Der neue Ausschuss hatte ein ambitioniertes Programm: Er widmete sich der Fahndung nach dem NSU in Sachsen ebenso wie den Raubüberfällen in Chemnitz und Zwickau, den sächsischen Ermittlungen zur Česka-Pistole, die dem NSU als Mordwaffe diente, sowie den Vorfällen am 4. November 2011, als Zschäpe in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 den Unterschlupf des Trios anzündete, nachdem Mundlos und Böhnhardt in Eisenach in einem Wohnmobil erschossen aufgefunden worden waren. Auch der Umgang mit den Akten in Sachsen wurde beleuchtet – der viel Kritik auf sich zog. Die Unterlagen zum Edeka-Überfall in Chemnitz im Jahr 1998 etwa wurden allesamt bereits geschreddert. Das vorhandene Aktenmaterial reichte freilich immer noch, um 1600 Bände zu füllen. Nicht wenige seien Verschlusssachen, kritisierte Köditz – was, ebenso wie die unter Geheimhaltung erfolgten Vernehmungen von Verfassungsschützern, Auswirkungen auf den Abschlussbericht habe: Man dürfe »am Ende die Öffentlichkeit nicht über alles informieren, was relevant ist«. Auch mit dem Bericht werde die Aufklärung nicht beendet sein, fügt sie hinzu: Es gebe »für Sachsen keinen Schlussstrich«. Dass es allerdings einen weiteren Ausschuss gibt, hatte die Politikerin bereits zur Halbzeit bezweifelt. Auch »NSU Watch« erwartet indes vom Ausschuss »klare Empfehlungen« dazu, wie eine »institutionalisierte und verstetigte Aufklärung« im Freistaat aussehen könnte. Die Initiative fordert das Land zudem auf, einen Entschädigungsfonds für Angehörige der Opfer des NSU einzurichten. Als Vorbild wird Thüringen genannt, wo im Sommer 2018 ein mit 1,5 Millionen Euro gefüllter Fonds beschlossen worden war…

Siehe unter vielen im LabourNet Germany dazu:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139525
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