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[Interview] Australische Erwerbslose organisieren sich

auwu_logoDie Australien Unemployed Workers Union wurde Ende 2014 gegründet und zwar als eine Organisation von Erwerbslosen für Erwerbslose. Der Stigmatisierung und der Entbehrung als Arbeitslose überdrüssig, hilft sich diese ehrenamtlich tätige Gruppe von Arbeitern ohne Job und Sozialhilfeempfängern gegenseitig, tauscht Tipps aus, wie man sich am besten durch das Dickicht des Sozialsystems bewegt und übt auch Druck auf die australische Regierung aus, ihre Sozialpolitik zu ändern. Zentrale Mission der AUWU ist es, sich für die mehr als zwei Millionen erwerbslosen Australier einzusetzen, die häufig Angriffen von Regierungsseite ausgesetzt sind und von der sozialdemokratischen Labor Party oder der Gewerkschaftsbewegung (ACTU) nicht ausreichend vertreten werden. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und für alle offen…“ – so antwortet Jeremy Poxon, Pressesprecher der australischen Arbeitslosengewerkschaft AUWU auf die einleitende Frage von Andreas Schuchardt nach Entstehung und Absichten seiner Organisation in dem Interview „Morrison hat bereits gezeigt, dass er zu massivem Sozialabbau bereit ist“ (ursprünglich in gekürzter Fassung am 04. Oktober 2018 in der jungen welt, hier nun – mit Dank an den Autor – in ganzer Länge dokumentiert). Siehe dazu auch den Link zur Webseite der AUWU:

„Morrison hat bereits gezeigt, dass er zu massivem Sozialabbau bereit ist“

 (Jeremy Poxon ist Pressesprecher der australischen Arbeitslosengewerkschaft AUWU)
Interview: Andreas Schuchardt

Wann und warum wurde die AUWU gegründet? Wer kann und sollte Mitglied werden? Und warum habt Ihr Euch außerhalb des australischen Gewerkschaftsbundes ACTU organisiert?

Die Australien Unemployed Workers Union wurde Ende 2014 gegründet und zwar als eine Organisation von Erwerbslosen für Erwerbslose. Der Stigmatisierung und der Entbehrung als Arbeitslose überdrüssig, hilft sich diese ehrenamtlich tätige Gruppe von Arbeitern ohne Job und Sozialhilfeempfängern gegenseitig, tauscht Tipps aus, wie man sich am besten durch das Dickicht des Sozialsystems bewegt und übt auch Druck auf die australische Regierung aus, ihre Sozialpolitik zu ändern. Zentrale Mission der AUWU ist es, sich für die mehr als zwei Millionen erwerbslosen Australier einzusetzen, die häufig Angriffen von Regierungsseite ausgesetzt sind und von der sozialdemokratischen Labor Party oder der Gewerkschaftsbewegung (ACTU) nicht ausreichend vertreten werden. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und für alle offen.

Was macht Ihr konkret und arbeitet Ihr mit anderen Organisationen, politischen Parteien oder einzelnen Politikern zusammen?

Durch unsere landesweite Rechtsberatungshotline haben wir Tausenden australischen Jobsuchern geholfen, ihre Ansprüche geltend zu machen, ihre Sachbearbeiter im Arbeitsamt in der Verantwortung zu halten und gute Übergänge in gesicherte neue Arbeitsverhältnisse zu finden. Hier versuchen wir Gruppen mit geringem Einkommen, die von politischen Parteien und Gewerkschaften schlecht vertreten werden, einen Anstoß zu geben, sie mit Informationen auszustatten sowie von unten her Kämpfe und Kampagnen für Jobs, von denen man leben kann, und für ein starkes, sicheres soziales Auffangnetz zu initiieren. Einige von unseren langfristigen Kampagnen drehen sich darum, die jämmerlich niedrige Arbeitslosenhilfe zu erhöhen und das Work for the Dole-Programm abzuschaffen. Dabei arbeiten wir mit anderen Gruppen zusammen, die sich für Leute mit wenig Geld einsetzen, wie dem Anti-Poverty Network (Anti-Armuts-Netzwerk) und der First Nations‘ Workers Alliance (Arbeiterallianz der Aborigines) und mit den traurigerweise sehr wenigen Politikern, die mit unseren Anliegen sympathisieren.

Was sind Eure Hauptforderungen?

Erstens den Regelsatz der im Centrelink-Programm zusammengefassten Sozialleistungen auf die Höhe der Armutsgrenze anzuheben, also auf 517 Australische Dollars wöchentlich (320 Euro). Zweitens Abschaffung des Work for the Dole-Programms. Drittens Schluss mit der Diskriminierung aller Centrelink-Empfänger (inklusive des „Einkommensmanagements“). Viertens Beseitigung der Leistungskürzungen zur Bestrafung von Centrelink-Empfängern. Fünftens Abschaffung von privaten Arbeitsvermittlungen und Wiedereinführung des Commonwealth Employment Service.

Warum ist die AUWU gegen das Work for the Dole-Programm und was bedeutet es?

„Work for the Dole“ („Arbeiten für die Arbeitslosenunterstützung“) ist Australiens wichtigstes „Workfare“-Programm. Es wurde 1998 erstmals per Gesetz beschlossen. Nach einigen Änderungen ist es seit dem 1. Juli 2015 für die Mehrheit der Erwerbslosen verpflichtend. Dabei werden Arbeiter gezwungen, innerhalb von 14 Tagen bis zu 50 Stunden zu schuften, um ihre „wechselseitigen Verpflichtungen“ der Gesellschaft gegenüber zu erfüllen und ihre Sozialleistungen zu behalten. Anstatt echte Jobs mit anständigen Löhnen für all jene zu schaffen, die sie dringend brauchen, zwingt die Regierung Erwerbslose dazu, demütigende und oftmals risikoreiche Arbeiten zu erledigen oder aber ihre Leistungsansprüche zu verlieren, wenn sie sich weigern. Work for the Dole ist ein gefährlich ungeregeltes Programm, bei dem viele Teilnehmer verletzt wurden und einer sogar auf tragische Weise ums Leben kam. Wenn Du die Tatsache berücksichtigst, dass es heute in Australien sehr viel mehr Jobsucher gibt als verfügbare Arbeitsplätze, dann ist das Zwingen von Leuten in Work for the Dole eine besonders brutale Form von Bestrafung.

Seit kurzem hat Australien einen neuen Ministerpräsidenten. Wie schätzt Ihr Scott Morrison und seine Minister ein. Sind neue Angriffe auf die Beschäftigten und die Erwerbslosen zu erwarten?

Zweifellos. Scott Morrison und seine liberale Regierungskoalition werden die Rechte und die Würde der Erwerbslosen weiter attackieren und alle Aktivitäten darauf fokussieren, den Status und das Wohlbefinden der wirtschaftlichen Elite weiter zu erhöhen. In seiner vorherigen Funktion als Finanzminister hat Morrison bereits gezeigt, dass er zu massivem Sozialabbau bereit ist, um den Staatshaushalt zu „entlasten“. Dabei will er Hunderttausende Australier aus dem Wohlfahrtssystem herauskicken. Währenddessen macht er Großkonzernen durch Steuersenkungen fröhlich Milliardengeschenke. Unsere liberale Regierung existiert nur, um die Interessen und den Wohlstand unserer Elite zu schützen.

Einige australische Zeitungen berichten, dass die Labor Party in den Meinungsumfragen führt. Denkst Du, dass eine sozialdemokratische Regierung für die Armen besser ist oder praktisch dasselbe?

Die von Labor betriebene Politik ist den Erwerbslosen gegenüber weniger feindselig. Wie in der Vergangenheit zu sehen war, besagt das allerdings nicht sehr viel. Labor hat es bislang nicht geschafft, irgendeine neue Politik zu machen (also zum Beispiel die Arbeitslosenhilfe anzuheben oder das Work for the Dole-Programm abzuschaffen), die eine wirklich positive Wirkung auf das Leben der Armen gehabt hätte. Die AUWU wird sich weiter dafür einsetzen und Labor-Politikern auf die Pelle rücken, in der Hoffnung, dass sie endlich auf den wachsenden Chor der Australier mit geringem Einkommen hören, die mehr sichere Jobs und ein robusteres soziales Sicherungsnetz fordern.

  • „Australian Unemployed Workers Union“ externer Link ist die Webseite der Organisation mit zahlreichen aktuellen Meldungen und Hintergrundbeiträgen (zum Beispiel über die keineswegs australische Besonderheit sogenannter Förderprogramme)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=138418
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