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Wohnungslos in einer reichen Kommune: »Armut soll aus Stadtbild herausgehalten werden«
„[Frage] Sie haben Ende August ein Rechtsgutachten vorgestellt, das der Verwaltungsrechtler Jasper Prigge für Ihre Fraktion erstellt hat. Darin kommt der Jurist zu dem Schluss, dass ein Großteil der Ordnungsvorschriften aus Paragraph sechs der Düsseldorfer Straßenordnung zum Verhalten auf öffentlichen Plätzen rechtswidrig sei (siehe jW vom 22. August). Um was genau geht es? [Antwort] Wir bemängeln, dass mit dem benannten Paragraphen ein Vorwand geschaffen wurde, gegen den völlig legalen Aufenthalt von Wohnungslosen in der Öffentlichkeit vorzugehen. Als »störendes Verhalten auf Straßen und in Anlagen« wird unter anderem »Lagern in Personengruppen«, »Nächtigen« oder »Lärmen« angeführt. Es bleibt dem städtischen »Ordnungs- und Servicedienst«, kurz OSD, überlassen, subjektiv über einen möglichen Verstoß gegen Paragraph sechs zu entscheiden. Juristisch betrachtet, darf es nicht sein, dass kommunales Ordnungsrecht eine spezielle Vorstellung von sozial gewünschtem Verhalten in der Öffentlichkeit durchsetzt und damit in die Grundrechte eingreift. (…) Dem Paragraphen merkt man an, dass er in seiner jetzigen Form im Jahr 2000 von der CDU geschaffen wurde, um Wohnungslose aus dem Düsseldorfer Stadtbild zu vertreiben. Die damals herrschende Stimmung wurde in der »Mettmanner Erklärung« von CDU-Kandidaten zur Kommunalwahl 1999 deutlich. Dort wird wörtlich von einer »Verteidigung der öffentlichen Ordnung gegen Alkoholismusszenen, Pennertum, agressives Betteln« gesprochen. Die Düsseldorfer CDU hat sich nie von dem Begriff »Pennertum« distanziert. Ziel ist natürlich, die Armut aus dem Stadtbild herauszuhalten. Den wohlhabenden Konsumenten soll das Bild einer Kommune im Wohlstand vermittelt werden. Deshalb werden Wohnungslose vertrieben…“ Interview von Markus Bernhardt in der jungen Welt vom 03.09.2018 mit Lutz Pfundner , Sprecher der Linken-Ratsfraktion Düsseldorf, und ein Kommentar dazu:
- Wie aus “Störern“ “Gefährder“ wurden (“Störer“ und “Gefährder“ sind Begriffe aus dem Polizeirecht)
„Mitte der 1990er Jahre machte der Begriff der “Gefahrenabwehrverordnung“ (GAV) die Runde. Deutsche Städte und Metropolen hätten massive Ordnungsprobleme, welche das “subjektive Sicherheitsempfinden“ der Bürgerinnen und Bürger – bzw. der Konsumenten der City’s – beeinträchtigen würden, hieß es vorwiegend aus konservativen Kreisen, wie den CDU-Leuten Klaus-Rüdiger Landowski (Berlin) und dem Kasseler Ordnungsbürgermeister Dr. Jürgen Gehb.
Bestehende Regelwerke (z.B. Stadtsatzungen, Grünflächen- und örtliche Polizeiverordnungen) wurde in den darauffolgenden Jahren “verschärft“ oder in “GAV“ umbenannt; außerdem wurden Ordnungsämter und Stadtpolizeien mit erweiterten Befugnissen ausgestattet und technisch aufgerüstet. Die neuen “Hilfspolizeibeamten“ gehen fortan beispielsweise gegen aggressives Betteln und sogar Taubenfüttern vor, welche als Ordnungswidrigkeiten definiert wurden. Auch “wildes Lagern“ von Obdachlosen, in den Städten, soll mittels “verwaltungsrechtlicher Gefahrenabwehr“ unterbunden werden.
Beide namentlich aufgeführten CDU-Politiker sprachen in diesem Zusammenhang gar von “Ratten“ bzw. “Gesocks“, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden würden. Die Verantwortlichen hierfür waren schnell ausgemacht und wurden benannt: Randgruppen (und ihre Verhaltensweisen), wie Obdachlose, Drogensüchtige, Bettler, Stadttrinker und “herumlungernde Jugendliche“ sind seither die “Feindbilder“ einer konsumorientierten Stadt, weil sie nicht ins Bild passen.
Vergeblich hatten damals beispielsweise Kriminologen und Soziologen versucht Ordnung in diese Diskussion zu bringen: Ordnungsprobleme sind keine Gefahren im sicherheitstechnischen Sinn und eine “Vermengung“ dieser beiden Begriffe ist schlicht unseriös, eine Aussagen die von Vertretern dieser Berufsgruppen stammt.
Dennoch behaupteten die Befürworter der GAV “gebetsmühlenartig“: Ordnungsproblemen und Kriminalität seien kausal – Belege hierfür bleiben sie bis heute schuldig!“ (Thomas Brunst, 03.09.18)