Wer da – nicht nur in Chemnitz – „Schulterschluss“ betreibt – und wie man dagegen halten kann
„Chemnitz – die Stadt wird weiter im Fokus bleiben. Das liegt nicht nur an den weiterhin stattfindenden Aufmärschen von Rechts und den ebenso stattfindenden Gegenprotesten. In Chemnitz vollzog sich offen sichtbar und gewollt offen sichtbar der Schulterschluss der extremen Rechten. Die im Bundestag vertretene AfD vermied es bisher, allzu offen mit Gruppen wie Pegida, Identitären und anderen Akteuren im extrem rechten Spektrum in Verbindung gebracht zu werden, obwohl Vernetzungen und Verbindungen vielfach lange existieren. Nun liefen Vertreter von AfD, Pegida zusammen mit Nazi-Hooligans in einer Demonstration zusammen. Damit wirft die AfD den Deckmantel einer »Abgrenzung« nach »ganz rechts außen« ab. Umso beschämender ist weiteres Lavieren und Herunterspielen dessen, was in Chemnitz – aber nicht nur dort – gerade passiert. Besonders vonseiten der sächsischen CDU, die in Hilflosigkeit und Panik vor den Landtagswahlen auch noch einen jahrzehntealten Glaubenssatz über Bord geworfen hat – fraglich, ob er für Sachsen jemals galt. Nämlich, dass Positionen rechts der Union tabuisiert und isoliert werden müssen. Stattdessen rückt eine Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU immer mehr in den Bereich des Möglichen…“ – aus dem Beitrag „Ein offener Schulterschluss“ von Stephan Fischer am 02. September 2018 in neues deutschland online über entsprechende Entwicklungen über Sachsen und über die AfD hinaus… Siehe dazu jeweils zwei weitere Beiträge zum rechten Zusammenschluss und zur antiafschistischen Organisierung:
- „»Eine Hemmschwelle gibt es nicht mehr«“ von Sebastian Bähr ebenfalls am 02. September 2018 in neues deutschland online hebt hervor: „… Unweit davon, am Karl-Marx-Denkmal, sammeln sich mehrere Tausend Rechtsradikale bei der Kundgebung der Wählervereinigung »Pro Chemnitz«. »Heute sind wir nicht Gesinnung, Heute sind wir das Volk! Also bindet Euren rechten Arm fest!«, ruft ein Einpeitscher. Die angekündigte Demonstration wird kurzerhand abgesagt, stattdessen zieht man zum nahe gelegenen Startpunkt des »Trauermarsches« von AfD und Pegida. Bürgerliche Rechtsradikale sammeln sich nun mit gewaltbereiten, betrunkenen Hooligans, der Schulterschluss der rechtsradikalen Szene Deutschlands auf der Straße ist vollzogen. Als die jetzt rund 5000 Teilnehmer losmarschieren, bilden AfD-Politiker um Höcke die Spitze. Alle tragen eine weiße Rose »als Zeichen der Trauer« am Jackett. Die ersten Reihen halten dazu Bilder von Opfern vermeintlicher Migrantengewalt. Nach rund einem Viertel der Strecke, wieder am Marx-Monument, kommt der Zug aufgrund der Blockaden zum Stehen…“
- „„Wir sind keine Nazis““ von Malene Gürgens und Christian Jakob am 02. September 2018 in der taz online dazu: „… Das alles hat die Reporterin gerade in ihre Kamera erzählt, und dabei fiel auch das Wort, das dafür sorgt, dass dieser Mann sich einschaltet: „Nazis“. Es ist ein Reizwort, auch für die übrigen Umstehenden, zwei Frauen um die 50, ein junger Mann im Trainingsanzug. „Wir sind keine Nazis“, sagt der Mann mit Schnauzbart, und die Übrigen nicken mit Nachdruck. Eine der Frauen hebt zu einem Redeschwall an: Die Medien, die kämen von außen, hätten keine Ahnung und würden dann behaupten, alle Chemnitzer seien rechts. „Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links, wir machen uns einfach bloß Sorgen um unser Land“, sagt sie. Die Journalistin fragt, was denn mit den Menschen sei, die am Montag den Hitlergruß gezeigt haben, die dürfe man doch aber mit diesem Wort, das hier keiner hören will …? „Das waren alles eingeschleuste Journalisten“, ruft die Frau, sie schreit jetzt fast, und niemand der Umstehenden widerspricht. (…) Seit Tagen wird in Chemnitz vor Pauschalisierungen gewarnt: Nicht alle, die in dieser Stadt leben, seien Neonazis oder wollen sich mit diesen gemeinmachen. Differenzieren, so heißt es, sei das Gebot der Stunde. Das ist richtig, und das sieht man auch an diesem Samstag. Unter dem Motto „Herz statt Hetze“ versammeln sich mehrere Tausend Menschen auf einem Parkplatz an der Johanniskirche, ein paar hundert Meter vom rechten Kundgebungsort entfernt…“
- „Die Dynamik von Chemnitz durchbrechen“ am 31. August 2018 von und bei apabiz vertritt als Orientierung gegen diesen gemeinsamen Aufmarsch: „Die gespenstischen Bilder vom Montag zeigen einen gewaltbereiten, hasserfüllten Mob von Nazis und bürgerlichen Rassist*innen, denen jegliche Trauer und Anteilnahme für den Verstorbenen gleichgültig ist. Am Montag bewiesen sie, dass in Chemnitz alle potentiellen Opfer der Nazis um Leib und Leben fürchten müssen: Das betrifft Geflüchtete und People of Colour ebenso wie Wohnungslose, weiße Linke, LGBTIQ* und zivilgesellschaftliche Akteure wie z.B. Gewerkschaften. (…) Die kommenden Tage und Wochen werden entscheiden, ob und wie wir diese gefährliche Dynamik durchbrechen können. Die bisherigen Ereignisse haben gezeigt, dass alle extrem rechten, rassistischen und neonazistischen Szenen vor Ort jenseits aller Widersprüche zu einer öffentlichen Machtprobe bereit sind. Diese Durchlässigkeit zwischen den Milieus und auch die Mobilisierbarkeit mehrerer Generationen von Aktivist*innen der extremen Rechten in kürzester Zeit ist ein wesentlicher Grund der jetzigen Entwicklung auf der Straße und entspricht dem Stand antifaschistischer Recherchen vor Ort. (…) Hinzu kommt das Verhalten von Politik, Behörden und insbesondere der Polizei, die diese Entwicklung jahrelang heruntergespielt und geleugnet haben. Die nach offener Gewaltanwendung schreienden Gruppen wurden zu lange als »besorgte Bürger« verharmlost. Der von ihnen im Zusammenspiel mit gewalttätigen Neonazis ausgehenden Gefahr insbesondere für Geflüchtete, aber auch für alle als »Volksverräter« markierte Menschen, wird nicht oder nur widerwillig begegnet. Dies nehmen wir angesichts der jetzigen Ausschreitungen als Komplizenschaft wahr. Die Diskreditierung der Gegenproteste als »Links-Rechts-Auseinandersetzung« verhindert eine notwendige Solidarisierung der Gesamtgesellschaft mit allen tatsächlich und potentiell betroffenen Menschen. Diese Situation birgt die akute Gefahr eines Flächenbrandes rassistischer und neonazistischer Gewalt. Es ist wichtig, am kommenden Samstag, aber auch darüber hinaus, antirassistische, antifaschistische und von Nazis gefährdete Menschen in Chemnitz mit aller Kraft zu unterstützen. Wir können dies vor Ort tun oder auch anderswo. Wir finden es nicht wesentlich, welchem Gegenprotest oder welchem Aufruf wir dabei folgen, so lange dies dazu führt, dass diejenigen gestärkt und geschützt werden, die im Visier der Nazis und Rassist*innen stehen. Ob Kundgebung, Blockade, Demonstration oder Konzerte: Alles, was der rassistischen Dynamik etwas entgegensetzt, diese blockiert und den Schutz und die Sicherheit der potentiellen Opfer erhöht, ist wichtig. Solange selbstbewusste Nazis im ganzen Land an der Seite von neurechten Scharfmacher*innen und AfD-Wähler*innen auf der Straße stehen und der Staat nicht nur zurückweicht, sondern in Teilen auch Sympathie mit deren Zielen zeigt, drohen auch in Zukunft und an anderen Orten pogromartige Ausschreitungen…“
- „Bericht aus Chemnitz, 1.9.18“ auf der Facebook-Seite von analyse&kritik zu den Positionierungen verschiedener gesellschaftlicher Lager: „Die antirassistische Linke ist, was die Mobilisierung gegen Nazis angeht, ziemlich auf sich allein gestellt. Das bürgerliche Spektrum hat sich gestern rausgehalten.* Die Liebe für Ruhe und Ordnung, die Sehnsucht, sich als gesittete Mitte zu fühlen, die sich auf keine Seite schlägt, ist einfach Deutschland-Lifestyle. Diese autoritäre Sehnsucht spielt dem faschistischen Block in die Hände. Für das deutsche Bürgertum ist das aber vor allem ein ästhetisches Problem, denn ausbaden müssen es andere: die migrantischen Jugendlichen und Freundeskreise, die in Chemnitz gestern auch unterwegs waren, die in Chemnitz leben (oder in Cottbus, Freital, Bautzen..) und auch nicht weg können. *PS: Im Kommentarbereich hat jemand zu Recht drauf hingewiesen, dass das nicht ganz stimmt. Das Spektrum, das irgendwie die Zivilgesellschaft repräsentiert, ist einfach ziemlich klein in Orten wie Chemnitz und reist dafür auch nicht groß von anderswo an. Aber Linke, Grüne, SPDler, Gewerkschaftler, Kirchenleute waren schon da bei den Gegenprotesten, es macht einfach zahlenmäßig nicht so den Unterschied. Und eine breite Empörung über solche Veranstaltungen gibt es nicht, weil ein großer Teil der Bevölkerung eben weiß ist, selbst rassistisch denkt und/oder damit aufgewachsen ist, das sowas einfach normal ist.“
- Siehe zum Hintergrund die Berichte aus Chemnitz in unserer neuen Rubrik Interventionen » Antifaschismus und die neuen alten Rechten » alte und neue Nazis sowie Alltagsrassismus » Vom Stammtisch auf die Straße: Der rechte Mob