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Die ausgebeutete Muse: Lohndumping auf Bühnen weit verbreitet
„Sinkende Gagen, Listen für Unbequeme: Die Arbeitsbedingungen auf europäischen Theater- und Musikbühnen sind mitunter verheerend, beklagen Künstler. (…) Auch die Behörden hätten von Missständen zunächst nichts wissen wollen, berichten ehemals in Erl Beschäftigte dem STANDARD. Nachdem die Kritik aber anhielt und sich Betroffene erstmals namentlich an die Öffentlichkeit wagten, wird nun doch genauer hingeschaut. Für Alfons Puschej kommt das zu spät. Der Bratschist spielte zehn Jahre im Orchester von Erl. Als einer der wenigen Österreicher – denn das „System“, wie Erl von den Kritikern genannt wird, ist seit vielen Jahren auf Musikern aus Weißrussland aufgebaut. Vorgeblich aus Gründen der Nachwuchsförderung, tatsächlich offenbar, um die Kosten zu drücken. „Nach meiner Information ist ein Orchestermusiker des sogenannten Minsk-Orchesters bei den Festspielen jahrelang mit 150 Euro brutto pro Woche bezahlt worden“, sagt Puschej. Das sei in Weißrussland immer noch viel Geld, den europäischen Markt mache das aber kaputt. Erl habe das Lohnniveau einer ganzen Region herabgesetzt, so die Kritik. (…) In Deutschland hätten Musiker aus Rumänien und Bulgarien jahrelang das Lohnniveau gedrückt, erst nach der Einführung eines allgemeinen Mindestlohns habe sich das entspannt. Diesen fordert der Musiker auch für Österreich. Denn Erl – so der Tenor befragter Künstler in der Musiktheaterbranche – sei längst kein Einzelfall. (…) Besonders frappierend: „Als ‚schwierig‘ geltende Arbeitnehmer werden zwischen den Theatern gelistet.“ So habe ein Kollege von Jankowitsch ein Engagement an einem deutschen Theater rechtlich unsauber verloren, und es sei ihm davon abgeraten worden, dagegen vorzugehen, „weil er sonst keine Verträge mehr in Deutschland bekomme“. Weiteres gebe es einen Gagenindex: Deutsche Theater führen demnach Listen, auf denen vermerkt wird, wie viel ein Darsteller wo verdient. „Die Leute können so bei Vertragsverhandlungen unter Druck gesetzt werden“, so Jankowitsch. (…) Gewerkschaftlich gut organisiert sind oft nur Kollektive wie Chöre, Orchester, technisches Personal. Ihre Situation ist nicht rosig, allerdings besser als jene der hochindividualistisch arbeitenden Sänger und Darsteller. (…) Was geschieht, wenn sich ein Ensemble geschlossen gegen haltlose Zustände zur Wehr setzt, konnte man im Frühjahr am Theater Cottbus sehen: Nach interner Organisation des Ensembles traten Generalmusikdirektor, Intendant und kaufmännischer Geschäftsführer zurück. „Es gibt einen Weg“, sagt Sist. „Das Zauberwort heißt Solidarität.“ Artikel von Stefan Weiss vom 25.08.2018 bei derStandard.at