Diskussion um Wehrdienst und „Dienstpflicht“: Soziale Segnung, Gespensterdebatte oder Instrument zum Lohndrücken?
„Die Debatte um eine „Dienstpflicht“ wird bewusst unscharf und verwirrend geführt. Zudem werden harte soziale Fragen romantisierend verzerrt – so erregen einige Äußerungen den Verdacht, dass zwangsverpflichtete jugendliche Billig-Arbeiter die Löhne in den Pflegeberufen niedrig halten sollen. Gar nicht berührt werden grundsätzliche Fragen nach De-Militarisierung und Existenzberechtigung der Bundeswehr. (…) Die Konsequenz aus Veiths und Strobls Äußerungen wäre zugespitzt eine Wehrpflicht, der man sich ohne „Gewissensprüfung“ entziehen könnte, wenn man zwölf Monate hilft, den Pflegenotstand abzumildern. Das erregt den Verdacht, dass hier durch zwangsverpflichtete jugendliche Billig-Arbeiter die Löhne in den Pflegeberufen niedrig gehalten werden sollen. (…) Wie sehr die verpflichteten Jugendlichen potenziell die Löhne in den sozialen Bereichen bedrohen würden, in denen sie laut Initiatoren eingesetzt werden sollen, davon vermitteln die Bedingungen für den bestehenden „Bundesfreiwilligendienst“ eine Ahnung: „Soweit die Freiwilligen Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung oder entsprechende Geldersatzleistungen erhalten, erbringen die Einsatzstellen diese Leistungen. Sie zahlen für den Bund auch das vereinbarte Taschengeld und leisten die Sozialversicherungsbeiträge. Das Taschengeld und die übrigen Leistungen werden zwischen den Freiwilligen und ihrer Einsatzstelle abgesprochen. Das Taschengeld hat eine Obergrenze von derzeit 390 Euro monatlich für eine Vollzeitbeschäftigung.“ (…) die Frage, ob eine Freiwilligen-Armee tatsächlich als fortschrittlicher zu bezeichnen ist als eine solche mit allgemeiner Wehrpflicht. Bei Letzterer müsste das Problem der lohndrückenden Zivildienst-Leistenden gelöst werden. Ein Blick auf andere reine Freiwilligen-Armeen zeigt aber deren Entwicklung zu einem „Unterschichten-Heer“: Sozial benachteiligte Jugendliche lassen sich unter anderem von Ausbildungsmöglichkeiten locken und müssen in der Konsequenz die militärische Drecksarbeit leisten. Kinder aus „gutem Hause“, die wegen ihrer Herkunft diesen Druck nicht spüren, können dagegen ihr Leben schonen.“ Artikel von Tobias Riegel vom 6. August 2018 bei den Nachdenkseiten . Siehe dazu:
- „Dienstpflicht“: Lohndumping und Töten für das Kapital
„… Gesellschaftsjahr, Pflichtjahr, Deutschland-Dienst: Der viel diskutierte Vorstoß der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer für den Unionsparteitag Ende des Jahres hat in wenigen Tagen viele Namen bekommen. Dass sich im Hochsommer Politiker*innen, die sich zu wenig beachtet fühlen, mit möglichst provokanten Vorschlägen zu profilieren versuchen, ist nun erst einmal nicht ungewöhnlich. Hinter den Wortzusammensetzungen verbergen sich jedoch zwei der zentralen Probleme, die sich die Bundesregierung zu lösen anschickt: Erstens ist die Situation in der Pflege so dramatisch, die Diskussion so virulent, dass die Regierung und damit die Union dringend Lösungen anbieten will. Zweitens ist die Bundeswehr immer noch viel zu schwach, um die strategischen Interessen des deutschen Kapitals in der Zukunft effektiv durchsetzen zu können. Die Dienstpflicht soll beide Fliegen mit einer Klappe schlagen – und mit Zwang…“ Beitrag von Marco Blechschmidt vom 8. August 2018 bei Klasse gegen Klasse