- Automobilindustrie
- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Energiewirtschaft (und -politik)
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
- Holz, Papier, Glas und Kunststoffe
- Landwirtschaft und Gartenbau
- Lebens- und Genussmittelindustrie
- Maschinen- und Anlagenbau
- Medien und Informationstechnik
- Rüstungsindustrie und -exporte
- Sonstige Branchen
- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Abfall/Umwelt/Ver-/Entsorgung
- Banken und Versicherungen
- Bildungs- und Erziehungseinrichtungen
- Call-Center
- Dienstleistungen allgemein/diverse
- Gastronomie und Hotelgewerbe
- Groß- und Einzelhandel
- Kultur und/vs Freizeitwirtschaft
- Öffentlicher Dienst und Behörden
- Reinigungsgewerbe und Haushalt
- Sex-Arbeit
- Soziale Arbeit, Kirche und Wohlfahrts-/Sozialverbände
- Sportwirtschaft
- Transportwesen: (Öffentlicher) Personen (Nah)Verkehr
- Transportwesen: Bahn
- Transportwesen: Hafen, Schiffe und Werften
- Transportwesen: Luftverkehr
- Transportwesen: Post- und Paketdienste
- Transportwesen: Speditionen und Logistik
- Wachdienste und Sicherheitsgewerbe
- Automobilindustrie
- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Energiewirtschaft (und -politik)
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
- Holz, Papier, Glas und Kunststoffe
- Landwirtschaft und Gartenbau
- Lebens- und Genussmittelindustrie
- Maschinen- und Anlagenbau
- Medien und Informationstechnik
- Rüstungsindustrie und -exporte
- Sonstige Branchen
- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Abfall/Umwelt/Ver-/Entsorgung
- Banken und Versicherungen
- Bildungs- und Erziehungseinrichtungen
- Call-Center
- Dienstleistungen allgemein/diverse
- Gastronomie und Hotelgewerbe
- Groß- und Einzelhandel
- Kultur und/vs Freizeitwirtschaft
- Öffentlicher Dienst und Behörden
- Reinigungsgewerbe und Haushalt
- Sex-Arbeit
- Soziale Arbeit, Kirche und Wohlfahrts-/Sozialverbände
- Sportwirtschaft
- Transportwesen: (Öffentlicher) Personen (Nah)Verkehr
- Transportwesen: Bahn
- Transportwesen: Hafen, Schiffe und Werften
- Transportwesen: Luftverkehr
- Transportwesen: Post- und Paketdienste
- Transportwesen: Speditionen und Logistik
- Wachdienste und Sicherheitsgewerbe
- Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen
- Arbeitskämpfe im Gesundheitswesen allgemein
- Ärzteschaft
- Gesundheitswesen allgemein
- Kampf gegen Privatisierung im Gesundheitswesen allgemein
- Kampf gegen Privatisierung im Gesundheitswesen in diversen Kliniken
- Konflikte und Arbeitskämpfe in diversen Kliniken
- Rettungsdienste
Die einen wollen Tariflöhne in der Altenpflege, die anderen die Arbeitgeber genau davor bewahren
Dossier
„… »Mit luftigen Versprechen wollen die privaten Arbeitgeber die flächendeckende Einführung von Tariflöhnen in der Altenpflegebranche verhindern. In einem Brief an Politiker der Großen Koalition, der dem SPIEGEL vorliegt, wirbt der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) für ein unverbindliches Alternativmodell. « Weiter heißt es: »Der Verband empfehle seinen Mitgliedern, in ihren Betrieben sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien anzuwenden, schreibt bpa-Präsident Rainer Brüderle. Diese Mindestbedingungen, die die Arbeitgeber selbst festgelegt haben, sehen bei einer Fünf-Tage-Woche neben dem gesetzlichen Mindest-Urlaubsanspruch von 20 Tagen noch acht zusätzliche Urlaubstage vor. Von einem Recht auf Weihnachts- oder Urlaubsgeld ist darin nicht die Rede.« (Der hier erwähnte Rainer Brüderle ist übrigens nicht Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), sondern Präsident des bpa Arbeitgeberverbandes). Der hier angesprochene Ansatz des Lobbyverbandes der privaten Betreiber von Pflegeheimen und -diensten ist nun nicht neu…“ Beitrag von Stefan Sell vom 01.07.2018 auf aktuelle Sozialpolitik , siehe dazu:
- Tarifregelungen in der Pflege: Empörung über Entgleisung der Caritas mit ihrer Warnung vor einer »Gleichschaltung der Tariflandschaft«
„Ihre Blockade eines flächendeckenden Tarifvertrags für die gesamte Altenpflege bekräftigt die Arbeitgeberseite der Caritas mit der Warnung vor einer »Gleichschaltung der Tariflandschaft« und ruft damit große Empörung hervor. »So eine politische Entgleisung ist inakzeptabel«, sagt Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht 1938. »In einer Debatte kann jeder seinen Standpunkt vertreten, ohne sich so drastisch in der Wortwahl zu vergreifen.« Es sei nicht hinnehmbar, den Einsatz für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege mit Verweis auf die NS-Zeit zu verunglimpfen. In einem Offenen Brief fordern Sylvia Bühler und der Vorstandssprecher der Bundesvereinigung der Arbeitgeberseite in der Pflegebranche (BVAP), Gero Kettler, eine öffentliche Erklärung der Caritas zu der Wortwahl. Auch der Arbeitgeberverband der AWO betont, dass die Gräueltaten der NS-Herrschaft ein nicht hinnehmbarer Vergleich in einer bisher sachlichen Diskussion seien. (…) Sylvia Bühler und Gero Kettler weisen darauf hin, dass bislang keine nennenswerte Zunahme von Tarifverhandlungen oder gar Abschlüssen zu verzeichnen seien. In ihrem Offenen Brief fordern ver.di und die BVAP die Arbeitgeberseite der Caritas dazu auf, zu einer Politik zurückzukehren, »die einem großen konfessionellen Wohlfahrtsverband würdig ist«.“ ver.di-Statement vom 9. November 2022 beim FB Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft zum Offenen Brief an Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas: Geschichtsvergessene Wortwahl in Ihrer Caritas-Pressemitteilung - Die große Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist tariffähig, sagt das Bundesarbeitsgericht. Auch da, wo sie ganz klein ist: In der Pflegebranche
„In den vergangenen Monaten und Jahren ist in der pflegepolitischen Diskussion immer wieder gerade mit Blick auf die Langzeit- bzw. Altenpflege darauf hingewiesen worden, dass der extrem niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad der Beschäftigten mit ein Grund dafür sei, dass die von vielen ebenfalls seit Jahren angemahnten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nur schleppend vorankommen bzw. sogar eine weitere Verschlechterung nicht verhindert werden konnte. Und schon vor Jahren wurde darauf hingewiesen, dass gerade in der Altenpflege mit ihren vielen eher kleinteiligen Einrichtungen und Diensten und dem zunehmenden Anteil an privat-gewerblichen Trägern ein gewerkschaftliches Machtvakuum zu beklagen sei, was auch dazu beigetragen habe, dass (im Zusammenspiel mit der Sonderrolle der den freigemeinnützigen Sektor der Altenpflege dominierenden kirchlichen Träger, die eigene Regelungswerke haben) es in diesem Bereich eine tariflose Zone geben würde, bei der man noch nicht einmal von einer „tarifpolitischen Erosion“ sprechen kann, die seit den 2000er Jahren zunehmend kritisch diskutiert wird, denn es gibt kaum, geschweige denn flächendeckende Tarifverträge. (…)
Aus dem niedrigen Organisationsgrad leitet sich ein „Teufelskreis der defekten Interessenvertretung“ ab: Weil es wenige Gewerkschaftsmitglieder in der Altenpflege gibt, hat die Gewerkschaft auch wenige Ressourcen. »Mehr als vier Fünftel der beruflich Pflegenden (80,3 %) wurden von einer Gewerkschaft noch nie kontaktiert, wenngleich zwei Drittel (66,1 %) ver.di kennen und diese positiv oder eher positiv einschätzen.« Das wiederum führt dann zu solchen Werten: »Statt die Arbeitgeber in die Verantwortung zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, adressiert eine Mehrheit der Altenpflegekräfte (86,7 %) in allererster Linie den Staat als Hauptverantwortlichen für die Verbesserung ihrer Verhältnisse.« (Schroeder 2022: 39). (…) Wie dem auch sei – man muss für den gegenwärtigen Zeitpunkt konstatieren, dass die Gewerkschaft ver.di schwach bis flächendeckend gar nicht in den Einrichtungen und Diensten der Altenpflege vertreten ist, was nicht nur, aber auch mit innerorganisatorischen Besonderheiten dieser großen Gewerkschaft zu tun hat, in denen zahlreiche Branchen und unter ein Dach gebracht werden sollen, was oftmals zu schwer bis unlösbaren Gleichungen führt. Die letzten Arbeitskämpfe in der Pflege bzw. pflegenahen Bereichen haben so gut wie ausschließlich im Bereich der Krankenhäuser und darunter vor allem der Universitätskliniken stattgefunden, wo ver.di über aktionsfähige Brückenköpfe in den Belegschaften verfügt. eine auch nur annähernd vergleichbare „kritische Masse“ fehlt in der Altenpflege bislang (und auf absehbare Zeit auch erwartbar) komplett. Ein Arbeitgeberverband versucht, die offensichtliche Schwäche der Gewerkschaft vor Gericht zu bringen – und scheitert (…)
Der Gewerkschaft fehle es an Tariffähigkeit in der Altenpflege, da sie keine Durchsetzungskraft in der Branche für sich in Anspruch nehmen kann – mit dieser Argumentation zog der AGVP vor das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Und bekam von dort eine Antwort, aber nicht die erhoffte, denn das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Anträge des Arbeitgeberverbands Pflege zur Feststellung fehlender Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di zurückgewiesen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.6.2021 – 21 BVL 5001/21 ). Die beiden Leitsätze der Entscheidung des LAG verdeutlichen bereits, warum das Begehr des klagenden Arbeitgeberverbandes zurückgewiesen werden musste:
1.) Die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft ist bezogen auf die Organisation als Ganzes und nicht beschränkt auf einzelne Organisationsbereiche zu prüfen. Die Prüfung erfolgt im Verfahren nach § 97 ArbGG.
2. ) Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist tariffähig.
Die Gewerkschaft ver.di ist ja nun wirklich eine der der ganz großen Gewerkschaften und damit, so die Richter, per se tariffähig. Gewerkschaft ver.di tariffähig auch für Pflege außerhalb von Krankenhäusern , so ist die Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg vom 26.08.2021 überschrieben…“ Beitrag vom 18. September 2022 von und bei Stefan Sell - Tariftreueregelung ab 1.9.: Pflegebeschäftigte nicht gegen Pflegebedürftige ausspielen
„Mit dem 1. September 2022 entfaltet die Tariftreueregelung in der Pflege ihre Wirkung. Leistungen dürfen dann nur noch mit den Kassen abgerechnet werden, wenn Tariflöhne oder ein regionales Durchschnitts-Entgelt gezahlt werden. Die Kosten dürfen aber nicht den Pflegebedürftigen und ihren Familien aufgebürdet werden. Um das zu verhindern, muss die Koalition die versprochenen Strukturreformen zur Finanzierung der Pflege schnellstmöglich angehen…“ DGB-Meldung vom 01.09.2022 , siehe auch:- VdK: „1. September wird zum Doomsday für Pflegebedürftige“ Verena Bentele kritisiert fehlende Gegenfinanzierung der Tariftreueregelung
„… Der 1. September ist Stichtag für die Tariftreueregelung. Ab diesem Zeitpunkt dürfen ambulante Pflegedienste und Pflegeheime nur noch einen Versorgungsvertrag erhalten, wenn sie ihren Mitarbeitern einen Tariflohn bezahlen oder ein regionalübliches Entgelt. Der VdK Deutschland kritisiert, dass viele Träger von Einrichtungen und Dienste-Anbieter die dadurch entstehenden Kosten an die Pflegebedürftigen weiterreichen und diese zusätzlich belasten. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagt dazu: „Der 1. September wird zum Doomsday für Pflegebedürftige. Denn die Preissteigerungen für Pflegeleistungen sind immens, sie liegen bei 30 bis 40 Prozent. Hinzu kommen Erhöhungen für die steigenden Energiekosten. Von Mitgliedern, die uns Abrechnungen für den Pflegedienst oder einen Heimplatz schicken, wissen wir, dass manche bis zu 5000 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Für die meisten ist das unmöglich. Die Politik hat es versäumt, die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften – die wir natürlich begrüßen – auch vernünftig gegen zu finanzieren. Deshalb werden nun Pflegebedürftige zur Kasse gebeten. Für viele bleibt da nur der Gang zum Sozialamt. Wir befürchten zudem, dass viele zuhause Gepflegte auf Leistungen verzichten und dadurch unterversorgt sind. Die Pflegeversicherung muss daher endlich alle Pflegeleistungen übernehmen. Auch das Pflegegeld muss dringend angepasst werden. Pflege darf nicht länger arm machen und muss endlich zur Chefsache werden!“ VdK-Presse-Statement vom 30. August 2022 - Pflegebedürftige werden ausgepresst
„Viele Heime erhöhen zum 1. September die Preise. Sie verweisen auf Tariflöhne und die Inflation…“ Artikel von Martin Höfig vom 31.08.2022 im ND online - Siehe auch unser Dossier: Sozialverbände dringen auf Deckelung von Eigenanteilen in der Pflege
- VdK: „1. September wird zum Doomsday für Pflegebedürftige“ Verena Bentele kritisiert fehlende Gegenfinanzierung der Tariftreueregelung
- ver.di: Steigender Pflegemindestlohn löst Grundproblem in der Altenpflege nicht
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht das Grundproblem in der Altenpflege auch durch die jetzt von der Pflegekommission empfohlenen beachtlichen Steigerungen des Pflegemindestlohnes nicht gelöst. “ver.di arbeitet in der Pflegemindestlohnkommission mit, um für die Beschäftigten so viel wie möglich raus zu holen. Die jetzt empfohlenen Steigerungen sind auch nicht gering, aber über einen Mindestlohn sind die Personalprobleme in der Altenpflege nicht zu lösen“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Weder mache dieses Lohnniveau den Pflegeberuf attraktiv, noch werde dadurch das Abwandern von Pflegefachpersonen ins Krankenhaus gestoppt. „Der Mindestlohn sorgt ausschließlich dafür, eine jahrelang praktizierte Ausbeutung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor allem bei kommerziellen Pflegekonzernen zu verhindern.“
Im Einzelnen sieht die Empfehlung der Pflegekommission folgende Regelungen vor: Für Pflegefachkräfte erhöht sich der Pflegemindestlohn von derzeit 15,00 Euro auf 17,10 Euro ab 1. September dieses Jahres, ab 1. Mai 2023 steigt er auf 17,65 Euro und ab 1. Dezember 2023 auf 18,25 Euro; das bedeutet bei einer 40-Stunden-Woche ein Grundentgelt von 3.174 Euro monatlich. Für Pflegekräfte mit ein- bzw. zweijähriger Ausbildung steigt der Mindestlohn von derzeit 12,50 Euro auf 14,60 Euro ab 1. September 2022 sowie auf 14,90 Euro ab 1. Mai 2023 und auf 15,25 Euro ab 1. Dezember 2023; damit kommen dann Beschäftigte bei einer 40-Stunden-Woche auf ein Monatsgrundentgelt von 2.652 Euro. Für Pflegekräfte ohne Ausbildung wird der Mindestlohn von derzeit 12,00 Euro auf 13,70 Euro ab 1. September 2022 angehoben, ab 1. Mai 2023 auf 13,90 Euro und ab 1. Dezember 2023 auf 14,15 Euro; das entspricht bei einer 40-Stunden-Woche einem Monatsgrundentgelt von rund 2.461 Euro. Zudem erhöht sich der Urlaubsanspruch für Pflegekräfte von derzeit 26 Tagen pro Jahr auf 27 Tage im Jahr 2022 und 29 Tage ab 2023 bei einer Fünftagewoche.
Trotz der Verbesserungen bleibt die Pflegekommission hinter den Regelungen des zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelten Tarifvertrags Altenpflege zurück, dessen Erstreckung auf die gesamte Pflegebranche vor fast genau vor einem Jahr von den Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie abgelehnt wurde. Bühler: „Damals wurde auch behauptet, der Tarifvertrag sei zu schlecht. Aber was jetzt auf dem Tisch liegt, zeigt, dass der Weg über den Tarifvertrag der bessere ist.“…“ Pressemitteilung vom 08.02.2022 von ver.di Gesundheit & Soziales , siehe auch unser Dossier: Pflegemindestlohn: ver.di fordert bereits 2014 12,50 Euro pro Stunde - Noch nicht einmal jede dritte Pflegeeinrichtung mit irgendeiner „Tarifbindung“. Erste Zahlen aus einer weitgehend tariflosen Zone – und harte Euro-Beträge einer „Lohnbindung durch die Hintertür“ ab dem Herbst 2022
„Mit der bundesweiten Veröffentlichung von Daten zur tariflichen Bezahlung in der Langzeitpflege liefern die Landesverbände der Pflegekassen erstmals einen detaillierten Überblick über das Ausmaß der Tarifbindung von Pflegeeinrichtungen in Deutschland. Das berichtet der AOK-Bundesverband und verweist auf die Veröffentlichung der Tarifübersicht durch die Landesverbände der Pflegekassen. Hintergrund: Die Pflegekassen sind verpflichtet, jährlich eine Übersicht mit den Namen der Tarifverträge und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu veröffentlichen, deren Entlohnung das regional übliche Entgeltniveau um nicht mehr als zehn Prozent überschreitet. „Die Ergebnisse zeigen, dass aktuell deutlich weniger als ein Drittel aller Pflegeeinrichtungen in Deutschland der Tarifbindung unterliegen. Hier gibt es also noch viel Luft nach oben.“ Mit diesen Worten wird Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, zitiert. 70 Prozent der Einrichtungen, die aktuell bereits tariflich zahlen, unterliegen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die restlichen 30 Prozent sind an Haus- oder Flächentarifverträge gebunden. (…) Bis zum 31. August 2022 sind alle Versorgungsverträge, die mit Pflegeeinrichtungen vor dem 1. September 2022 abgeschlossen wurden, an die oben beschriebenen gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Daraus resultiert für alle Pflegeeinrichtungen, dass sie spätestens bis zum 28. Februar 2022 mitteilen müssen, an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden oder welcher Tarifvertrag oder welche kirchenarbeitsrechtliche Regelung für die Zahlung der Entlohnung für sie maßgebend sind…“ Beitrag vom 8. Februar 2022 von und bei Stefan Sell - ver.di-Aktionen in der Altenpflege am 17.11.: Mehr Personal, flächendeckend gute Bezahlung und grundlegende Reform der Pflegeversicherung gefordert
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft für Mittwoch, 17. November, Beschäftigte in der Altenpflege bundesweit zu Aktionen auf, um ihren Forderungen nach mehr Personal in diesem gesellschaftlich wichtigen Arbeitsfeld, flächendeckend guten Löhnen und einer grundlegenden Reform der Pflegeversicherung Nachdruck zu verleihen. „Menschen müssen in Würde ihren Lebensabend verbringen können, egal, ob sie daheim gepflegt werden oder in einer stationären Pflegeinrichtung leben“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Der Pflegenotstand nehme aber angesichts der demographischen Entwicklung immer bedrohlichere Ausmaße an. „Die Corona-Krise hat allen vor Augen geführt, dass in unserem reichen Land in der Altenpflege vieles im Argen liegt. Die Auswirkungen der Pandemie haben unsere Kritik an Kürzungen und an der Kommerzialisierung der Altenpflege bestätigt. Damit muss endlich Schluss sein“, so Bühler. „Wir müssen alles daransetzen, genug Menschen für die Altenpflege zu gewinnen und im Beruf zu halten. Dafür sind spürbar attraktivere Arbeits- und Einkommensbedingungen sowie eine bedarfsgerechte Personalausstattung notwendig“, sagte Bühler weiter. Eine zentrale Voraussetzung sei eine flächendeckend gute Bezahlung. Insbesondere bei kommerziellen Trägern liege die Entlohnung meist weit unter dem Niveau des Flächentarifvertrages TVöD, der in kommunalen Einrichtungen gilt. „Ob das von dem geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebrachte Gesetz zur tariflichen Bezahlung in der Altenpflege wirkt, ist keineswegs sicher. Es ist stark missbrauchsanfällig, um verlässlich dem Lohndumping profitorientierter Konzerne einen Riegel vorzuschieben.“ Das Gesetz müsse spätestens im Jahr 2023 evaluiert werden und nicht erst im Jahr 2025, wie bislang gesetzlich vorgesehen. Bühler bedauerte zudem, dass sich die angehenden Koalitionspartner von SPD, Grünen und FDP in ihrem Sondierungspapier nicht auf die Einführung einer Bürgerversicherung geeinigt hätten (…) Die ver.di-Aktionen finden am 17. November, dem Buß- und Bettag, statt. Der Buß- und Bettag wurde Mitte der 1990iger Jahre als gesetzlicher Feiertag in allen Bundesländern außer Sachsen abgeschafft, um den Arbeitgeberanteil zur neu geschaffenen Pflegeversicherung auszugleichen. Diesen Tag nehmen Pflegekräfte in ganz Deutschland traditionell zum Anlass, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen…“ Pressemitteilung vom 17.11.2021 von ver.di Gesundheit/Soziale Dienste/Wohlfahrt - BochumerBund: Lohnerhöhung – wenn nicht jetzt, wann dann?!
„Am Donnerstag, den 14.10.21 endete der diesjährige Deutsche Pflegetag. Wie jedes Jahr wurden von verschiedenen PolitikerInnen honorige Reden gehalten und die desolaten Zustände der Arbeitsbedingungen der beruflich Pflegenden angemahnt. (…) Ein Tarifvertrag für Pflegende muss aus Sicht des BochumerBund die Leistung, Kompetenzen und Fähigkeiten von Pflegenden widerspiegeln. Gleichzeitig sind es aber auch politische Stellschrauben, die die Arbeit von Pflegenden positiv beeinflussen können. So liegt es allein im Ermessen des Gesetzgebers, wie die Finanzierung des Gesundheitswesens gestaltet wird und ob Pflegende künftig weiterhin damit erpresst werden, dass ihre Leistung nicht finanzierbar sei. „Auch die Debatte um einen Pflegemindestlohn sollten wir schnellstmöglich beenden“ meint BochumerBund-Vorsitzende Heide Schneider. Allein der Begriff suggeriert, Pflege sei ein Hilfsberuf und dieser liegt zurzeit leider weit unter einem angemessenen Gehalt, über das wir sprechen müssten!“ Der BochumerBund fordert die Politik dazu auf, sich nicht mehr mit „Kleinlösungen“ zu befassen, sondern das Gesundheitswesen neu zu denken und Pflegende stärker in den Fokus zu rücken. Er appelliert auch an die Pflegenden, sich gewerkschaftlich zu vereinen. Es ist wichtiger denn je, dass Pflegende unter einem Dach agieren und sich gegenseitig stützen. Denn auch für einen Gewerkschaftseintritt gilt: Wenn nicht jetzt – wann dann?!“ Pressemitteilung des BochumerBunds vom 20. Oktober 2021 - FDP-Manier: Brüderles Feldzug gegen „Tarifzwang“ in der Pflege
„… Es steht außer Zweifel, dass sich die Branche etwas einfallen lassen muss, denn nach wie vor herrscht erheblicher Personalmangel. Gute Löhne gelten als ein Hebel, mit dem die Pflegeberufe wieder attraktiv werden sollen. Doch die wollen viele private Pflegeanbieter partout nicht zahlen. Der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich beim letzten Deutschen Pflegetag noch selbst gefeiert: Er habe durchgesetzt, dass private Pflegeanbieter ab September 2022 nur noch Geld von den Pflegekassen bekommen, wenn sie an einen Tarifvertrag gebunden sind oder nach kirchlichen Regeln entlohnen. Doch damit sind die Privaten nicht einverstanden und ziehen vor Gericht. Darüber berichtete das Handelsblatt am Dienstag. (…) Unterstützt vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) legten mehrere private Pflegeanbieter Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ein. Der Staat werde mit dem Gesetz übergriffig, sagte demnach BPA-Präsident Rainer Brüderle, FDP-Mitglied und einst Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Merkel II. „Die Tariftreueregelung ignoriert die grundgesetzlich garantierte Staatsfreiheit der Lohngestaltung und Lohnfindung“, kritisierte Brüderle, dessen Verband nach seinen Worten die Klage der Unternehmen gegen den „Tarifzwang“ unterstützt. Diese Position stützt sich auf ein Gutachten des Arbeitsrechtlers Felix Hartmann von der Freien Universität Berlin. Hartmann hält das Gesetz aus mehreren Gründen für verfassungswidrig. Unter anderem sieht er einen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit (Artikel 9 GG), nach der man Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden beitreten, aber auch fernbleiben kann. Diese „negative Koalitionsfreiheit“ sieht Hartmann verletzt, denn ein Unternehmen könne sich kaum noch weigern, mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag abzuschließen. (…) Wann sich das Bundesverfassungsgericht mit den Beschwerden befasst, ist noch nicht absehbar. Bis dahin bleibt den Gewerkschaften aber wohl nichts anderes übrig, als ihre Position in den Pflegeeinrichtungen zu stärken. Der heutige BPA-Präsident Brüderle hatte sich im Jahr 2010 als Minister bereits gegen die Einführung einer Lohnuntergrenze im Pflegebereich gestemmt.“ Beitrag von Bernd Müller vom 20. Oktober 2021 bei Telepolis - In „der“ Pflege wird jetzt überdurchschnittlich verdient. Ist das so? Ein Blick auf die Lohnentwicklung in der Kranken- und Altenpflege und was die Zahlen (nicht) aussagen
„Bei den vielen negativen Schlagzeilen, die uns in dieser Zeit aus den einzelnen Bereichen der pflegerischen Versorgung erreichen, ist man dankbar für positive Nachrichten. Wie wäre es mit so einer? In der Pflege wird überdurchschnittlich verdient . Wir erfahren, dass der bpa, also der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Vergütung von Pflegekräften kommentiert. (…) Also funktioniert er doch, „der“ vielbeschworene Markt. Wenn flächendeckend über einen Mangel an Pflegekräften geklagt wird und wir gleichzeitig gerade in der Langzeitpflege eine steigende Nachfrage bei einem gleichbleibendem oder sogar abnehmenden Angebot haben, dann muss nach allen ökonomischen Grundregeln der Preis, in diesem Fall also der Lohn, nach oben gehen, wenn denn das Modell stimmt. Offensichtlich werden wir Zeugen, dass das auch funktioniert. Schauen wir aber sicherheitshalber einmal in die Originaldaten, die zu solchen frohen Botschaften geführt haben. Und dann ergibt sich wie so oft ein differenziertes Bild (…) Das IAB hat bei der Vorstellung des neuen Zahlenberichts eine anders gelagerte Botschaft in den Vordergrund gestellt: Seit Jahren liegt die Bezahlung in der Altenpflege unter dem Durchschnitt aller Beschäftigten und gleichzeitig deutlich unter den Löhnen in der Krankenpflege. Die Entgelte in der Krankenpflege sind seit 2012 weitgehend entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung gestiegen, in der Altenpflege waren die Steigerungen leicht überdurchschnittlich. Das trifft für Helfer- sowie Fachkrafttätigkeiten in beiden Bereichen zu. Dadurch wurden die Lohnunterschiede zwischen Alten- und Krankenpflege über die Zeit etwas geringer, sind aber immer noch sehr ausgeprägt. (…) Mehr als jede vierte Pflegekraft in Deutschland zählt zum Niedriglohnsektor. Als Niedriglohn gilt eine Entlohnung, die weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen Stundenlohns von Vollzeitbeschäftigten beträgt. 28,3 Prozent der Altenpflegerinnen und Altenpfleger fallen laut den Zahlen der Bundesagentur in diese Kategorie. Im Osten Deutschlands liegt der Anteil demnach mit 40,7 Prozent deutlich höher, im Westen beträgt er 25,3 Prozent. Betroffen sind besonders Helfer in der Altenpflege, die keine Fachausbildung absolviert haben. Hier betrage der Niedriglohnanteil bundesweit 58 Prozent und in Ostdeutschland sogar 78,5 Prozent.“ Beitrag vom 8. Oktober 2021 von und bei Stefan Sell - Wenn private Pflege-Unternehmen die Altenpflege frei von einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag halten wollen und vor Gericht ziehen, dann gibt es auch ein Urteil. In diesem Fall für die Gewerkschaft
„Man muss sie erneut in Erinnerung rufen – die schmerzhafte Erfahrung, dass es nichts wird mit einem allgemeinverbindlich erklärten flächendeckenden Tarifvertrag für die Altenpflege. Dabei war über längere Zeit alles vorbereitet worden, um das Problem, dass eine „normale“ Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags aufgrund des Widerstands der Arbeitgeber-Seite in der Altenpflege nicht darstellbar war, mit einem „Umgehungstrick“ lösen zu können. Der angedachten Trick war die Allgemeinverbindlichkeit nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Eine Rechtsverordnung auf Basis des Entsendegesetzes wäre in der Tat eine Alternative zum Weg über das Tarifvertragsgesetz. Der Vorteil aus Sicht der Gewerkschaft: Das Arbeitsministerium könnte die Allgemeinverbindlicherklärung auch gegen den Willen der Arbeitgeber durchsetzen. (…) Die hatten im Vorfeld bereits massiven Widerstand angekündigt, u.a. wollten sie gegen den Versuch einer offensichtlich erwarteten Allgemeinverbindlichkeit klagen, nachdem im Januar 2020 bekannt wurde, dass sich der BVAP mit ver.di über einen Tarifvertrag verständigt hatte. (…) Und hier kommt dann die zweite Drohkulisse, die allerdings nicht nur eine Drohung blieb. Nachdem im Januar 2020 bekannt wurde, dass sich der BVAP mit ver.di über einen Tarifvertrag verständigt hatte, drohte der andere Verband, der AGVP – Arbeitgeberverband Pflege, mit einer Klage gegen einen der Tarifakteure. (…) Der Gewerkschaft fehle es an Tariffähigkeit in der Altenpflege, da sie „keine Durchsetzungskraft in der Branche für sich in Anspruch nehmen kann“, so der Entwurf eines Antrags des Arbeitgeberbandes Pflege an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. (…) Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat Anträge des Arbeitgeberverbands Pflege zur Feststellung fehlender Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di zurückgewiesen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.6.2021 – 21 BVL 5001/21). (…) Um in Umrissen bereits zu verstehen, warum die Klage der Arbeitgeber-Vereinigung zurückgewiesen wurde, muss man sich nur die beiden Leitsätze des Beschlusses anschauen: Die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft ist bezogen auf die Organisation als Ganzes und nicht beschränkt auf einzelne Organisationsbereiche zu prüfen. Die Prüfung erfolgt im Verfahren nach § 97 ArbGG. (…) So geht das also. Die Gewerkschaft ver.di ist ja nun wirklich eine der der ganz großen Gewerkschaften und damit, so die Richter, per se tariffähig. (…) Damit wäre das also geklärt. Nicht ganz, denn: Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen. Ob das noch weitergetrieben wird, bleibt abzuwarten. Aber auch vom Bundesarbeitsgericht wäre kaum ein bedeutsam abweichendes Urteil zu erwarten. Soweit man das mit Blick auf Gerichte überhaupt so sagen kann. Wenn die Frage der grundsätzlichen Tariffähigkeit also geklärt ist bzw. sein sollte, dann bleibt nur noch die Aufgabe, auch genügend Beschäftigte in den oftmals kleinteiligen Altenpflegestrukturen zu finden, die bereit sind, mit der Gewerkschaft die Tarifbindung auszubauen.“ Beitrag von Stefan Sell vom 30. August 2021 auf seiner Homepage , zu weiteren Details siehe den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 24. Juni 2021 – 21 BVL 5001/21 im Volltext. - ver.di kritisiert Entwurf des Gesundheitsministers zur tariflichen Bezahlung in der und fordert deutliche Nachbesserungen – Gewerkschaft kündigt Proteste an
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) äußert deutliche Kritik am neuesten Entwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für ein Gesetz zur tariflichen Bezahlung in der Altenpflege. „Spahn erweckt den Eindruck, er tue etwas für die Pflege. Tatsächlich aber erweist er ihr einen Bärendienst“, sagte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. Die Pläne des Ministers garantierten keine ausreichenden tariflichen Mindestbedingungen in der Altenpflege. Damit über das Gesetz eine Lösung komme, müsse deutlich nachgebessert werden. Dem mit anderen Ressorts noch nicht abgestimmten Entwurf zufolge sollen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, deren Entlohnung sich nach einem bestehenden Tarifvertrag oder kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien in dem jeweiligen Bundesland richtet. „Dabei kann ein von irgendwelchen Pseudogewerkschaften in irgendeiner Einrichtung abgeschlossener Haustarifvertrag zum Maßstab genommen werden. Das öffnet Missbrauch Tür und Tor“, kritisierte Bühler. „Nötig ist stattdessen die uneingeschränkte Anerkennung von in der Branche relevanten Flächentarifverträgen, wie des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst. Hier muss dringend nachgebessert werden.“ Vor allem in den östlichen Bundesländern würden die aufgrund geringer Tarifbindung ohnehin vergleichsweise niedrigeren Löhne durch Spahns Vorhaben dauerhaft zementiert. Hinzu komme der geplante Wegfall der Nachweispflicht, dass die tariflichen Löhne auch tatsächlich gezahlt werden. „Das soll offensichtlich ein Geschenk an die kommerziellen Anbieter sein. Auf den Nachweis darf jedoch auf keinen Fall verzichtet werden“, so die Gewerkschafterin. (…) Ein Rückschritt gegenüber den bisherigen Ankündigungen des Ministers sei auch die lediglich prozentuale Absenkung der Eigenanteile für Pflegeheimbewohner. „Bisher hatte Spahn eine Deckelung der Eigenbeiträge auf 700 Euro ab dem ersten Tag für maximal 36 Monate angekündigt. Jetzt soll es nach einem Jahr schrittweise prozentual Leistungszuschläge geben. Das bedeutet, dass das Problem wachsender Eigenanteile nicht gelöst wird“, sagte Bühler. (…) Die Gewerkschafterin kündigte Proteste gegen die Politik des Gesundheitsministers an…“ ver.di-Pressemitteilung vom 5. Mai 2021 - Pflege-Tarifvertrag: Vom Irrsinn, Pflege als Profitcenter zu organisieren
„Warum das Gesundheitswesen wieder eine öffentlich finanzierte soziale Infrastruktur im Sinne der Gemeinwohlökonomie werden muss. Das Nein der Caritas zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen in der Altenpflege vom 25. Februar hat zu einem Sturm der Empörung geführt. Endlich liegt ein Tarifvertrag vor, der bundesweit für über eine Million Frauen und Männer den Mindestlohn für Beschäftigte in der Pflege erhöht hätte. Und dann lassen die Caritas-Arbeitgeber den Vertrag mitten in der Coronakrise platzen. Was daran kritikwürdig ist, dass es kein Flächentarif für die Pflegebranche zustande gekommen ist, gilt es sorgfältig zu untersuchen. Eine Kritik, die sich allein an den Caritasverband richtet, wird dem Thema nicht gerecht. (…) 1995 hatte die Politik auf die steigenden Pflegekosten einer alternden Gesellschaft mit der Einführung der Pflegeversicherung reagiert. Der bis dahin geltende Branchentarifvertrag wurde aufgegeben und die Selbstkostendeckung ebenso abgeschafft wie das Gewinnerzielungsverbot. Damit die Träger sich wechselseitig unterbieten, wurde die Pflege in ein Marktmodell überführt. Die zuvor ausgeschlossenen privaten Anbieter wurden zugelassen. Diese dienten als Hebel zur Kostenreduzierung. Damit man mit der Pflege zugleich Kosten einsparen und Gewinne erwirtschaften konnte, wurde die Minutenpflege eingeführt. Wer schneller arbeitet, kann Kosten sparen und Gewinne erzielen. All das bedeutete einen Bruch mit der bisherigen Konstruktion des Gesundheitswesens; die Pflege von Menschen wurde zu einer Gelegenheit zur Profitmaximierung. Der Markt wird es schon richten – diese Antwort der Politik auf die Kostensteigerung der Pflege trieb die gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände wie die Caritas mit ihren an den Öffentlichen Dienst angelehnten Gehaltsstrukturen in einen allseitigen Wettbewerb mit privaten Anbietern und deren »Haustarifen«. (…) Wie erwartet, trieben die Anbieter ihre Kosten nach unten. In den Pflegesatzverhandlungen wurde lange anhand des »externen Vergleichs« ein regionaler Mittelwert der Kosten errechnet, der bindend für die Refinanzierung war. Damit aber gerieten Träger wie Caritas und Diakonie mit ihren höheren Lohnkosten unter Druck. Gute Arbeitsbedingungen und Tariflöhne der wohlfahrtsverbandlichen Anbieter wurden so zu einem »Luxus«, den die Kassen nicht mehr vollständig refinanzieren wollten. (…) Erwartet wird also von den beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbänden, die die höchsten Löhne zahlen, dass sie einem Tarifvertrag zustimmen, dessen Dynamik zur Absenkung ihrer eigenen Lohnkosten führen würde. An diesem Punkt sind die Bedenken der Caritas – bei aller berechtigten Kritik am Nein des Caritasverbandes – berechtigt. Der grundsätzliche Konstruktionsfehler ist der Pflegemarkt, der die Pflege von Menschen und die Arbeitsbedingungen der Pflegenden zu einer Ware macht. Doch konstruiert wird ein Quasi-Markt, denn im Unterschied zur Krankenversicherung ist die Pflegeversicherung nicht als Vollversicherung, sondern als gedeckelter Zuschuss geregelt. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen führen deshalb zu steigenden Pflegesätzen. Diese werden an die Kostenträger und vor allem an die Pflegebedürftigen und deren Angehörige weitergegeben. Obwohl Tariflöhne laut Sozialgesetzbuch rechtlich »nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden« dürfen und deshalb refinanziert werden müssen, gibt es ein Interesse an niedrigen Löhnen in der Altenpflege. (…) Die Kommunen haben als Sozialhilfebehörde kein Interesse an hohen Eigenanteilen, auch weil 36 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen teilweise trotz lebenslanger Arbeit auf Sozialhilfe angewiesen sind, deren Eigenanteil die Kommunen zahlen müssen. Um diesen zu erstattenden Eigenanteil gering zu halten, bevorzugt sie die »billigeren« Heime, also jene mit niedrigeren Lohnniveaus. (…) Die Sorge des Verbands katholischer Altenhilfe, der die Altenhilfe der Caritas betreibt: Bei einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung könnte der höherwertige Tarif des Caritasverbandes »in der Refinanzierung das Nachsehen haben«. Die Einrichtungen müssten dann aus wirtschaftlichen Gründen Löhne absenken. Und genau hier liegt der Kern der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzungen. Die Idee einer Lohnfindung auf einem Quasi-Markt mit gedeckten Zuschüssen der Pflegeversicherung funktioniert von Anfang an nicht. (…) Pflege ist keine Ware; sie ist ein soziales und öffentliches Gut. Deshalb haben private Träger und multinationale Konzerne und Private-Equity-Gesellschaften, die Gewinnabsichten verfolgen, in der Pflege nichts zu suchen. Die Kosten, die aufgrund guter Arbeit und guter Arbeitsbedingungen entstehen und plausibel sind, sind zu erstatten. Pflege gehört in die Trägerschaft der Kommunen und der Freien gemeinnützigen Träger…“ Artikel von Franz Segbers vom 08.04.2021 im ND online - Offener Brief an Arbeitsrechtliche Kommissionen von Caritas und Diakonie – ver.di fordert erneute Beratung über Tarifvertrag Altenpflege
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert in einem Offenen Brief die Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie auf, erneut über die bundesweite Erstreckung des zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverbandes BVAP ausgehandelten Tarifvertrags Altenpflege zu beraten. „Helfen Sie, den Weg frei zu machen, dass der Tarifvertrag bundesweit erstreckt werden kann. Das ist der einzige Weg, um kurzfristig bessere Mindestarbeitsbedingungen in der Altenpflege zu schaffen“, heißt es in dem Offenen Brief…“ ver.di-Meldung zum und mit offenen Brief vom 29. März 2021 und darin: „… Wer, wenn nicht Caritas und Diakonie, die beiden bedeutenden kirchlichen Wohlfahrtsverbände sollte die Größe haben, eine Entscheidung, die sich als nicht richtig herausstellt, zu revidieren?…“ - Caritas 2021: Keiner trage des Anderen Last. Über Sündenfälle der Kirchen und das strategische Dilemma von ver.di beim Tarif Altenpflege
„… Die Ablehnung der Caritas ist auch kirchenintern umstritten. Nicht nur die kirchlichen Mitarbeitervertretungen (»MAV«), sondern auch einige Diözesangliederungen und viele Kirchenfunktionäre und Theolog:innen waren entsetzt über den Mangel an Solidarität mit den Beschäftigten in der privatwirtschaftlich organisierten Altenpflege. (…)Die evangelische Unternehmenswelt der Diakonie konnte sich bequem hinter dem Caritas-Beschluss wegducken und gab sehr zum Ärger der dortigen MAV gar keine Stellungnahme mehr ab. So weit, so schlecht. Aber es geht noch weiter. Denn der auch für einen Arbeitgeberverband mit schlechten Manieren ungewöhnlich aggressive und ruppige Arbeitgeberverband Pflege (AGVP), der große Teile der privaten Pflegewirtschaft repräsentiert, die in der Branche für die schlechtesten Arbeitsbedingungen steht, hat sich im Vorfeld in Angriffsposition gebracht. (…) Der mühsame Weg der Organisierung der Branche ist angesichts ihrer zersplitterten Struktur und begrenzter gewerkschaftlicher Ressourcen extrem schwierig, der Weg der bedingungsgebundenen Tarifarbeit bei der großen Anzahl der Einrichtungen ebenfalls. Von daher ist es strategisch nachvollziehbar, über eine Vereinbarung mit den wenigen tarifbereiten Trägern wie ASB, AWO etc. zunächst einmal zu einem Tarifvertrag in der Altenpflege zu kommen und diesen dann mit Hilfe der 2019 geschaffenen rechtlichen Möglichkeiten allgemeinverbindlich erklären zu lassen. (…) Egal welcher Ansatz für einen zweiten Anlauf gewählt wird, am mühsamen Weg der Organisations- und Mitgliederentwicklung in den Pflegebetrieben führt keine Abkürzung vorbei. Wohl wissend, dass dies vor allem im ambulanten Bereich eine quälend schwierige Aufgabe ist. Ohne eine Mobilisierung zumindest eines aktiven Kerns der Beschäftigten ist ver.di zu sehr von politischen Patenschaften abhängig…“ Artikel von Andreas Bachmann , erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 3-4/2021 - [Petition] Caritas: Faire Pflegelöhne jetzt!
„Altenpflege ist ein Knochenjob, für den es viel zu wenig Lohn und Anerkennung gibt. Jetzt haben Hunderttausende Beschäftigte die Chance auf bessere Arbeitsbedingungen – mit einem bundesweiten Tarifvertrag. Doch ausgerechnet der kirchliche Caritasverband blockiert. Unterzeichnen Sie jetzt und zeigen Sie der Caritas: Wir brauchen faire Löhne in der Pflege! der Beruf ist systemrelevant, die Bezahlung gering: Altenpfleger*innen arbeiten am Limit. Vor allem in den Pflegeeinrichtungen, die großen Konzernen gehören – das sind mittlerweile fast 50 Prozent. Denn private Träger wollen möglichst profitorientiert wirtschaften und drücken deshalb die Löhne. Das muss sich ändern: Wir brauchen faire Pflegelöhne für alle. Die Chance: ein bundesweiter Tarifvertrag. Die Gewerkschaft will ihn, Arbeitsminister Hubertus Heil will ihn, sogar einige Arbeitgeber*innen wollen ihn. Nun blockiert ausgerechnet der katholische Caritasverband: Die Vertreter*innen der Arbeitgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas haben den Tarifvertrag abgelehnt. Wir fordern: Die Caritas muss ihren Beschluss umgehend korrigieren und dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zustimmen. Gerade als christliche Organisation sollte sich der Verband zu guten Arbeitsbedingungen und würdevoller Pflege bekennen.“ Petition bei Campact mit 5-Minuten-Info Caritas - Die Anstalt vom 16. März 2021 ruft zur Wutspende bei Caritas und Diakonie auf
Wutspende: „Aufgebracht durch die Vorgänge rund um die Tarifkommission zur Altenpflege, wendet sich der neue Kanzler erstmals an sein Volk.“ Video des Beitrags beim ZDF (3 min, Video verfügbar bis 16.03.2022) und zuvor: Die Kirchen-Cam: „Nachdem Kanzler Max vom Ablauf der Tarifverhandlungen in der Altenpflege erfahren hat, drängt sich ihm in seiner Vorstellung ein bizarres Bild auf.“ Video des Beitrags beim ZDF (2 min, Video verfügbar bis 16.03.2022), aber am wichtigsten die Darstellung des Tarif-Systems in der Pflege im Beitrag „Die Amtseinführung“: „Kanzler Max macht sich an die Umsetzung seines Wahlprogramms. Bereits beim ersten Punkt „Höchstlöhne für alle in der Altenpflege“ bekommt er es mit der deutschen Bürokratie zu tun.“ Video des Beitrags beim ZDF (14 min, Video verfügbar bis 16.03.2022). siehe auch den Faktencheck zur Sendung vom 16. März 2021 und das Video der gesamten Sendung - ver.di: Altenpflege aufwerten
„Sonntags reden sie von Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit. Von fairer Bezahlung für die, die jeden Tag fürsorglich mit Menschen arbeiten, will die Caritas aber nichts wissen. Einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für Altenpflegekräfte hat sie verhindert. Wenn es darauf ankommt, sind die „Dienstgeber“ also doch einfach nur Arbeitgeber. Scheinheilig statt heilig. Vom Scheitern des Tarifvertrags profitieren vor allem die Arbeitgeber privater Pflegedienste und -heime. Viele von ihnen ziehen das Lohnniveau der Branche seit Jahren nach unten. Ihre Billigstrategien werden sie nun beibehalten können. Faire, für alle gleiche Wettbewerbsbedingungen brauchen sie vorerst nicht zu befürchten. Die Folge: Der Personalmangel in der Altenpflege wird weiter zunehmen. Schon heute fehlen 115.000 Beschäftigte. Die Chance, den Beruf durch gute Bezahlung noch in diesem Sommer attraktiver zu machen, ist vertan. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss jetzt handeln. Mehrfach hat er höhere Pflegelöhne gefordert. ver.di sagt: Spahn muss sofort sicherstellen, dass diese nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen. Und wenn er Arbeitgeber zu Tarifverträgen verpflichtet, muss er Gefälligkeitstarifverträge mit Pseudogewerkschaften verhindern. Aber auch die mittelalterlichen Privilegien der Kirchen gehören weg. Die Beschäftigten bei Caritas, Diakonie und Kirchen brauchen die gleichen Rechte und Tarifverträge wie andere Beschäftigte auch.“ Aus ver.di Wirtschaftspolitik aktuell 05/2021 - Nach dem Klatschen kommt die Klatsche. Caritas verhindert allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Pflege
„… Die Hoffnung für ver.di waren nun die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonisches Werk. Mit ihrer Zustimmung zum Tarifvertrag wäre der Geltungsbereich erheblich ausgedehnt worden und die Chancen für eine Allgemeinverbindlichkeit wären gestiegen. Im Vorfeld gab es wohl intensive Gespräche von ver.di mit Caritas und Diakonie zu diesem Thema. Am 25.Februar jedoch machte die Caritas einen Strich durch diese Rechnung und lehnte den Tarifvertrag ab. Interessant dabei ist, dass die von der Caritas gezahlten Gehälter in der Regel über denen liegen, die im Tarifvertrag mit der BVAP festgelegt wurden. Teilweise hätte aber auch die Caritas Löhne erhöhen müssen. Doch dürfte das Geld hier eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Die offizielle Begründung der Caritas gibt sich sehr sozial: Wenn der Tarifvertrag allgemeinverbindlich werde, würden die Pflegekasse und andere Kostenträger die Zahlung für Leistungen an diesem Tarif orientieren und die höheren Kosten bei anderen Einrichtungen nicht mehr finanzieren. Das aber stimmt nicht: Das Sozialgesetzbuch regelt ausdrücklich, dass durch Tarifverträge entstehende Kosten nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Nur nebenbei wird erwähnt, was wohl der eigentliche Grund sein dürfte: Die Beibehaltung eines eigenständigen kirchlichen Arbeitsrechts ohne Tarifverträge, auch unter dem Begriff „Dritter Weg“ bekannt (siehe Kasten). Auch die Arbeitgeberseite der Diakonie hatte sich gegen die Annahme des Tarifvertrags ausgesprochen. Die Verhandlungen darum wurden mit einem „Schade um die verlorene Zeit“ kommentiert. Nach dem Beschluss der Caritas hat sich die „Arbeitsrechtliche Kommission“ der Diakonie gar nicht mehr mit dem Thema befasst, da die Allgemeinverbindlichkeit ja sowieso nicht mehr möglich sei. Von Seiten der Gewerkschaft gab es einige Protestaktionen vor Caritasgeschäftsstellen, vor allem am 8.März, dem Internationalen Frauentag. Der Caritas wird nun „Scheinheiligkeit“ vorgeworfen. Das wäre ein neuer Ton in der Auseinandersetzung. Ver.di hofft nun darauf, die Löhne durch eine erneute Anhebung des Pflegemindestlohns verbessern zu können. Hier haben die privaten Arbeitgeber nach einer Gesetzesänderung nicht mehr die Möglichkeit ein Veto einzulegen. Aber auch die kirchlichen Arbeitgeber standen hier meistens auf der Bremse. Und der Pflegemindestlohn wurde er schon im April 2020 erhöht und weitere jährliche Steigerungen bis April 2022 festgelegt. Weitere Erhöhungen sind also regulär erst ab 2023 möglich. Ohne starken Druck von unten wird es da keine schnelle Erhöhung geben. Und das ist für ver.di ein Problem, das nicht so einfach zu lösen ist…“ Artikel auf der Homepage der Arbeiterpolitik mit dem lesenswerten Kasten „„Gott kann man nicht bestreiken!“ Der „Dritte Weg“ des kirchlichen Arbeitsrechts“ - Was für ein unheiliges Desaster: Die katholische Caritas blockiert den Weg zu einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die Altenpflege, die Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber freuen sich und die Pflegekräfte ganz unten bleiben unten
„… Das Feld der stationären und ambulanten Pflege ist tarifpolitisch besonders vermint, hier stehen sich im Grunde zwei Blöcke gegenüber, die gemeinnützigen Anbieter (mit einem besonderen Schwergewicht bei den katholischen und evangelischen Trägern) sowie die privatgewerblichen Anbieter (kommunale Träger sind nur noch in Spurenelementen) vorhanden. Fast die Hälfte der immer im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehenden Altenheime sind schon in privatgewerblicher Hand, bei den ambulanten Pflegediensten sind es zwei Drittel. Und mit Blick auf diese Seite des „Marktes“ müssen wir eine quasi tariffreie Zone konstatieren (die übrigens auf der Seite der Beschäftigten durch einen desaströs niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad komplettiert wird). Hinzu kommt, dass auf der Seite der gemeinnützigen Anbieter die beiden konfessionell gebundenen Schwergewichte, vertreten durch Caritas und Diakonie, in einer Sonderwelt leben dürfen, dem sogenannten „Dritten Weg“. (…) Der „normale“ Weg einer Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) über den § 5 TVG (Tarifvertragsgesetz) ist im Fall der Altenpflege blockiert. (…) Es bleibt als eine Art „Umgehungsstrategie“ der Weg über das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Eine Rechtsverordnung auf Basis des Entsendegesetzes wäre in der Tat eine Alternative zum Weg über das Tarifvertragsgesetz. Der Vorteil aus Sicht der Gewerkschaft: Das Arbeitsministerium könnte die Allgemeinverbindlicherklärung auch gegen den Willen der Arbeitgeber durchsetzen. (…) Aber spätestens dann stellt sich die bereits erwähnte Frage: Welcher Tarifvertrag denn? Es gibt schlichtweg keinen halbwegs relevanten Tarifvertrag in diesem tariffreien Gelände (und zugleich aufgrund des „dritten Weges“: In den kirchlich gebundenen Einrichtungen und Diensten gibt es zwar Arbeitvertragsrichtlinien, aber eben keine klassischen Tarifverträge, die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden). Also haben sich einige auf den Weg gemacht, dieses Problem „aus der Welt zu schaffen“, in dem auf der gemeinnützigen Seite extra ein eigener Arbeitgeberverband ins Leben gerufen wurde (der BVAP – Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche), der dann mit der Gewerkschaft ver.di Tarifverhandlungen geführt hat für die Altenpflege. Mit dem Ziel, ein Tarifwerk zu schaffen, dass dann seitens des Bundesarbeitsministeriums bzw. der Bundesregierung genutzt werden kann für eine Allgemeinverbindlicherklärung auch gegen den Widerstand der in zwei Arbeitgeberverbänden zusammengeschlossenen privatgewerblichen Anbieter (zum einen der bpa Arbeitgeberverband und zum anderen der AGVP – Arbeitgeberverband Pflege). (…) Aber dazu kommt es nun gar nicht mehr. Denn der ganze Prozess, an dessen Ende möglicherweise ein allgemeinverbindlich erklärter BVAP/ver.di-Tarifvertrag stehen könnte (der Konjunktiv sei hier dick unterstrichen), wurde bereits am Anfang gestoppt und für die absehbare Zukunft verunmöglicht, sollte es nicht ein Wunder geben. (…) Und verantwortlich dafür sind nicht etwa Verbände gieriger privater Heimbetreiber – sondern die Dienstgeberseite der katholischen Caritas, die die Ausweitung eines neuen Tarifvertrags zum Scheitern gebracht hat.« Und sie bilanziert zutreffend: »Dass ausgerechnet die Caritas einen höheren Mindestlohn verhindert, ist ein neuer Tiefpunkt im Umgang mit den Pflegekräften.« (…) Und man muss wissen, dass man die beiden kirchlichen Trägerverbände bei den Verhandlungen zwischen BVAP und ver.di eingebunden und beteiligt hatte, damit die zustimmen können und gleichzeitig ihr Selbstbestimmungsrecht („Dritter Weg“) nicht aufgeben müssen. (…) Interessant und relevant ist der Hinweis von Hans-Peter Daub aus den Reihen der Diakonie auf die möglichen tatsächlichen Gründe, die dann zu einer Ablehnung seitens der Caritas-Kommission geführt haben: »Der Hauptgrund ist offenbar die Sorge um die arbeitsrechtlichen Sonderrechte der Kirchen … Die Befürchtung ist eher grundsätzlich und langfristig, in dem Sinne, dass solch ein Tarifvertrag irgendwann einmal faktisch zur Leitwährung der Branche würde und damit indirekt doch von außen das Sonderrecht der Kirchen gefährdet sei, ihre inneren Angelegenheiten zu regeln.« (…) Selbst die Mindestentgelte im Tarifvertrag sind nun wirklich keine Reichtümer, aber sie wären eine durchaus spürbare Verbesserung zu den bestehenden bzw. per Rechtsverordnung verabschiedeten Mindestlöhnen. Aber seien wir doch mal ehrlich: 15 Euro brutto für eine qualifizierte Pflegefachkraft in der Altenpflege – für diese Arbeit, Verantwortung, Belastung? Das ist an sich schon ein Schlag ins Gesicht der Pflege. Das ist überhaupt nicht akzeptabel. Und das sendet ein fatales Signal an viele, die man dringen braucht und brauchen wird in der Altenpflege. Aber um die geht es ja bei unserem Thema nicht wirklich.“ Beitrag von Stefan Sell vom 7. März 2021 auf seiner Homepage - Protestkundgebung vor der Geschäftsstelle der Caritas und der Diakonie Bayern am 1.3. in Nürnberg: Die Altenpflege kämpft weiter – weil schlechte Arbeitsbedingungen nicht gottgegeben sind!
Der Kampf für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege hat durch die Blockadehaltung der kirchlichen Träger Caritas und Diakonie einen herben Rückschlag erlitten. Aufgrund des negativen Votums von 31 kirchlichen Mandatsträger erhalten 1,2 Millionen Beschäftigte in der stationären und ambulanten Altenpflege keinen einheitlichen Tarifvertrag. Für Viele bedeutet das: weiterhin Vergütung auf Mindestlohn-Niveau, kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld, nur der gesetzliche Urlaubsanspruch. Das einzige Argument, dass die kirchlichen Vertreter für ihr Verhalten anführen ist, dass sie auf Perspektive ihre kirchlichen Sonderrechte in Gefahr sehen. Ins Fäustchen lachen sich dabei die privaten Pflegeanbieter, die nun weiterhin mit Niedriglöhnen Millionengewinne zu Lasten der Beschäftigten und Pflegebedürftigen einfahren können. Um darauf aufmerksam zu machen, dass der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege weitergeht, dass aber auch klar wurde, auf wen sich die Beschäftigten, Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verlassen können – und auf wen nicht – veranstaltet die „Initiative Gesundheit statt Profit“ am: Montag, 1.März eine Protestkundgebung vor der Geschäftsstelle der Caritas und der Diakonie Bayern. Beginn: 17:00 Uhr, Ort: Pirckheimerstrasse 14B in Nürnberg, aufgeruden durch Initiative solidarischer ArbeiterInnen + Initiative Gesundheit statt Profit - Caritas erledigt Drecksarbeit. Trotz des Pflegenotstands ist der Versuch gescheitert, die Mindestlöhne in der Branche zu erhöhen. Was bedeutet das für Beschäftigte?
“Wenn Arbeitskräfte knapp sind, können sie höhere Gehälter durchsetzen, heißt es oft. Pflegekräfte sind knapp. Ihre Arbeit ist wichtig und in der Pandemie schwieriger geworden. Dennoch ist am Donnerstag der Versuch gescheitert, einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Altenpflege umzusetzen, der wenigstens die Mindestlöhne erhöht hätte. Gestoppt haben das Vorhaben die Arbeitgebervertreter der Caritas. Sie haben die »Drecksarbeit« für andere gemacht, sagt der Sozialforscher Stefan Sell. (…) Laut Gesetz kann der Arbeitsminister einen Tarifvertrag in der Altenpflege aber nur dann für allgemeinverbindlich erklären, wenn Caritas und Diakonie zustimmen, wo viele Pflegekräfte angestellt sind. Am Donnerstag hat sich nun die Arbeitgeberseite der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas dagegen ausgesprochen und damit das Vorhaben gestoppt. Die Diakonie-Kommission entschied deshalb am Freitag, gar nicht mehr darüber abzustimmen. Nun bleibt es bei den bereits bestehenden Mindestlöhnen für die Branche. Demnach haben Pflegekräfte in Ostdeutschland derzeit Anspruch auf 11,20 Euro pro Stunde, das sind bei einer vollen Stelle weniger als 2000 Euro. Im Westen ist der Stundenlohn 40 Cent höher. Ab Juli gibt es erstmals einen Mindestlohn speziell für Fachkräfte in Höhe von 15 Euro pro Stunde. (…) Die Caritas-Mitarbeitervertreter zeigten sich denn auch enttäuscht über die Ablehnung der Arbeitgeberseite. »Ein allgemeinverbindlicher Tarif Altenpflege hätte für Tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigen Menschen ein Ende von Dumpinglöhnen bedeutet«, heißt es in einer Pressemitteilung. Laut Cleophas liegen die Caritas-Gehälter derzeit über den Mindestvergütungen, die der geplante Branchen-Tarifvertrag vorsah, auch in kommunalen Einrichtungen erhalten Pflegehelferinnen mehr. Für die Caritas hätte sich also zunächst nichts geändert. Warum haben die Arbeitgeber dann Nein gesagt? (…) Damit verbunden ist eine generelle Befürchtung: Manche hätten den sogenannten Dritten Weg in Gefahr gesehen, wenn der Tarifvertrag allgemeinverbindlich erklärt wird, so die Caritas-Arbeitgeber. Der »Dritte Weg« bezeichnet die Art, wie in vielen kirchlichen Einrichtungen die Arbeitsbedingungen ausgehandelt werden, nämlich von internen, arbeitsrechtlichen Kommissionen, in denen Mitarbeitende und Arbeitgebervertreter sitzen. Dieser Weg basiert auf Sonderregelungen für Kirchen, die sich aus ihrem Selbstbestimmungsrecht ableiten. Dazu gehört auch, dass das Streikrecht eingeschränkt ist. »Die strategischen Befürchtungen gehen offenbar dahin«, so Sell, »dass der Tarifvertrag später die heute noch besseren Regelwerke der Kirchen überholen könnte und darüber das Sonderrecht der Kirchen ausgehöhlt wird. Das Schlimme ist: Die Caritas macht die Drecksarbeit für private Arbeitgeber, die oft extrem niedrige Gehälter zahlen und jede Tarifbindung meiden wollen wie der Teufel das Weihwasser.«…“ Artikel von Eva Roth vom 26.02.2021 in neues Deutschland online - Verdi-Chef Werneke zur Altenpflege: „Jetzt ist Spahn am Zug“
“[Herr Werneke, obgleich es eine enge Abstimmung mit Caritas und Diakonie gegeben hat bei der Formulierung eines Tarifvertrags für die Altenpflege, votierte die Caritas gegen die Allgemeinverbindlichkeit des Vertrags. Was ist schiefgelaufen?] Die Dienstgeberseite hat sich offenbar aus zwei Gründen gegen den Tarifvertrag entschieden. Zum einen sind die Dienstgeber der Kirchen stark weltanschaulich und mental im Arbeitgeberlager verankert. Daraus ergibt sich eine Distanz zu Gewerkschaften. Und zum anderen hat der Bundesgesundheitsminister eine große Rolle gespielt, indem er den Dienstgebern eine Möhre hingehalten hat. Was für eine Möhre? Jens Spahn hat behauptet, es gebe eine Alternative zu unserem Tarifvertrag, indem er den Dienstgebern die Refinanzierung der Personalkosten angeboten hat: Wenn sich die Pflegeheimbetreiber oder ambulanten Pflegedienste an einen Tarif halten, übernimmt die Pflegeversicherung die Kosten. Diese Aussage Spahns hat dann offenbar manche Dienstgeber von der Zustimmung zur Allgemeinverbindlichkeit unseres Tarifes abgehalten . [Das klingt doch gut, denn das Ziel einer höheren Tarifbindung könnte auch damit erreicht werden] Warten wir ab, ob Jens Spahn den Vorschlag ernst meint und Taten folgen lässt, oder ob das ein Ablenkungsmanöver war, um die Allgemeinverbindlichkeit des Flächentarifs zu verhindern. Wenn er es ernst meint, dann muss ausgeschlossen werden, dass Arbeitgeber auf Gefälligkeitstarifverträge von Pseudo-Gewerkschaften Bezug nehmen können und weiter Dumpinglöhne zahlen. Die Erwartungen von 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflege richten sich an Spahn. Er muss einen Gesetzgebungsvorschlag machen. Und wenn nicht? Dann werden wir die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu einem zentralen Thema im Bundestagswahlkampf machen. Und sicherlich nicht nur wir. In der Pandemie ist doch allenthalben deutlich geworden, zu welchen Bedingungen in der Pflege gearbeitet wird..“ Interview von Alfons Frese mit Frank Wernecke vom 26.02.2021 im Tagesspiegel online - [Im Namen des Herrn] Tarifvertrag für Pflegende scheitert: Ausgerechnet die Caritas
„Ein allgemeiner Tarifvertrag für die Altenpflege schien greifbar – doch jetzt hat sich die Caritas quergestellt. Pflegekräfte sind entsetzt. Caritas – das heißt übersetzt Nächstenliebe. Doch seinem Namen hat der gleichnamige katholische Wohlfahrtsverband am Donnerstag keine Ehre gemacht. Bei der Abstimmung, ob man sich für die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags in der Altenpflege ausspricht, blockierte die komplette Arbeitgeberseite in der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas das Vorhaben. Der Vertrag hätte für mehr als eine Million Beschäftigte verbindliche Löhne vorgesehen. Mit 160.000 Beschäftigten ist die Caritas einer der größten Arbeitgeber der Brache. Mit der Entscheidung ist wohl das gesamte Projekt eines allgemeingültigen Tarifvertrags in der Altenpflege erst einmal vom Tisch. Das notwendige Quorum an Beschäftigten, die vom Tarifvertrag abgedeckt werden ist ohne diesen wichtigen Verband nicht mehr zu erreichen. Das Quorum ist nötig, damit der Vertrag überhaupt vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Auch eine zeitnahe Wiederaufnahme dieses aufwendigen Großprojekts ist nach der Entscheidung der Caritas unrealistisch. „Wir sind komplett überrascht und erschüttert“, sagte Rolf Cleophas von der Caritas-Beschäftigtenseite gegenüber der „taz“. „Wir wussten, dass es kritische Stimmen gibt, aber dass sich die komplette Dienstgeberseite in dem Gremium dagegen ausgesprochen hat, ist ein Schock.“ (…) Hintergrund für die Ablehnung der Caritas war offenbar die Furcht um ihre kirchlichen Sonderrechte. (…) Diese Sorge um das kirchliche Sonderrecht ist Beschäftigtenvertreter Cleophas unverständlich – denn der Tarifvertrag Altenpflege hätte noch immer teils deutlich unterhalb der Caritas-Gehälter gelegen. „Auch bei künftigen Steigerungen hätten wir darüber gelegen. Die Arbeitgeberseite bei uns hätte also gar nicht auf ihre Sonderrechte fürchten müssen.“ Gewerkschaften und Tarifverträge seien jedoch Kampfbegriffe in den Ohren einiger Dienstgeber. Die Ablehnung sorgte auch bei den anderen Trägern von Altenpflegeeinrichtungen für heftige Reaktionen: Die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas habe sich „zum Nachteil einer ganzen Berufsgruppe“ quergestellt, sagte der AWO-Vorstandsvorsitzender Jens Schubert…“ Artikel von Alina Leimbach vom 25.2.2021 in der taz online – siehe ver.di und den DGB dazu:- Bundesweiter Tarifvertag Altenpflege: ver.di kritisiert Ablehnung durch die Caritas als scheinheilig
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die Ablehnung eines bundesweiten Tarifvertrages für die Altenpflege durch die Caritas scharf. „Die Caritas handelt mit dieser Entscheidung in krassem Widerspruch zu ihren eigenen sonstigen Aussagen und Werten, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bedeutung sozialer Dienste geht. Das ist mehr als scheinheilig. Die Arbeitgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission kommt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, für bundesweit bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu sorgen, nicht nach. Das ist ein schlimmes Signal für die Beschäftigten in der Altenpflege“, sagte Sylvia Bühler, ver.di-Bundesvorstandsmitglied. Die Ideologen unter den kirchlichen Arbeitgebern würden auftrumpfen, Verlierer seien aber die rund 1,2 Millionen Beschäftigte in der Altenpflege. „Ideologie schlägt Humanität, das ist ein trauriger Tag für die Altenpflege. Die Beschäftigten leisten gerade auch in der Corona-Krise Außerordentliches. Jetzt müssen sie konstatieren: Nach dem Klatschen kommt die Klatsche.“ „Händeringend werden überall Altenpflegerinnen und Altenpfleger gesucht – diese gewinnt man nur mit guten Arbeitsbedingungen und anständiger Bezahlung“, so Bühler weiter. Ein bundesweit geltender Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen würde das Lohnniveau nach unten absichern. „Die Ablehnung eines solchen Tarifvertrages macht die Caritas unglaubwürdig, denn faktisch profitieren von dieser Entscheidung diejenigen privaten Arbeitgeber, die das eklatante Personalproblem in der Altenpflege durch schlechte Löhne und miese Arbeitsbedingungen verursacht haben. Ausgerechnet mit denen macht sich der kirchliche Wohlfahrtsverband gemein.“ Die heutige Entscheidung der Caritas werfe erneut die Frage nach Legitimation der bislang grundgesetzlich geschützten Stellung der Kirchen auf…“ Pressemitteilung vom 25.02.2021 - Caritas lehnt Tarifvertrag Altenpflege ab: „Bitterer Tag für Beschäftigte in der Pflege“
„Die Caritas lehnt einen bundesweit geltenden Tarifvertrag für die Altenpflege ab. Damit ist heute die große Chance vertan worden, die Arbeit in der Pflege nachhaltig aufzuwerten. DGB und ver.di kritisieren die Entscheidung der Caritas scharf. „Das ist ein bitterer Tag für die Beschäftigten in der Pflege“, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel das Votum der Caritas. Der christliche Wohlfahrtsverband lehnt eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung des von ver.di und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BVAP) ausgehandelten Tarifvertrags für die Altenpflege ab. „Damit ist heute die große Chance vertan worden, die Arbeit in der Pflege nachhaltig aufzuwerten.“ Insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen Pflegekräfte unter extremsten Bedingungen nicht zuletzt ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familien riskieren, sei das ein schlechtes Signal für all diejenigen, die man im Beruf halten will und künftig für diesen Beruf begeistern möchte, sagt Piel…“ DGB-Meldung vom 25.02.2021 - iehe auch den Kommentar von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 26.02.2021 : Im Namen des Herrn. „Bei den Lobbyisten der privaten Pflegekonzerne knallten am Donnerstag die Champagnerkorken. Angestoßen haben die Profiteure der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen vermutlich auf die Caritas. Deren Arbeitsrechtliche Kommission hat der flächendeckenden Erstreckung des von Verdi ausgehandelten Tarifvertrags für die Altenpflege nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz die Zustimmung verweigert. So verhindert der katholische Wohlfahrtsverband, dass Mindestbedingungen in der Branche geschaffen werden, an die sich alle Träger zu halten hätten. Das Lohndumping kann also weitergehen, Applaus war gestern – dank Caritas…“
- Siehe auch unsere Rubrik Kirche als Arbeitgeber
- Bundesweiter Tarifvertag Altenpflege: ver.di kritisiert Ablehnung durch die Caritas als scheinheilig
- ver.di verurteilt Verunglimpfung von flächendeckend besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen in der Altenpflege
“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) verurteilt die Verunglimpfung von flächendeckend besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen in der Altenpflege von Teilen des Arbeitgeberlagers. „Es ist unverantwortlich, wie einige Arbeitgeberfunktionäre das Problem des Personalnotstandes in der Altenpflege ignorieren und mit aller Macht verhindern wollen, dass Ausbeutung in diesem gesellschaftlich so relevanten Arbeitsfeld der Daseinsvorsorge beendet wird. Händeringend werden landauf, landab Altenpflegerinnen und – pfleger gesucht. Diese gewinnt und hält man nur mit guten Arbeitsbedingungen und anständiger Bezahlung“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. „Ein bundesweit geltender Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen sichert das Lohnniveau nach unten ab.“ Es könne nicht sein, dass diejenigen Arbeitgeber, die das Problem durch schlechte Löhne und miese Arbeitsbedingungen verursacht hätten, um höhere Renditen zur erwirtschaften, weiterhin Lösungen torpedierten. „Gute Arbeit und faire Löhne sollten für verantwortungsvolle Sozialpartner selbstverständlich sein.“ Dies sei auch ein Gebot der Vernunft, um gute Pflege zu sichern. „Der Angriff auf faire Vergütung ist letztlich auch gegen die Interessen der Wirtschaft: Wenn Facharbeiter zu Hause bleiben müssen, um ihre pflegebedürftige Angehörigen zu versorgen, weil es nicht genug professionelle Pflegepersonen gibt, fehlen sie in den Unternehmen.“ ver.di hatte sich zuletzt mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) auf den endgültigen Inhalt des Tarifvertrages über Mindestbedingungen in der Altenpflege verständigt. Dieser soll nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zum 1. August 2021 auf die gesamte Branche erstreckt werden…“ ver.di Pressemitteilung vom 22.02.2021 - Pflegekräfte müssen 53 Jahre für Rente auf Niveau der Grundsicherung arbeiten
“Wer als ungelernte oder gering qualifizierte Altenpflegekraft lediglich den Mindestlohn bekommt, schafft es in seinem Berufsleben nicht, sich eine Rente in Höhe der Grundsicherung von aktuell 832 Euro zu erarbeiten. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Danach muss eine Pflegehilfskraft auf Basis des ab 1. April gültigen Mindestlohnes von 11,80 Euro pro Stunde ununterbrochen 53 Jahre arbeiten, um eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu erreichen. Bei einer Pflegehilfskraft mit mindestens einjähriger Ausbildung (Mindeststundenlohn 12,50 Euro) sind bei einer 35-Stunden-Woche 50 Arbeitsjahre notwendig. Examinierte Pflegefachkräfte, für die ab Juli bundesweit ein Stundenlohn von mindestens 15 Euro gilt, müssen den Berechnungen zufolge 42 Jahre tätig sein, um eine Rente auf Höhe der Grundsicherung zu erreichen. Die Ausweitung des von der Gewerkschaft Verdi mit dem neuen Pflege-Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelten Tarifvertrags auf die gesamte Branche würde die notwendigen Arbeitsjahre bis zum Erreichen einer Rente auf Grundsicherungsniveau bei allen Beschäftigten reduzieren . Pflegehilfskräfte bräuchten den Berechnungen zufolge mit dem dort vereinbarten Stundenlohn von zunächst 12,40 Euro noch 51 Jahre, Pflegekräfte mit mindestens einjähriger Ausbildung (Stundenlohn 13,10 Euro) noch 48 Jahre und Pflegefachkräfte (Stundenlohn 16,10 Euro) noch 39 Jahre…“ Artikel von Tim Szent-Ivanyi vom 17.02.2021 beim RedaktionsNetzwerk Deutschland - Was ist Systemrelevanz wert? Altenpflege: Endlich gibt es einen Tarifvertrag für die unterbezahlte Branche. Noch ist umkämpft, für wen alles er gelten wird
“ Rückenprobleme und Depressionen, das attestiert der im Dezember vorgelegte „Barmer-Report“ den Altenpflegekräften des Landes. Die ohnehin hohen Belastungen seien durch Corona weiter gestiegen, so die Wissenschaftler, mit 40 Prozent mehr Fehltagen sowie häufigeren und längeren Krankenhausaufenthalten gehören sie zu den am stärksten belasteten Berufsgruppen. Eine zeitgleich erschienene Umfrage der Diakonie offenbarte zudem, dass Corona den chronischen Personalmangel in diesem Tätigkeitssegment noch einmal befördert hat, über zwei Drittel der Beschäftigten erklärten, ihre Arbeit habe sich aufgrund der erhöhten Schutzmaßnahmen und weil Kolleginnen – in der Regel Frauen – ausfielen, erheblich verdichtet. Die Situation könnte sich unmittelbar entspannen, wenn die geschätzt 25.000 Aussteigerinnen, die ihren Job wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und der katastrophalen Bezahlung hingeworfen haben, in ihren Beruf zurückkehren würden. Derzeit beträgt der Pflegemindeststundenlohn für Hilfskräfte bittere 11,60 Euro im Westen und 11,20 Euro im Osten. Auch examiniertes Fachpersonal verdient weniger als das im Krankenhaus tätige, insbesondere weil sich die privaten Arbeitgeber in der Altenpflege vehement gegen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag sträuben. Doch für mögliche Rückkehrerinnen gibt es Hoffnung, denn in die seit Jahren blockierte Verhandlungssituation in der völlig zersplitterten Pflegelandschaft ist Bewegung gekommen. Die 2019 gegründete Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) hat sich mit der Gewerkschaft Verdi auf einen Tarifvertrag geeinigt, der zu einem beträchtlichen Einkommensschub führen könnte. Der Stundenlohn für gelernte Altenpflegekräfte steigt bis 2023 stufenweise auf 18,75 Euro, für Hilfskräfte auf 14,40 Euro. Die Schlechterstellung der in den ostdeutschen Ländern Beschäftigten soll vorzeitig aufgehoben werden. Bei einer 39-Stunden-Woche würde Hilfskräften ein Monatsminimum von 2.440 Euro zustehen, Pflegefachkräften mit einer dreijährigen Ausbildung mindestens 3.180 Euro. Der Jahresurlaub wird auf 28 Tage (derzeit gesetzlich 20 Tage) erhöht und mit einem zusätzlichen Urlaubsgeld von 500 Euro vergütet. Das ist für eine körperlich und psychisch fordernde Tätigkeit noch immer wenig genug, aber, wie die Verhandlungsführerin von Verdi, Sylvia Bühler, erklärte, „ein wichtiger Schritt in Richtung eines flächendeckenden Tarifvertrags“. Ein großer Wermutstropfen sei, dass die Beschäftigten in Technik und Reinigung nicht in das Tarifwerk eingebunden werden konnten. (…) Die insgesamt 1,1 Millionen Pflegenden in der Altenhilfe würden davon also nur profitieren, wenn der Tarifvertrag allgemeinverbindlich für die Branche erklärt und damit der unwürdige Pflegemindestlohn überflüssig würde. Nutznießer wären insbesondere Arbeitnehmer, die bei privaten Trägern beschäftigt sind. Diese besetzen rund 40 Prozent dieses Pflegesegments und bezahlen deutlich unter Tarif, während in kommunalen und kirchlichen Häusern oft eigene Tarifregelungen gelten, die teilweise über den zwischen Verdi und BVAP ausgehandelten Vereinbarungen liegen. Das macht die Lage nicht unbedingt einfacher. (,,,) Denn dies stelle, so Rainer Brüderle für die Arbeitgeber, „einen schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie“ dar. Mit Verdi zu verhandeln, lehnten die beiden Verbände mit der Begründung ab, dass die Gewerkschaft viel zu wenige Arbeitnehmer in der Altenpflege vertrete. Auf dieser Linie bewegt sich auch die Klage, die der AGVP beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg angestrengt hat. Er bringt vor, dass die Verhandlungsführer nur einen Bruchteil von Arbeitgebern und Beschäftigten in der Altenpflege repräsentierten und die Gewerkschaft Verdi „tarifunfähig“ sei. Deshalb stehen nun die kirchlichen Arbeitgeber Diakonie und Caritas – bei Letzterer arbeiten alleine 163.000 Altenpflege-Beschäftigte – im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie müssen im Rahmen des genannten Arbeitnehmerentsendegesetzes gehört werden, bevor das Arbeitsministerium den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklären kann…“ Artikel von Ulrike Baureithel vom 14.02.2021 im Freitag 06/2021 online - [Tarifeinheit schlägt zurück] Pflege-Arbeitgeber verklagen Verdi: Der Arbeitgeberverband Pflege will die Gewerkschaft Verdi vor Gericht für „tarifunfähig“ erklären lassen
„Kurz vor der Verkündung eines neuartigen Lohnpakts für die Altenpflege kommt es zu einer juristischen Eskalation: Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) will die Gewerkschaft Verdi, die federführend an dem umstrittenen Pakt beteiligt ist, vor Gericht für „tarifunfähig“ erklären lassen. Der Entwurf des Antrags an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg liegt der F.A.Z. vor. Der Gewerkschaft fehle es an Tariffähigkeit in der Altenpflege, da sie „keine Durchsetzungskraft in der Branche für sich in Anspruch nehmen kann“, heißt es darin. Sollte das Gericht dem Antrag folgen, hätte dies tarifpolitisch und politisch weitreichende Folgen: Die umstrittene Lohnregelung, die Verdi zusammen mit einem neuen, von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) initiierten Konkurrenzarbeitgeberverband vorbereitet hat, wäre dann kein gültiger Tarifvertrag. Und die Regierung könnte die Regelung damit – entgegen Plänen von Union und SPD – erst recht nicht der ganzen Branche allgemeinverbindlich vorschreiben, damit sie für alle Pflegedienste und -heime zwingend gilt. Das Verfahren gegen Verdi wird laut AGVP auch von der Evangelischen Heimstiftung Baden-Württemberg unterstützt. Grundlage ist eine Regelung im Arbeitsgerichtsgesetz: Gewerkschaften, Arbeitgeber oder auch Behörden können damit gerichtlich klären lassen, ob ein tarifpolitischer Akteur überhaupt befugt ist, Tarifverträge zu schließen. (…) Im aktuellen Antrag gegen Verdi heißt es, es sei „nicht bekannt, dass Verdi in der Pflegebranche zu irgendeinem Zeitpunkt einen Tarifabschluss durch gewerkschaftlichen Druck durchgesetzt hätte“. Dass die Gewerkschaft in anderen Branchen mächtig sei, könne dieses Defizit im Hinblick auf ihre Tariffähigkeit in der Altenpflege nicht ausgleichen. (…) Verdi will dem Vernehmen nach in Kürze einen Tarifabschluss mit dem 2019 neugegründeten Konkurrenzarbeitgeberverband BVAP verkünden, der unter anderem 18,50 Euro Mindestlohn und mehr Urlaub vorsieht. Der neue Verband hatte sich vor allem auf Initiative der Awo gegründet, nachdem es Verdi nicht gelungen war, Tarifverträge mit den bestehenden großen Arbeitgeberverbänden – AGVP und BPA – zu schließen…“ Artikel von Dietrich Creutzburg, aktualisiert am 01.02.2021 bei der FAZ online , siehe dazu auch:- Verzweifelte Profiteure: Konflikt um Tarifabschluss in der Pflege
“Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens treibt skurrile Blüten. So möchte der »Arbeitgeberverband Pflege« laut FAZ der Gewerkschaft Verdi die Tariffähigkeit absprechen lassen. Solche Verfahren werden sonst nur gegen Pseudogewerkschaften geführt, mit denen Unternehmen Gefälligkeitstarifverträge unterschreiben, um wirkliche Tarifregelungen zu vermeiden. Der fast zwei Millionen Mitglieder zählenden Gewerkschaft Verdi verbieten zu wollen, für die Altenpflege einen Tarifvertrag abzuschließen, zeugt von einer gewissen Unverfrorenheit. Oder auch von Verzweiflung. Denn die kommerziellen Träger, die sich auf dem »Pflegemarkt« ein goldenes Näschen verdienen, fürchten um ihr auf Niedriglöhnen und miserablen Arbeitsbedingungen basierendes Geschäftsmodell. Anlass ist die Auseinandersetzung um einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege, der den schlimmsten Auswüchsen des Lohndumpings einen Riegel vorschieben soll. (…) Zumindest sollte sie doch mitbekommen haben, dass Verdi im Oktober für die rund 70.000 Beschäftigten kommunaler Pflegeeinrichtungen einen Tarifabschluss erzielt hat, der Pflegekräften teilweise gut zehn Prozent mehr Geld beschert. Fakt ist allerdings – und genau hier liegt das Problem –, dass nur fünf Prozent der Pflegeeinrichtungen vom Staat betrieben werden. Fast die Hälfte ist in der Hand oftmals großer privater Konzerne. Die wenigsten von ihnen halten sich an Tarifverträge. Ein flächendeckender Tarifvertrag würde die Gewinnmaximierung zumindest etwas bremsen. Das ist im Sinne der Beschäftigten, der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen dringend nötig – mindestens.“ Kommentar von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 03.02.2021
- Verzweifelte Profiteure: Konflikt um Tarifabschluss in der Pflege
- Beschäftigte in der Altenpflege können auf mehr Geld hoffen
“Die Gewerkschaft Verdi einigt sich mit einem Arbeitgeberverband auf einen neuen Tarifvertrag. Der soll bald für alle gelten – doch ob es so kommt, ist noch nicht sicher. (…) Zunächst betrifft der Tarifvertrag nur die Altenpfleger, die bei einem Arbeitgeber angestellt sind, der im BVAP Mitglied ist. Das sind zum Beispiel die Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt oder die des Arbeiter-Samariterbunds. Insgesamt gilt der neue Tarifvertrag nur für etwa 70 000 der 1,1 Millionen Altenpfleger in Deutschland. Er könnte aber noch deutlich größere Kraft entfalten. Verdi und BVAP wollen beim Bundesarbeitsministerium beantragen, den Tarifabschluss für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Hat das Erfolg, dürfte keine Altenpflegeeinrichtung mehr niedrigere Löhne zahlen. Im Bundesarbeitsministerium steht man dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. Dessen Chef Hubertus Heil (SPD) sagte Ende vergangenen Jahres, er plane, den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. Es kommt aber nicht alleine auf Heil an. BVAP und Verdi können den Antrag nur stellen, wenn Caritas und Diakonie mitmachen. Bei den Sozialverbänden der katholischen und der evangelischen Kirche arbeiten Hunderttausende Altenpfleger, für sie gilt das kirchliche Arbeitsrecht. Eine Sprecherin des Caritasverbands, der allein 163 000 Altenpflegekräfte beschäftigt, sagte der SZ, der Antrag werde derzeit geprüft. Die Diakonie teilt mit, sie unterstütze „das gemeinsame Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Pflege flächendeckend zu verbessern“. Der Vertrag müsse aber noch geprüft werden. Harsche Kritik hingegen kommt von den privaten Arbeitgebern. Der Arbeitgeberverband Pflege, der ihre Interessen vertritt, hat angekündigt, gegen den Tarifvertrag zu klagen. Der Arbeitgeberverband Pflege, der ihre Interessen vertritt, hat angekündigt, gegen den Tarifvertrag zu klagen. Der Vorwurf lautet, der BVAP repräsentiere nur wenige Pflege-Arbeitgeber, Verdi nur wenige Beschäftigte. Damit sei die Gewerkschaft „tarifunfähig“. Hat die Klage Erfolg, könnte das die Allgemeinverbindlichkeitsbestrebungen zunichtemachen…“ Artikel von Benedikt Peters vom 01.02.2021 in der Süddeutschen Zeitung online - Tarifvertrag Altenpflege zwischen ver.di und BVAP steht – Mindestentgelt für Pflegefachpersonen steigt in vier Schritten auf über 3.000 Euro
„Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) haben sich auf den endgültigen Inhalt des Tarifvertrags über Mindestbedingungen in der Altenpflege verständigt. Dieser soll nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zum 1. August 2021 auf die gesamte Branche erstreckt werden. Die Mindestentgelte für alle Pflegepersonen in der Altenpflege steigen demnach im Vergleich zum aktuell geltenden Pflegemindestlohn in vier Schritten deutlich an. Vorausgegangen waren intensive Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien sowie die im Arbeitnehmerentsendegesetz vorgesehenen Anhörungen von Diakonie und Caritas. (…) Im Einzelnen sieht der Tarifvertrag vor, die Mindeststundenentgelte für alle Pflegepersonen in der Altenpflege im Vergleich zum aktuell geltenden Pflegemindestlohn in vier Schritten – beginnend ab dem 1. August 2021 – deutlich zu erhöhen und die Schlechterstellung der Beschäftigten in Ostdeutschland vorzeitig zu beenden. Pflegehelferinnen und Pflegehelfer erhalten demnach ab dem 1. August 2021 ein Entgelt von mindestens 12,40 Euro pro Stunde, ab dem 1. Januar 2022 mindestens 13,80 Euro, ab dem 1. Januar 2023 mindestens 14,15 Euro und ab dem 1. Juni 2023 mindestens 14,40 Euro. Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung bekommen ab dem 1. August 2021 mindestens 13,10 Euro pro Stunde; ihre Mindeststundenentgelte erhöhen sich ab 1. Januar 2022 auf 14,50 Euro, ab 1. Januar 2023 auf 15,00 Euro und ab 1. Juni 2023 auf 15,25 Euro. Die Mindeststundenentgelte für examinierte Pflegefachpersonen liegen demnach ab 1. August 2021 bei 16,10 Euro, ab 1. Januar 2022 bei 17,00 Euro, ab 1. Januar 2023 bei 18,50 Euro und ab 1. Juni 2023 bei 18,75 Euro. Das entspricht einer Steigerung gegenüber dem bisherigen Pflegemindestlohn von insgesamt 25 Prozent. Im Juni 2023 werden bei einer 39-Stunden-Woche dann mindestens folgende Monatsgehälter gezahlt: 2.440,00 Euro für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer, 2.585,00 Euro für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung und 3.180 Euro für Pflegefachpersonen. Pflegepersonen in der Altenpflege haben zudem künftig Anspruch auf mindestens 28 Urlaubstage pro Jahr und ein zusätzliches Urlaubsgeld von mindestens 500,00 Euro. Der Tarifvertrag regelt Mindestbedingungen in der Altenpflege; bessere Regelungen bleiben davon unberührt und sind auch weiterhin möglich…“ ver.di-Pressemitteilung vom 01.02.2021 - Bosse machen Stunk. Unternehmensverbände agitieren gegen Flächentarifvertrag in der Pflege. Verdi streitet weiter für Abschluss gegen Lohndumping
„Poltern können die Bosse: »Angriff auf Tarifautonomie«, »höhere Löhne durch Geiselhaft einer ganzen Branche«. So steht es in einem Papier der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) gegen tariflich fixierte Arbeitsbedingungen im Pflegebereich, aus dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) jüngst zitierte. Ein Dokument, das offenbar im verbandseigenen Giftschrank liegt. »Ich habe mich schlaugemacht und kann Ihnen leider keine positive Nachricht geben«, erklärte eine BDA-Sprecherin am vergangenen Donnerstag gegenüber jW. Weiter sagte sie: »Wir haben das Papier nur der FAZ geschickt, und es wird nicht weiter rausgegeben.« Punktum. Zum Hintergrund: Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatten im Oktober 2019 Verhandlungen über einen repräsentativen Tarifvertrag für die Altenpflege aufgenommen. Mitte September 2020 einigten sich die Verhandlungsführer auf ein vorläufiges Tarifergebnis. Gemeinsames Ziel ist, den Tarifvertrag durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für alle Unternehmen in der Pflegebranche verbindlich zu machen. Das Vertragswerk soll am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Im Idealfall, denn das Verfahren ist kompliziert. Mit dem sogenannten Pflegelöhneverbesserungsgesetz hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im vergangenen Jahr die Voraussetzung geschaffen, dass Tarifvereinbarungen vom BMAS über das Arbeitnehmerentsendegesetz auf die gesamte Pflegebranche »erstreckt werden können«, wie es offiziell heißt. Hierzu müssen indes die arbeitsrechtlichen Kommissionen der großen kirchlichen Trägergruppen, die Caritas und die Diakonie, per Anhörung beteiligt werden – und sie müssen zustimmen. Entschieden ist offenbar noch nichts. (…)Die BVAP ist ein neuer Akteur im Handgemenge der Tarifkonflikte. Der Verband wurde Mitte 2019 gegründet und wird wesentlich von der Arbeiterwohlfahrt, dem Arbeiter-Samariter-Bund und der Volkssolidarität getragen. Eine Konkurrenz für die BDA – genauer: Eine, die für einen Flächentarifvertrag im Pflegebereich votiert. Das liegt konträr zur BDA-Linie, denn nach Ansicht ihres Präsidenten Rainer Dulger hätten flächendeckende tarifliches Reglements »ihre Attraktivität verloren«, wie er am vergangenen Donnerstag via dpa mitteilte. Das dürfte ein Grund für die heftigen Attacken gegen den »Miniarbeitgeberverband« sein, der mit einer »nicht repräsentativen Gewerkschaft« eine »gefährliche Blaupause für andere Sektoren« vorgelegt habe, zitierte die FAZ aus dem oben erwähnten BDA-Papier. Flankenschutz erhält die BDA vom »BPA-Arbeitgeberverband« (BPA-AGV) des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Er gilt als größter Unternehmerverband für die private Sozialwirtschaft hierzulande. Bereits zu Beginn der Verhandlungen zwischen BVAP und Verdi hatte sein Präsident, Exwirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), verächtlich von einem »AWO-Verdi-Lobbygesetz« aus dem Hause Heil gesprochen. Sven Halldorn, BPA-AGV-Geschäftsführer, sekundierte am Freitag auf jW-Anfrage: »BVAP und Verdi, die beide kaum Mitglieder in der Pflege haben, schließen einen nichtrepräsentativen Vertrag allein deshalb, um ihn auf Dritte übertragen oder für allgemeinverbindlich erklären zu lassen.« Hier liege ein »klarer Verstoß« gegen die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie vor. Und außerdem sei das »ein politisches Ablenkungsmanöver mit erheblichen Kollateralschäden für unsere Wirtschaftsordnung«, meinte Halldorn. Typischer Alarmismus der Kapitalverbände, mehr nicht. »Mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz sind entsprechend der im Koalitionsvertrag vereinbarten Zielsetzung die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden, um einen Tarifvertrag auf die Pflegebranche erstrecken zu können«, teilte das BMAS am vergangenen Freitag gegenüber jW mit. Ferner sei der Vorwurf, diese Regelungen seien ein »›Angriff auf die Tarifautonomie‹ als unsachlich zurückzuweisen«. Das Prozedere basiere auf dem Arbeitnehmerentsendegesetz, betonte das BMAS, und sei demnach gesetzeskonform…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 11.01.2021 - Hungerlohn für Pflegerinnen: Teilzeit und große regionale Differenzen: Viele Beschäftigte in Seniorenheimen und Kliniken arbeiten weiterhin für miese Bezahlung
“Betten stehen leer, für Patienten und Heimbewohner bleibt kaum Zeit: Seit vielen Jahren mangelt es erheblich an Pflegekräften. Verdienen die Beschäftigten zu wenig? Laut einer am Mittwoch vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlichten Studie sind die durchschnittlichen Gehälter in den vergangenen sieben Jahren zwar deutlich gestiegen. Doch regional gibt es große Unterschiede, und die Entlohnung in der Altenpflege hinkt der Krankenpflege weiter hinterher. Zudem erfassten die Autoren die hohe Zahl an Teilzeitverträgen nicht, wie der Sozialforscher Stefan Sell bemängelt. Viele Pflegekräfte schuften nach wie vor für einen Niedriglohn. Durchschnittswerte verdecken viele Probleme, meint Sell. So verdiente laut IAB eine Vollzeitfachkraft in der Krankenpflege letztes Jahr im bundesweiten Mittel 3.547 Euro brutto. Im Westen lag dieser Mittelwert rund 80 Euro höher, im Osten knapp 300 Euro darunter. Die gesamte Spanne ist weit: Bekam eine Krankenpflegerin im Saarland zuletzt für eine Vollzeitstelle rund 3.818 Euro brutto, erhielt sie in Brandenburg für die gleiche Arbeit 3.109 Euro im Monat. Noch deutlich weniger verdienten examinierte Altenpfleger. In Westdeutschland schwankte ihr mittlerer Verdienst für eine 40-Stunden-Woche zwischen 2.841 Euro in Niedersachsen und 3.326 Euro in Baden-Württemberg. In den östlichen Bundesländern waren die Gehälter in Berlin mit gut 3.000 Euro am höchsten. In Sachsen-Anhalt gab es nur rund 2.532 Euro. Am unteren Ende der Lohnkette standen die Helferinnen und Helfer. In der Krankenpflege kamen sie im Westen durchschnittlich auf knapp 2.800 Euro, im Osten lag ihr mittlerer Monatsverdienst rund 500 Euro darunter. (…) Auf das Problem der nicht erfassten Teilzeitkräfte in diesen Bereichen weisen die Forscher selbst hin. Man habe nur die Daten von 435.000 Fachkräften und 134.000 Helfern in Vollzeitarbeit erfasst und ausgewertet, schreiben sie. Mehr als die Hälfte aller in der Pflege Tätigen gehörten aber nicht dazu. Sozialforscher Sell weist auf eine amtliche Statistik für das Jahr 2017 hin: Danach schufteten damals in ambulanten Diensten fast 70 Prozent der Angestellten in Teilzeit, in Pflegeheimen waren davon knapp zwei Drittel betroffen. Dies, so räumen auch die IAB-Autoren ein, führe natürlich zu entsprechend niedrigeren Löhnen…“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom vom 06.11.2020 - ver.di und Arbeitgeberverband BVAP einigen sich auf Mindestbedingungen für die Altenpflege – Tarifvertrag soll auf die gesamte Pflegebranche erstreckt werden
“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) einen wichtigen Schritt in Richtung eines flächendeckenden Tarifvertrags in der Altenpflege getan. Am Mittwochabend einigten sich beide Seiten auf ein vorläufiges Tarifergebnis, das vom Bundesarbeitsministerium auf die gesamte Pflegebranche erstreckt werden soll. „Wir, die Tarifparteien, kommen unserer Verantwortung nach“, sagte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. Die politische Entscheidung, die Altenpflege dem wirtschaftlichen Wettbewerb zu überlassen, habe einen Verfall der Löhne verursacht. „Heute ist die Altenpflege der Mangelberuf schlechthin. Mit einem Tarifvertrag, der bei der Bezahlung aller Altenpflegerinnen und Altenpfleger ein Mindestniveau sichert, indem er über das Arbeitnehmerentsendegesetz auf die gesamte Pflegebranche erstreckt wird, soll der Beruf wieder attraktiver werden“, erklärte Bühler. „Die vorgesehenen Mindestentgelte können sich sehen lassen. Sie sind eine deutliche Steigerung gegenüber dem bisherigen Pflegemindestlohn.“ Der Tarifvertrag soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Bis dahin sei ausreichend Zeit, alle vom Arbeitnehmerentsendegesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen zu erfüllen, so Bühler weiter. In drei Schritten würden demnach die Mindestentgelte angehoben, so dass examinierte Altenpflegekräfte ab Januar 2023 wenigstens 18,50 Euro pro Stunde erhalten. Bei einer 39-Stunden-Woche ergebe das einen Bruttoverdienst von 3.137 Euro im Monat. Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung erhalten demnach mindestens 14,15 Euro, mit ein- bis zweijähriger Ausbildung wenigstens 15 Euro pro Stunde. „Das ist ein ordentliches Mindestniveau, das bessere Tarifverträge selbstverständlich unberührt lässt“, erläuterte Bühler. „Dem Lohndumping insbesondere von kommerziellen Trägern wird so ein Riegel vorgeschoben.“ Außer den Stundenlöhnen haben sich ver.di und BVAP auch auf ein Urlaubsgeld von 500 Euro für Vollzeitbeschäftigte sowie einen Jahresurlaub von mindestens 28 Tagen geeinigt. Anders als beim Pflegemindestlohn sieht das Verhandlungsergebnis von Anfang an in Ost- und Westdeutschland die gleiche Bezahlung vor. „Zum 30. Jahrestag der Vereinigung Deutschlands wollen wir auf keinen Fall eine schlechtere Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen im Osten zulassen“, so Bühler. Nicht durchsetzbar gewesen sei hingegen die Einbeziehung von Beschäftigten über den Geltungsbereich der Pflegemindestlohnverordnung hinaus. „Das ist ein großer Wermutstropfen, denn die Beschäftigten in Technik, Reinigung und anderen Bereichen sind ebenfalls unerlässlich.“ (…) Für die Mitgliedsunternehmen des BVAP haben sich ver.di und der Arbeitgeberverband zudem auf einen Tarifvertrag für Auszubildende geeinigt, der allerdings nicht erstreckt werden kann. Ab Anfang kommenden Jahres sieht dieser Tarifvertrag je nach Ausbildungsjahr eine Vergütung zwischen 1.100 und 1.250 Euro monatlich vor. Im September 2022 steigen diese Beträge auf 1.250 bis 1.400 Euro. Hinzu kommen Regelungen zu Einsätzen vor und nach Unterrichtsphasen und Zuschlägen sowie eine Jahressonderzahlung, freie Tage zur Prüfungsvorbereitung und 28 Urlaubstage im Jahr.“ ver.di-Pressemitteilung vom 17.09.2020 - Das kann es doch gar nicht geben: Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Pflegekräften
“Dass es in „der“ Pflege einen Fachkräfte- und sogar einen generellen Arbeitskräftemangel gibt, das würden sicher viele unterschreiben und als Tatbestand nicht in Zweifel ziehen. Zu lange schon gibt es zu viele Berichte über die vielfältigen Mangellagen in „der“ Pflege. Vor diesem generellen Hintergrund werden dann auch viele ungläubig auf solche Meldungen schauen: Arbeitslosigkeit steigt auch bei Pflegekräften : »In der Coronakrise ist auch die Arbeitslosigkeit von Pflegekräften gestiegen. In der Altenpflege erhöhte sich die Zahl der arbeitslosen deutschen Beschäftigten seit dem Jahreswechsel bis Ende Juni um 27 Prozent auf etwa 27.700, bei den ausländischen um 37 Prozent auf rund 10.000, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte.« Und Jochen Knoblach berichtet aus Berlin: Mehr als 800 Berliner Pflegekräfte haben ihren Job verloren : So »gab es in der Berliner Krankenpflege im Juli etwa 200 Arbeitslose mehr als im Juli vergangenen Jahres, was einem Anstieg um 27 Prozent entspricht. In der Altenpflege wurden 2.740 Arbeitslose gezählt. Das waren sogar über 600 mehr als im Juli 2019, ein Anstieg um 30 Prozent.« Da werden sich viele fragen: Wie kann das denn sein? »Über die Gründe dafür ist man sich in der Berliner Arbeitsagentur im Unklaren. Schließlich ist dort der Fachkräftemangel im Pflegebereich bekannt. Bei der Gewerkschaft Verdi vermutet man, dass Jobs vor allem bei ambulanten Pflegediensten gestrichen wurden, weil Familienmitglieder im Homeoffice während Corona die häusliche Pflege eines Angehörigen oft selbst übernahmen oder sie den Kontakt der Betreuungsperson mit dem Pflegepersonal vermeiden wollten. Meike Jäger, bei Verdi für den Bereich Gesundheit und Pflege in Berlin verantwortlich, geht daher davon aus, dass viele Jobs dort wieder zurückkehren werden. Sie hat aber auch erfahren, wie in Altenheimen Stellen für Ergo- und Physiotherapeuten unter dem Vorwand von Corona gestrichen wurden, um Kosten zu sparen«, so Knoblach in seinem Artikel über die Situation in Berlin. Dieser Erklärungsansatz verweist auf zwei relevante Aspekte, die beide zugleich untermauern, dass man nicht von „der“ Pflege sprechen kann, sondern einen differenzierten Blick auf die unterschiedlichen Bereiche werfen muss, weshalb auch am Anfang dieses Beitrags „die“ Pflege in Anführungszeichen gesetzt wurde, weil es eben „die“ Pflege nicht gibt: Zum einen sind die einzelnen Pflegebereiche von der Corona-Krise unterschiedlich stark getroffen worden. Da gab es Bereiche, in denen nur mit viel Müh und Not die Versorgung aufrechterhalten werden konnte und das auch nur unter wahrlich überdurchschnittlichen und höchst riskantem Einsatz der Pflegekräfte. Man denke hier an die vielen Pflegeheime. Und die oftmals in der Berichterstattung vergessenen ambulanten Pflegedienste standen vor dem Problem, dass sie am schlechtesten ausgestattet waren mit elementaren Schutzmaterialien, zugleich aber zahlreiche Patienten pro Tag zu Hause besucht haben, was eine Vielzahl an Risikoquellen für die Pflegebedürftigen wie auch für die Mitarbeiter selbst mit sich bringt. Zum anderen aber gab es teilweise erhebliche „Umsatzrückgänge“ mit entsprechenden Folgen für einzelne Dienste, da teilweise auf die Dienstleistungen seitens der Betroffenen und ihrer Angehörigen verzichtet wurde aus Angst vor einer Ansteckung. Bei den oftmals sehr kleinen und finanziell mit wenig bis kaum vorhandenen finanziellen Reserven ausgestatteten Pflegediensten kann das zu nur auf den ersten Blick paradox erscheinenden Entlassungen beigetragen haben. Zum anderen gab es aber auch Bereiche, in denen die Corona-Krise zu einer Art Vollbremsung geführt hat, man denke hier an viele Krankenhäuser, in denen zahlreiche diagnostische und therapeutische Verfahren aufgeschoben bzw. abgesagt wurden, um für eine damals erwartete Welle an Covid-19-Patienten gerüstet zu sein. Dies wurde ja auch von der Politik so vorgegeben und mit einer Ausfallfinanzierung der dadurch nicht belegten Betten über das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz* aufgefangen. Faktisch gab es nicht wenige klinische Bereiche, in denen das Personal und darunter auch die Pflegekräfte sogar „unterbeschäftigt“ waren. Möglicherweise wurde das von dem einen oder anderen Klinikträger ausgenutzt, um „Personalanpassungen“ vorzunehmen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 28.08.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik als Anmerkungen zu einem scheinbaren Widerspruch – und zu den immer noch vielen Niedriglöhnern in den Pflegeberufen - Pflegeberufe: Nach wie vor verdienen Pflegekräfte unterdurchschnittlich
“Pflegekräfte gelten als Helden in der Corona-Krise. Doch Forderungen nach angemessener Bezahlung stoßen nach wie vor auf taube Ohren. Zwar wurde der Corona-Bonus von 1500 Euro für Beschäftigte in der Altenpflege im Juli ausgezahlt, doch der Weg bis zu einem auskömmlichen Einkommen ist noch weit. Wie weit, zeigen neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegen. Danach verdienten bundesweit 28,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigten Altenpfleger in Deutschland nur einen Niedriglohn. Dabei bestehen große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. In Westdeutschland liegt der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten bei einem Viertel (25,3 Prozent) – im Osten weit höher bei 40,7 Prozent. Von niedrigen Löhnen besonders betroffen sind Helfer in der Altenpflege, die keine Fachausbildung vorweisen können. Hier arbeiten 58 Prozent im Niedriglohnsektor. Im Osten liegt der Anteil sogar bei 78,5 Prozent. Große Unterschiede gibt es auch zwischen deutschen und ausländischen Pflegekräften. Bundesweit arbeiten 25,6 Prozent der vollzeitbeschäftigten deutschen Altenpfleger im Niedriglohnsektor, aber 42,6 Prozent der Ausländer. In Ostdeutschland liegt der Anteil der deutschen Altenpfleger im Niedriglohnsektor bei 39 Prozent. Bei ausländischen Pflegekräften beträgt dieser Anteil sogar 61,5 Prozent…“ Artikel von Jan Sternberg vom 24.08.2020 beim RedaktionsNetzwerk Deutschland – siehe auch:- im Ärzteblatt online: Mehr Arbeitslosigkeit und verbreitet Niedriglöhne in der Pflege
- Die Pflegekräfte müssen ihren Protest organisieren
„Aktuelle Zahlen zeigen die prekäre Lage der Pfleger. Die Gesellschaft hat versagt – Reformen müssen sie selbst durchsetzen. (…) trotz allen wohlmeinenden Applauses werden viele Pflegekräfte nicht nur weiterhin mies bezahlt. Sie haben es in der Pandemie auch schwerer, Arbeit zu finden, die Arbeitslosigkeit ist auch in diesem Mangelberuf gestiegen. Grund sei die erschwerte Vermittlung, sagt die Bundesagentur für Arbeit. In Zahlen: Es gibt rund ein Viertel mehr arbeitslose Pflegerinnen und Pfleger als zu Jahresbeginn, nämlich 13.000. Allerdings entgeht etlichen von ihnen außer Mühen nicht viel: Mehr als jede vierte Stelle im Pflegebereich ist dem Niedriglohnsektor zuzurechnen, auch das teilte die Bundesagentur mit. In Ostdeutschland beträgt der Anteil sogar 40 Prozent. Und nun? Tränen trocknen und höhere Löhne fordern, dieses Mal aber wirklich? Klar, das geht immer. Bloß geholfen hat es halt bislang nicht. Der Berufszweig steht von zwei Seiten unter Druck. Die Altenpflege befindet sich in Deutschland in einem Wettbewerb, den sie kaum gewinnen kann. Weniger als die Hälfte der Pflegebedürftigen in Deutschland erhalten professionelle – also bezahlte – Hilfe. Mehr als 1,7 Millionen Menschen werden hingegen von Angehörigen, in der überwältigenden Mehrzahl Frauen, versorgt, die dafür entweder gar kein Geld erhalten oder das eher symbolische Pflegegeld. Das ist ein gewaltiger Liebesdienst. In vielen Fällen kostet er die Pflegenden ihre Gesundheit. In allen Fällen wissen Politik und Pflegekassen die Aufopferungsbereitschaft auszunutzen – und halten auch die professionellen Pflegedienste kurz. (…)Wer es ernst meint mit dem Wunsch, die Lage der Pflegekräfte zu verbessern, kann diese strukturellen Missstände nicht hinnehmen. Die Pflege in den Krankenhäusern muss anders vergütet und der Personalbedarf anders bemessen werden als heute – ein Konzept dafür hat die Gewerkschaft Verdi in einer denkwürdigen Allianz mit dem Krankenhausverband entwickelt. Die Politik muss das Pflegegeld reformieren, das die niedrigen Löhne in der Altenpflege zementiert. Nur so kann Pflege wieder ein Beruf werden, den Menschen gerne über eine lange Zeit ausüben. Womöglich wird er gar so attraktiv, dass die Hunderttausenden Pflegekräfte, die ihre Jobs an den Nagel gehängt haben, in die Kliniken und Altenheime zurückkehren. Einen Beitrag müssen aber auch die Pflegekräfte leisten. Sie sollten nicht darauf warten, dass sich die Gesellschaft ihrer Probleme annimmt. Sie müssen sie klar artikulieren. Solange die überwältigende Mehrheit von ihnen nicht einmal einer Gewerkschaft beitritt, wird sich an ihrer Lage wenig verbessern.“ Kommentar von Frederik Bombosch vom 25.8.2020 in der Berliner Zeitung online
- Pflegekommission: Der Pflegemindestlohn steigt – ungenügend durch massiven Widerstand der Arbeitgeber
“… Im Einzelnen sieht die Empfehlung der Pflegekommission an das Bundesarbeitsministerium folgende Regelungen vor: Der Pflegemindestlohn für ungelernte Pflegekräfte steigt um 16 Prozent (Ost) bzw. 11 Prozent (West) von derzeit 10,85 Euro bzw. 11,35 Euro pro Stunde schrittweise bis 2022 auf 12,55 Euro pro Stunde; das entspricht bei einer 40-Stunden-Woche einem Monatsentgelt von rund 2.183 Euro. Für Pflegekräfte mit ein- bzw. zweijähriger Ausbildung steigt der Mindestlohn bis 2022 um 22 Prozent (Ost) bzw. 16 Prozent (West) auf 13,20 Euro pro Stunde; damit liegt bei einer 40-Stunden-Woche das Monatsgrundentgelt bei 2.296 Euro. Erstmals wird es ab Juli 2021 auch einen Pflegemindestlohn für dreijährig ausgebildete Fachkräfte geben. Dieser beträgt zunächst 15 Euro pro Stunde und er steigt im April 2022 auf 15,40 Euro pro Stunde; das bedeutet bei einer 40-Stunden-Woche ein Grundentgelt von 2.678 Euro. Pflegekräfte haben künftig einen Anspruch von 25 bzw. 26 Tagen Urlaub pro Jahr – ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem gesetzlichen Anspruch von 20 Tagen Urlaub pro Jahr. Ein Stundenlohn von 15,40 Euro für Pflegefachkräfte ist noch lange nicht angemessen für diese verantwortungsvolle und fordernde Tätigkeit“, sagte Bühler. „Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, der die schlimmsten Ausbeutungen abstellt.“ Die dringend erforderliche Aufwertung der Pflege werde so aber noch nicht erreicht; dafür seien auch gewerkschaftliche Organisation und Entschlossenheit der Beschäftigten entscheidend…“ Meldung vom 28.01.2020 bei ver.di , siehe dazu die Arbeitgeber:- Die Mindestlöhne in der Altenpflege steigen bis 2022 deutlich. Einigung in der Mindestlohnkommission
„Zur Einigung der Mindestlohnkommission erklärt Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege: Der Arbeitgeberverband Pflege begrüßt ohne Wenn und Aber die erzielte Einigung der Mindestlohnkommission, die den Fach- und Hilfskräften in der Pflege ein Mindesteinkommen garantiert, das nicht mehr unterschritten werden darf. (…) Diese Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zeigt, dass die Beteiligten selbst die Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege regeln können, es braucht dazu die Politik nicht. Trotz dieser Einigung will Arbeitsminister Heil aber offenbar weiter einen Zwangstarifvertrag erlassen, um seiner Gewerkschaft ver.di bei der Mitgliederwerbung zu helfen, denn nur wenige Pflegekräfte haben sich bisher gewerkschaftlich organisiert. Dahinter verbirgt sich auch, dass durch weitere, umfassendere Regelungen der Wettbewerb und die unternehmerische Handlungsfreiheit eingeschränkt werden sollen. Verschwiegen wird dabei, dass ein solcher Vertrag die Kosten ins uferlose steigen lassen würde, die am Ende die Betroffenen zu zahlen haben. Deswegen wird der Arbeitgeberverband Pflege sich gegen diesen allgemein verpflichtenden Tarifvertrag wenden. Er ist so überflüssig wie ein Kropf…“ Meldung vom 28.01.2020 beim Arbeitgeberverband Pflege
- Die Mindestlöhne in der Altenpflege steigen bis 2022 deutlich. Einigung in der Mindestlohnkommission
- Tarifvertrag für Pflegekräfte: Der komplizierte Weg zum Einheitslohn
„Weil nur wenige Beschäftigte in der Pflege von Tarifverträgen profitieren, wollen Bund und Sozialverbände einen allgemein verbindlichen Branchentarif. Der Weg aber ist kompliziert. Es fehlt an einem Arbeitgeberverband, die Träger sind zerstritten bei dem Thema. (…) „Wir werden es aus eigener Kraft nicht schaffen! Das ist nicht schön, das ich das sagen muss. Viel lieber würde ich Tarifverhandlungen führen. Aber wenn es auf der Arbeitgeberseite niemanden gibt, mit dem man einen Branchentarifvertrag oder mindestens für viele Einrichtungen verhandeln kann, kann man eine Branche nicht ordnen“, sagt ver.di Vorstandsmitglied Silvia Bühler. Aber bei nüchterner Betrachtung bleibt das auch ein Wunschtraum der Gewerkschafter. Denn die Branche ist von jeher stark zersplittert und schlecht organisiert, sodass die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kaum Fuß fassen kann. Nur für ein Fünftel der Beschäftigten gibt es tarifliche Arbeitsbedingungen. Die privaten Träger, die rund die Hälfte des Markts bestimmen, wehren sich; die kirchlichen gehen auch in Zukunft per Gesetz weitgehend einen eigenen Weg; und mittendrin gibt es Versuche, die Branche doch noch auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Seit dem vergangenen Juni gibt es eine neue Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche, die sich zum Ziel gesetzt hat, einen Tarifvertrag für die gesamte Branche auszuhandeln. „In diesem kurzen Zeitraum sind wir zuständig geworden für über 300 Mitgliedsunternehmen mit einer Vielzahl von Einrichtungen. Dementsprechend haben wir die Tarifkommission gründen können und Tarifverhandlungen aufgenommen. Und deswegen habe ich überhaupt keinen Zweifel, dass unser Tarifvertrag ein sehr repräsentativer sein wird. Ich sehe auch gar keinen anderen“, gibt sich Gero Kettler, als Vorstandsmitglied des neuen Verbandes zuversichtlich. (…) Die privaten Pflegeunternehmen fürchten ein taktisches Bündnis der kirchlichen Träger, also Caritas und Diakonie, mit den sozialen Trägern wie AWO und die Volksolidarität. „Die Kirchen werden dafür sorgen durch ihre Zustimmung, dass eine Allgemeinverbindlichkeit ermöglicht wird. Aber die Kirchen selber sind nicht an das Ergebnis gebunden“, sagt Thomas Greiner, vom privaten Arbeitgeberverband Pflege…“ Beitrag von Volker Finthammer vom 27.12.2019 beim Deutschlandfunk - 17 Jahre ohne Lohnerhöhung: Beschäftigte einer kommerziellen Pflegeeinrichtung in Darmstadt kämpfen für Tarifvertrag
“Vor Floskeln der Wertschätzung können sich Pflegekräfte dieser Tage kaum retten. So war es auch am Dienstagnachmittag in der Stadtverordnetenversammlung Darmstadts. Die Linkspartei hatte einen Antrag auf Unterstützung der Beschäftigten der Seniorenresidenz Wohnpark Kranichstein eingebracht, die in den vergangenen 17 Jahren keine einzige reguläre Lohnerhöhung erhalten haben. Sie fordern einen Tarifvertrag und haben dafür Mitte Oktober erstmals die Arbeit niedergelegt. Mit der Resolution sollte die Stadtverordnetenversammlung an die Geschäftsführung des kommerziellen Pflegeheims appellieren, endlich einen Tarifvertrag mit Verdi abzuschließen. Doch dazu konnten sich die Mehrheitsfraktionen CDU und Grüne nicht durchringen. Stattdessen beschlossen sie eine allgemeine Erklärung, nach der Pflegekräfte Wertschätzung und eine faire Bezahlung verdienen. »Die Beschäftigten hätten sich mehr Unterstützung und eine klare Positionierung durch die Politik gewünscht«, erklärte Verdi-Sekretärin Anette Hergl am Mittwoch gegenüber jW. Es sei überfällig, dass Tarifbindung in der öffentlichen Daseinsvorsorge zur Regel wird. Gebaut hatte das Pflegeheim Wohnpark Kranichstein einst eine Tochtergesellschaft des städtischen Energieversorgers Entega. Jetzt ist es in der Hand kommerzieller Firmen, die nur eins wollen: Gewinne machen und an ihre Anteilseigner weiterreichen. (…) Auf wessen Kosten die Gewinne erzielt werden, ist klar: Nach jahrelangen Reallohnverlusten verdienen viele Beschäftigte kaum mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Etliche müssen weitere Jobs annehmen oder mit Arbeitslosengeld II aufstocken. Die Situation zeigt exemplarisch, wozu die politisch betriebene Kommerzialisierung führt, die in der Altenpflege weit fortgeschritten ist. Fast die Hälfte der gut 14.000 Pflegeheime wird privat betrieben. Hedgefonds und Immobiliengesellschaften haben die Branche als profitable Anlagemöglichkeit für sich entdeckt. Um in dem Dumpingwettbewerb eine untere Grenze einzuziehen, verhandelt Verdi derzeit mit Wohlfahrtsverbänden über einen Tarifvertrag, der auf die gesamte Branche erstreckt werden soll. Zugleich unterstützt die Gewerkschaft betriebliche Gegenwehr – wie aktuell in Darmstadt…“ Artikel von Daniel Behruzi vom 05.12.2019 in der jungen Welt - Bundesweiter ver.di-Aktionstag am Mittwoch 20.11.2019 in der Altenpflege: Beschäftigte fordern mehr Personal, flächendeckenden Tarifvertrag und Begrenzung der Eigenanteile bei den Kosten für Pflegebedürftige
“… Derzeit verhandle ver.di mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) über einen Tarifvertrag Altenpflege, der vom Bundesarbeitsminister auf die gesamte Altenpflege erstreckt wird. Ziel sei es, diesen Tarifvertrag noch in diesem Jahr abzuschließen. Diese tariflichen Regelungen über Mindestbeschäftigungsbedingungen in der Altenpflege müssten dann auch Arbeitgeber einhalten, die bislang sehr niedrige Löhne zahlten und schlechte Arbeitsbedingungen böten. Es gehe auch darum, die besseren Tarifverträge, die weiter bestehen bleiben, von unten abzustützen. Außerdem erwarten die Beschäftigten von den Gesundheitspolitikerinnen und –politikern im Bund und den Ländern, dass endlich ein einheitliches verbindliches System zur Personalausstattung auf den Weg gebracht wird, das sich am Pflegebedarf orientiert. „Der bislang unter Verschluss gehaltene Zwischenbericht über das Instrument zur bedarfsorientierten Personalbemessung, das zu entwickeln der Gesetzgeber in Auftrag gegeben hat, muss endlich veröffentlich werden“, so Bühler. „Nach allem, was man hört, bestätigt der Bericht, dass in den Pflegeeinrichtungen über 30 Prozent Personal mehr eingesetzt werden muss, um eine gute Pflege zu gewährleisten.“ Damit Pflegebedürftigkeit nicht arm mache, müsse endlich das Dilemma aufgelöst werden, „dass bei jeder Tariferhöhung der Beschäftigten und der dringend erforderlichen Verbesserung der Personalausstattung der Eigenanteil steigt, den Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen für pflegebedingte Leistung zahlen müssen“, so Bühler weiter. Der Bundesgesundheitsminister sei gefordert, als Sofortmaßnahme die Begrenzung des Eigenanteils auf den Weg zu bringen. „Das Pflegerisiko muss solidarisch abgesichert werden; dafür brauchen wir einen Systemwechsel in der Pflegeversicherung hin zu einer Pflegebürgervollversicherung.“ Der ver.di-Aktionstag findet am 20. November, dem Buß- und Bettag, statt. Dieser wurde Mitte der 1990er Jahre als Feiertag in allen Bundesländern außer Sachsen abgeschafft, um den Arbeitgeberanteil zur neu geschaffenen Pflegeversicherung auszugleichen. Diesen Tag nehmen die Pflegekräfte nun zum Anlass, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen.“ ver.di Pressemitteilung vom 18.11.2019
- Gute oder nur bessere Löhne? Die Leerstelle Finanzierung beim Pflegelöhneverbesserungsgesetz
“… Doch die sonst so aktive Pflegecommunity blieb weitgehend still. Großen Applaus für das Gesetz gab es nicht. Das liegt zum einen daran, dass das Pflegelöhneverbesserungsgesetz zunächst einmal nur die Grundlage für bessere Löhne schafft, sie selbst aber nicht erhöht. Was es tut: Es ermöglicht, dass ein Tarifvertrag für alle Altenpfleger*innen allgemeinverbindlich erklärt werden kann. An diesen müssten sich alle, auch die privaten Anbieter, halten. Sie sind es, die derzeit die miesesten Löhne zahlen. Die Initiative zur Aufwertung des Pflegeberufs ist daher gut. Denn ohne diesen Schritt würde es nie einen Tarifvertrag geben, der die Beschäftigten besser entlohnen wird. Nun geht es also um die Umsetzung, und die Frage, wie hoch überhaupt die Löhne in einem Tarifvertrag ausfallen können. Die Antwort darauf ist jedoch vollkommen unklar. Der Grund: Die Finanzierung ist eine große Leerstelle im Gesetz. Die Sozialverbände appellieren an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Kostensteigerungen verbindlich und dauerhaft über die Pflegekasse zu refinanzieren. »Wenn es da keine Zusage gibt, können die Löhne auch nicht so sehr verbessert werden, wie wir das gerne hätten«, heißt es aus Kreisen der Sozialverbände, die in dem Fall Arbeitgeber sind…“ Beitrag von Alina Leimbach vom 26.10.2019 im Neuen Deutschland online
- Gesetz für Tariflöhne in der Altenpflege beschlossen – Tarifverhandlungen beginnen
„Der Bundestag hat am 24. Oktober in Berlin mit den Stimmen der Regierungskoalition und der Grünen ein Gesetz für bessere Löhne in der Altenpflege beschlossen. Es führt nicht unmittelbar zu einer höheren Bezahlung, schafft aber die gesetzliche Grundlage für einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Branche. Ein neuer Arbeitgeberverband und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wollten noch am Freitag mit Tarifverhandlungen beginnen. (…) Das Arbeitsministerium kann nun Tarifergebnisse für allgemeinverbindlich erklären. Voraussetzung ist, dass die kirchlichen Arbeitgeber zuvor angehört wurden. Sie gehören zu den größten Arbeitgebern in der Branche. Tarifliche Vereinbarungen über Mindestlöhne haben künftig Vorrang vor den Vorschlägen der Pflegekommission. (…) Die Kommission soll künftig als ständiges Gremium mit einer jeweils fünfjährigen Amtszeit berufen werden. Gegenwärtig gilt ein Pflegemindestlohn von 11,05 Euro pro Stunde im Westen und 10,55 Euro im Osten Deutschlands.“ Agenturmeldung vom 25.10.2019 bei Häusliche Pflege- ver.di und Arbeitgeberverband BVAP haben Verhandlungen über einen bundesweiten Tarifvertrag Altenpflege aufgenommen
“Einen Tag, nachdem der Deutsche Bundestag das Pflegelöhneverbesserungsgesetz beschlossen hat, haben die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) am heutigen Freitag (25.10.) in Berlin ihre Verhandlungen über einen bundesweiten Tarifvertrag Altenpflege begonnen. „Es ist gut, dass wir dieses ambitionierte Projekt jetzt gestartet haben, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Es werden schwierige Verhandlungen“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler, das für ver.di die Verhandlungen führt, im Anschluss. Beide Seiten hätten sich darauf verständigt, auch einen Tarifvertrag für die Auszubildenden abzuschließen. „Das ist ein gutes Signal“, so Bühler. (…) Konkret fordert die ver.di-Tarifkommission für Beschäftigte ohne Ausbildung ein Einstiegsentgelt von 13,50 Euro pro Stunde, für Beschäftigte mit dreijähriger Ausbildung soll es 16,70 Euro pro Stunde betragen. (Zum Vergleich: Der Pflegemindestlohn liegt derzeit im Westen bei 11,05 Euro pro Stunde und im Osten bei 10,55 Euro; der gesetzliche Mindestlohn beträgt derzeit 9,19 Euro pro Stunde.) „Die Entgelte im Tarifvertrag müssen den Lohnabstand zwischen Alten- und Krankenpflege deutlich verringern“, so Bühler. (…) Damit der Zielkonflikt zwischen fairer Bezahlung der Beschäftigten, ausreichendem Personal und Begrenzung der Kosten für die Pflegebedürftigen gelöste werde, brauche es als ersten Schritt eine Begrenzung des von den Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteils der Pflegekosten. Bühler: „Damit das Lebensrisiko Pflege solidarisch abgesichert wird, brauchen wir letztlich eine Pflegebürgervollversicherung.“ verdi-Pressemitteilung vom 25.10.2019
- ver.di und Arbeitgeberverband BVAP haben Verhandlungen über einen bundesweiten Tarifvertrag Altenpflege aufgenommen
- Altenpflegehelfer: Knapp zwei Drittel unter Niedriglohngrenze
„Fast zwei Drittel der vollzeitbeschäftigten Altenpflegehelfer in Deutschland liegen unter der so genannten Niedriglohnschwelle von 2.203 Euro brutto im Monat. Das geht aus einer Datenauswertung der Bundesagentur für Arbeit für die Linksfraktion im Bundestag hervor, die der „Rheinischen Post“ vorliegt. Demnach erzielten im vergangenen Jahr auch 14 Prozent der vollzeitbeschäftigten Altenpflege-Fachkräfte nur Gehälter unterhalb der Niedriglohnschwelle. Nach der EU-Definition liegt diese bei 60 Prozent des durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens.“ Meldung vom 24. Oktober 2019 beim Deutschlandfunk
- [Pflegelöhneverbesserungsgesetz] Gesetz ebnet Weg für Tarifvertrag in der Altenpflege
„ver.di hat anlässlich der Anhörung zum Gesetz für bessere Löhne in der Pflege, zum sogenannten Pflegelöhneverbesserungsgesetz, ihre Forderung nach einer deutlichen Aufwertung der Altenpflege bekräftigt. Das Gesetz selbst sorge zwar nicht automatisch für bessere Löhne, ebne aber den Weg für einen Tarifvertrag, der auf die gesamte Altenpflege erstreckt werden könne, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Damit ausreichend viele Beschäftigte für die Altenpflege gewonnen und gehalten werden könnten, bräuchte es bessere Arbeitsbedingungen. Neben mehr Personal müsse die verantwortungsvolle und oft auch körperlich und emotional anstrengende Arbeit angemessen vergütet werden, so Bühler. Ein Eingreifen der Politik sei notwendig, weil sich vor allem kommerzielle Arbeitgeber in der Altenpflege einer besseren Bezahlung und Tarifverträgen verweigerten. „Bei weit über 10.000 nicht tarifierten Einrichtungen und Diensten können wir nicht alle Arbeitgeber einzeln durch Streiks an den Verhandlungstisch zwingen“, betont Bühler. Seit Einführung der Pflegeversicherung tobe in der Altenpflege der wirtschaftliche Wettbewerb. „Hedgefonds ziehen hohe Profite aus diesem gesellschaftlich relevanten Feld der Daseinsvorsorge. Die Politik hat die Altenpflege dem wirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt, deshalb ist die Politik jetzt auch in der Verantwortung, die unsägliche Entwicklung zu stoppen und die Beschäftigten vor Ausbeutung zu schützen.“ (…) ver.di begrüßt deshalb, dass nach dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag Vorrang vor dem Pflegemindestlohn hat, und fordert die Arbeitgeber auf, sich an Tarifverhandlungen zu beteiligen…“ ver.di-Stellungnahme vom 21. Oktober 2019
- Die Prioritäten der Unternehmer: »Arbeitgeberverband Pflege« wehrt sich gegen einen Flächentarifvertrag
„Eigentlich geht der Präsident des »Arbeitgeberverbandes Pflege« (AGVP), Thomas Greiner, nicht davon aus, dass der Flächentarifvertrag für die Pflege kommen wird. Dennoch nutzte der Verband seine Sommerpressekonferenz am Dienstag in Berlin dazu, den Medienvertretern noch einmal weitere Argumente zur Sicherung der Tarifhoheit im Altenpflegebereich an die Hand zu geben. Gemeinsam mit der Geschäftsführerin Isabell Halletz und dem Vizepräsidenten Friedhelm Fiedler stellte Greiner ein »Prioritätenprogramm für die Pflege« vor. Nach einem Jahr der Diskussion um die »Konzertierte Aktion Pflege« sind dem AGVP im wesentlichen drei Punkte wichtig, um den Personalmangel in der Pflege zu beheben. Dazu gehören erstens eine Flexibilisierung der Fachkräftequote und ein »bedarfsgerechter Qualifikations- und Anforderungsmix« bei der Zusammenstellung des Personals. (…) Fiedler zufolge sei die Altenpflege ein »Arbeitnehmermarkt« geworden. In manchen Regionen müsse der Unternehmer zahlen, was der Bewerber fordert. Zwischen 2016 und 2017 seien die Löhne in der Altenpflege aufgrund des Fachkräftebedarfs laut AGVP überdurchschnittlich um 4,7 Prozent gestiegen. 2017 lag der Median bzw. Mittelwert der Löhne dennoch nur bei 2.744 Euro. Das Kabinett hatte im Juni ein Gesetz für höhere Löhne in der Alten- und Krankenpflege auf den Weg gebracht. Ziel ist es, dass möglichst in der ganzen Branche künftig Tariflöhne gezahlt werden. Als Basis dafür soll ein neugegründeter Arbeitgeberverband mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) einen Tarifvertrag aushandeln. Für den Arbeitgeberverband Pflege, der nach eigenen Angaben die großen privaten Altenpflegeunternehmen mit zwei Milliarden Euro Umsatz vertritt, wäre ein Flächentarifvertrag für die Pflege ein »Zwangstarifvertrag«. Der bedrohe die unternehmerische Freiheit, selbst darüber zu befinden, wer wie hoch bezahlt wird, sagte Greiner. Drei Viertel der Unternehmer würden das Projekt ohnehin nicht unterstützen, nicht einmal die paritätischen Landesverbände oder kommunale Verbände…“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 31.07.2019
- Beschäftigte aus Wohlfahrtsverbänden begrüßen Kabinettsbeschluss für flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege – Kritik am Deutschen Roten Kreuz
„Beschäftigte von Wohlfahrtsverbänden begrüßen den heutigen Beschluss des Bundeskabinetts für ein Gesetz zur Verbesserung der Bezahlung in der Altenpflege. “Wir treten entschieden für einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege ein“, heißt es in einer Resolution, die am Mittwoch (19. Juni) von rund 80 Beschäftigtenvertreterinnen und –vertretern aus dem ganzen Bundesgebiet auf einer ver.di-Tagung in Berlin beschlossen wurde. Wenn sich kommerzielle Anbieter durch Niedriglöhne einen Vorteil im Preiswettbewerb verschafften, setze das die Arbeitsbedingungen in der gesamten Altenpflege unter Druck. Empört zeigten sich die Beschäftigten der Wohlfahrtsverbände vom Verhalten des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), das sich der neu gegründeten Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) nicht angeschlossen hat. Diese soll mit ver.di einen Tarifvertrag aushandeln, der über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Pflegeeinrichtungen erstreckt wird. „Wie die anderen Wohlfahrtsverbände trägt auch das DRK eine gesellschaftliche Verantwortung dafür, die Altenpflege attraktiver zu machen“, so die Beschäftigtenvertreterinnen und –vertreter. „Nur mit einer flächendeckend besseren Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen können genug Arbeitskräfte gewonnen und in diesem so wichtigen Beruf gehalten werden. Das ist im Interesse der Beschäftigten, der pflegebedürftigen Menschen und der Gesellschaft als Ganzes.““ ver.di-Pressemitteilung vom 19.06.2019 und die Resolution
- Neue Studie zu Entgelten in der Altenpflege: ver.di bekräftigt Forderung nach bundesweiten Tarifvertrag
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) bekräftigt nach der heutigen Veröffentlichung einer neuen Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur Lohnsituation in der Altenpflege ihre Forderung nach einem bundesweit gültigen Tarifvertrag Altenpflege. „Um das gesellschaftlich wichtige Arbeitsfeld der Altenpflege attraktiv zu machen, brauchen wir mehr Personal und endlich eine gute Bezahlung. Der angestrebte Tarifvertrag wird erheblich zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Die Ergebnisse der Studie bestätigten die dringend notwendige Aufwertung der Arbeit in der Altenpflege. (…) „Unser Ziel ist ein Tarifvertrag, der vom Bundesarbeitsminister auf das gesamte Arbeitsfeld erstreckt wird. Und zwar auf die stationäre und ambulante Altenpflege für alle Beschäftigten dort, nicht nur für Pflegekräfte“, so Bühler weiter. ver.di wolle alle Regelungsmöglichkeiten ausschöpfen, die das Arbeitnehmerentsendegesetz biete. Der Weg, den Tarifvertrag über das Arbeitnehmerentsendegesetz zu erstrecken, gewährleiste auch, dass bereits bestehende bessere Tarifregelungen weiter gelten. Bühler: „Mit guten Arbeitsbedingungen und einer angemessenen Bezahlung können erfahrene Fachkräfte gehalten und neue gewonnen werden. Und viele, die in die Teilzeit geflüchtet sind, werden wieder aufstocken. Ein bundesweit geltender Tarifvertrag hilft nicht nur den Beschäftigten, sondern letztendlich auch den Arbeitgebern.“ ver.di-Pressemeldung vom 1. April 2019
- Beschäftigte aus der Altenpflege fordern flächendeckende Tariflöhne: Abwärtsspirale aus geringer Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen und fehlenden Pflegekräften muss durchbrochen werden
„Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertreter/innen aus der Altenpflege appellieren an die Bundesregierung, ihr Versprechen zur Einführung flächendeckender Tariflöhne in der Branche schnellstmöglich umzusetzen. In einer heute von Beschäftigtenvertreter/innen aus dem ganzen Bundesgebiet bei einer ver.di-Fachtagung in Göttingen beschlossenen Resolution heißt es: „Es geht um tarifliche Regelungen für alle Kolleginnen und Kollegen aus der Altenpflege – ganz gleich in welchem Bereich, bei welchem Träger, ob stationär oder ambulant.“ Die „Abwärtsspirale aus geringer Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen und fehlenden Pflegekräften“ müsse durchbrochen werden. „Es darf so nicht weitergehen, wir brauchen dringend Entlastung“, sagte die Altenpflegerin Kerstin Günther aus Gifhorn. „Etliche Kolleginnen haben dem Beruf bereits den Rücken gekehrt oder sind in Teilzeit geflüchtet, weil sie diese hohe Belastung nicht mehr aushalten.“ (…)Die Entlohnung in der Altenpflege sei teilweise „beschämend niedrig“, kritisierte die Gewerkschafterin. „Wenn Pflegekräfte in Sachsen-Anhalt in Vollzeit weniger als 2.000 Euro brutto verdienen, ist das ein unhaltbarer Zustand. Niemand muss sich wundern, wenn Stellen in der Altenpflege unter solchen Bedingungen nicht besetzt werden können.“ Die finanzielle Aufwertung der Pflegeberufe sei eine entscheidende Voraussetzung dafür, den wachsenden Fachkräftebedarf in Zukunft zu decken. Bühler plädierte dafür, tarifliche Entgelte und Arbeitsbedingungen auf alle Betriebe in der Altenpflege zu erstrecken. „Flächendeckende Mindeststandards gewährleisten, dass die Konkurrenz nicht mehr über die niedrigsten Löhne ausgetragen wird.“ Die ver.di-Tarifkommission Altenpflege mit Mitgliedern aus kommunalen, freigemeinnützigen, kirchlichen und privaten Pflegeeinrichtungen wird am 28. September zusammenkommen. Sie wird über Forderungen für einen Tarifvertrag entscheiden. Zunächst soll darüber mit den weltlichen Wohlfahrtsunternehmen verhandelt werden. Mit Caritas und Diakonie wird nach einem gangbaren Weg adäquater Beteiligung gesucht. Weitere Arbeitgeber sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. Ziel ist ein Tarifvertrag, der dann vom Bundesarbeitsministerium auf die gesamte ambulante und stationäre Altenpflege erstreckt werden kann. Nötig für eine gute Versorgung seien darüber hinaus zeitnah bundesweit verbindliche und am Pflegebedarf orientierte Personalvorgaben.“ Pressemitteilung von ver.di vom 04.09.2018
- Drohender Tarifkonflikt in der Altenpflege: Nicht mit Verdi an einen Tisch
„Bei der Bezahlung von Altenpfleger*innen steuern private Unternehmen, Bundesregierung und Gewerkschaft Verdi auf einen Konflikt zu. „Wir brauchen nicht zwingend Tarifverträge“, sagte Friedhelm Fiedler, Vizechef des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP), am Donnerstag in Berlin. Die Organisation wendet sich besonders gegen einen politisch festgesetzten, allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Setze die Bundesregierung eine solche Regelung durch, „werden wir eine Reihe von Prozessen bekommen“, warnte AGVP-Präsident Thomas Greiner. (…) Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD heißt es: „Wir wollen die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken.“ Dieser solle „flächendeckend zur Anwendung kommen“. Verdi verlangt nun, einen Tarifvertrag auf Basis des sogenannten Entsendegesetzes für alle Pflegeunternehmen vorzuschreiben. Gerade private Firmen der Branche weigern sich bislang, mit Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften über die Bezahlung zu verhandeln. Für drei Viertel der Einrichtungen gibt es keine entsprechenden Vereinbarungen, heißt es in einer Studie von 2017 des Instituts TNS Sozialforschung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums. Wobei der private Bereich gut 40 Prozent aller knapp 14.000 stationären Einrichtungen umfasst. In den gemeinnützigen, kirchlichen und öffentlichen Häusern sieht es besser aus. Dort entlohnen rund 90 Prozent nach einem Haus- oder Verbandstarif. Die beiden Verbände der privaten Pflegefirmen machen jetzt Front gegen die Bundesregierung und Verdi. Den Arbeitgeberverband der Privaten Anbieter Sozialer Dienste (BPA Arbeitgeberverband) leitet Rainer Brüderle, ehemals Bundeswirtschaftsminister der FDP. Kürzlich erklärte er: „Wir sehen die Versuche, allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Pflege zu erzwingen, als schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie und wollen deshalb mit unserer Arbeitsvertragsrichtlinie (AVR) einen alternativen Weg aufzeigen.“ (…) Die beiden Verbände der privaten Pflegefirmen machen jetzt Front gegen die Bundesregierung und Verdi. Den Arbeitgeberverband der Privaten Anbieter Sozialer Dienste (BPA Arbeitgeberverband) leitet Rainer Brüderle, ehemals Bundeswirtschaftsminister der FDP. Kürzlich erklärte er: „Wir sehen die Versuche, allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Pflege zu erzwingen, als schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie und wollen deshalb mit unserer Arbeitsvertragsrichtlinie (AVR) einen alternativen Weg aufzeigen.“ (…) Heil fordert die „beteiligten Akteure, darunter auch die Arbeitgeberseite, auf, an diesem Punkt voranzukommen und die nötigen Strukturen für Tarifverträge zu schaffen“. Das heißt: Auch die privaten Verbände sollten sich unter anderem mit Verdi an einen Tisch setzen. Das genau lehnen die Arbeitgeber jedoch ab.“ Artikel von Hannes Koch vom 10.08.2018 in der taz online
- Weiterhin im Beitrag von Stefan Sell vom 01.07.2018 auf aktuelle sozialpolitik : „… So wurde hier bereits am 4. März 2018 in dem Beitrag Und nun? Die Altenpflege zwischen Empörungsberichterstattung, zahlreichen offenen Baustellen und Ankündigungsrhetorik berichtet: »Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) dementierte die Aufforderungen zu Tarifgesprächen mit Verdi. Die Interessenvertretung lehnt einen einheitlichen Tarifvertrag weiterhin ab. Der bpa-Präsident Bernd Meurer bekräftigt die Absicht, Mitarbeiter in der Pflege besser zu bezahlen. „Nicht umsonst hat der bpa-Arbeitgeberverband sich mit eigenen Arbeitsvertragsrichtlinien auf den Weg gemacht“, unterstreicht Meurer in einer Pressemitteilung. Man achte auf die Formulierung der privaten Betreiber von Pflegeheimen und -diensten: Man habe sich mit eigenen „Arbeitsvertragsrichtlinien“ auf den Weg gemacht. Das erinnert nicht nur an die Terminologie, die wir aus dem kirchlichen Bereich mit dem dortigen „dritten Weg“ kennen, das ist auch bewusst so gewählt: Die Arbeitgeber wollen keine Beteiligung der Gewerkschaft. Und der bpa bringt das auch auf den Punkt: Es sei doch klar, so Bernd Meurer, »dass der Organisationsgrad bei ver.di nicht dafür spricht, dass sie wirkungsmächtig die Interessen der Beschäftigten in der Pflege vertreten können.« Der letzte Punkt wird auch von Brüderle wieder ins Feld geführt, folgt man der Meldung von Schmergal: „Unsere Mitarbeiter entscheiden sich aus freien Stücken in erdrückender Mehrheit gegen Mitgliedschaften in Gewerkschaften. Somit fallen diese als Tarifpartner aus“, schreibt der ehemalige FDP-Wirtschaftsminister. Ansonsten lässt der Versuch des Arbeitgeberverbandes so lesen: „Versuchen kann man es ja mal“. Oder: „Frechheit siegt“. Einseitig von den Arbeitgebern entworfene und ohne Beteiligung der Gewerkschaften und der Arbeitnehmerseite in die Welt gesetzte Arbeitsvertragsrichtlinien des Arbeitgeberverbandes als Ersatz für Tarifverträge – das kann man sich ja wünschen mit Blickt auf die Blütezeiten der Selbstherrlichkeit der Arbeitgeber im 19. Jahrhundert, aber dankenswerterweise haben wir das Jahr 2018. Dennoch legt auch dieser Luftballon der privaten Arbeitgeber den Finger auf die offene Frage-Wunde: Welcher Tarifvertrag denn, wenn es um eine AVE geht?…“