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Lagerhaltung von Kindern ruft auf beiden Seiten der US-Grenze wachsenden Protest hervor

Dere Tag ohne uns am 14.2.2017 in MilwaukeeOb Trump mit seiner „Null-Toleranz“-Politik gegenüber Einwanderern erfolgreich bleibt, ist fraglich. In Umfragen ist eine Mehrheit gegen den Bau der Mauer, eine große Mehrheit ist dafür, dass die so genannten Dreamer, also Menschen, die als Minderjährige ins Land kamen, bleiben dürfen. Eine aktuelle Umfrage vom vergangenen Sonntag bestätigt, dass Trump hier auf Opposition stößt. 79 Prozent sagen, Dreamer sollten im Land bleiben dürfen, 66 Prozent sind gegen die Trennung der Kinder von ihren Eltern. (…) Nach neuen Zahlen soll das Gesundheitsministerium (HHS), das für die Betreuung von Minderjährigen zuständig ist, in den letzten Tagen etwa 250 Kinder täglich vom Grenzschutz erhalten haben. Damit könnte die Regierung nach dem Trump-Erlass bis Ende August 30.000 Kinder getrennt von ihren Eltern in Haft halten, jetzt sind es bereits 11.500. Ein Mitarbeiter des Ministeriums geht davon aus, dass für die nächsten zwei Monate auch mit 250 Kindern täglich gerechnet werden müsse. Bislang hat Trump, der seit seinem Amtsantritt auf Abschreckung setzt, die Einwanderungszahlen nicht senken können. Die Regierung erwägt, die Minderjährigen in Zeltlagern unterzubringen, da wegen der schnell steigenden Zahlen das HHS die Kinder bald nicht mehr unterbringen kann“ – aus dem Beitrag „250 Immigranten-Kinder werden an der US-Grenze täglich von ihren Eltern getrennt“ von Florian Rötzer am 19. Juni 2018  bei telepolis externer Link, worin diese wachsende Ablehnung behandelt wird vor dem Hintergrund der ansonsten wachsenden Zustimmung zu Trumps Politik in den USA. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge – darunter ein Video über „Lagerhaltung“ -, zwei Hintergrundbeiträge und einen Beitrag über geplante Protestaktionen in den USA:

  • „Null Toleranz, auch nicht für Kinder“ von Dorothea Hahn am 18. Juni 2018 in der taz externer Link, worin unter anderem zur aktuellen Verschärfung der Menschenjagd-Politik hervor gehoben wird: „Sonntag war Vatertag in den USA. Und quer durch das Land riefen Leute danach, der systematischen Trennung von einwandernden Eltern und Kindern längs der Südgrenze ein Ende zu setzen. „Befreit die Kinder-Geiseln“, skandierten DemonstrantInnen und OppositionspolitikerInnen bei Demonstrationen vor Abschiebegefängnissen. „Familien gehören zusammen“, hallte es von Kanzeln und aus Talkshows. Und selbst republikanische PolitikerInnen sowie die Gattin des Mannes, bei dem alle Fäden für die Brutalität längs der Grenze zusammenlaufen, zeigten moralische Entrüstung. „Ich hasse es, wenn Kinder von ihren Eltern getrennt werden“, ließ Melania Trump ihre Sprecherin am Sonntag erklären. Unterdessen ging die „Null-Toleranz“-Politik längs der Grenze, die das Ziel verfolgt, „illegale Einwanderer“ abzuschrecken, ungehindert weiter. Seit Justizminister Jeff Sessions Mitte April ankündigte, dass EinwandererInnen ohne Dokumente fortan wie Kriminelle behandelt werden und ins Gefängnis kommen, trennen die GrenzerInnen systematisch Kinder von ihren Eltern und bringen sie an in der Regel weit voneinander entfernten Orten hinter Gitter“.
  • „Die schmutzigste Form der Abschreckung“ von Gustav Seibt am 19. Juni 2018 in der Süddeutschen Zeitung externer Link ist ein Essay, der durchaus nicht nur die Menschenjagd an den Grenzen der USA behandelt, unter anderem mit der Bewertung: „Denn natürlich konnten auch die Mittel der Einhegung wilder Gewalt zu solchen methodischer Gewalt werden, in Militärdiktaturen und den Lagersystemen totalitärer Staaten. Der Rückfall fand im Herzen jener Institutionen statt, die Gewalt hatten eindämmen sollen. Dabei spielen solche Systeme mit einer Mischung aus Öffentlichkeit und Geheimnis. Selbst bei heimlichen Verbrechen kann doch immer so viel herausdringen, dass die Angst allgemein wird. Und in den kolonialen Hinterhöfen der zivilisierten Staaten regierte brutale physische Gewalt weiter ungehemmt. Die vornehme Empfindsamkeit war immer insular. (…) Die sogenannte Migrationskrise bringt nun eine altneue, schmutzige Form der Abschreckung zurück, die auf Anschaulichkeit beim Publikum der vernetzten Kommunikation abzielt. Außenpolitik nimmt die Form archaischer Kriminalitätsbekämpfung an. Geschichten wie die von den entrissenen Kindern sollen sich viral verbreiten. Denselben Zweck hatte das Drama um das Rettungsschiff Aquarius, mit dem sich der neue italienische Innenminister Matteo Salvini allerdings mindestens ebenso an seine heimische Klientel wandte wie an auswanderungswillige Afrikaner.  Die Transporttoten, die Erstickten und Ertrunkenen, die schmutzigen Lager, die schneidenden Zäune und jetzt die entrissenen Kinder, all das, was seit vielen Jahren an den Rändern der westlichen Welt alltäglich geworden ist, erregt von Fall zu Fall ein vorübergehendes Entsetzen. Im schlimmsten Fall entwöhnt es uns von einem historisch fragilen Grausamkeitstabu. Das Bewusstsein, dass die Grausamkeit eine permanente Möglichkeit darstellt, kann nur zu rationaler Politik führen. Das sinnlose Sterben an den Rändern unserer Welt ist eine Aufforderung, Migration zu ordnen, anstatt einen Krieg mit Bildern zu führen, bei dem wir selber verlieren“ – und auch wenn der letzte Satz ausgesprochen zweifelhaft ist, ist dies dennoch ein Beitrag, der einiges deutlich macht…
  • „No Way Home“ von Nara Milanich am 19. Juni 2018 bei Dissent externer Link ist ein ausführlicher Beitrag über die eigenen Erfahrungen der Geschichtsprofessorin als freiwillige Rechtsberaterin in Flüchtlingslagern – in dem nicht nur der menschenfeindliche Charakter dieser Ankerzentren sehr deutlich wird, sondern auch, dass diese Politik scheitern muss, weil sie eben, trotz auch hier vorhandener anderslautender Beteuerungen, die wirklichen Ursachen der Migrationsentwicklung gar nicht „bearbeiten“ kann.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=133704
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