Sie könnten auch anders: Gewerkschaften reizen das restriktive deutsche Streikrecht nicht aus

Streikrechtplakat Shopstewardnetzwerk England im Juli 2015Warnstreiks müssen nicht auf wenige Stunden beschränkt bleiben und Arbeitskämpfe könnten über Ausstände hinausgehen – zu diesem Urteil kommt eine aktuelle juristische Untersuchung von gewerkschaftlichen Maßnahmen in Tarifauseinandersetzungen. Eine Ausweitung von wenige Stunden dauernden Warnstreiks hin zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen, wie sie zuletzt von der IG Metall vorgenommen wurde, ist demnach gänzlich legal. Möglich wären in der BRD auch noch weiterführende Aktionen – sie müssten aber von den Gewerkschaften erprobt werden. Der Rechtswissenschaftler Stefan Greiner kommt in seiner Analyse für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zu dem Ergebnis, dass es in den vergangenen Jahrzehnten bedeutende Verschiebungen in der Rechtsprechung zum Thema Streik gegeben hat. (…) Doch etwa seit der Jahrtausendwende sei eine »Deregulierung« in der Rechtsprechung zu beobachten – den Gewerkschaften wurden mehr Freiräume zugestanden. So erklärte das Bundesarbeitsgericht im Juni 2007 auch Unterstützungsstreiks für rechtens. Seitdem ist klar: Auch wenn ein Betrieb nicht dem Unternehmerverband angehört, mit dem die Gewerkschaft verhandelt, kann es bestreikt werden – um weiteren Druck auf die Chefs der Vereinigung auszuüben. In eine ähnliche Richtung geht die Billigung von Flashmobs als Arbeitskampfmaßnahme durch das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2009. (…) Von besonderem Interesse sind Passagen in der Untersuchung, die andeuten, dass die Gewerkschaften noch nicht die Grenzen des geltenden Rechts ausgetestet haben. So sei in der Vergangenheit eindeutig gewesen, dass Betriebsbesetzungen von Gerichten für illegal erklärt werden. Auch jetzt gebe es Indizien dafür, dass ähnlich geurteilt werden könnte – doch ganz sicher ist das nicht. Die Gewerkschaften hätten bislang einfach nicht probiert, »andere aktive Kampfformen wie Betriebsblockade oder -besetzung auf Basis der neuen Rechtslage zu testen«, heißt es im Papier. Und wer weiß, womöglich ließen sich sogar die Grenzen des geltenden Rechts durch eine entsprechende Praxis verschieben.“ Beitrag von Johannes Supe bei der jungen Welt vom 6. März 2018 externer Link, siehe dazu „Das arbeitskampfrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip“ von Stefan Greiner, HSI-Schriftenreihe Band 25 beim Bund Verlag 2018 externer Link (136 Seiten)

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