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Weltsozialforum 2018: Alt ist (leider) nicht nur die Stätte – sondern sind auch die Personen. Und erst recht: Die Politik

Offizielles Plakat des WSF 2018Das Weltsozialforum kehre nach Brasilien zurück (Salvador da Bahia), um sich zu erneuern, so der Tenor mehr oder minder offizieller Bekundungen zum Auftakt am 13. März 2018. Nun bleibt wahr: Für viele, die zu den verschiedenen Foren gereist sind (auch für uns), war der Grund nicht irgendeine Abschlusserklärung von irgendwelchen Menschen, die irgendwie in die eine oder andere Funktion geraten waren, so wenig, wie die Vorträge von Prominenten. Sondern die Möglichkeit, kämpfende Menschen aus Gegenden der Welt zu treffen, die eben nur hier zu treffen waren. So weit, so gut – auch wenn es mit dieser Beteiligung im Laufe der Zeit weniger geworden ist, und dafür mehr diverse politische Parteien samt ihrer jeweiligen Konvois die Treffen prägten. Wachsende Regierungsnähe und sich ausbreitende Präsenz zunehmend dubioser Gruppierungen und Stiftungen, von Friedrich Ebert bis zu staatsnahen Islamischen – das waren Kennzeichen einer Entwicklung, die dem Forum nicht zum Guten gereicht hat. Und jetzt soll die Erneuerung geschehen – ausgerechnet, in dem sich das Forum hinter der brasilianischen PT sammelt, die für die grob skizzierte Entwicklung wesentliche Verantwortung trägt? Was durchaus zu Recht bereits Gegenstand größerer Debatten ist. Siehe zum Beginn des WSF 2018 in Salvador da Bahia einige aktuelle Beiträge:

„Zurück zu den Wurzeln“ von Martin Kaul am 12. März 2018 in der taz externer Link und seine Sicht der  Ausgangslage: „Vor allem aber war für die Wahl des Ortes wichtig, dass die Region als eine der letzten Bastionen der in Mitleidenschaft geratenen ehemalige Regierungspartei PT gilt, der Arbeiterpartei des früheren brasilianische Präsidenten Lula. Dieser hatte in seinen ersten Regierungsjahren ab 2003 national und international teils große Hoffnungen bei Globalisierungskritikern ausgelöst. Seinen Erfolg hat er auch der Unterstützung zahlreicher sozialer Bewegungen zu verdanken, die mit Gründung des Weltsozialforums im südbrasilianischen Porto Alegre ihren Aufschwung feierten. Spätestens mit dem Scheitern der PT-Regierung und der von vielen als kalten Putsch empfundenen Machtenthebung der PT-Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr 2016 steht die brasilianische Linke jedoch weitgehend ratlos und isoliert da. An der Macht ist derzeit der rechtskonservative Staatspräsident Michel Temer. Bei der für Oktober anstehenden Präsidentenwahl will nun Expräsident Lula erneut kandidieren. Er verfügt zwar über die höchsten Zustimmungswerte, doch ihm drohen nach einem Urteil in einem Korruptionsverfahren zwölf Jahre Haft. Kein Wunder, dass Lula und einige prominente Weggefährten daher das Weltsozialforum auch dazu nutzen wollen, die zersplitterte brasilianische und südamerikanische Linke wieder auf sich einzuschwören. In Salvador will da Silva dazu mit Expräsidentin Dilma Rousseff sowie Uruguays früherem Präsidenten José Mujica ein ganzes Fußballstadion füllen und neue Hoffnung verbreiten“.

„Den Kurs neu bestimmen“ von Niklas Franzen am 13. März 2018 in neues deutschland externer Link dazu: „In Lateinamerika steht der »progressive Zyklus« vor dem Ende. Schwere Wirtschaftskrisen haben die Euphorie der Nullerjahre gebremst und die alten Eliten haben in vielen Ländern wieder die Macht an sich gerissen – sowohl durch Putsche, als auch durch Wahlen. »Wir dürfen nicht sehnsüchtig zurückblicken, sondern müssen versuchen, eine neue progressive Ära aufzubauen. Das Weltsozialforum wird uns die Möglichkeiten geben den Kurs der Linken neu zu bestimmen«, sagt Wagner Moreira dem »nd«. Moreira ist Aktivist der Wohnungslosenbewegung MSTB in Salvador da Bahia. Die Wohnungslosen werden das WSF mit zahlreichen Aktivitäten begleiten. Zum Start des WSF hat die Bewegung in der Peripherie der Stadt ein leerstehendes Gelände gegen die massive Wohnungsnot besetzt. Der Plan, den linken Gipfel in Salvador auszurichten, entstand beim letzten WSF in Montreal – auch weil Bahia einer der letzten Bundesstaaten Brasiliens ist, der von der Arbeiterpartei PT regiert wird. Zudem hat Salvador eine lange Tradition von sozialen Bewegungen. In der ehemaligen Hauptstadt Brasiliens ist die große Mehrheit der Bevölkerung schwarz. Der Kampf gegen Rassismus wird daher in diesem Jahr ein zentrales Thema sein und afrobrasilianische Organisationen werden dem Gipfel ihren Stempel aufdrücken. (…)Viele lateinamerikanische Politiker haben bereits ihre Teilnahme bestätigt. Am Donnerstag werden sich ehemalige Staatschefs wie Lula, der Uruguayer José Mujica und Fernando Lugo aus Paraguay im Fußballstadion von Salvador von Tausenden feiern lassen. Mit Spannung wird erwartet, ob auch der umstrittene venezolanische Präsident Nicolás Maduro aufkreuzen wird. Brasilianische Linke befürchten indes, dass die Arbeiterpartei PT das Weltsozialforum für Wahlkampfzwecke instrumentalisieren könnte“.

„Signal aus dem Süden“ von Peter Steiniger am 13. März 2018 in der jungen welt externer Link betont: „»Widerstehen heißt gestalten, widerstehen heißt verändern«: Bleibt eine andere, nicht vom Profitstreben einer kleinen Elite dominierte Welt, weiter möglich? Ein riesiger Workshop im Nordosten Brasiliens möchte es herausfinden. Von heute an bis zum 17. März treffen sich in Salvador, der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia, Zehntausende Aktivisten und Vertreter von sozialen Bewegungen, linken Parteien und Nichtregierungsorganisationen aus etwa 120 Ländern zu einem Weltsozialforum. Menschen aus einem breiten Spektrum politischer Tendenzen und Weltanschauungen werden sich in der afrobrasilianischen Metropole austauschen. Bereits seit Sonntag strömen Teilnehmer, die aus dem ganzen Land oder von noch weiter her nach Salvador angereist sind, zu Bahias Messegelände, um auf dem »Intercontinentalen Campingplatz der Jugend«, der dort eingerichtet wurde, ihre Zelte aufzuschlagen. Zum Auftakt wird es laut: Am Nachmittag (Ortszeit) startet das Weltsozialforum mit einer von Trommelklängen begleiteten Großdemonstration durch Salvador. Die Organisationen der Landlosen und der Favelabewohner, antirassistische Initiativen, Frauengruppen, Umweltverbände und Gewerkschaften haben dazu mit aufgerufen“.

„Fórum Social Mundial começa nesta terça em Salvador“ am 12. März 2018 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist die Ankündigung des Beginns des Weltsozialforums inklusive des Versuchs, einen groben Überblick über die angekündigten rund 1.300 Veranstaltungen verschiedenster Art zu geben, die von 1.500 eingeschriebenen Gruppierungen veranstaltet werden. Als Besonderheit ist dabei, nach verschiedenen Debatten bei den letzten Foren, vor allem dem letzten in Kanada,  die relativ große Teilnahme von Gruppen aus verschiedenen westafrikanischen Ländern. Dass der Gewerkschaftsbund bei seinen Tagestipps für den Donnerstag nur einen hat, ist kaum eine Überraschung: Die Kundgebung im Stadion mit diversen Expräsidenten.

„Salvador se prepara para a abertura do Fórum Social Mundial 2018 nesta terça (13)“ am 12. März 2018 beim Gewerkschaftsbund CTB externer Link ist ebenfalls ein Aufruf zur Teilnahme der KP-nahen Föderation, die – zur Hervorhebung von Unterschieden – für denselben Donnerstag (zusätzlich) den Tipp hat, an dem Treffen des Encontro Sindical Nossa América (ESNA) teilzunehmen, dem kontinentalen Treffen von Gewerkschaften (im wesentlichen) des Weltgewerkschaftsbundes. Hier werden auch noch die Teilnahme von VertreterInnen der Frantz Fanon Stiftung und des panafrikanischen Pole-Instituts hervor gehoben.

„Vem aí o Fórum Social Mundial 2018: Vamos, sem medo, construir a resistência“ am 12. März 2018 bei Esquerda Online externer Link soll hier als Beispiel stehen für die Aufrufe vieler linker Gruppierungen zur Teilnahme am WSF und den von ihnen dabei angebotenen Programmen: Wobei es weniger um Wahlen geht, als etwa um den Widerstand gegen die Militarisierung der Gesellschaft, deren Speerspitze der Militär-Notstand in Rio de Janeiro ist.

„Salvador: Inhabitants at the 2018 WSF for R-Existences, Creating and Transforming“ am 10. März 2018 bei der International Alliance of Inhabitants externer Link wiederum steht hier als eines von wirklich zahllos möglichen Beispielen sozialer Bewegungen, die sich auf dem WSF 2018 engagieren – in diesem Fall mit dem Tribunal gegen Zwangsräumungen weltweit, was längst aufgehört hat, nur ein Problem in bestimmten Gegenden der Welt zu sein und global wurde – wie auch der Widerstand dagegen.

Siehe dazu:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=129270
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