[Theater in Essen] Der Prinz, der Bettelknabe und das Kapital. Das Märchen von der sozialen Gerechtigkeit
„Mitten durch Essen verläuft die A40 und teilt die Stadt in Nord und Süd – und in Arm und Reich. Während im Essener Süden eine privilegierte Ober- und eine gehobene Mittelschicht leben, bezieht in vielen Stadtteilen nördlich der A40 mittlerweile jeder dritte Einwohner bzw. jede dritte Einwohnerin existenzsichernde Leistungen. Besonders betroffen sind dabei Kinder und Jugendliche: Laut einer aktuellen Studie ist in Essen ein Drittel aller Kinder arm. In Mark Twains bekanntem Märchen tauschen Prinz und Bettelknabe ihre Rollen: Der Prinz lernt die harsche Realität der Armut kennen, während Tom die Annehmlichkeiten, aber auch die Last der Verpflichtungen eines Prinzen erfährt. Die Inszenierung greift das Motiv dieses Tauschs auf. Jugendliche aus Essen-Nord und Essen-Süd, als Kinder der „gespaltenen Stadt“, gehen spielerisch der jeweils anderen Lebensrealität jenseits der A40 auf den Grund. Ihre Erfahrungen werden zum Text auf der Bühne, der Twains Märchen kommentiert. Dabei wird sowohl die aktuelle Lebenswirklichkeit von Jugendlichen als auch die Märchenerzählung selbst befragt. Funktioniert so ein Rollentausch überhaupt? Welche Lösungen bietet das Märchen hinsichtlich einer potenziellen sozialen Gerechtigkeit an? Und wie verhalten sich diese zur Essener Realität?“ Info zum Theaterstück von Christine Lang und Volker Lösch – frei nach Mark Twain – beim Grillo-Theater (dort auch ein Trailer) – Nächste Termine: 15.3, 17.3., 23.3. Siehe auch die Besprechung:
- In dem Stück werden auch ausführlich Arbeitsbedingungen im Discounter »DIAL« verhandelt. Auf der anderen Seite das Milliardenvermögen« von ALDI-Albrecht & Co. Im Stück wendet sich dann auch das Blatt: Jugendliche sorgen für die Wiedereinstellung einer Angestellten (»Der Laden gehört jetzt uns!«) und diskutieren mit ihr gemeinsam die Verbesserung der Arbeitsbedingungen…
- Die Kinder mitnehmen. Im Essener Grillo-Theater verhandelt Volker Lösch jugendlichen Klassenkampf: »Der Prinz, der Bettelknabe und das Kapital«
„… Auf der Bühne standen Jugendliche aus dem Norden und aus dem Süden. Zusammen mit professionellen Schauspielern nahmen sie das Publikum regelrecht mit: Der Innenraum ist durch eine riesige Mauer in »Süden« und »Norden« geteilt. Das klassische Bühnenbild ist aufgehoben. Über Monitore lässt sich verfolgen, was sich auf der jeweils anderen Seite tut. Zum Beispiel Urlaub. Im Süden klingt das so: »In den Herbstferien war ich in New York, dann in den Sommerferien in Südtirol, und in den Osterferien war ich Ski fahren.« Und im Norden: »Das Schönste war, wo wir alle zusammen, als Familie, im Schloss Beck waren. Bottrop. Da, wo Movie-Park ist. Drei, vier Jahre is’ das her.« (…) Am Ende wird die Trennung zwischen Schauspielern und Publikum fast ganz aufgehoben: Die Zuschauer bevölkern die eigentliche Bühne, wo soziale Perspektiven verhandelt werden. »Die Zukunft liegt weitgehend in unserer Hand!« meint die Dramaturgin Christine Lang. Wenn die Jugendlichen die gleichen Lieder singen, scheint viel gewonnen, wenn – bildlich vereint gegen »DIAL Nord« und »DI AL Süd« – jene in den Blick geraten, die ein »Milliardenvermögen angehäuft« haben…. Besprechung von Glenn Jäger in der jungen Welt vom 22.02.2018