Offener Brief: Wieder weniger Gewerkschafter – Unterstützung für Große Koalition

Dossier

Gewerkschafter: Nicht Arschkriecher, sondern Arschtreter!Sehr geehrter Herr Hoffmann, diversen Medien zufolge beklagen Sie den Mitgliederrückgang auf unter 6 Mio. U. a. begründen Sie diesen mit dem hohen Alter vieler Gewerkschaftsmitglieder, zu Recht. Denn an anderer Stelle war schon die Rede von der „Rentner-Gang“ der Gewerkschaften. Doch Ihre gesamte Argumentationslinie wie auch die Tatsache, dass Sie eine erneute GroKo unterstützen (was als SPD-Mitglied vielleicht noch verständlich ist), zeigt m. E, dass Sie von den multiplen Krisen überhaupt nichts begriffen haben, in denen die Gesellschaften global sich befinden. Das empfinde ich, gelinde gesagt, als erschreckend. Und es empört mich! Da kann rundherum alles vor dem Kollaps stehen, und Sie betreiben, darin natürlich den meisten BerufspolitikerINNEN ähnlich, – weiterhin Business as usual! (…) Die Absurdität des Ganzen zeigt sich exemplarisch darin, dass 3 % der US-Militärausgaben genügen würden, um den Hunger abzuschaffen. Diese „Ordnung“ wird mit aller Gewalt (militärisch und institutionell) aufrechterhalten, und dies allein für die Profite einiger weniger. Ohne konsequente Arbeit für Gerechtigkeit (und zwar global), Frieden und Bewahrung der Schöpfung, wird die nächste Zeit immer barbarischer werden. Eine gute Zukunft kann es nur ohne Kapitalismus geben. (…) Begreifen Sie die dringende Notwendigkeit, sich gerade als Gewerkschaftsvorsitzender von den überkommenen gewerkschaftlichen Ping-Pong-Spielchen zu verabschieden. Suchen Sie die internationale Vernetzung, und tragen Sie mit dazu bei, dass Konzepte entwickelt und vorangetrieben werden, um aus den Miseren herauszufinden…“ Offener Brief von Ursula Mathern vom 20. Januar 2018 und weitere Kommentare und Proteste zur DGB-Position zur GroKo 

An den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Reiner Hoffmann

– Offener Brief –
Wieder weniger Gewerkschafter – Unterstützung für Große Koalition

 

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

diversen Medien zufolge beklagen Sie den Mitgliederrückgang auf unter 6 Mio. U. a. begründen Sie diesen mit dem hohen Alter vieler Gewerkschaftsmitglieder, Zu Recht. Denn an anderer Stelle war schon die Rede von der „Rentner-Gang“ der Gewerkschaften.

Doch Ihre gesamte Argumentationslinie wie auch die Tatsache, dass Sie eine erneute GroKo unterstützen (was als SPD-Mitglied vielleicht noch verständlich ist), zeigt m. E, dass Sie von den multiplen Krisen überhaupt nichts begriffen haben, in denen die Gesellschaften global sich befinden.

Das empfinde ich, gelinde gesagt, als erschreckend. Und es empört mich! Da kann rundherum alles vor dem Kollaps stehen, und Sie betreiben, darin natürlich den meisten BerufspolitikerINNEN ähnlich, – weiterhin Business as usual!

Ich habe das 28-seitige Ergebnispapier der Sondierungsgespräche gelesen und finde, dass es auf der ganzen Linie eine Schande ist. Es müsste auch im eigenen Interesse der SPD liegen, eine solche Politik nicht länger fortzusetzen. Sie kann dabei nämlich nur verlieren. Eine Chance hat sie m. E. nur, wenn sie sich tatsächlich, personell wie inhaltlich, grundlegend erneuert.
Die gegenwärtigen Probleme sind so immens, dass ich bezweifle, ob das Parteiensystem überhaupt geeignet ist, zu deren Lösung beizutragen.

Um mich kurz zu fassen: Ich meine, ohne radikale Neuordnung unseres global gewordenen Wirtschaftssystems werden wir nicht nur uns alle gegenseitig sondern auch unsere Lebensgrundlage, die Erde, zerstören.

Dieses System erfordert ständiges wirtschaftliches Wachstum. Während wir mit der Überproduktion uns selbst und die Erde zumüllen sowie Kriege um Ressourcen und Absatzmärkte geführt werden, fehlt andererseits einem immer größer werdenden Anteil der Weltbevölkerung – z. T. trotz Arbeit – das Allernotwendigste zum Leben. Weltweit finden Kämpfe statt für bessere Lebensbedingungen, z. T. gegen Hunger.

Die Absurdität des Ganzen zeigt sich exemplarisch darin, dass 3 % der US-Militärausgaben genügen würden, um den Hunger abzuschaffen. Diese „Ordnung“ wird mit aller Gewalt (militärisch und institutionell) aufrechterhalten, und dies allein für die Profite einiger weniger.

Ohne konsequente Arbeit für Gerechtigkeit (und zwar global), Frieden und Bewahrung der Schöpfung, wird die nächste Zeit immer barbarischer werden. Eine gute Zukunft kann es nur ohne Kapitalismus geben.

Sehr geehrter Herr Hoffmann, vermutlich gilt für die Gewerkschaften das Gleiche wie für die SPD! Ohne grundlegende inhaltliche wie auch zumindest teilweise personelle Erneuerung werden sie zunehmend irrelevant.

Begreifen Sie die dringende Notwendigkeit, sich gerade als Gewerkschaftsvorsitzender von den überkommenen gewerkschaftlichen Ping-Pong-Spielchen zu verabschieden. Suchen Sie die internationale Vernetzung, und tragen Sie mit dazu bei, dass Konzepte entwickelt und vorangetrieben werden, um aus den Miseren herauszufinden.

Auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeitsplätze!

Ursula Mathern

Weitere Kommentare zur DGB-Position zur GroKo:

  • [Seniorenaufstand] Häuptling an DGB-Basis: wir machen „Weiter so“! Alles andere als die Große Koalition wäre absolut falsch New
    Nach 11 Wochen antwortet der DGB Vorsitzende Reiner Hoffmann auf Kritik an seinem Eintreten für die erneute Große Koalition. Sein Einsatz wäre und bliebe richtig. Das „Weiter so“ zeigt sich jetzt in ersten Äußerungen zur Rentenpolitik: Das Einhalten des Status Quo beim Rentenniveau bis 2025 wird als erster handfester Erfolg gefeiert. Da scheint eine 30 Jahre andauernde Rentenkürzungspolitik vorübergehend aufgehalten worden zu sein und das ist ein Erfolg? Das ist erbärmlich. 30 Jahre Rentensenkungen werden abgesegnet. Aber der “Erfolg” wird nach Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung bis 2024 sowieso eintreten – auch ohne Gesetzesänderung. Und selbst das ist eine Beschönigung, weil das reale Rentenniveau durch die zunehmend stärkere Besteuerung auch bei Einhaltung der fiktiven 48%- Marke (Rentenniveau vor Steuern) weiter absinken wird. Im März und Mai hatten gewerkschaftliche Seniorenpolitiker aus dem norddeutschen Raum („Seniorenaufstand“) Hoffmann in offenen Briefen für die Unterstützung des „Weiter so“ Regierungskurses kritisiert. Die Antwort des DGB Vorsitzenden externer Link ist ebenso enttäuschend wie vorhersehbar: alles andere als eine GroKo wäre “absolut falsch gewesen”. In einem abschliessenden Brief richten die Seniorenpolitiker von der Gewerkschaftsbasis den Blick nach vorne: (…) Das „Weiter so“-Regieren wird uns bei der Verfolgung unserer gewerkschaftlichen Ziele weiter zurückwerfen. Schlimmer noch: die ausdrückliche Unterstützung der DGB-Gewerkschaften für die GroKo nutzt den rechten AfD-Menschenfängern…“ Mitteilung von Reiner Heyse vom 18. Juli 2018 beim Seniorenaufstand externer Link, siehe zum Hintergrund auch: DGB-Vorstandsbeschluss “Zukunftsgerichtete Rentenpolitik”: “gelinde gesagt eine ergebene Vorlage für das rechte SPD-Lager, für die Versicherungswirtschaft und die Arbeitgeberverbände”
  • (Weiterer) Protestbrief gegen die GroKo-Propaganda des DGB: Reiner Hoffmann – Dein Einsatz für die Große Koalition 
    Lieber Kollege Hoffmann, wir haben mit Erstaunen Deinen vehementen Einsatz für die Bildung einer Großen Koalition auf dem SPD-Parteitag in Bonn zur Kenntnis nehmen müssen. Hättest Du Dich nur als SPD-Mitglied geäußert, hätten wir uns nur gewundert. Aber Du hast im Namen des DGB, jedenfalls des DGB-Vorstands, gesprochen. Und das können wir nicht akzeptieren. Bitte teile uns mit, wann der DGB-Vorstand das Thema Koalitionsverhandlungen diskutiert hat und ob es einen Beschluss gab, dass Du im Namen des DGB-Vorstandes offiziell für Koalitionsverhandlungen plädieren sollst. Du hast die Ergebnisse der Sondierungen über den grünen Klee gelobt. Die Ergebnisse der Sondierungen ändern nichts, bestenfalls wenig, an den ungerechten und unsozialen Entwicklungen in Deutschland. Sie senden auch keine Signale zur Abkehr vom Austeritätskurs in Europa. (…) wenn der DGB schon keine Antworten auf die Rechtsentwicklung hat, dann sollte er sich auf keinen Fall so positionieren, dass er für die unsägliche „weiter so“-Politik Partei ergreift. Das wird im schlimmsten Fall den rechten Menschenfängern nützen und nicht nur unseren Organisationen schweren Schaden zufügen.“ Protestbrief des Koordinierungskreises gewerkschaftlicher Seniorenpolitiker in Norddeutschland externer Link, beschlossen auf der Sitzung am 15. März 2018 und dokumentiert beim Seniorenaufstand. Siehe ebd. zum Hintergrund: Die Renten-GroKo wäre eine Koalition gegen die Rentner externer Link
  • Der Schlüssel liegt bei den Gewerkschaften 
    Der Abschluss der Koalitionsverhandlungen und der Metalltarifrunde sind zeitlich fast zusammengefallen. Sie zeigen beide in die gleiche Richtung: Verbesserungen im Kleinen, Rückschritte im Großen. (…) Das ganze politische System der BRD befindet sich deshalb in seiner tiefsten Krise seit der Nachkriegszeit. Gleichzeitig haben die deutschen Gewerkschaften in dieser fragilen, hochgefährlichen Zeit ihren Millionen verunsicherten Mitgliedern keine unabhängige Alternative anzubieten. Sie orientieren sich stattdessen einmal mehr an der SPD, als wäre die noch ihr natürlicher Verbündeter von anno dazumal. Dabei befindet sich die SPD doch allerspätestens seit der Agenda 2010 in offener Frontstellung zu den Interessen der abhängig Beschäftigten, und die Gewerkschaften kämpfen im tagtäglichen Stellungskrieg mit den Folgen der arbeiterfeindlichen Politik der SPD und ihrer jeweiligen Koalitionspartner. (…) Gewerkschaften nur als betriebliche Gegenmacht zu begreifen, reicht längst nicht mehr. Wenn die Gewerkschaften sich nicht endlich auch als politische und kulturelle Gegenmacht in den Kampf werfen, dann werden sie künftig immer weniger in der Lage sein, selbst ihre elementarsten Aufgaben, wie z.B. Lohnforderungen, Arbeitsplatzsicherung und sozialen Schutz durchsetzen können. Um aus dem Rückwärtsgang wieder in die Offensive zu kommen, müssen die Gewerkschaften sich wieder auf ihre eigene Kraft besinnen, müssen politischer werden. Von ihnen muss der Impuls ausgehen für eine außerparlamentarische Bewegung für eine Mensch und Natur achtende und liebende Republik. Ohne den Mut zum politischen Streik, ohne die Überwindung auch der kulturellen Verarmung der Gewerkschaften wird Kampf um ein besseres, sich in Einklang mit der Natur befindendes Leben in einer friedlichen Welt nicht zu gewinnen sein…“ Artikel von Manfred Dietenberger in der Soz Nr. 03/2018 externer Link
  • GewerkschafterInnen-Aufruf: Für eine soziale Alternative zur Politik der Großen Koalition! 
    In den kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist es von entscheidender Bedeutung, wie sich Gewerkschaften gegenüber der Politik positionieren. Wir nehmen die aktuelle Debatte um „pro oder contra zur GroKo“ zum Anlass, dies zu tun. Dabei geht es uns nicht um die Einwirkung auf die zur Zeit abstimmenden SPD-Mitglieder, sondern darum, die Politik an gewerkschaftlichen Zielen zu messen und die Politik mit gewerkschaftlichen Politikinhalten zu konfrontieren. Aus diesem Grunde haben wir nachstehenden Aufruf verfasst: Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD wird trotz einiger positiver Elemente wie beispielsweise die paritätischen Beiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung den Anforderungen aus gewerkschaftlicher Sicht nicht gerecht. (…) Gewerkschaften müssen ihr politisches Mandat offensiv wahrnehmen! Die Umsetzung des GroKo-Vertrages wäre ungeeignet, die realen gesellschaftlichen Probleme, insbesondere die Armuts- und Reichtumsentwicklung, zu lösen. Statt den Koalitionsvertrag zu bejubeln, müssen die Gewerkschaften ihre inhaltlichen Anforderungen an die Koalition und die Regierung bekräftigen und diese durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen untermauern. Die Gewerkschaften müssen konsequent ihre Aufgabe als parteipolitisch unabhängige Interessenvertretung der von Lohnarbeit abhängigen Menschen wahrnehmen. Eine soziale Alternative, ein Politikwechsel für gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit und für Frieden ist und bleibt notwendig. Wir engagieren uns im DGB und seinen Gewerkschaften insbesondere für

    • eine Politik, die gute Arbeit für alle schaffen will, mit voller sozialer und tariflicher Absicherung und mehr Beschäftigung in gesellschaftlichen Bedarfsbereichen.
    • eine Steuerpolitik, die auf Mehreinnahmen zielt und von oben nach unten umverteilt (z.B. Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Unternehmenssteuer und Spitzensteuersatz)
    • eine Sozialpolitik, die ein auskömmliches Leben für alle ermöglicht (z.B. Nein zur Rente mit 67, Anhebung des Rentenniveaus auf vor Agenda-Niveau, Erwerbstätigen- und Bürgerversicherung, Anhebung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I, deutliche Anhebung des Arbeitslosengeld II, Sanktionsfreiheit des Existenzminimums)
    • eine Politik gegenüber Migrantinnen und Migranten, die verdeutlicht: Der Gegensatz verläuft nicht zwischen drinnen und draußen, sondern zwischen oben und unten! Solidarität und Verständigung statt Rassismus und Sündenbockpolitik.“
      Aufruf zum Mitzeichnen vom 20. Februar 2018 auf der Aktionsseite externer Link, siehe dazu:

Zu nah dran. Gewerkschafter kritisieren GroKo-Schmusekurs der DGB-Spitze
„… Ausgangspunkt und Anstoß für den Appell dürfte ein Auftritt des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann beim Bonner SPD-Sonderparteitag am 21. Januar in Bonn gewesen sein. Der Gewerkschafter zeigte sich dabei als glühender Befürworter der angestrebten Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Mit lauter Stimme bezeichnete er die im damals vorliegenden Sondierungsergebnis aufgeführte Mindestausbildungsvergütung als »regelrechten Kracher« und bescheinigte dem Papier sogar »Potenzial für einen Politikwechsel in Europa«. (…) All dies hat in gewerkschaftlichen und betrieblichen Gremien heftige Diskussionen ausgelöst. »Not my Bundesvorsitzender« lautete eine auf Hofmann gemünzte Parole, die in sozialen Netzwerken die Runde machte. So vernetzten sich in den vergangenen Tagen die Urheber des neuen Appells und brachten aus der Sicht engagierter Gewerkschafter ihre Kritik am vorliegenden Koalitionsvertrag kurz und bündig auf den Punkt. (…) In der Liste der Erstunterzeichner finden sich etliche Betriebsratsmitglieder aus großen Konzernen, Erste Bevollmächtigte von IG-Metall-Untergliederungen, DGB-Kreisvorsitzende, GEW-Landesvorsitzende, Gewerkschaftssekretäre und Mitglieder gewerkschaftlicher Regionalvorstände. Einige von ihnen sind auch SPD-Mitglieder. Der Appell versteht sich allerdings nicht als Aufruf an die SPD-Basis, im angelaufenen GroKo-Mitgliederentscheid mit »Nein« zu stimmen…“ Artikel von Hans-Gerd Öfinger  vom 21.02.2018 beim ND online externer Link

  • [Leserbrief] Gewerkschafter gegen Groko 
    Es ist kaum zu ertragen, wie sich führende Gewerkschafter, allen voran der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, für eine Groko aussprechen und die Befürworter auf dem SPD-Parteitag auch noch beklatschen. Das war im Fernsehen schön zu sehen. Der Zuschauer fragt sich, wo bleibt da die parteipolitische Neutralität der Gewerkschaften, die ansonsten so beschworen wird? Es gibt Mitglieder und Wähler vieler Parteien in den Gewerkschaften, Parteilose. Und viele Gewerkschafter mit SPD-Parteibuch, erst recht ohne, sind gegen eine Groko. Der Riß geht nicht nur durch die Partei, sondern auch durch die Gewerkschaften.
    Nach den Sondierungsgesprächen ist von einer Groko für Gewerkschafter so gut wie nichts zu erwarten, ganz im Gegenteil. Da sind wir als parteilose linke Gewerkschafter uns mit vielen Kollegen, die dies auch minutiös schriftlich dargelegt haben, einig. Wir erwarten weitgehenden Stillstand auf Filzpantoffeln, verwalten statt  gestalten. Darüber hinaus scheint die SPD von einer Art Todessehnsucht ergriffen zu sein und gräbt sich ihr eigenes Grab. Bei der Bundestagswahl 20,5 Prozent, historischer Tiefststand, steht sie nach neuesten Umfragen derzeit bei 18 Prozent. Das wäre weniger schlimm, bestünde nicht die Gefahr, dass dieser Bazillus auch auf die Gewerkschaften übergriffe und sie in den Sog des Sterbens mitzöge. Nackte Zahlen: 2001 hatte der DGB 7.899.009 Mitglieder, Verdi 2.806.496. Im Jahr 2017 sind es beim DGB noch 5.995.437 Mitglieder, bei Verdi 1.987.336. Das entspricht einem Rückgang von 24 bzw. 29 Prozent. Auch eine andere Zahl gibt sehr zu denken: 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder wählten AfD, mehr als im Bundesdurchschnitt der Gesamtbevölkerung. Wir wenden uns gegen das Bild, das in der Öffentlichkeit durch Gewerkschaftsführer vermittelt wird. Die Gewerkschaften sind kein verlängerter Arm des SPD-Establishments. Zusammen mit den Jusos und anderen ungebundenen SPD-Kollegen sagen wir: No Groko!
    Leserbrief (zu der gesamten Berichterstattung zu den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen CDU/CSU/SPD in den Westfälischen Nachrichten) von Eberhard Doths und Martin Radde (Verdi-Ortsverein Gronau-Ahaus)
  • Ihr habt ein politisches Problem, liebe Gewerkschaften, kein demografisches 
    Die DGB-Gewerkschaften verlieren immer weiter Mitglieder. Das ist aber nicht nur ein demografisches Problem, wie die Spitze glauben machen will. Sondern ein vor allem politisches. Das unnötige Plädoyer pro GroKo-Verhandlungen zeigt das deutlich. (…) Dabei hätte den Dachverband womöglich eine Meldung aus den vergangenen Tagen zum Nachdenken bringen können. 2017 verloren die acht Gewerkschaften im DGB über 50.000 Mitglieder, deren Gesamtzahl rutschte erstmals unter sechs Millionen. Hoffmann erklärte, »da gibt es nichts schönzureden«. Und warum macht der DGB das dann beim Sondierungsergebnis? (…) Andere Gewerkschafter ziehen deshalb auch andere Schlussfolgerungen. »Auch das kleinere Übel ist ein Übel«, heißt es in einer Einschätzung des »Vorbereitungskreises Offensive Gewerkschaftspolitik«. Es sei zwar richtig, dass das Sondierungsergebnis gegenüber dem Jamaika-Stand etwas besser abschneide. Aber das könne ja nicht der ganze Anspruch von Gewerkschaften sein. Es entstehe mit dem DGB-Zuspruch für Schulz und seine GroKo »der Eindruck, Gewerkschaften setzen sich für eine Große Koalition ein und damit werden sie in die Verantwortung für die Ergebnisse für diese Koalition genommen. (…) Sicher wirken sich Veränderungen in der Ökonomie, Strukturwandel und dergleichen auch auf die Mitgliederzahl von Gewerkschaften aus. Aber wenn der DGB-Chef meint, das größte Problem der Organisationen sei ein demografisches, weil viele Mitglieder in Rente gehen, die Altersstruktur sich verändert habe und die Werbung unter Berufseinsteigern schwieriger wird, dann redet er sich auch in der Frage der Mitgliederzahl die Lage schön. Es könnte ja sein, dass die mangelnde Attraktivität des DGB auch und sogar sehr eine politische Frage ist...“ Artikel von Svenja Glaser vom 20.01.2018 im OXI-Blog externer Link
  • Auch das kleinere Übel ist ein Übel! 
    „»Verglichen mit Jamaika ergeben sich aus den Groko-Sondierungsgesprächen Anknüpfungspunkte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.« So oder ähnlich lassen sich führende Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter über die Regierungsbildung ein. (…) Aber was bedeutet eine solche Positionierung im gesamtgesellschaftlichen Kontext? Im Vorwort der 7 Thesen für eine offensive Gewerkschaftspolitik formulierten wir: »Die IG Metall muss ihre Durchsetzungsmöglichkeiten und Grenzen realistisch einschätzen und beschreiben. Tut sie dies nicht, und stellt sie ihre Kraft überhöht dar, muss sie Verantwortung für gesellschaftliche Verhältnisse übernehmen, deren Gestaltung sie nur unzureichend beeinflussen kann. Es besteht die Gefahr, dass die IG Metall die Realität anders beschreibt, als sie von einem Großteil ihrer Mitglieder wahrgenommen wird und sich hierdurch von ihrer Mitgliedschaft entfernt. Letztlich kann dies zur Rechtfertigung von Verhältnissen führen, die nicht im Interesse der Mitglieder der IG Metall liegen.« Dieser Fall droht nun genau einzutreten. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, Gewerkschaften setzen sich für eine große Koalition ein und damit werden sie in die Verantwortung für die Ergebnisse für diese Koalition genommen. Diese Ergebnisse aber werden – trotz einzelner sinnvoller Verbesserungen – den Anforderungen in keiner Weise gerecht. (…) Aus gewerkschaftlicher Sicht sollten wir uns daher nicht für die Bildung einer großen Koalition oder auch einer wie auch immer gearteten anderen Konstellation aussprechen, sondern inhaltliche Anforderungen an die Regierungsbildung stellen. Es ist nicht Aufgabe der Gewerkschaften, Politikberater der SPD zu sein.“ Beitrag vom Vorbereitungskreis Offensive Gewerkschaftspolitik vom 19. Januar 2018 bei sozialismus.de externer Link, siehe zum Hintergrund unser Dossier zu 7 Thesen zu den Aufgaben einer offensiven Gewerkschaftspolitik in der IG Metall
  • [Offener Brief an DGB] Position der NGG Bayern zu Sondierung und Koalitionsverhandlungen. Forderungen an eine zukünftige Bundesregierung 
    Lieber Reiner, du hast am 15.01.2018 dem TV-Sender Phoenix ein vielbeachtetes Interview gegeben, in dem du dafür plädierst, „den Weg für Koalitionsverhandlungen nicht zu verschließen, sondern die Chance, die darin liegt, auch zu nutzen.“ Es seien „deutliche Vorteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erkennen“, vergleiche man die Sondierung mit den Ergebnissen der Jamaika-Verhandlungen. Grundsätzlich ist die Aussage, dass man in Verhandlungen mehr erreichen kann, als wenn man sie nicht führt, richtig. Deutlich auseinander liegen wir aber bei der Einschätzung, ob es sich wirklich auf der Grundlage dieses Sondierungspapiers um eine „Chance für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ handelt. Hier lohnt der Blick in das Sondierungspapier, im Vergleich zu unserem gewerkschaftlichen Forderungskatalog zur Bundestagswahl 2017. (…) Eines der wichtigsten Instrumente zum Stopp der Umverteilungsorgie von unten nach oben ist die Steuerpolitik. ALLE unsere diesbezüglichen gewerkschaftlichen Forderungen, von der Erhöhung des Spitzensteuersatzes bis zur Vermögenssteuer, sind derart unberücksichtigt, dass uns rätselhaft bleibt, woher der Optimismus rührt, dass zu diesem Themenkomplex in Koalitionsverhandlungen noch mal Bewegung zu erwarten wäre. Und das betrifft viele weitere Punkte:  Sachgrundlose Befristungen bleiben legal. Die Eindämmung der Werkverträge, Verbote von OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden, Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen – kein Wort dazu im Sondierungspapier. Die Beendigung der Repression durch Hartz IV, geeignete Maßnahmen zum effektiven Abbau der Langzeiterwerbslosigkeit, die leichtere Vereinbarkeiten von Familie und Beruf – nichts dazu. (…) Anstatt geschlossen dem zum Teil offenem Rassismus in der Gesellschaft mit Haltung entgegenzutreten, wird der entsolidarisierenden CSU-Politik der Obergrenze für Flüchtlinge in der Sondierung erstaunlich weitgehend entsprochen. Damit wird das gewerkschaftliche Prinzip der Solidarität in einer Art und Weise angegriffen, die für sich genommen schon allein eine Aufforderung an die SPD zu Koalitionsverhandlungen von unserer Seite verunmöglichen müsste. (…) Vor diesem Hintergrund halten wir, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten im Landesbezirk Bayern, den von dir vorgenommenen Eingriff in die aktuelle Debatte der SPD für äußerst problematisch. Wir sind stattdessen der festen Überzeugung, dass wir unsere Inhalte, die bei den aktuellen politischen Mehrheitsverhältnissen immer den Charakter von Forderungen haben werden, klar und akzentuiert an jedwede zukünftige Regierungskoalition richten müssen…“ Offener Brief der NGG Bayern vom 17.01.2018 an den DGB-Bundesvorsitzenden externer Link
  • Sehr viel SPD im DGB. Auf einer Gewerkschaftskonferenz in Potsdam werben Funktionäre für die große Koalition 
    Manchmal gehen Wünsche schnell in Erfüllung. Noch am Samstag morgen hatte Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), unter seinen Berliner und Brandenburger Kollegen dafür geworben, die SPD zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu drängen. Am Sonntag stimmte dann eine knappe Mehrheit der sozialdemokratischen Delegierten – darunter auch etliche Gewerkschafter – genau dafür. Doch dieses Engagement Hoffmanns kommt nicht bei allen im DGB gut an, wie sich bei der Konferenz des Bezirks Berlin–Brandenburg in Potsdam am Samstag zeigte. (…) Doch nicht alle Gewerkschafter schätzen den Einsatz des DGB-Vorsitzenden, der selbst SPD-Mitglied ist. Zwar applaudierte eine Mehrheit dessen Ausführungen, einige Kollegen bedachten Hoffmann jedoch mit Buh-Rufen. In späteren Tischgesprächen äußerten mehrere Delegierte ihren Unmut. »Solche Ausführungen gehören nicht hierher, sondern auf einen Parteitag«, äußerste einer von ihnen gegenüber jW. Tatsächlich sprach Hoffmann auch auf dem SPD-Parteitag am Sonntag, wo er ausführte, die Sondierungsergebnisse seien eine »belastbare Basis für gemeinsame Arbeit« der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie. (…) Euphorische Zustimmung wurde jedoch einem anderen Zuteil: Uwe Ledwig von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, der in einer späteren Aussprache gegen eine zu starke Bindung des DGB an eine Partei sprach. Die Gewerkschaften müssten eigene Fehler eingestehen und sich mehr gegenseitig bei der Organisation von Arbeitskämpfen unterstützen. »Dann werden wir, jenseits von jeder Regierungskonstellation, unsere Interessen vertreten können.« Wie stark allerdings die Verbindung zwischen Sozialdemokratie und DGB ist, wurde bei der Neubesetzung der gewerkschaftlichen Spitzenposten deutlich…“ Bericht von Johannes Supe in der jungen Welt vom 23.01.2018 externer Link
  • Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften rutschen erstmals unter sechs Millionen
    „Für Gewerkschaften gibt es nichts Wichtigeres als Mitglieder. Wenn sie die Arbeitgeber nicht mit Mitgliedern beeindrucken können, können sie sie auch nicht mit Streikdrohungen erschrecken. Wer mit Streiks nicht einmal drohen kann, der braucht an den Tischen der Tarifverhandlungen gar nicht erst Platz zu nehmen. Immer zum Jahreswechsel bilanzieren die Gewerkschaften die Entwicklung ihrer Mitgliederzahl. Die acht DGB-Gewerkschaften sind dabei sehr genau. Mal aus Eigeninitiative, mal auf Nachfrage teilen sie aufs Mitglied genau den Stand mit. Wie sich nun herausstellte, ist die Zahl der Mitglieder, die in den Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) organisiert sind, erstmals unter 6 Millionen gesunken. Zum Jahresende 2017 waren es genau noch 5,995 Mitglieder, gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 52.000. Zehn Jahre früher lag die Zahl noch bei 6,441 Millionen. (…) Dabei ist die Zahl der abhängig Beschäftigten insgesamt angestiegen, doch handelt es sich hierbei überwiegend um Menschen die ungesicherte, befristete und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse eingehen müssen, um am oder unter dem Existenzminimum leben zu können. Diese Menschen scheinen die DBG-Gewerkschaften nur wenig zu interessieren.“ Beitrag vom 21. Januar 2018 vom und beim Gewerkschaftsforum Dortmund externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=126902
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