Dortmunder NSU-Nebenklägerin: Aufgeklärt ist gar nichts

Mehmet Kubaşık, am 4. April 2006 vom NSU in Dortmund ermordetElif Kubaşıks Stimme ist fest, den Blick aber vermag sie kaum von ihrem Manuskript zu heben. Jede Reise zu diesem Prozess sei schwer gewesen, so auch heute, sagt die 53-Jährige, als sie am Dienstagnachmittag ganz in Schwarz gekleidet an das Rednerpult im Saal A101 des Münchner Oberlandesgerichts tritt. Aber Kubaşık will sprechen, will eine Botschaft aussenden, eine der letzten in diesem Prozess. „Ich will, dass die Angeklagten hier verurteilt werden“, sagt Elif Kubaşık. „Dass sie ihre verdiente Strafe bekommen.“ Diese Angeklagten sitzen nur wenige Meter entfernt, in der ersten Reihe Beate Zschäpe. Sie schaut auf Kubaşık ohne Regung. Aber selbst wenn Zschäpe verurteilt werde, sagt Elif Kubaşık, habe ihr dieser Prozess bei der wichtigsten Frage nicht geholfen: der nach dem Warum. „Warum Mehmet? Gab es Helfer in Dortmund? Sehe ich sie heute immer noch? Und was wusste der Staat?““ – aus dem Beitrag „Die Hinterbliebenen“ von Konrad Litschko am 21. November 2017 in der taz externer Link, worin auch nochmals die Repression der Polizei gegen die Opfer Thema ist, die gerade in Dortmund besonders intensiv gewesen ist. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge:

  • „»Warum Mehmet?«“ am 22. November in neues deutschland externer Link ist ein Kurzbericht über die Stellungnahme Frau Kubasiks zum Prozessverlauf, worin es unter anderem heißt: „»Warum Mehmet? Warum ein Mord in Dortmund? Gab es Helfer in Dortmund?«, fragte sie. Unklar sei auch, was der Staat über den NSU gewusst habe. Insofern habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihr Versprechen einer umfassenden Aufklärung aus dem Jahr 2012 nicht gehalten. Kubasik griff in ihrem Plädoyer die Hauptangeklagte Beate Zschäpe direkt an: Es sei schwer für sie, den Anblick dieser Frau auszuhalten. Deren Aussage sei »einfach ekelhaft« gewesen. »Es ist alles Lüge, was sie sagte.« Auch die Form, wie sich Zschäpe entschuldigt habe, sei verletzend und beleidigend gewesen. »Ich hatte das Gefühl, sie macht sich lustig über uns«, sagte Kubasik laut Übersetzung. Es war das erste Mal seit Jahren, dass im NSU-Prozess wieder Angehörige von NSU-Opfern persönlich das Wort ergriffen haben“.
  • „Aufklärung, nicht Rache“ von Claufia Wangerin am 22. November 2017 in der jungen welt externer Link, worin zu den Erfahrungen der Familie mit der Polizei ausgeführt wird: „Sie wolle, dass die Angeklagten verurteilt würden, aber sie habe sich mehr Aufklärung über die Hintergründe und mögliche Mordhelfer gewünscht. Auch die Frage »Was wusste der Staat?« sei für sie wichtig, sagte Elif Kubasik. Als ihr Anwalt Carsten Ilius den Schlussvortrag fortsetzte, ging er zunächst auf Tatfolgen für die Witwe des Kioskbesitzers ein. Als er die Ermittlungen kritisierte und Beispiele für institutionellen Rassismus – auch nach anderen vergleichbaren Anschlägen – nannte, unterbrach ihn Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl, um dies als »Einführung verhandlungsfremden Stoffes« zu beanstanden. Es war nicht die erste Intervention dieser Art seit Beginn der Nebenklageplädoyers vergangene Woche. Ilius’ Kollege Sebastian Scharmer nannte die erneute Unterbrechung »respektlos«. Ilius stellte klar, es gehe hier um die Einbettung in einen gesellschaftlichen Kontext. Als er fortfahren konnte, erinnerte er an die Verdächtigungen, denen die Angehörigen von Mehmet Kubasik ausgesetzt waren, bevor der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) sich in einem 2011 verschickten Video mit der bundesweiten Mordserie brüstete. Von Verbindungen zur Drogenmafia über einen Eifersuchtsmord bis zu einem Motiv im Zusammenhang mit der verbotenen linken Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) kam für die Ermittler alles in Frage. Der sichtbare Einsatz von Rauschgiftspürhunden und entsprechende Gerüchte hätten zum weitgehenden »sozialen Ausschluss der Familie« geführt, sagte Ilius‘“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=124266
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