Eine Region steht (keineswegs) still: Generalstreik am 3. Oktober 2017 in Katalonien
„“Raus mit den Besatzungskräften“ war am Dienstag überall in Katalonien auf den Straßen skandiert worden, die hunderttausende Menschen eingenommen hatten. Auch an Barrikaden auf Hauptstraßen und Autobahnen waren Sprechchöre angestimmt worden: „Die Straße ist unsere und sie wird es immer bleiben.“ Zum Teil lag dicker schwarzer Rauch von brennenden Reifen in der Luft. In Städten waren Barrikaden allerdings unnötig, da die Straßen wie in Barcelona oft von Demonstrationszügen blockiert wurden. Das ist die klare Antwort in Katalonien auf das brutale Vorgehen Spaniens gegen das Referendum über die Unabhängigkeit am Sonntag. Das Land war weitgehend lahmgelegt, erstaunte Touristen standen an einer geschlossenen Sagrada Familie, vor verschlossenen Kneipen, Geschäften und Metrostationen. Aufgerufen hatten zum Streik nicht nur Gewerkschaften, Unis und Institutionen, sondern auch Unternehmervereinigungen. Sogar der Fußballclub FC Barcelona und andere haben gestreikt. Zwar hatten die großen spanischen Gewerkschaften in Madrid den Streikaufruf ihrer katalanischen Sektionen wieder zurückgezogen, doch das war ein Eiertanz angesichts der Tatsache, dass die Basis ohnehin streiken würde. CC OO und UGT traten weiter für den „Stillstand des Landes“ ein, der ja mit dem Generalstreik erreicht wurde. Sie haben sich zwar offiziell aus Madrid vom Generalstreik distanziert, aber dazu aufgerufen, dass Unternehmer und Beschäftigte sich auf einen „Stillstand“ (paro) einigen sollten. Und dieser Begriff ist auch ein Synonym für Streik“ – aus dem Beitrag „Spannung und Wut steigen in Katalonien“ von Ralf Streck am 04. Oktober 2017 bei telepolis
– wobei in unserer hier folgenden knappen Dokumentation durchaus auch die Debatte um „Generalstreik oder Stillstand“ eine Rolle spielt, die in der katalanischen Linken stattgefunden hat. Siehe dazu weitere sechs aktuelle Beiträge:
„Seguimiento de la #VagaGeneral3O“ am 03. Oktober 2017 hier bei kaosenlared
war die gemeinsame chronologische Berichterstattung vom Tage dreier linker Webprojekte (kaosenlared, LaHaine und Insurgente). Darin werden die zahllosen Aktivitäten des Tages ausführlich dokumentiert, auch mit vielen kurzen Videoberichten und Fotos aus allen größeren Städten Kataloniens. Darunter auch zahlreiche Fotos von streikenden Belegschaften von Privatunternehmen – die ja nur von den Basisgewerkschaften zum Streik aufgerufen worden waren. Ebenfalls vielfach dokumentiert: Die Beteiligung von Menschen an den Aktionen, die deutlich machten, dass sie gegen die Unabhängigkeit stimmen – aber erst recht gegen den Polizeistaat von Francos Erben in Madrid.
- „Huelga general o Paro. A quien conviene la confusión?“ von der CGT Ensenyament Catalunya am 03. Oktober 2017 bei kaosenlared
dokumentiert, ist die Stellungnahme der Bildungsgewerkschaft in der CGT zur politischen Bedeutung des Unterschieds zwischen dem Aufruf der Basisgewerkschaften zum Generalstreik und dem Aufruf der beiden größeren Verbände – gemeinsam mit der Regionalregierung – zum zivilgesellschaftlichen Stillstand. Worin vor allem auch ein Unterschied zwischen dem katalanischen Bürgertum und der Gewerkschaftsbewegung gesehen wird.
- „Laut Stadtpolizei allein 700.000 Menschen in #Barcelona. Mehrere Hunderttausend in Lleida, Tarragona, Girona …“ am 03. Oktober 2017 im Twitterkanal von Raul Zelik
ist ein Beitrag zum ersten Überblick über die Aktionen dieses Tages…
„Kataloniens Bürger auf der Straße“ von Martin Ling am 04. Oktober 2017 in neues deutschland
ist ein knapper Tagesbericht, bei dem eingangs noch einmal festgehalten wird, worum es wirklich geht: „»Ich will keine Unabhängigkeit, aber ich kann nicht zu Hause bleiben, während mein Volk verprügelt wird.« Dieser Slogan auf Katalanisch, wo das Wort poble wie auch im Spanischen pueblo weit weniger völkischen Charakter hat als aus historischen Gründen hierzulande, stand auf einem Plakat bei einer Demonstration am 3. Oktober in Girona. In ganz Katalonien gingen Hunderttausende auf die Straßen, um klar zu machen, dass Gewalt nie ein Mittel der Politik sein sollte. In Katalonien sind laut Umfragen 70 bis 80 Prozent für das Selbstbestimmungsrecht der Völker – für die Unabhängigkeit ist man damit noch lange nicht, jedoch für das Recht auf Entscheidung in einem demokratischen Rahmen. Dieser wurde am 1. Oktober von der spanischen Polizei auf Geheiß der Regierung in Madrid nicht gewährt. Das Argument der Illegalität des Referendums zieht in Katalonien auch bei den Unabhängigkeitsgegnern nicht, spätestens dies hätte in Madrid zur Einsicht verhelfen müssen, einen anderen Weg einzuschlagen als die Polizeigewalt“.
- „El rey rompe el último puente con Cataluña con una crispada intervención televisiva“ am 03. Oktober bei kaosenlared
dokumentiert (und kommentiert) ist die Fernsehansprache des Mannes, den sie König nennen. Diese wird bewertet als ultimativer Bruch: Kein Wort zum Terror der Guardia Civil, dafür langes Lamento über das „ungesetzliche“ Verhalten der Regionalregierung. Im wesentlichen handele es sich bei den Aussagen des Felipe um etwas vornehmere Varianten der Losungen der spanischen Rechten gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung.
- „Milleiros de persoas maniféstanse en Compostela polo dereito a decidir e a prol do referendo catalán“ mit Update am 03. Oktober 2017 bei der Confederación Intersindical de Galicia
ist ein Bericht über die Solidaritätsdemonstration mit Katalonien in Santiago de Compostela – hier als Beispiel für Solidaritätsaktionen in ganz Spanien: Sowohl in Andalusien, im Baskenland und eben in Galizien, als auch in zahlreichen anderen Regionen und Städten des Landes – eine große Solidaritätsdemonstration wurde am 3. Oktober in Madrid von Basisgewerkschaften organisiert.
- Siehe dazu zuletzt: „Moralischer Sieg des katalonischen Referendums bewegt auch regionale CCOO und UGT zum Generalstreik-Aufruf für 3. Oktober“ am 02. Oktober 2017 im LabourNet Germany