Mensch und Arbeit: „Wir binden alles an Lohnarbeit“
„Anerkennung, Position, Sozialversicherung – alles sei an Lohnarbeit gekoppelt, sagte der Philosoph Konrad Paul Liessmann im Dlf. Trotz der hohen Produktivität sei es heute die größte Sorge der Menschen, arbeitslos zu sein. Bei den Rahmenbedingungen unserer Arbeitsorganisation sei offensichtlich etwas schief gelaufen…“ Konrad Paul Liessmann im Gespräch mit Michael Köhler beim Deutschlandfunk vom 17. September 2017 (Audio mit Manuskript). Besonders Interessantes von Konrad Paul Liessmann:
- „… Ich habe auch keine Sorge, dass auch ein Mensch, der nicht ständig unter der Knute der Erwerbsarbeit steht, dass der untätig wäre. Wir sind ja gerne aktiv. Wir sind ja neugierige Menschen. Wir sind auch Menschen, die gerne Schwierigkeiten versuchen zu meistern. Das merken wir ja an unserem Freizeitverhalten, wie viele Menschen in ihrer Freizeit, wo sie es nicht tun müssten, ziemlich aufwendige, schwierige, komplizierte, zum Teil auch gefährliche Dinge machen. Das heißt, das ist ja nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, dass eine bestimmte Form von Erwerbsarbeit tatsächlich auf der einen Seite wirklich als Fremdbestimmung erfahren wird und auf der anderen Seite – das ist der Hinweis auf diese psychischen Erkrankungen wie Burn-out und dergleichen mehr, den Sie vorher gegeben haben -, weil die moderne Form der Arbeitsorganisation so sehr unseren allen anderen Lebensrhythmen zuwider läuft. Es ist ja nicht normal, dass Menschen in der Nacht arbeiten. Wir müssen es tun, weil es technisch möglich ist. (…)Ich würde nicht sagen, dass all unsere Kulturtätigkeit auf Arbeitserleichterung hinausläuft. Ich würde sagen, Kultur ist überhaupt das andere von Arbeit. Wenn es um Kultur geht, ist die Arbeit schon erledigt sozusagen. Sondern es ist Technik. Technik hat keinen anderen Sinn, als Arbeiten zu erleichtern, und das Paradoxe ist ja: Obwohl wir in der produktivsten Gesellschaft aller Zeiten leben, obwohl wir in einer Gesellschaft leben mit dem größten technischen Aufwand, den wir betreiben können, mit den meisten Automaten und automatisch ablaufenden Produktionsschritten, merken wir irgendwo nichts von dieser Entlastung. Es ist doch paradox, obwohl schon so viel automatisiert wird und in naher Zukunft noch automatisiert werden wird, dass wir nicht das Gefühl haben, wunderbar, da gibt es endlich Maschinen, die uns die Arbeit abnehmen. Ganz im Gegenteil. Wir haben größte Sorge, dass die uns nicht die Arbeit abnehmen, sondern uns die Arbeitsplätze wegnehmen, und da ist insgesamt, was die Rahmenbedingungen unserer Arbeitsorganisation betrifft, offensichtlich etwas schiefgelaufen.“