ver.di-Umstrukturierung: Ist die Auflösung der Matrix die Lösung aller Probleme?
Dossier
Der Bundesvostand von ver.di eröffnet mit seiner Position zur Zukunft der Fachbereiche in Verdi vom Juni 2017 die Debatte um die künftige Struktur der Gewerkschaft im Rahmen des Projekts „Perspektive: ver.di wächst!“. Wir dokumentieren dieses und weitere Papiere und eröffnen die Debatte ebenfalls: Geht es wirklich um die (adäquate?) Antwort auf „Umwälzungen vieler Branchen insbesondere durch die Digitalisierung“ oder vorrangig um Sparmaßnahmen? Wird alles wirklich gut, wenn nur die ungeliebte Matrix verschwindet? Ist die „Stärkung von ver.di-Aktiven“ die lange geforderte Basis-Orientierung und Demokratisierung oder nur Rückzug aus der Betreuung mitgliederschwacher Betriebe? Auch andere Fragestellungen sind denkbar und wir haben sie denen überlassen, die wir angefragt haben (bzw. noch anfragen wollen), weil sie bereits im Gründungsprozess als kritisch aufgefallen waren – siehe dazu im LabourNet-Archiv die Rubrik „Der Gründungsprozeß – Kommentare für und wider ver.di“. Bis die erbetenen Kommentare eintreffen dokumentieren wir im neuen Dossier zur Debatte die wichtigsten Unterlagen zur ver.di-Umstrukturierung und eröffnen die Debatte auch für unsere Leserschaft, wir freuen uns auf die Zuschriften! Siehe nun Kommentare und Stellungnahmen:
- Ver.di wird umstrukturiert: Die ehrenamtliche Ebene hat nur noch Beratungsstatus – offener Brief kritisiert diese weitere Machtverschiebung
„Gespräch mit Thomas Frischkorn, Vertrauensmann im Telekomkonzern und war bislang in der Fachgruppe IT aktiv. In einem offenen Brief kritisiert er die weitere Machtverschiebung zulasten des Ehrenamts. (…) Diese Zusammenlegung zu vier Fachbereichen hat der Bundesvorstand ohne breite Diskussion in einer Wochenendklausur beschlossen. Entscheidend war für ihn rein organisationspolitisch, dass die Bereiche von ihren Mitgliederzahlen ungefähr gleich groß sind. Das heißt, ich habe da Gremien, die vertreten eine halbe Million Menschen. Diese Vorstände sind aber so weit weg von den betrieblichen Themen, dass sie nur noch Ressourcen steuern können. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Gesamtorganisation Ver.di zum reinen Logo verkommt, das keine politische Aussagekraft mehr hat. (…) Außerdem sind diese Übergangsgremien nur noch Beratungsgremien. Die Entscheidungsmacht liegt bei den Gründungsvorständen der großen Fachbereiche, alles darunter ist nur noch Beratung. (…) Wenn aber das Demokratieverständnis davon geprägt ist, dass diese Gremien nur noch Beschlussvorlagen des Hauptamts abnicken und dazu dienen, dass die Hauptamtlichen sagen können, «ihr wart doch dabei», unterhöhlt es die innergewerkschaftliche Demokratie. Das ist fast wie Putins Begriff von der gelenkten Demokratie, weil man kaum eine Chance hat, auf Prozesse Einfluss zu nehmen, die von Hauptamtlichen mit Informationsvorsprung strukturiert sind. Als Ehrenamtliche erhalten wir durch die Umstrukturierung zwar mehr Aufgaben, aber weniger Entscheidungsmacht.“ Interview von Violetta Bock in der SoZ vom Februar 2022 , siehe den Offenen Brief:- Offener Brief von Thomas Frischkorn : Rückzug aus der Gewerkschaftsarbeit im ver.di FB A bzw. der FG IKT
- Siehe zum Thema auch: Was man im Rahmen der ehrenamtlichen Gewerkschaftsarbeit alles so machen kann – wenn man gelassen wird
- Umbau bei ver.di: Rechenschieber statt gewerkschaftspolitische Analyse
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) befindet sich in der heißen Phase einer noch nie erlebten Organisationsstruktur. Fertig sein soll alles bis zum ver.di Bundeskongress im Herbst. Unter dem wohlklingenden Namen „Perspektive 2015 – ver.di wächst“ wurde der Organisation auferlegt, sich umzustrukturieren. Ähnlich wie bereits der Deutsche Gewerkschaftsbund vor fünf Jahren, zieht sich damit auch die zweitgrößte Einzelgewerkschaft aus der Fläche zurück. Zukünftig wird sich mit weniger Hauptamtlichen die Arbeit der Fachbereichssekretäre gravierend verändern. Nicht nur deren Betreuungsbereiche werden größer. Schon in vorausgegangen Testphasen zeigte sich, dass die Förderung und Betreuung der ehrenamtlichen Gremienarbeit schwerer wird. (…) Durch die Zusammenlegung der Bezirke steigt das Risiko, dass die Betreuung durch die Hauptamtlichen schwieriger wird. Sich bisher bestehende Strukturen auflösen. Bislang aktive Kolleginnen und Kollegen sich in dem „Vereinigungsprozess“ nicht wiederfinden. (…) Nach Vorstellungen des Bundesvorstandes und der Landesbezirke muss alles laufen wie am Schnürchen. (…) Ver.di will so eine Effizienzsteigerung von 30 Prozent im Verwaltungsbereich und beim Personal um 15 Prozent erzielen. Die ersten Erfolgsberichte wurden in diesen Tagen intern dazu verbreitet. Dort findet man einen wichtigen Punkt aber nicht. Ein langfristig zu erreichendes Sparpotential. Ein Hauptziel der Strukturreform, die Befürworter tunlichst vermeiden, zu erwähnen. In der Neuorientierung sehen Kritiker eine Gefahr für die ehrenamtlichen Strukturen auf Landes- und Bezirksebenen. Diese spielen bis jetzt eine wichtige Rolle in der betrieblichen und überbetrieblichen Einbindung von Mitgliedern. Für Hauptamtliche wird eine Arbeitsverdichtung eintreten, die sich auf eine vernünftige Betreuung der ehrenamtlichen Strukturen negativ auswirkt...“ Artikel von Herbert Schedlbauer vom 9.1.2019 – wir danken!
- Der Umbau von ver.di
„Seit der Gründung von ver.di im Jahr 2002 gibt es Diskussionen über die Organisationsstruktur und eventueller Änderungen. Ein kompliziertes Geflecht aus Strukturen, Zuständigkeiten, Entscheidungsfindungen und Kompetenzen waren die Voraussetzungen der Gründung von ver.di. (…) Dabei wird zu oft vergessen, über die Gründe für die negative Mitgliederentwicklung zu diskutieren. Diese Entwicklung betrifft ja nicht nur ver.di sondern die meisten Gewerkschaften. (…) Nur dort wo die Gewerkschaften bereit und in der Lage sind, wirkliche Kämpfe um Verbesserungen zu führen, gibt es eine positive Mitgliederentwicklung, wie das Beispiel Amazon deutlich macht. Aber auch die Streiks in den Sozial- und Erziehungsdiensten wie auch jetzt der Kampf um Entlastung in den Krankenhäusern haben zu einem massiven Mitgliederzuwachs geführt. Die DGB Gewerkschaften verstehen sich eben zu oft als Ordnungsfaktor und werden als zu Staatstragend empfunden, als dass sie sich als kämpferische Vertreter der Interessen ihrer Mitglieder outen. Dies trifft natürlich am meisten auf IG BCE und auch auf die IG Metall zu, aber auch Frank Bsirske spricht häufig mehr über die volkswirtschaftlichen Erfordernisse als von den Interessen der Mitglieder. Dies wird aber alles übertroffen von der häufigen Zusammenarbeit von DGB und dem Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA) oder dem Kuschelkurs gegenüber der Kanzlerin und der großen Koalition. (…) Es soll hierbei nicht bestritten werden, dass es im Einzelfall nicht sinnvoll ist, Fachbereiche zusammen zu legen, wie diejenigen die hauptsächlich im öffentlichen Dienst präsent sind. Aber dies müsste mit einer Debatte verbunden werden im ÖD wieder zu gemeinsamen Tarifrunden zu kommen. (…) Die Kritik scheint aber beim Bundesvorstand angekommen zu sein. Plötzlich soll es sich nur um eine Diskussionsgrundlage halten und Fachbereiche über 100.000 Mitglieder können auch weiterhin eigenständig bleiben.“ Artikel von Helmut Born vom 20.11.17 , erschienen in der SoZ – Sozialistische Zeitung – vom Dezember 2017 – wir danken! Siehe die Artikelübersicht der der SoZ vom Dezember 2017
- Diskussion zur Zukunft der Fachbereiche in ver.di und Frauenstrukturen in den Fachbereichen
„… im Rahmen der Diskussion zu einer möglichen Zusammenlegung von Fachbereichen wird im Moment in ver.di über das „Ob“ und über das „Wenn ja, dann Wie“ gesprochen. Für die Fachbereiche, die über die Form der Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen sprechen wollen, weisen wir darauf hin, dass hierbei auch die jeweiligen Frauenstrukturen gefordert sind, ihre künftige Zusammenarbeit zu regeln. Um unkompliziert und ohne langes Suchen das aktuelle Wissen hierfür parat zu haben, stellen wir euch hierzu als kleine Handreichung die folgende Beschreibung aus der gültigen Richtlinie zur Frauen- und Gleichstellungspolitik zur Verfügung (…) Alles in allem sind die Regelungen der Richtlinie zur Frauen- und Gleichstellungspolitik in ver.di hinreichend flexibel, um auch in einer möglichen neuen Fachbereichszusammensetzung Anwendung zu finden…“ Anschreiben vom November 2017 vom Mitglied des Bundesvorstands zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik und der Vorsitzenden des Bundesfrauenrats
- [Bundesweiter offener Brief] Der Umbauplan des Bundesvorstandes – viel Umbau mit wenig Plan. Nicht so. Nicht jetzt. Nicht ohne uns.
„… Veränderung tut not, aber leider zeigt der Vorschlag des Bundesvorstandes in vielerlei Hinsicht gerade nicht das Köpfchen und die Sensibilität, die ein zukunftsträchtiger Umbau dieses wichtigen gesellschaftlichen Verbandes erfordert. Der Bundesvorstand stellt vielmehr betriebswirtschaftlich wohlklingende Konzepte über selbstbewusste Visionen für die Zukunft. Der Fachbereich 8 in Niedersachsen/Bremen beispielsweise hat immer wieder darum gebeten, zum richtigen Zeitpunkt Signale zu bekommen, um selbst über einen Neuzuschnitt der Fachbereiche nachzudenken, bevor es ausschließlich andere tun. Er hat wiederholt angeboten, beim Diskussionsprozess konstruktiv mitzuarbeiten. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass dieses Angebot nicht angenommen wurde. Die Art und Weise, wie das jetzt vorgelegte Thesenpapier des ver.di-Bundesvorstands entstanden ist, der weitere Diskussions- und Entscheidungsfindungsprozess sowie der vorgesehene Zeitplan sind ein Schlag ins Gesicht für alle Beteiligten. (…) Lieber Bundesvorstand, was wollt Ihr eigentlich? Ist es Euer Ernst, dass Ihr uns ein Papier vorlegt, das bestenfalls den Mitgliederschwund des letzten Jahrzehnts durch einen Schrumpfkurs verwaltet? Das kein Wort darüber verliert, woran man es messen soll und wo Ihr damit hinwollt? Dabei ist doch nicht einmal die Diskussion geführt, wo wir herkommen: Was haben wir falsch gemacht, dass eine Million Menschen uns seit ver.di-Gründung den Rücken gekehrt haben? Wie könnt Ihr vorangehen wollen, ohne darüber zu sprechen, wo wir herkommen und wo wir hinwollen? Das geht besser. Viel besser. Schaut nach Hamburg auf das monströse Treffen der Regierungschefs der G20-Staaten, schaut nach Karlsruhe auf das Tarifeinheitsgesetz, schaut Euch die Zusammensetzung des neuen Bundestages an und Ihr seht, aus welcher Richtung der Wind weht. Er kommt von vorne. Gewerkschaften drohen im neoliberalen Konsens zu einer Randnotiz des politischen Fortschritts zu werden. Lieber Bundesvorstand, allein habt Ihr keine Chance. Und schon gar nicht mit einem Umbau, der sich den eben beschriebenen Kräften eher wohlfeil anzupassen scheint als ihnen etwas entgegenzusetzen hat.“ Bundesweiter offener Brief mit über 20 FunktionsträgerInnen als ErstunterzeichnerInnen, entstanden auf Initiative aus dem Fachbereich 8 Medien, Kunst und Industrie aus Niedersachen/Bremen
- Die Gewerkschaft ver.di auf neuen Wegen: Mehr Kampfkraft durch Organisationsreform?
„… Soweit ersichtlich ging dem Vorschlag keine strategische Branchenanalyse voraus. Vielmehr sieht der Bundesvorstand Handlungsdruck aufgrund einer Finanzprojektion für die nächsten Jahre unter der Prämisse weiter sinkender Mitgliederzahlen. Der Glaube, diese Entwicklung umkehren zu können, scheint zumindest in der obersten Führung verflogen. (…) Bei dieser Neuaufstellung ist eine Grundhaltung sichtbar: Weg vom Stellvertreterhandeln. (…) Eine grundlegende Reform der Fachbereiche liegt also auf der Hand. Der diesbezügliche Vorschlag kommt spät – hoffentlich nicht zu spät. Unklar ist, worauf damit reagiert werden soll (…) Die Stärkung betrieblicher und tariflicher Durchsetzungskraft mit einer breiteren Mitgliederbasis und mit einer gesamtgewerkschaftlichen Tarifstrategie könnte auch in ver.di verschüttete Tarifprojekte wie die Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit wieder neu beleben – mit der Chance auf eine tatsächliche Durchsetzung. Auch Organisationsfragen der Gewerkschaften sind gesellschaftliche Machtfragen. In dieser Perspektive sind die »Perspektive: ver.di wächst« und die vorgesehene Fachbereichsreform Schritte in die richtige Richtung.“ Beitrag von Günter Busch als Leseprobe aus der Zeitschrift Sozialismus 10/2017 – Günter Busch war bis 2014 stellvertretender Landesbezirksleiter des ver.di-Bezirks Baden-Württemberg
- [FB 10 Nord/Hamburg] Veränderungen statt Fortschritt
„Dass Parteien und Verbände in regelmäßigen Abständen ihre Strukturen überprüfen und ggf. anpassen müssen, ist selbstverständlich. Dass auch ver.di nach 16 Jahren seine Strukturen überprüfen und möglichst zielgenau optimieren muss, ist ebenso unstreitig. Dass dies zunächst die Erarbeitung einer Schwachstellenanalyse für die Gesamtorganisation inkl. der Spiegelung der mittel- und langfristigen Entwicklungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft voraussetzt, bevor auf deren Basis Umstrukturierungsvorschläge erarbeitet werden können, müsste jedoch genauso unstreitig sein. Diese Minimalanforderungen an einen durchdachten Organisationsentwicklungsprozess erfüllt der Bundesvorstand mit seinem Positionspapier in keiner Weise. (…) Die Vorgabe, die derzeit 13 Fachbereiche zukünftig auf 4 zu reduzieren, entspringt einer bloßen Rechenschieber- aber keiner Branchenlogik (Ausnahme Fachbereich D, alt Fachbereich 3). Dies ist eine Abkehr von den Grundsätzen des ver.di-Gründungsprozesses, wo die Abbildung von Branchenstrukturen in möglichst passgenauen FB-Strukturen als ein Kernelement einer kompetenten Tarif- und Betriebsarbeit angesehen wurde. (…) Die Fachbereichsstrukturen u.a. mit dem Hinweis auf die Zielgrößen zu zerschlagen, gleichzeitig die Ebenenstrukturen aber zum „Schonpark“ zu erklären, ist nicht nur unverantwortlich, sondern wirft auch die Frage nach dem „Warum“ auf. (…) Die Annahme, dass größere Fachbereichsstrukturen zu größeren Erfolgen in der Tarif- und Betriebsarbeit führen, ist eine durch nichts belegte Behauptung. (…) Die häufig geäußerte Vermutung, dass mit den neuen Fachbereichsstrukturen jenseits jeglicher Branchenlogik im Kern die Begründungslinien für kommende Personalvorschläge auf Bundesebene erleichtert werden sollen, soll an dieser Stelle nicht weiter aufgegriffen bzw. hinterfragt werden, denn eine reine Vermutungshinterfragung ist wenig hilfreich. Und selbst, wenn es so wäre, wäre das Motiv keinesfalls akzeptabel. (…) Deshalb ist klar, dass ein Prozess, der einerseits die Branchekompetenz zerschlägt und andererseits die Grundpfeiler einer handlungsorientierten betrieblichen Gewerkschaftsarbeit zerstört, nicht unterstützt werden kann…“ Bewertung der Vorgaben des Bundesvorstandes zur Umstrukturierung der ver.di-FB vom 13.09.17 durch das Präsidium des FB 10 Nord/Hamburg
- Brief des Verdi-Bezirks München an den Bundesvorstand zur geplanten Umstrukturierung
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bezirksvorstand des ver.di-Bezirks München & Region lehnt die Position des Bundesvorstandes zur Zukunft der Fachbereiche in ver.di vom 23. Juni 2017 ab. Angesichts des fortgesetzten Mitgliederschwundes sehen wir zwar die Notwendigkeit, die Organisationsstruktur unserer Gewerkschaft zu reformieren. Ein Umbau der Fachbereichsstruktur muss aber nachvollziehbaren Kriterien folgen und darf nicht in erster Linie von reinen Zahlenverhältnissen (Mitgliederzahl, Beitragseinahmen und damit personelle Ausstattung) bestimmt werden. Vielmehr erscheint es notwendig, eine neue Fachbereichsstruktur vorrangig nach Branchen-, Betriebs- und Konzernstrukturen, entlang der Wertschöpfungsketten und gemäß der tarifvertraglichen Zusammenhänge zu gestalten. Dies wird unabdingbar sein, wenn die fachliche Kompetenz des hauptamtlichen Apparates nicht zerstört werden soll…“ Brief vom 26. Juli 2017, dokumentiert in „Zusammen Kämpfen“, Newsletter für Gegenöffentlichkeit unterdrückte Nachrichten und Klassenkampf vom September 2017- In München wird es zur geplanten Umstrukturierung in verdi eine Informationsveranstaltung am 25. November 2017 geben: „Auch wenn Ende September der Gewerkschaftsrat das Konzept beschließen soll, fallen die Entscheidungen später in den Fachbereichen. Frank Werneke, Bundesfachbereichsleiter und Bundesvorstandsmitglied, steht uns für eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Verfügung und wird zu diesen Fusionsplänen Stellung zu nehmen. Wir bitten daher alle ehrenamtlichen Funktionsträger/innen, sich den Termin für diese Veranstaltung schon jetzt vorzumerken: Samstag, 25.11.17 im DGB-Haus München (Saal) von 10.30 bis 15 Uhr„
- Stellungnahme zum Strukturvorschlag des Bundesvorstandes vom Landesbezirksfachbereichsvorstand Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin-Brandenburg
„… Wir halten eine Umstrukturierung der Fachbereichsstruktur grundsätzlich für nötig, denn bisherige Zuordnungen und Branchenzustände müssen immer wieder neu vermessen werden. Wir sind jedoch allesamt der Auffassung, dass Ziel und Inhalt eures Vorschlages nicht ausreichend vermittelt sind. Wir halten euren Vorschlag für einen Aktionismus im Schatten der Diskussion Arbeit 4.0. Die Digitalisierung der Arbeitswelt kann die Zuordnung inhaltlich nicht begründen und stellt somit lediglich eine schwache Universalbegründung dar. (…) Unser Gesamteindruck: Wir halten den von Euch beschrittenen top down Prozess für bisher nicht gelungen. Der Prozess der Perspektive ver.di wächst war anders angelegt und zeigt, dass die Organisation Reformen aktiv von der Basis her begleiten will und kann. Wir sehen eine Kontinuität der fachlichen Begleitung in Großstrukturen als nicht gegeben. Es sieht für uns nach einer Sparmaßnahme bei insgesamt sinkenden Mitgliederzahlen aus sowie nach einer Maßnahme zur Umsetzung des GR-Beschlusses zur Reduzierung der Anzahl der Bundesvorstandsmitglieder…“ Stellungnahme von ver.di LBZ Berlin-Brandenburg, Fachbereich 5 Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 20.07.2017
- Stellungnahme des Landesbezirksfachbereichsvorstandes Sozialversicherung in NRW zum Positionspapier des Bundesvorstandes zur Zukunft der Fachbereiche
„Der Landesbezirksfachbereichsvorstand hat sich in seiner Sitzung am 31.07.2017 intensiv mit dem Positionspapier des Bundesvorstandes zur Zukunft der Fachbereiche beschäftigt. Neben kritischen wurden aber auch positive Aspekte gesehen. Die Sozialversicherung hat Auswirkungen auf über 90 % der Bevölkerung also auch auf unsere ver.di-Mitglieder muss deshalb als tragende Säule des Sozialstaates in ver.di sichtbar bleiben. (…) Der Zusammenschnitt des neuen „Fachbereichs B“ ist aus unserer Sicht nicht ganz logisch. Warum wurden nicht alle Fachbereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge im „Fachbereich B“ gebündelt. Dann würden sicherlich Fragen wie die angesprochenen Schnittstellen auf ein Mindestmaß reduziert. (…) Großen Wert legt der Landesbezirksfachbereichsvorstand auf die organisatorische Zusage, dass die Betriebsgruppen sowohl auf Landesebene als auf bezirklicher Ebene bestehen bleiben. Offen sind die Fragen, wie die Finanzordnung in den neuen Fachbereichen ist. Werden die Gelder an die einzelnen Fachbereiche nach Mitgliederzahlen zugewiesen oder erfolgt die Finanzierung der Arbeit des „Fachbereiches B“ aus einem Gemeinschaftstopf? Die Finanzierung der Arbeit in den alten Strukturen des Fachbereiches Sozialversicherung muss gewährleistet sein. (…) In dem Positionspapier gibt es keine konkreten Hinweise auf die 8 Personengruppen. Wir halten es für absolut wichtig, dass über die Neuordnung der Fachbereiche die Jugendarbeit weiter gestärkt und ausgebaut wird. Die Frage der anderen sieben Personengruppen sollte geklärt werden. Für den Landesbezirksfachbereichsvorstand ist es zudem wichtig, dass die beiden anlaufenden Organisationsmaßnahmen keine negativen Auswirkungen auf die Mitgliederbetreuung haben…“ Stellungnahme des Landesbezirksfachbereichsvorstandes Sozialversicherung in NRW vom 23.8.2017
- Position des Bundesfachbereichsvorstandes Ver- und Entsorgung zur Zukunft der Fachbereiche
„Der Bundesfachbereichsvorstand Ver- und Entsorgung (BFBV 2) begrüßt die Initiative des Bundesvorstandes zur Neustrukturierung der Fachbereiche. Er wird den Prozess der Umstrukturierung aktiv be-gleiten und konstruktiv fördern. (…) Die Neuordnung der Fachbereiche ist auch im Fachbereich 2 nicht unumstritten. Es gibt zahlreiche kritische Stimmen insbesondere im Hinblick auf die Zuordnung der Fachbereiche zu den Neu-Fachbereichen. Je nach Betrachtungswinkel lassen sich für die vorgeschlagenen Neu-Fachbereiche bestätigende als auch ablehnende Begründungen finden. Die für den BFBV 2 entscheidende Begrün-dung liegt am ehesten in der in etwa gleichmäßigen Ausstattung der Bundesfachbereiche mit Finanz- und Personalressourcen. (…) Der Fachbereich 2 umfasst mit seinen Branchen wichtige Teile der Daseinsvorsorge. Dieses ist Bestand-teil der Identität des Fachbereiches und soll nicht dadurch verwässert werden, indem der Neu-Fachbereich B möglicherweise eine in diese Richtung gehende Namensgebung erfährt. Eine derartige Absicht wäre für den BFBV 2 nicht hinnehmbar…“ Beschlussvorlage vom 10.07.2017
- Landesbezirksfachbereichsvorstand Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg zu „ver.di-Fachbereiche sollen sich neu aufstellen“ – SO NICHT!
„ver.di soll umgebaut werden, das hat jedenfalls der Bundesvorstand beschlossen und ein Papier vorgelegt, von dem man den Eindruck haben könnte, McKinsey hat es diktiert. Danach sollen die Fachbereiche von jetzt 13 auf 4 reduziert werden. Noch weiss niemand so genau, wohin der Zug fahren wird, aber jetzt sollen schon entscheidene Weichen gestellt werden. Da bleibt nicht viel Zeit für eine gründliche Diskussion. Die ist offensichtlich auch nicht eingeplant. Dagegen protestiert der Landesbezirksfachbereichsvorstand der Fachgruppe Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg (Wortlaut Seite 8). Peter Schrott erklärt die jetzige Organisationsstruktur und das Vorhaben des ver.di-Bundesvorstandes. (…) Dazu muß ich feststellen, dass mit der Schaffung von ver.di der Grundsatz bestand, dass die Beschluss- und Entscheidungsfindungs-Struktur von unten nach oben organisiert ist und die Ehrenamtlichen die Politik vorgeben, die die Hauptamtlichen umzusetzen haben! Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, dass der Bundesvorstand dieses Papier „zur Zukunft der Fachbereiche“ vorlegt, anstatt – wie laut Satzung – den Weg über den Gewerkschaftsrat zu nehmen. Denn dieser legt nach Diskussion den Vorschlag mit der entsprechenden Zeitschiene den Mitgliedern vor. Unsere normale Landesbezirksfachbereichsvorstandssitzung fand am 19. Juni 2017 statt und während der Sitzung berichtete unser stellvertretendes Mitglied im Bundesfachbereichsvorstand, dass irgendetwas mit einer Neugliederung der Fachbereiche im Busche sei. Das veranlasste uns, zum 3. Juli 2017, eine Außerordentliche Sitzung des Landesbezirksfachbereichsvorstandes festzulegen, um nach Erhalt von genauen Informationen uns mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Auf dieser Sitzung wurde eine „Stellungnahme des ver.di Landesbezirksfachbereichsvorstandes Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg“ verabschiedet und an den Bundesfachbereichsvorstand versandt. Nun schauen wir mal, ob und wann wir Ehrenamtlichen eine Antwort bekommen.“ Aus DIE QUERKÖPPE – Ausgabe 3/2017 vom August 2017 , ver.di-SeniorInnen-Zeitung FB 8 für Berlin-Brandenburg. Und ebd. im Wortlaut der Beschluss:- SO NICHT!
„Am 3. Juli 2017 beschloß der ver.di-Landesbezirksfachbereichsvorstand des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie (Fachbereich 8), Berlin-Brandenburg, einstimmig die untenstehende Stellungnahme an den ver.di-Bundesvorstand: (…) Wir verschließen uns der notwendigen Diskussion um die Zukunft der Fachbereiche nicht. Eine sich verändernde Arbeitsgesellschaft führt notwendigerweise auch zu Veränderungen bei Gewerkschaften. Um die Diskussion ihrer Relevanz und ihres Umfangs entsprechend führen zu können, fordern wir Euch auf: 1. Verfolgt diesen Zeitplan nicht weiter! Gebt unserer Gewerkschaft die Zeit, die es braucht, solche Vorschläge zu diskutieren! 2. Ein neues Papier sollte bei den Organisationswahlen breitestmöglich und offen diskutiert werden. Dabei müssen folgende Punkte unbedingt berücksichtigt werden: Ein konkretes Organigramm mit Aufgabenverteilung als wichtige Grundlage (zur Erleichterung der Diskussion sollten nicht nur die Zahlen der Fachbereiche, sondern die vollständigen Bezeichnungen aufgeführt werden); Struktur der Mitgliederbetreuung festlegen; Einen Betreuungsschlüssel und ggf. dessen Berechnung; Planstellen für Sekretäre/innen und Verwaltungsangestellte (diese müssen nach der Perspektive „ver.di wächst“ und der Zusammenlegung dann noch für die Arbeit in den Fachbereichen erhalten bleiben); Die Flächenpräsenz muss garantiert sein; Verbesserung der Voraussetzungen zur Mitgliedergewinnung und -betreuung…“
- SO NICHT!
- ver.di: Zurück auf Null oder wieder „nix“?
„Um die Situation zu beurteilen, in der sich ver.di befindet, bedarf es zumindest eines kurzen, vielleicht nicht ganz sachlichen, Rückblicks in die Vergangenheit. (…) Weder bei den Haupt- noch den Ehrenamtlichen stieß dieses Projekt auf Begeisterung. Der Widerstand war stark, aber wie es halt nun mal so ist, wurde hier eine Stelle als Landesbezirksleiter, dort eine Stelle als Geschäftsführer versprochen, es gab Stellen als Bundesfachbereichsleiter und dazu noch in Berlin, sie waren besonders begehrenswert und wer mit 58 Jahren unter Fortzahlung der Bezüge aufhören wollte, war auch gerne gesehen. Und dazu kam noch die „Matrix“. Vermutlich weiß bis heute niemand, was das genau sein soll, aber allen Mitgliedern auf allen Ebenen wurde zu allen Entscheidungen Mitsprache versprochen. Das war schlicht „Nonsens“, aber wer will das schon so offen sagen… (…) Gab es irgendwann und irgendwo eine Diskussion über die Arbeit in den jeweiligen Fachbereichen, geschweige denn über deren Sinnhaftigkeit? Waren Haupt- und Ehrenamtliche in diesen Diskussionsprozess einbezogen? Beinhaltet die Zusammenlegung von Fachbereichen die Lösung aller Probleme und bringen zusammengelegt Fachbereiche mehr Mitglieder und stabile Beiträge? Und, wie unpolitisch muss man denn sein, um festzustellen, dass man sich im Bezug auf die Digitalisierung nur zukunftsgerecht aufstellen muss, dann wird schon alles gut …? (…) Gewerkschaftspolitische Themen gibt es viele, aber greift ver.di diese auf? (…) Die Themen sind unerschöpflich, aber bei vielen langt es noch nicht einmal für eine „Luftblase“ (Presseerklärung). Ver.di ist ein „Kunstprodukt“ ohne gewachsene Kultur. (…) Neben der Zusammenlegung der Fachbereiche läuft bei ver.di auch das Projekt „Rollout“, das in seinen Grundzügen die Trennung von Innen- und Außendienst festlegt. (…) Also, wieder „nix“ mit mehr Mitgliedern und Beiträgen…“ Kommentar von Peter Balluff vom 23.8.2017
- Positionierung des ver.di Landesfachbereichsvorstandes Handel in Bayern zum aktuellen Fusionsvorhaben des ver.di Bundesvorstandes
„Das geplante Vorgehen bringt uns den beschlossenen Zielen nicht näher, sondern gefährdet diese (…) Da es unsere ehrenamtliche Basis schwächt, die Einbindung wichtiger Schwerpunktbetriebe und ihre Aktiven in unsere Gremien reduziert und die Wege länger macht, wird es uns in der Mitgliedergewinnung und Stärkung der Aktionsfähigkeit schwächen. (…) Eine Top-Down-Entscheidung, welche das Ergebnis einer breit angelegten Analyse der Branchenentwicklungen, der technischen Entwicklungen, der Herausforderungen zukünftiger Entwicklungen, vorwegnimmt und sich lediglich auf das Zusammenlegen von seit 16 Jahren existierenden Fachbereichen konzentriert, ist dem Vorhaben nicht angemessen. (…) Nach 16 Jahren nun zwei Mammutprojekte wie die Trennung der kollektiven und individuellen Gewerkschaftsarbeit im Projekt „ver.di wächst“ und das Auflösen von 9 Fachbereichen und fusionieren auf 4 Fachbereiche parallel anzugehen, ohne dass Prozesse abgestimmt sind, eine Folgenabschätzung stattgefunden hat, gefährdet alle Fortschritte die es bisher bei ver.di wächst gegeben hat. Vor allem aber den Fusionsprozess überhastet zu starten, ohne dass mit dem Roll-Out des voraus gegangenen Projekts überhaupt begonnen wurde, ist falsch. (…) Die satzungsrechtlichen und rechtlichen Voraussetzungen sind aus unserer Sicht nicht ausreichend geprüft (…) Unser ehrenamtliches Rückgrat wird massiv negativ getroffen (…) Angebliche Effizienzgewinne die ausnahmslos auf vermeintlichen Kosteneinsparungen beruhen, bewirken das Gegenteil (…) Alternative Szenarien werden nicht überprüft. Die Entscheidung auf vier Fachbereiche ist willkürlich und nicht alternativlos. (…) Ein breit angelegter Beteiligungsprozess ist somit nicht Kür einer solchen Organisationsveränderung, sondern zwingende Voraussetzung. (…) Die Anzahl der Fachbereiche und deren Rahmen für innere Arbeitsstrukturen sollen daraus abgeleitet werden und nicht dem Prozess vorweg gestellt werden…“ Positionierung, bei einer Enthaltung beschlossen, am 11.07.2017- Hierzu ein (erster) Kommentar der LabourNet-Redaktion: Mag Wompel war vor und während der Anfänge ihrer Arbeit für das LabourNet Germany als Industriesoziologin für Unternehmensstrategien zuständig. Vor diesem Hintergrund findet sie die meisten Kritikpunkte der bayrischen KollegInnen richtig – und ist doch, bei allem Verlust früherer Illusionen, etwas erschüttert, wie stark – bei aller Kritik – die Ideologie der Organisationsentwicklung und des Qualitätsmanagements verankert ist, und hier vor allem die Frage der angeblichen Führungsnotwendigkeit. Sollten wir die Debatte nicht um die Frage erweitern, ob es nicht der ursprüngliche (und auch aktuelle) Fehler ist, Gewerkschaften wie „normale“ kapitalistische Unernehmen zu organisieren? Diese Kritik am Vorrang der Ökonomie auch bei gewerkschaftlichen Entscheidungen kommt nicht nur bei Schliessungen von Bildungsstätten immer wieder auf.
Hinzu kommt der in der Tat mit der Strukturreform drohende Angriff auf die Position der Ehrenamtlichen in der Gewerkschaft. Wenn allerdings die bayerischen KollegInnen befürchten, „Unser ehrenamtliches Rückgrat wird massiv negativ getroffen“, so stellt sich die Frage, ob es nun real das Rückgrat bisher gewesen ist, oder ob nicht vielmehr der ver.di-Vorstand formell nachvollzieht, was bereits den gewerkschaftlichen Alltag beschreibt. Letztere These würde zumindest das bisher sehr schwache Interesse (vom Widerstand kann ja bisher keine Rede sein) an der Strukturreform erklären…
- Hierzu ein (erster) Kommentar der LabourNet-Redaktion: Mag Wompel war vor und während der Anfänge ihrer Arbeit für das LabourNet Germany als Industriesoziologin für Unternehmensstrategien zuständig. Vor diesem Hintergrund findet sie die meisten Kritikpunkte der bayrischen KollegInnen richtig – und ist doch, bei allem Verlust früherer Illusionen, etwas erschüttert, wie stark – bei aller Kritik – die Ideologie der Organisationsentwicklung und des Qualitätsmanagements verankert ist, und hier vor allem die Frage der angeblichen Führungsnotwendigkeit. Sollten wir die Debatte nicht um die Frage erweitern, ob es nicht der ursprüngliche (und auch aktuelle) Fehler ist, Gewerkschaften wie „normale“ kapitalistische Unernehmen zu organisieren? Diese Kritik am Vorrang der Ökonomie auch bei gewerkschaftlichen Entscheidungen kommt nicht nur bei Schliessungen von Bildungsstätten immer wieder auf.
- Verdi wird umgekrempelt: Der Bundesvorstand schlägt vor, die Struktur der Gewerkschaft drastisch zu ändern. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus
„An Diskussionen mangelt es in Verdi derzeit nicht. Wohl die spannendste unter ihnen: Wie geht es mit der Organisation weiter? Seitdem der Bundesvorstand des Verbands Ende Juni ein Positionspapier zur »Zukunft der Fachbereiche in Verdi« vorlegte, wird darüber in etlichen ehrenamtlichen Gremien gesprochen. Denn der Vorschlag der Verdi-Leitung ist weitreichend (…). »Verdi wird zu einem stinknormalen Versicherungskonzern umgebaut«, meint Hans Dölzer. Das Vorstandsmitglied des Bezirksfachbereichs Medien Rhein-Neckar (…). Hinter dem Vorschlag des Bundesvorstands vermutet er die Absicht, »die kämpferischen Teile der Gewerkschaft durch Zentralisation zu eliminieren«. Die Betreuung der Belegschaften würde durch die Fusionen überdies weiter ausgedünnt, so Dölzer. So eindeutig sind die Haltungen zum Vorschlag in den meisten ehrenamtlichen Gremien noch nicht. In ihnen hat die Diskussion erst begonnen. Viele Organe fühlen sich noch zu schlecht informiert, um für oder gegen die Vorlage Stellung zu beziehen. Andere sehen in dem Zusammenschluss die Möglichkeit, Skurrilitäten im bisherigen Verdi-Aufbau zu beseitigen: Derzeit kann es vorkommen, dass dieselbe Berufsgruppe über verschiedene Fachbereiche verstreut ist.“ Artikel von Johannes Supe und Andrea Walter in der jungen Welt vom 15. Juli 2017
- Ver.di-Matrix Reloaded – Die Dienstleistungsgewerkschaft plant, ihre Struktur radikal zu reformieren
Artikel von Richard Färber bei neues Deutschland vom 14. Juli 2017
- Raus aus der Matrix und wegen Umbau geschlossen? In der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di soll die Struktur der Organisation radikal umgebaut werden
„Sie haben es ja auch nicht leicht, die Dienstleistungsgewerkschafter von ver.di. An gefühlt tausend Fronten gleichzeitig sind sie gefordert und im Einsatz. (…) Auch das ist – neben den sinkenden Mitgliederzahlen – sicherlich ein Grund dafür, dass ver.di nach Wegen sucht, sich organisatorisch neu aufzustellen, so die Annahme von Richard Färber in seinem Artikel Ver.di-Matrix Reloaded. (…) Man kann angesichts der Notwendigkeit gewerkschaftlichen Handelns gerade in den von ver.di betreuten Branchen, die sich im Zentrum einer erkennbaren Verschlechterung von Arbeitsbedingungen befinden (z.B. Einzelhandel, Paketdienste, Pflege), nur hoffen, dass der große Umbau der Organisation mit vielen Konsequenzen für einzelne Personen nicht zu den Effekten führt, die man oft in Konzernen beobachten kann, wenn ein Stoßtrupp von angeheuerten Unternehmensberatern alles und alle auf den Kopf gestellt hat und man den Powerpoint-Folien schöner neuer Organisationsstrukturen folgt und dann Jahre der Aufräumarbeiten braucht, wenn sich herausstellt, dass das innerhalb der Organisation zu zahlreichen Lähmungs- und Verweigerungseffekten geführt hat.“ Beitrag von Stefan Sell vom 13. Juli 2017 bei Aktuelle Sozialpolitik
Die wichtigsten Unterlagen zur ver.di-Umstrukturierung:
- Position des Bundesvorstands zur Zukunft der Fachbereiche in Verdi
„Zielbild: Wir wollen uns für die bereits begonnenen und zukünftig noch bevorstehenden Branchenentwicklungen und Umwälzungen vieler Branchen insbesondere durch die Digitalisierung zukunftsgerecht aufstellen. Dies erfordert eine neue Betrachtung der ver.di internen Abbildung der bisherigen Branchenzuschnitte innerhalb oftmals enger Fachbereichsgrenzen. Dabei sollen auch Unschlüssigkeiten in der bisherigen Struktur, die teils aus dem Gründungsprozess herrühren, teils durch unterschiedliche Branchenentwicklungen entstanden sind, auf den Prüfstand. Dafür schlagen wir – 16 Jahre nach der ver.di-Gründung – eine Neuaufstellung der Fachbereiche vor. Geeignete Bezeichnungen für die Fachbereiche sollen im weiteren Prozess gefunden werden. (…) Ziel des Projekts „Perspektive: ver.di wächst!“ ist eine Stärkung der kollektiven Tarifarbeit (KBTA) mit den fünf Kernaufgaben: betriebliche und branchenpolitische Schwerpunktsetzung; Erschließung; Aktivierung und Bindung gewerkschaftlicher Strukturen im Betrieb; Mitgliederorientierte tarifliche und betriebliche Auseinandersetzungen; Nachwuchsförderung. (…) Der Bundesvorstand hat seinen Vorschlag zur Zukunft der Fachbereiche intern beraten und abgestimmt. Dieser Vorschlag wurde am 18. Juni gemeinsam dem Beirat (Landesbezirksleiter/-innen) und dem Präsidium des Gewerkschaftsrates vorgestellt. In der 25. Kalenderwoche 2017 haben die Bundesfachbereichsleiter/-innen die Präsidien ihrer Bundesfachbereiche sowie die Landesbezirksfachbereichsleiter/-innen ebenfalls informiert. Mit diesem Papier soll der Vorschlag den ehren- und hauptamtlichen Führungskräften in ver.di vorgestellt und erläutert werden und damit die Basis für den notwendigen Diskussionsprozess vor allem in den Fachbereichsgremien, aber darüber hinaus auch in der Gesamtorganisation bilden. Der Vorschlag wird – unter Berücksichtigung der Rückmeldungen und Bewertungen aus den Fachbereichen – auch in der Sitzung des Gewerkschaftsrates am 28./29. September 2017 diskutiert werden. Auf Basis der Diskussionen werden dann rechtzeitig mögliche Beschlussfassungen in den jeweils zuständigen Vorständen und Gremien vorbereitet.“ Vorschlag des Bundesvorstands zur Zukunft der Fachbereiche vom 23. Juni 2017
- Verdi baut um: Vorstand legt Plan für Umstrukturierung der Gewerkschaft vor. Einschnitte bei der Qualität der Mitgliederbetreuung soll es nicht geben
Die „Gewerkschaft steht vor der größten Umstrukturierung seit ihrem Entstehen durch den Zusammenschluss verschiedener Organisationen im Jahr 2001. »Wir wollen uns für die bereits begonnenen und zukünftig noch bevorstehenden Branchenentwicklungen und Umwälzungen vieler Branchen insbesondere durch die Digitalisierung zukunftsgerecht aufstellen«, heißt es in einem Papier, das aktuell in der Gewerkschaft diskutiert wird und jW vorliegt. Titel des Dokuments: »Position des Bundesvorstands zur Zukunft der Fachbereiche in Verdi«. In der fünfseitigen Schrift schlägt die Leitung vor, die innere Gliederung der Gewerkschaft umfassend zu ändern. Mit der Neuaufstellung sollen, wie es im Papier heißt, Wachstumspotentiale besser genutzt werden. In dem Text regt der Bundesvorstand an, die Zahl der Fachbereiche deutlich zu reduzieren. (…) Zum Hintergrund des Vorschlags dürfte mutmaßlich auch die Mitgliederentwicklung von Verdi gehören. Im Papier wird dieser Aspekt nicht erwähnt. Bei der Gründung vor 16 Jahren zählte der Verband noch rund 2,8 Millionen Gewerkschafter. Bis 2016 sank die Zahl auf etwa zwei Millionen. Eine Folge des Rückgangs sind auch abnehmende Mitgliederbeiträge, was den Erhalt des Gewerkschaftsapparats immer schwieriger macht. Möglich also, dass man sich von den Änderungen Einsparungen erhofft. Jedenfalls soll es nun schnell gehen: »Die Umsetzung soll schrittweise zwischen 2018 und 2023 (erste Bundesfachbereichskonferenz in neuen Strukturen) erfolgen.«…“ Beitrag von Johannes Supe bei der jungen Welt vom 3. Juli 2017
Sowohl die Umstrukturierung der Fachbereiche als auch das Projekt „Perspektive: ver.di wächst!“ haben natürlich Konsequenzen für das ver.di-„Personal“ – siehe dazu:
- „Perspektive – ver.di wächst!“ Gespräche mit dem GBR über den Rollout fortgesetzt. Kaum Annäherung in Sicht
„Der GBR ist bereit, über eine einheitliche bundesweite Regelung zum „Ausgleich und Milderung wirtschaftlicher Nachteile“ (Sozialplan) aus Maßnahmen aus dem Rollout zu verhandeln. Diese erfreuliche Mitteilung nach den Irritationen zum Auftaktgespräch am 16. Mai 2017 wurde jedoch mit einem wenig erfreulichen Hinweis versehen. Der tatsächliche Abschluss steht unter dem Vorbehalt, ob die einzelnen Betriebsräte aus den Landesbezirken mit dem Ergebnis auch zufrieden sind. (…) Nach Auffassung des GBR müsste nun auch die politisch angestoßene Diskussion über Veränderungen der Fachbereiche mit in diesen Interessenausgleich aufgenommen werden. (…) Die Frage der Fachbereichsorganisation ist eine nicht der Mitbestimmung unterliegende politische Initiative des Bundesvorstandes…“ verdi personal info 9 vom 27.06.17 . Siehe dazu:- ver.di-Bundesvorstand verkündet: „Die Frage der Fachbereichsorganisation ist eine nicht der Mitbestimmung unterliegende politische Initiative des Bundesvorstandes.“
„Wer sich als Gewerkschaftsbeschäftigte(r) schon mal mit dem in § 111 BetrVG geregelten Thema Betriebsänderungen befasst hat, kann sich nur noch an den Kopf fassen (…) Wenn diese merkwürdige Interpretation, nachlesbar im ver.di-Personalinfo vom 27.6.2017, einzelnen Arbeitgebern, Arbeitgeberverbänden oder jenen Politikern bekannt wird, die schon immer die die Mitwirkung der Betriebsräte in diesem Bereich noch mehr beschränken wollen, leistet der ver.di Bundesvorstand (BuVo) allen Mitbestimmungsgegnern in dieser Republik eine höchst willkommene Zuarbeit. (…) Natürlich muss diese (weitere) Betriebsänderung auch Einfluss auf die Verhandlungen über eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) Sozialplan und Interessenausgleich zur Trennung und Neuausrichtung von individueller und kollektiver Gewerkschaftsarbeit haben. Im kürzlich bekanntgewordenen BuVo-Positionspapier zur Zukunft der ver.di-Fachbereiche wird ja eingeräumt: „Auch die Verzahnung mit dem Prozess „Perspektive: ver.di wächst!“ muss – mit Blick auf Stellenpläne, Qualifizierungen, Teamentwicklung – gewährleistet werden. (…) Deshalb ist es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, diese weitere betriebsändernde Umstrukturierung in die anstehenden Verhandlungen über einen Sozialplan und Interessenausgleich einzubeziehen. Dass dies dem BuVo wegen der möglicherweise eintretenden geringfügigen Verzögerung nicht schmecken dürfte, sollte den GBR aber nicht dazu verleiten, hier vorschnell die Flinte ins Korn zu werfen…“ Gewerkschaft der Gewerkschaftsbeschäftigten – Informationen für ver.di-Beschäftigte vom 30. Juni 2016
- ver.di-Bundesvorstand verkündet: „Die Frage der Fachbereichsorganisation ist eine nicht der Mitbestimmung unterliegende politische Initiative des Bundesvorstandes.“
Und als Appetitanregung für die Rubrik „Der Gründungsprozeß – Kommentare für und wider ver.di“ im LabourNet-Archiv siehe:
- Aus IG Medien goes ver.di! But where does ver.di go?
Debattenbeitrag von Ulrich Leicht und Helmut Weiss vom April 2002 im LabourNet-Archiv