Die Provinzregierung von Quebec verabschiedet im Schnellgang ein Sondergesetz gegen das Streikrecht: Wollen sich kanadische Baugewerkschaften tatsächlich in juristische Vorgehensweise flüchten?

Am Montag, 29. Mai 2017, hat die Provinzregierung von Quebec ihre antidemokratische Drohung wahr gemacht: In einer Eilsitzung ein Sondergesetz erlassen, mit dem die seit mehreren Tagen streikenden 175.000 Bauarbeiter ab Mittwoch 31. Mai gezwungen werden sollen, den Streik zu beenden. Die Frau Wirtschaftsministerin der Provinz – aus der Ferne schlecht zu beurteilen, ob besonders dumm oder besonders frech, wiederholte die selbstentlarvende Begründung: „Wir können es uns nicht leisten, täglich 45 Millionen Dollar zu verlieren“. Niemand fragte bisher, wenn „wir“ uns das nicht leisten können, welchen Anteil der 45 Millionen dann die Bauarbeiter jeden Tag  bekommen. Die Gewerkschaftsallianz der Bauverbände hat angekündigt, gegen das Gesetz juristisch vorzugehen, es sei eindeutig illegal. Nichts allerdings wurde dazu geäußert, was dann am 31. Mai passiert: Wird der Streik dann beendet oder trotz eines unternehmerischen Ermächtigungsgesetzes fortgesetzt? Alles deutet auf den Kniefall hin… Siehe dazu zwei aktuelle Beiträge, zwei linke Positionierungen und den Verweis auf unseren ersten Bericht:

• „Quebec government adopts law forcing striking construction workers back to work“ am 30. Mai 2017 beim Canadian Labour Reporter ist der Bericht über die Verabschiedung des infamen Gesetzes, mit dem die fünfmonatige Zwangsschlichtung anstelle des Streikrechts eingeführt wird. (Auch in Kanada gilt der Trend: Der heutige Kapitalismus ist mit bürgerlich-demokratische Rechten immer weniger vereinbar, Demokratie reduziert sich auf die Auswahl von Karrieremaschinen, immer noch Parteien genannt). Die Parlamentsmehrheit der sogenannten Liberalen Partei stimmte der immer siegreichen Parteiführung (jubelnd?) zu. Mehrere Tausend Bauarbeiter demonstrierten vor dem Landesparlament – ach ja, die Wirtschaftsministerin beteuerte noch, sie sei selbstverständlich für das Streikrecht, das sie soeben abgeschafft hatte.

• „Appel à la manifestation CONTRE LA LOI SPÉCIALE“ am 27. Mai 2017 bei der Baugewerkschaftsföderation Quebec FTQ war der Video-Aufruf an die Belegschaften der Bauindustrie, gegen das Antistreik-Sondergesetz zu demonstrieren, dem so überraschend viele gefolgt sind. Aber auch hier ist nicht die Rede davon, ob dem Gesetz der Bauunternehmer gefolgt wird – oder eben nicht…

• „Pour une contre-offensive de la classe ouvrière contre les lois spéciales et pour la défense des services publics!“ am 29. Mai 2017 bei wsws ist einerseits ein linker (trotzkistischer) Parteiappell, aber eben auch ein Beitrag, der darauf verweist, dass bereits 2013 ein Sondergesetz gegen einen Bauarbeiterstreik erlassen worden war – damals regierte eine andere, gleiche, Partei die Provinz – dem die Gewerkschaften brav Folge leisteten. Es wird in dem Beitrag auch darauf verwiesen, dass die Streikkasse eigentlich (eigentlich!) sehr gut gefüllt wäre, wenn man denn wolle…

• „Victoire aux ouvriers et ouvrières de la construction!“ vom 23. Mai 2017 bei der Ligue Trotskyste ist ein Parteiflugblatt, das im Besonderen vor allem auf die Propaganda der Unternehmer und ihrer Regierung verweist, der Bauarbeiterstreik schädige die Opfer der gerade eben passierten Hochwasserschäden, eine besonders perfide Hetze gegen jene, die die entscheidende Wiederaufbauarbeit leisteten.

• Siehe dazu zuerst: „Ein Kniefall der kanadischen Baugewerkschaften? Die Provinzregierung von Quebec will den Streik der 175.000 Bauarbeiter verbieten – das Kampfprogramm der Unternehmerverbände soll diktatorisch verwirklicht werden“ am 28. Mai 2017 im LabourNet Germany