«Die Arbeiter sind total unzuverlässig!»
„Peter Birke, Arbeitssoziologe und Gewerkschafter, zum Schwanken der Arbeiterbewegung zwischen Internationalismus und nationaler Abschottung, zum Verhältnis von betrieblichen Kämpfen und Migration und zur Frage, warum die sozialen Bewegungen keinen Abschied vom Proletariat nehmen sollten…“ Günter Piening im Gespräch mit Peter Birke am 13. Januar 2017 veröffentlicht bei der Rosa Luxemburg Stiftung im Mai 2017 (bis Ende Juni 2017 veröffentlicht die RLS im Anschluss an Peter Birke jeden Montag eines der insgesamt zehn Expertengespräche im Bereich der Migrations- und Rassismusforschung zu Perspektiven (post-)migrantischer Interventionen)
- Peter Birke u.a.: „… Migrantische Kämpfe waren und sind auch immer Klassenkämpfe, es ging und geht immer erstens um die «große» soziale Frage und zweitens um die Durchsetzung von sozialen Rechten einer oder mehrerer Gruppen, deren Position innerhalb der Arbeitswelt prekär ist. Daran ändert sich auch angesichts der Tatsache ja nichts, dass Opponenten migrantischer Kämpfe identitär oder rassistisch argumentieren, und dass es sich bei diesen Opponenten auch um Kollegen handeln kann. (…) Man darf sich das nicht so vorstellen, dass es eine relativ homogene «deutsche» Arbeiterklasse gibt und abgegrenzt dazu eine migrantische Unterschichtung. In den betrieblichen Konflikten ist es eher eine vielschichtige Landschaft. Die Frage, wie das Verhältnis zwischen einer in der nationalstaatlichen Logik Arbeiterbewegung und einer de facto multinationalen Arbeiterklasse organisiert ist, scheint mir vielmehr Tag für Tag neu ausgehandelt zu werden. Es entsteht eine Situation, die offen ist für rassistische Abwehr von Migration insgesamt oder bestimmter Formen der Migration, die aber meines Erachtens genau so offen ist für eine Solidarisierung auf der Grundlage verallgemeinerter Klasseninteressen. (…) Heute ist es fragwürdig geworden, von Arbeitskonflikten nur im engen, «betrieblichen» Sinne zu sprechen. Meines Erachtens ist eine der wirklich bedeutenden Erkenntnisse aus der Forschung über die historische «Autonomie der Migration» jene, dass die sozialen Konflikte, die dort thematisiert wurden, quer zu dieser Einhegung in betriebliche Verhältnisse liegen…“