Wer telefoniert, ist schneller „ausreisepflichtig“
Dossier
„Inzwischen ist der vereinbarte Plan in einen ersten Gesetzentwurf gegossen. Im Referentenentwurf des »Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« finden sich die vereinbarten Verschärfungen wortgleich wieder, die nach der Besprechung am 9. Februar veröffentlicht worden waren. Sie sind gekennzeichnet vom Anspruch der Bundesregierung, Konsequenz gegenüber abgelehnten Asylbewerbern zu zeigen (…) Auf eine weitere geplante Maßnahme, die in ähnlich einschneidender Form in die Persönlichkeitsrechte von Flüchtlingen eingreift, gehen am Montag »Süddeutsche Zeitung«, WDR und NDR ein. Diese ist allerdings gar nicht auf sogenannte Gefährder beschränkt. Es geht um eine flächendeckende Erfassung von Handydaten, zu deren Herausgabe man Flüchtlinge zwingen will, über deren Identität man Zweifel hegt“ – aus dem Artikel „Staat greift nach Kontaktliste“ von Uwe Kalbe am 21. Februar 2017 in neues deutschland , worin die „Moral“ für den Flüchtling deutlich wird – auf keinen Fall, niemals nicht, in irgendein nichteuropäisches Land telefonieren. Schon gar nicht den Studienfreund aus Ruanda anrufen, wenn man aus Algerien kommt, oder so… Siehe zum Hintergrund unser Dossier: 16-Punkte-Plan: Merkel will Abschiebungen deutlich beschleunigen »zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« und hier Infos zu datenschutzrechtlichen Aspekten des Gesetzesvorhaben:
- Gesetzesverschärfung: Vom Asylsuchenden zum „gläsernen Flüchtling“?
„… Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welches die Prüfung von Asylanträgen vornimmt, soll laut Gesetzesbeschluss Datenträger von Asylsuchenden durchleuchten und darauf enthaltene Informationen speichern dürfen. Die Auslese von Daten auf Handys, Tablets oder Laptops sollen Angaben über Identität und Staatsangehörigkeit liefern. In 50-60 % der Fälle würde eine Auslese notwendig, beziffert der Gesetzgeber. Sollte sich eine Person der Durchsuchung von Geräten verweigern, hole sich das BAMF den Zugang über den Telekommunikationsanbieter. (…) Aber wer überwacht diese Maßnahmen? Der Bundesrat hatte in seinen Änderungsvorschlägen eine Evaluation verlangt. Seiner Ansicht nach gilt die Notwendigkeit einer Überprüfung umso mehr, je stärker Regeln Grundrechte einschränken. Ohne Reflexion über den Sinn, die Angemessenheit und das Steuerungspotential von rechtlichen Änderungen ergebe sich „ein erhebliches rechtstaatliches Defizit“. Der Gesetzesbeschluss folgt dem nicht. Eine Evaluation sieht der Beschluss nicht vor. Die an Abschiebungen beteiligten Organe kontrollieren ihr Vorgehen und die Wirkungen selbst, begründet der Gesetzesentwurf. (…) In diesem Zusammenhang wirkt es paradox, dass bei Terrorverdächtigen ein Zugriff auf das Mobiltelefon richterlich erlaubt werden muss, während diese Vorbedingung für die Datendurchleuchtung von Menschen im Asylverfahren nicht gelten soll. Nach dem Vorhaben der Bundesregierung reicht es schon aus, wenn BAMF-Personal mit einem zweiten juristischen Staatsexamen über die Durchsuchung aufgrund fehlender Identitätsdokumente entscheidet. Ein polizeilicher Verdacht auf eine Straftat ist demnach nicht nötig…“ Beitrag von Hendrik Lammers vom 22. Mai 2017 bei Migazin
- Bundeskabinett: Schnellere Abschiebungen und Handy-Kontrolle
„Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig schneller aus Deutschland abgeschoben werden – so sieht es ein Gesetzentwurf vor, den das Bundeskabinett beschlossen hat. Zudem soll es dem Bundesamt für Migration gestattet werden, Mobiltelefone von Flüchtlingen zu überprüfen. (…) Weiterhin sollen Ausländer, bei denen ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt, dem Gesetzentwurf zufolge durch den Einsatz elektronischer Fußfesseln überwacht werden können. Auch soll der Bewegungsspielraum ausreisepflichtiger Asylsuchender, die ihre Rückführung durch falsche Angaben oder durch Täuschung über ihre Identität verhindern, auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt werden können…“ Beitrag vom 22.02.2017 bei der Tagesschau online
- Trotz breiter Kritik: Bundeskabinett beschließt massenhafte Durchsuchung von Flüchtlingshandys
„Das Bundeskabinett hat den „Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ beschlossen. Dieser wird nicht nur zur massenhaften Durchsuchung von Datenträgern von Geflüchteten führen, sondern deren Rechte generell weiter einschränken. Die Opposition, Datenschützer und NGOs kritisieren das Vorhaben scharf…“ Beitrag von Markus Reuter vom 22. Februar 2017 bei netzpolitik.org
- Abschiebepraxis: Bamf soll Identität von Asylbewerbern durch Blick ins Handy überprüfen
„Bamf-Mitarbeiter sollen bei der Identitätsprüfung von Asylbewerbern künftig Zugriff auf deren Handys bekommen. Das sieht der Entwurf eines Gesetzes „zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ vor, der SZ, WDR und NDR vorliegt. Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat die Abschiebepraxis in Deutschland verändert. Alias-Identitäten stehen nun klar im Fokus…“ Beitrag von Lena Kampf und Hans Leyendecker vom 19. Februar 2017 bei der Süddeutschen online