Strukturwandel nutzen! Konversion von Rüstungsbetrieben ist kein Selbstläufer

Dossier

Der Frieden gefährdet Arbeitsplätze. Plakat von Klaus Staeck, 1978. Wir danken für die Freigabe!„Angesichts einer Debatte um Aufrüstung und die „Normalität“ von Auslandseinsätzen mag es anachronistisch wirken, eine aktive Konversionspolitik zu fordern, dennoch gibt es gute Gründe auch dieses Feld im Auge zu behalten. Konversionsdebatten können helfen, bereits gemachte Fehler nicht zu wiederholen und einen Wandel zu einer friedlichen Wirtschaft von Grund auf erfolgreich zu gestalten. Dies gilt insbesondere deshalb, da sich aktuell ein Strukturwandel in der Rüstungsindustrie vollzieht, der genutzt werden sollte, um Arbeitsplätze dauerhaft und unumkehrbar in den Bereich der zivilen Produktion zu überführen. Denn nur wenn diese Ziele verwirklicht werden, kann von einem erfolgreichen Konversionsprozess gesprochen werden. Unter Konversion wird gemeinhin eine Umwandlung von militärischen Gütern, Flächen und Produktionen in zivile verstanden. Der Beitrag hier beschränkt sich auf die Diskussion der Konversion von Rüstungsbetrieben in zivile Betriebe…“ Artikel von Andreas Seifert vom 9. Januar 2017 bei IMI-Analyse 2017/01 externer Link, siehe weitere Beiträge zur Gewerkschaften und Rüstungskonversion samt Rückblick:

  • Kriegsgerät schon okay: Aktionswoche bei Airbus und Co.: IG Metall fordert gemeinsam mit Vertretern der Branche mehr Aufträge für die heimischen Waffenschmieden New
    Seite an Seite machen sich in dieser Woche Vertreter der Rüstungsindustrie, Beschäftigte und IG Metall für mehr Aufträge an die heimische Fertigung von Kriegsmaterial stark. Am Dienstag kamen auf dem Werksgelände von Airbus in Taufkirchen bei München einige hundert Mitarbeiter, ihre Chefs und von der IG Metall der frisch gewählte Vizevorsitzende Jürgen Kerner zusammen, um die bundesdeutsche Rüstungspolitik zu kritisieren. Die Veranstaltung fand im Rahmen einer bundesweiten Aktionswoche der Gewerkschaft an verschiedenen Standorten zum Thema statt. In Taufkirchen waren neben Airbus-Mitarbeitern auch Beschäftigte des Rüstungskonzerns Hensoldt sowie weiterer ortsansässiger Unternehmen vertreten, um mehr Aufträge aus dem 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung zu fordern, wie die Süddeutsche Zeitung am Dienstag online berichtete. Gewerkschaftsmann Kerner betonte, dass »der militärischen Luftfahrtindustrie in Deutschland der Absturz« drohe, wenn die Bundesregierung – wie geplant – Kampfflugzeuge und Hubschrauber in den USA kaufe. Auch der zivile Flugzeugbau werde dadurch geschwächt, »mit massiv negativen Konsequenzen für Technologieentwicklung und die heute über 100.000 hochqualifizierten Arbeitsplätze«, sagte er laut dpa. Die IG Metall fordere die Weiterentwicklung des »Eurofighters« und des Kampfhubschraubers »Tiger«. (…) Nicht einmal in die Fertigung von Bauteilen, Weiterentwicklung und Wartung der US-amerikanischen Kampfflieger sei die heimische Luftfahrtindustrie durch die Bundesregierung einbezogen worden, monierte in Taufkirchen der Münchener IG-Metall-Geschäftsführer Daniele Frijia. Vizegewerkschaftschef Kerner betonte, dass das deutsch-französisch-spanische Luftkampfsystem FCAS in Gefahr gerate, wenn es keinen neuen »Eurofighter«-Auftrag gebe. Ganz kurz wies Kerner auf die Absurdität des Schulterschlusses mit den Industrievertretern hin und bekannte, dass vor zehn Jahren eine IG-Metall-Veranstaltung auf dem Airbus-Gelände mit den Bossen nicht denkbar gewesen wäre. Nun gehe es nicht anders, denn wenn die starke Position im Flugzeugbau erst einmal verloren sei, »ist es kaum möglich, sie zurückzugewinnen«…“ Artikel von Gudrun Giese in dr jungen Welt vom 09.11.2023 externer Link („Rüstungskonversion war gestern“) – bei der IG Metall nix gefunden, weder Bund noch Bayern oder München…
  • Panzer sind zum Töten da. Anderes und anders produzieren. Die Debatte um die Konversion von militärischen zu zivilen Gütern in der deutschen Gewerkschaftsbewegung 
    Es ist eine Binse, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft Güter vorrangig danach beurteilt werden, wieviel Profit sie einbringen. Ließe sich mit Bratwürsten mehr Geld verdienen als z. B. mit Panzern und anderen Rüstungsgütern, würde angewiesen, erstere herzustellen und zu vertreiben. Weil dem offensichtlich nicht so ist, werden letztere hergestellt. Rüstungsgüter sind lukrativ. (…) Der politische Druck der Ampelkoalition auf Rheinmetall und Co. ist dementsprechend gering, oder anders gesagt: Er ist nicht vorhanden. Den aber bräuchte es, wenn man ernsthaft und nachhaltig mit der Umstellung der Produktion von militärischen zu zivilen Gütern beginnen will. Vom Kapital selbst ist kein freiwilliges Umsteuern in Richtung Konversion zu erwarten. Wie aber sieht es mit den Interessenvertretungen der Beschäftigten, mit Betriebsräten und Gewerkschaften aus?
    Nicht eben gut, schaut man etwa nach München-Allach, wo unter anderem der Exportschlagerpanzer »Leopard« gebaut wird. (…) Der Betriebsrat der IG Metall, der 1.650 Arbeitsplätze in Gefahr sieht, sollte die Probestrecke nicht mehr genutzt werden, rief daraufhin zu einer Demonstration für den Erhalt der Panzerstraße auf. Mehr als tausend Beschäftigte kamen. Auf den Transparenten und Plakaten war unter anderem zu lesen: »Panzer fahren – Arbeitsplätze wahren!« Und: »Panzer sichern Arbeitsplätze!« [Siehe im LabourNet] Das »Argument«, Rüstung sichere Arbeitsplätze, ist altbekannt und scheint in den Köpfen der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie fest verankert zu sein. (…) Zu Zeiten allerdings, als die Zahl der Beschäftigten in der Rüstungsbranche noch deutlich höher lag, machten die Beschäftigten einer Waffenschmiede in Großbritannien Furore. Im Januar 1976 stellten Arbeiter und Ingenieure des britischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Lucas Aerospace der Konzernleitung und der Öffentlichkeit einen Entwurf vor, mit dem sie die überkommenen Grundlagen des Was, Wie und Wozu der Produktion radikal in Frage stellten. [Siehe im LabourNet] (…)
    Ein spätes Ergebnis war das 2011 in der Satzung der IG Metall festgehaltene Bekenntnis: »Die IG Metall setzt sich für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung (…) ein. (…)»Die öffentliche Debatte um Kampfdrohnen und Waffenexporte hat eine alte Kontroverse in der IG Metall wieder aufleben lassen«, schrieben Jörn Boewe und Johannes Schulte 2014. Aber diese Diskussion scheint inzwischen, wie das Münchner Beispiel zeigt, wieder eingeschlafen zu sein, oder die Begründung und Vermittlung der Beschlusslage der Gewerkschaft an ihre Mitglieder hat schlicht nicht stattgefunden. (…)
    Aber bei aller Taktik darf tatsächlich nicht übersehen werden, dass bei zahlreichen Beschäftigten in der Rüstungsindustrie ein Strukturkonservatismus vorherrschend ist: Sie wollen ihren angestammten Arbeitsplatz behalten, auch weil sie die Arbeitsvollzüge kennen und ausführen können, ihre bisherigen Fertigkeiten und Qualifikationen bedroht sehen und ihre Kolleginnen und Kollegen sowie ihren Verdienst, der im Vergleich zu anderen Branchen relativ hoch ist, schätzen.
    Konversion steht trotz aller Unkenrufe weiter auf der Agenda der Gewerkschaften, das zeigt auch eine IG-Metall-Broschüre mit dem Untertitel: »Konversion & Innovation ein Thema für alle IngenieurInnen«. Dort werden beispielhaft die divergierenden Interessen von Kapital und Arbeit angesprochen, u. a. dass das Ziel der Profitmaximierung, die einer gesellschaftlich verantwortlichen, naturverträglichen Entwicklung und Gestaltung von Produkten entgegensteht. Gewerkschaften verstehen sich als Teil der Friedensbewegung in der Bundesrepublik. In den 1980er Jahren waren zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder bei den Protesten gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen dabei. In den 1950er Jahren hatten Gewerkschaften bereits gegen die Wiederbewaffnung gekämpft. Im Fokus stand dabei immer auch die Frage: Was können die Beschäftigten alternativ herstellen, um einerseits die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen und andererseits ihre Erwerbsmöglichkeiten, ihren Arbeitsplatz zu sichern…“ Artikel von Frank Rehberg in der jungen Welt vom 07.02.2022 externer Link (Frank Rehberg ist Bildungsreferent der Gewerkschaft ver.di)
  • Januar 2022: Nach Klage: IG Metall und SPD gegen mögliches Aus für Münchner Teststrecke des Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann (KMW)
  • Januar 2020: Bau von Kriegsschiffen: Die IG Metall sorgt sich gemeinsam mit den Betriebsräten von Werften und Zulieferern um den »Erhalt einer wehr- und sicherheitstechnischen Industrie« in Deutschland
  • Neu gegründet: Gewerkschaftliche Friedensinitiative in Niedersachsen für aktive Friedenspolitik und Militär- und Rüstungskonversion
    Im Zuge der aktuellen Aktionen gegen Rheinmetall erreichte uns auch die Pressemitteilung vom August 2018  „Neue Gewerkschaftliche Initiative für Frieden gegründet“, die wir im folgenden dokumentieren, schon, weil sie umso begrüßenswerter ist, als zur selben Zeit aus „höheren Etagen“ des DGB andere, zumindest  bedenkliche Töne kommen. In der PM heißt es einleitend: „Die DGB-Kreisvorsitzenden und ver.di-Funktionäre aus Nienburg (Werner Behrens), Celle (Paul Stern) und Heidekreis (Charly Braun) haben mit anderen GewerkschaftskollegInnen rechtzeitig vorm Antikriegstag die “Gewerkschaftliche Initiative für aktive Friedenspolitik und Militär- und Rüstungskonversion in Niedersachsen” gegründet. “Zwischen Elbe und Weser befindet sich das größte militarisierte Gebiet mit Europas größtem Truppenübungsplatz, größtem Heeresstandort, Rheinmetall Rüstungsfabriken und vielen weiteren militärischen Einrichtungen”, erklärt Charly Braun…Wir dokumentieren die Erklärung vom August 2018
  • März 2018: Offener Brief gegen: “IG Metall Küste fordert Stärkung des Marineschiffbaus von der Bundesregierung” – Wie vereinbaren Sie dies mit der Satzung der IG Metall?
  • Wiederbelebung notwendig. Gewerkschaftliche Initiativen setzen Rüstungskonversion wieder auf Tagesordnung
    Aufstockung der Wehrhaushalte, steigende Waffenexporte, Ausweitung von »Bündnisverpflichtungen« – all das scheint Normalität, die kaum noch einen Kommentar, noch weniger Bewegung auf die Straße bringt. Fast vergessen sind die Debatten um die Konversion von Rüstungsbetrieben, etwa Lucas Aerospace in England oder VfW Fokker in Speyer. Dabei gab und gibt es viel zu lernen, etwa von den »Arbeitskreisen Alternative Produktion«, von der IGM Küste Anfang der 80er in der Werftenkrise gegründet – auch und gerade für die Beschäftigten in der Rüstungs- oder Atomindustrie hierzulande. Die Gewerkschaften scheinen den Konflikt um Arbeitsplatz›sicherheit‹ vs. Produktionszwecke jedoch nicht eingehen zu wollen. Doch halt, da ist dieses Gerücht um ein Konversionsprojekt, das die IGM aufgelegt haben soll. Wir mussten lange suchen, um Genaueres darüber zu erfahren. Fündig geworden sind wir weder auf der IGM-Homepage noch bei Vorstandsverantwortlichen, sondern in der »Zeitung gegen den Krieg«. Anne Rieger, selbst Metallerin, hat ihren Text für den express aktualisiert…” Artikel von Anne Rieger , erschienen in express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Ausgabe 06/2017

Wir erinnern an Beiträge im LabourNet Germany:

Siehe im LabourNet-Archiv die Rubriken:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=109831
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