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Anwesenheitsbonus oder „Daimler erweitert Gesundheitsvorsorge für Beschäftigte“
Dossier
„Freiwilliger, kostenloser Gesundheitscheck für alle Mitarbeiter, Anwesenheitsbonus von maximal 200 Euro brutto pro Jahr. Die Daimler AG und der Gesamtbetriebsrat haben gemeinsam eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur erweiterten Gesundheitsvorsorge abgeschlossen. Die Vereinbarung ermöglicht den Mitarbeitern der Daimler AG in Deutschland einen freiwilligen und kostenlosen präventiven Gesundheitscheck ab kommendem Jahr bei den Werksärzten des Unternehmens. Die Untersuchung dient der Früherkennung gesundheitlicher Risikofaktoren wie beispielsweise Bluthochdruck oder erhöhten Cholesterinwerten. Die Ergebnisse der Untersuchung unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Die Gesamtbetriebsvereinbarung regelt zudem als Sonderleistung des Unternehmens einen Anwesenheitsbonus von maximal 200 Euro brutto pro Jahr. Den vollen Bonus erhalten Mitarbeiter, die innerhalb eines Jahres keinen Tag arbeitsunfähig waren. Der Anwesenheitsbonus verteilt sich auf maximal 50 Euro pro Quartal. Bei einem Tag Arbeitsunfähigkeit im Quartal erhält der Mitarbeiter noch 30 Euro. Ab dem zweiten Tag Arbeitsunfähigkeit im Quartal entfällt der Bonus für den entsprechenden Dreimonatszeitraum. Mit der quartalsweisen Verteilung des Bonus ist sichergestellt, dass auch durch längere Krankheiten nicht der komplette Anwesenheitsbonus entfällt. Für Mitarbeiter mit chronischen Erkrankungen gibt es eine Härtefallregelung…“ Daimler-Pressemitteilung vom 14.12.2016 . Siehe dazu Hintergründe und Kommentare:
- Unternehmensleitung will Anwesenheitsprämie einführen: Gesundheit mit Bonus belohnen – Kranke abstrafen?
„Der Vorstand will sich mit einem Anwesenheitsbonus einen besseren Krankenstand in den deutschen Daimler – Werken erkaufen. Schon heute schleppen sich immer mehr Beschäftigte krank zur Arbeit. Viele Arbeitswissenschaftlicher und Ärzte sagen, dass mit einer solchen Gesundheitsprämie Druck auf Beschäftigte ausgeübt wird, krank zur Arbeit zu gehen. Wer aber trägt dabei das Risiko? Was wenn aus einem verschleppten grippalen Infekt eine Lungenentzündung wird? Was wenn man gesundheitlich angeschlagen einen schweren Arbeitsunfall erleidet? Wir sind der Meinung, ein solches Risiko sollte niemand eingehen. Krank zur Arbeit ist unverantwortlich. Und deshalb sollte der Gesamtbetriebsrat auch keine solche Bonusvereinbarung abschließen.“ Aus: Alternative – Belegschaftszeitung Daimler Untertürkheim – Ausgabe Nr. 152 vom Dezember 2016
- Leserbrief einer Hinterbliebenen zum Anwesenheitsbonus bei Daimler
„Die Meinung einer Hinterbliebenen, mein 40-jähriger Bruder ist nach einem Herzinfarkt gestorben. Nach monatelanger Arbeitslosigkeit hat er bei Daimler-Chrysler im Anschluss an ein Praktikum einen befristeten Arbeitsvertrag bekommen. Er hat weder Nacht- noch Wechselschicht gescheut und trotz Grippe gearbeitet. Von der Angst nicht übernommen zu werden blieb auch er nicht verschont. Er hat miterlebt wie Kollegen nach Ablauf des Zeitarbeitsvertrages gehen mussten, nur weil sie sich krankschreiben ließen. Im Jahr 2000 wurde er unbefristet übernommen und plante mit seiner Freundin den Umzug in eine komfortablere Wohnung. Am 20.01.2002 ist der Traum geplatzt. Während eines Herzinfarktes ist er noch im Notarztwagen gestorben. Deswegen appelliere ich an alle Befristeten: Arbeitet gut, aber bleibt zu Hause wenn Ihr krank seid. Riskiert nicht eure Gesundheit, sonst müsst ihr das vielleicht mit dem Leben bezahlen. Verzichtet auf die Gesundheitsprämien. Dieser Leserbrief wurde im Jahr 2002 von Klartext-Betriebsräten veröffentlicht. Daimler und der Betriebsrat einigten sich auf einen Anwesenheitsbonus von maximal 200 Euro brutto pro Jahr. Derselbe Betriebsrat der sich damals geweigert hat den Bericht im SCHEIBENWISCHER zu drucken unterschreibt heute die 200 Euro Kopfgeldprämie.“ Leserbrief vom 7.1.2017 – wir danken und bitten um Beachtung!
- [IG Metall] Daimler GesundheitsCheck
„Nach kontroversen Debatten hat der Gesamtbetriebsrat seine Zustimmung zum Regelungspaket Daimler GesundheitsCheck/Anwesenheitsbonus erteilt. Warum, erklären wir hier… In der Sitzung Mitte Dezember 2016, hat der Gesamtbetriebsrat seine Zustimmung zum Regelungspaket „Daimler GesundheitsCheck und Anwesenheitsbonus“ erteilt. (…) Weil das Gremium den Daimler GesundheitsCheck – eine umfassende, kostenfreie und vorbildliche Vorsorgeuntersuchung – für alle Beschäftigten sichern wollte. In den Pilotwerken Bremen, Zentrale und Kassel, in denen die Vereinbarungen GesundheitsCheck und Anwesenheitsbonus bereits zwei Jahre lang getestet wurden, haben die Kolleginnen und Kollegen dieses Angebot des Werksärztlichen Diensts gut angenommen. Dabei konnten bei vielen gesundheitliche Probleme frühzeitig erkannt und darauf rechtzeitig richtig reagiert werden. So stellen wir uns ein attraktives und nachhaltiges Gesundheitsmanagement vor. Das Unternehmen investiert erhebliche Summen in dieses Angebot. Daher kam eine flächendeckende Einführung für die Verantwortlichen nur in Frage, wenn der Gesamtbetriebsrat auf der anderen Seite dem Anwesenheitsbonus zustimmt. Davon erwartet sich die Unternehmensleitung eine deutliche Senkung der Fehltage und damit Kosteneinsparungen. [!!!] (…) Allerdings konnten wir erreichen, dass das Bonusprogramm nach zwei Jahren automatisch ausläuft, der GesundheitsCheck den Daimler-Beschäftigten aber bis auf weiteres erhalten bleibt. (…) Die immer wiederkehrenden Versuche der Unternehmensleitung, die Ergebnisbeteiligung mit krankheitsbedingten Fehlzeiten zu verknüpfen, werden wir weiterhin entschieden zurückweisen.“ Info der IG Metall bei Daimler vom 16.12.2016
- Daimler belohnt gesunde Mitarbeiter
„… Zwei Jahre lang, vom Herbst des Jahres 2013 bis zum Herbst 2015, gab es das Programm schon in der Stuttgarter Konzern-Zentrale sowie am Standort Kassel, wo Teile für Nutzfahrzeuge produziert werden, und im Werk Bremen, wo Mercedes-Personenwagen montiert werden. Über die Entwicklung des Krankenstands in diesen Werken gibt der Konzern allerdings keine Auskunft, und auch nicht über den der Gesamtbelegschaft. (…) Während die freiwilligen Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen und Gesundheitskurse auf nahezu uneingeschränkte Zustimmung bei Betriebsräten stießen und auch von Seiten der IG Metall für gut befunden wurden, gab es gegenüber der Anwesenheitsprämie durchaus Skepsis. Daimler hat nach Informationen der F.A.Z. den Abschluss der Betriebsvereinbarung allerdings davon abhängig gemacht, dass das Gesamtpaket vereinbart wird…“ Artikel von Susanne Preuß vom 15.12.2016 bei der FAZ online- Zudem im Text: „… Während Gesundheitsmanagement inzwischen in vielen Betrieben ernst genommen wird, ist ein solches Bonus-System außergewöhnlich. Indirekt fließt das Gesundsein allerdings auch beim Konkurrenten BMW in die Vergütung ein. Dort ist die Erfolgsbeteiligung an die Zahl der geleisteten Arbeitstage gekoppelt…“ Dies stimmt so nicht, uns ist es auch von VW bekannt, aber auch DHL und weiteren
- Angeschlagen zur Arbeit Wann ist der Mensch krank?
„Daimler verspricht seinen Arbeitern einen Bonus, wenn man keinen Arbeitstag versäumt. Das sendet nicht nur ein falsches Signal, sondern kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. (…) Das hört sich auf den ersten Blick nach einem fairen Deal an, den Daimler mit dem Einverständnis des Betriebsrats beschlossen hat und der Teil eines Gesundheitspaketes ist. Schließlich wird ja niemand bestraft, der krank im Bett liegt. Stattdessen soll der Bonus der Verlockung entgegenwirken, mal diesen oder jenen Tag krankzufeiern, weil erst nach drei Tagen ein ärztliches Attest fällig wird. Doch ist es wirklich eine gute Idee, wenn der Arbeitgeber seinen Angestellten einen Anreiz gibt, kränkelnd ins Büro zu kommen? (…) Warum hat der Betriebsrat diesem Anwesenheitsbonus überhaupt zugestimmt? Wenn er doch offenkundig kontraproduktiv für die Mitarbeiter ist? „Abwägung der Interessen“, lautet die Antwort von Betriebsratschef Michael Brecht. Im Gegenzug habe man dafür Gesundheitschecks für die Mitarbeiter erhalten. Ein typischer Deal eben.“ Kommentar von Jenni Thier vom 18.12.2016 bei der FAZ online
- Wenn die Anwesenheitsprämie zum Bumerang wird
„Mitarbeiter des Autokonzerns Daimler, die keinen einzigen Arbeitstag fehlen, sollen 200 Euro Prämie im Jahr bekommen. Experten halten diesen sogenannten Präsentismus aber für gefährlich – und teuer. (…) Arbeitsrechtlich ist eine solche Prämie ebenfalls knifflig. Sie darf nicht mit dem Monatsgehalt überwiesen werden – dann nämlich dürfe die Prämie nicht einbehalten werden, wenn sich der Arbeitnehmer im Zeitraum des gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruchs tatsächlich krank meldet, sagt Philipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Münchner Kanzlei Lutz/Abel. „Zahlt der Arbeitgeber dagegen die Prämie als Einmalzahlung aus, ist eine Kürzung aufgrund von Krankheitstagen möglich. Das Entgeltfortzahlungsgesetz setzt für die Kürzung einer Prämie aber enge Grenzen“, erklärt er. (…) Die Wissenschaft hat sogar ein eigenes Wort für das Verhalten, krank zur Arbeit zu gehen, obgleich eine Krankmeldung gerechtfertigt und möglich wäre: Präsentismus. Dessen Auswirkungen sind überwiegend negativ…“ Artikel von Stephan Maaß vom 17.12.2016 bei der Welt online
- Siehe dazu Infos zum Anwesenheitsbonus bei Daimler Kassel vom November 2013 und unser Dossier im LabourNet-Archiv: Jagd auf Kranke in den DaimlerChrysler-Standorten