Weißbuch Arbeiten 4.0 des BMAS – Flexibilisierung 4.0? Neuer Angriff auf das Arbeitszeitgesetz
Dossier
„Unter dem Titel „Arbeiten 4.0“ haben wir Fragen zur Arbeit von morgen in einem Grünbuch aufgeworfen und in einem breiten gesellschaftlichen Dialog diskutiert. Mit den Expertinnen und Experten der Sozialpartner, Verbände, Unternehmen und Wissenschaft. Mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wer ein Grünbuch mit Fragen schreibt, muss auch ein Weißbuch mit Antworten vorlegen. Mit dem Weißbuch fassen wir unsere Schlussfolgerungen aus dem Dialog „Arbeiten 4.0″ zusammen. Wir möchten damit eine breitere gesellschaftliche Debatte dokumentieren und innerhalb der Bundesregierung sowie darüber hinaus einen Impuls zur gesellschaftlichen Gestaltung der Zukunft der Arbeit setzen.“ BMAS-Mitteilung zum „Weißbuch Arbeit 4.0“ vom November 2016 – siehe dazu Reaktionen und Bewertungen:
- Feierabend? Gehört abgeschafft! Von der Flexibilität zur Agilität. Die »Wirtschaftsweisen« und die neoliberale Linke
„Eins muss man dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung lassen: Seine Mitglieder, die »fünf Wirtschaftsweisen« (vier Männer und eine Frau), haben einen klaren Klassenstandpunkt. Aktuell fordern sie – offenbar einstimmig, ohne die übliche Minderheitsposition Peter Bofingers – die Abschaffung des Acht-Stunden-Tages: »Die Vorstellung, dass man morgens im Büro den Arbeitsalltag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet, ist veraltet«, sagte der Vorsitzende des Rates, Christoph Schmidt, im Gespräch mit der Welt am Sonntag vom 12. November. Denn danach kommen noch die abendliche Telefonkonferenz und nach der kurzen Nachtruhe der Mailcheck beim Frühstück. (…) Die Kritik der Gewerkschaften an der wirtschaftsweisen Provokation richtet sich vor allem dagegen, dass durch immer mehr Flexibilität zum Wohle des Kapitals unter der Hand die Arbeitszeit verlängert wird. Dieses Problem sieht sogar der Wirtschaftsweise Schmidt: »Eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes darf nicht bedeuten, dass man heimlich die Arbeitszeit ausweitet. Es sollte lediglich darum gehen, die bestehende Arbeitszeit flexibler über den Tag und innerhalb der Woche zu verteilen.« Dass man hierzu von den Gewerkschaften wenig hört, ist kein Zufall. Denn bei der »flexiblen« Verteilung der Arbeitszeit haben sie in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen schon viel zu lange viel zu viele Ausnahmen zugelassen, die immer mehr zur Regel werden. Wenn es dagegen keinen Widerstand gibt. Aber von wem soll der kommen, wenn selbst die (dem Anspruch nach) radikale Linke allenfalls ein Stirnrunzeln zustande bringt?…“ Beitrag von Jens Renner aus ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 633 vom 12. Dezember 2017 – siehe dazu:
- Auch nach »Jamaika«: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!
„Die Wucht der Angriffe auf das Arbeitszeitgesetz hatte nach der Rechtswende bei den Bundestagswahlen 2017 zugenommen. Die Kapitalverbände trommeln seit geraumer Zeit für eine Deregulierung im digitalen Zeitalter. Gefordert wird ein größerer gesetzlicher Spielraum für die Überschreitung der Höchstarbeitszeit von zehn Stunden und die Unterschreitung der Mindestruhezeit von elf Stunden – arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz. Auch nach dem Scheitern der „Jamaika“-Verhandlungen gilt unabhängig von den zu erwartenden neuen politisch-parlamentarischen Konstellationen weiterhin: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!…“ Hinweis zum Beitrag von Klaus Pickshaus vom Forum Gewerkschaft in Sozialismus.de Heft 12-2017
- „Flexibilisierung“ des Arbeitszeitgesetzes: Angriff auf ein Museumsstück? Der Acht-Stunden-Tag und die wirklichen Absichten der Deregulierer
„… Und bei allem Flexibilisierungsgerede muss man schlichtweg mal zur Kenntnis nehmen, dass Millionen Arbeitnehmer in Industrie und Dienstleistungen Schichtarbeit leisten und das auch in Zukunft machen müssen, weil es schlichtweg nicht geht, beispielsweise die Pflege alter Menschen im Home Office zu erledigen. Und gerade hier wird der Stellenwert von Schutzbestimmungen durch die Forschungslage mehr als deutlich. (…) Hier geht es ihnen vor allem um ein Ziel: Die Arbeitgeber wollen die tägliche Begrenzung der Arbeitszeit schleifen und statt dessen auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit abstellen. Aber warum ist das so wichtig? Eine plausible Vermutung geht in die in diesem Blog schon mehrfach darstellte Problematik einer Kollisionen der arbeitszeitlichen Realität in Branchen wie Hotel und Gaststätten mit den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und der Tatsache, dass diese in der Vergangenheit schlichtweg nicht entdeckt wurden, weil keiner kontrolliert hat, sich das aber mittlerweile durch das Mindestlohngesetz geändert hat, denn der Zoll muss zur Mindestlohnkontrolle auch die gearbeiteten Stunden nachvollziehen. Selbst wenn der Mindestlohn ordnungsgemäß gezahlt wurde, kommt dann ein Verstoß gegen die Arbeitszeitvorschriften ans Tageslicht. Würde die tägliche Höchstarbeitszeitbegrenzung flexibilisiert oder gar beseitigt werden, dann könnte man wieder schalten und walten, denn – daran sei an dieser Stelle erinnert – bei der Wochenarbeitszeit ist man nicht an die „normalen“ 48 Stunden gebunden, sondern kann bis zu 60 Stunden nach oben gehen. In so einem Gefecht wird praktische Arbeitszeitkontrolle von außen verunmöglicht. Vor allem überall dort, wo es keine Betriebsräte gibt, was gerade in den für Missbrauch empfänglichen Branchen regelhaft der Fall ist...“ Beitrag vom 17. November 2017 von und bei Stefan Sell
- Keine Arbeitszeit für „Wirtschaftsweise“. Arbeitszeitdebatte: „The Walking Dead“ statt Feierabend?
„“Die „Wirtschaftsweisen“ zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie nicht richtig liegen mit ihren Prognosen und Vorschlägen. So ist es auch dieses Mal in der Arbeitszeitdebatte. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, damit sinnvoll umzugehen. (…) Sie haben offenkundig keine Ahnung von der heutigen Arbeitswelt. Sie wissen nicht, dass die ArbeitnehmerInnen schon jetzt 1,8 Milliarden Überstunden leisten, davon die meisten unbezahlt. Sie ignorieren, dass der Achtstundentag viele Berufstätige schon längst der Vergangenheit angehört, weil sie dank Internet und Smartphone auch außerhalb der Bürozeiten eine Menge Arbeit erledigen. Die Professoren schlagen sogar die Ratschläge von Ärzten und Krankenkassen in den Wind, die vor einer Entgrenzung der Arbeitszeiten warnen, weil sie oft krank macht und damit ja letztlich auch den Unternehmen schadet. Das Recht auf Feierabend dient also – wie so viele Sozialgesetze, seit es sie gibt – dem kapitalistischen Wirtschaften. (…) Bei so viel Ignoranz stellt sich die Frage, wozu man diesen Sachverständigenrat überhaupt braucht. Ein ideologisch so verirrter und unterkomplex denkender Rat kann natürlich keinen weisen Ratschläge geben. Ja, er ist mithin so überflüssig wie all die unbezahlten Überstunden…“ Kommentar von Daniel Haufler vom 15.11.2017 bei der DGB-Gegenblende
- Das Kapital bläst zum Angriff auf den 8-Stunden Tag
„Der 8-Stunden Arbeitstag gilt heute zwar noch per Gesetz, doch ist dieses Gesetz mittlerweile durchlöchert durch zahlreiche Ausnahmeregelungen. So gehört für viele ArbeiterInnen ein 10-Stunden Arbeitstag zur Realität. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – auch beschönigend die „5 Wirtschaftsweisen“ genannt – bezeichnet den 8-Stundentag in seinem aktuellen Jahresbericht als „nicht mehr zeitgemäß“ und empfiehlt eine Flexibilisierung. Tatsächlich ist der gesetzliche 8-Stunden Tag nicht mehr zeitgemäß, er ist mittlerweile fast 100 Jahre alt. Seitdem sind nicht nur die Zahl der erwerbstätig Beschäftigten, sondern auch die Produktivität der Arbeit durch den Einsatz modernster Produktionsanlagen gewaltig gestiegen. Der Arbeitstag hätte also längst zu Gunsten von mehr Freizeit drastisch verringert werden müssen…“ Kommentar von Anton Dent vom 14. November 2017 bei Perspektive online
- Familien leiden unter Arbeitszeitflexibilisierung
„Der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt fordert flexiblere Arbeitszeiten. Wir haben flexible Arbeitszeiten en masse, sagt Heinz-Josef Bontrup, Arbeitsexperte an der Westfälischen Hochschule Recklinghausen. Es gäbe Überstunden, Gleitzeit, Teilzeit und Arbeit auf Abruf. Der Vorschlag sei ein Angriff auf das Arbeitsgesetz und man müsse an die Familien denken, die unter der Flexibilisierung leiden würden.“ WDR-Interview mit Heinz-J. Bontrup vom 14.11.2017 als mp3-Datei
- Von Zeit zu Zeit: Arbeiten uferlos?
„»Wir brauchen ein modernes Arbeitszeitgesetz. Aber das bedeutet die Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit und eine gerechte Verteilung aller gesellschaftlich notwendigen und nützlichen Arbeit zwischen den Geschlechtern, den Generationen und zwischen den Regionen dieser Welt«, sagt Margareta Steinrücke von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe ArbeitFairTeilen. (…) Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisiert die Bestrebungen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, auch die der neuen Landesregierung von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen, die gesetzliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit und damit den Acht-Stunden-Tag in Deutschland aufzuweichen. Diese übergroße Koalition der Gesetzesbrecher, der Feinde verlässlicher Arbeitszeiten und der entschiedenen Gegner von Arbeitszeitverkürzung bedroht Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte, die Kultur im Land und die Demokratie an sich. Zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur demokratischen Mitwirkung benötigen die Menschen Zeit, um zum Sportverein oder in das Theater gehen zu können, müssen wir verlässlich planen können. (…) Die Attac-AG ArbeitFairTeilen fordert, die gesetzliche Arbeitszeit von bisher 48 Stunden pro Woche der tariflichen Arbeitszeit von etwa 40 Stunden pro Woche anzupassen. Mit vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der »Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik2, mit linken Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und mit Umweltaktivist_innen ist Attac der Überzeugung, dass die 30-Stunden-Woche als Ziel auf die Tagesordnung gehört…“ Beitrag von Stephan Krull in Ossietzky 17 / 2017
- Attac kritisiert angestrebte Auflösung des Acht-Stunden-Tages. Bundesarbeitsministerium will gesetzliche Höchstarbeitszeit aufweichen
„Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisiert die Bestrebungen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sowie der neuen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, die gesetzliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit und damit den Acht-Stunden-Tag in Deutschland aufzuweichen. (…) Am Montag (14.8.2017) hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Förderrichtlinie „Zukunftsfähige Unternehmen und Verwaltungen im digitalen Wandel“ veröffentlicht, die Unternehmen „Lern- und Experimentierräume“ einräumen soll (http://t1p.de/Richtlinie-Bundesanzeiger ). Dabei geht es unter anderem um Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz. Bereits mit dem Anfang des Jahres veröffentlichten „Weißbuch Arbeiten 4.0“ hat Nahles die probeweise Abschaffung des Acht-Stunden-Tages zugelassen. Die Richtlinie setzt den Vorschlag nun um. Angestrebt wird laut Weißbuch ein Wahlarbeitszeitgesetz, das die „Abweichung von bestimmten Regelungen des Arbeitszeitgesetzes“ zulässt. (…) Die Attac-AG ArbeitFairTeilen fordert, die gesetzliche Arbeitszeit von bisher 48 Stunden pro Woche der tariflichen Arbeitszeit von maximal 40 Stunden pro Woche anzupassen…“ Pressemitteilung der Arbeitsgruppe ArbeitFairTeilen bei Attac Deutschland vom 17. August 2017
- Kommentar zur Arbeitszeittagung von DGB und FES: Falsche Bescheidenheit
„Arbeitszeitkonferenz. Das Thema zog. Und so folgten viele dem Ruf von DGB und Friedrich-Ebert-Stiftung Mitte Januar nach Berlin: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politiker aller Couleur, darunter Carola Reimann (SPD), Uwe Lagosky (CDU), Brigitte Potmer (Bündnis 90/Die Grünen) und Klaus Ernst (Die Linke). Für ver.di sprach Andrea Kocsis. Andere Gewerkschaften tauchten im Programm nicht auf. Reiner Hoffmann begann seinen Beitrag mit der überraschenden Feststellung, das Gewinnerthema für die Bundestagswahl sei Arbeitszeitverkürzung, wenn sie glaubwürdig versprochen werden könnte. Doch es folgte sogleich der Kniefall des Gewerkschafters vor Nahles: Das „Weißbuch Arbeit 4.0“ aus dem Hause der Ministerin sei schon eine gute Vorlage mit einer Vision von „Guter Arbeit“. Die Möglichkeit von „Experimentierräumen“ für die Auflösung des 8-Stunden-Tages, das Einfallstor für Arbeitszeitverlängerungen, wurde von Hoffman ausdrücklich begrüßt. Er sprang über Nahles‘ Stöckchen, dass dafür ja die Tarifvertragsparteien zuständig seien – Verschlechterung des Arbeitsschutzes also nur mit Zustimmung der Gewerkschaften. Neusprech Hoffmann: „Flexibilität neu denken!“ (…) Was fordert die Gewerkschaft, wurde die ver.di-Vertreterin gefragt. Mehr als der Abbau von Überstunden und die gesetzliche Regulierung von Home-office-Arbeit fiel ihr dazu nicht ein. Wenn die Gewerkschaften mit ihren derzeitigen Arbeitszeitkampagnen nicht bei der einseitig durch Unternehmen gesteuerten Flexibilität stehenbleiben wollen, müssen sie auf den groben Unternehmerklotz der Verlängerung der Arbeitszeit auch einen groben gewerkschaftlichen Keil der radikalen Verkürzung der Arbeitszeit setzen!…“ Kommentierter Bericht von Stephan Krull vom 6. Februar 2017 bei Google+
- Arbeitszeiten: Metall-Arbeitgeber wollen Abkehr vom Achtstundentag
„Arbeitsministerin Andrea Nahles will eine Lockerung der starren Arbeitszeit-Vorschriften durchsetzen. Gute Idee, sagen die Metall-Arbeitgeber – und fordern gleich mal den Wegfall der Achtstundengrenze. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall spricht sich für eine Abkehr vom Achtstundentag aus. „Wir müssen das flexibilisieren. Der Achtstundentag kann nicht mehr so starr sein wie bisher“, sagte Verbandspräsident Rainer Dulger in Berlin. „Es muss einfach möglich sein, dass ein Mitarbeiter nachmittags um vier heimgeht, das Kind aus der Kita abholt, abends um 21 Uhr ins Bett bringt und sich dann noch mal zwei Stunden an die Arbeit setzt.“…..“ Beitrag vom 23. Dezember 2016 von und bei Spiegel online . Siehe dazu auch:- Flexibilisierung 4.0: Metallunternehmer fordern Aufweichung geltender Arbeitszeitregeln. Gewerkschaft auch dafür, wenn es Phasen verkürzter Erwerbstätigkeit gibt
„Mit der Forderung nach einer Abkehr vom »starren Achtstundentag« hat der Unternehmerverband Gesamtmetall am Freitag dafür gesorgt, dass das Thema Flexibilisierung der Arbeitszeiten über den Jahreswechsel nicht in Vergessenheit gerät. Selbstredend geht es den Lobbyisten dabei eher um deren Ausweitung. (…) Die IG Metall setzt sich wiederum dafür ein, das Vollzeitarbeitsvolumen für Beschäftigte in besonderen Lebenslagen zumindest zeitweise absenken zu können. Wer Kinder erziehe, Angehörige pflege oder sich beruflich fortbilde, solle phasenweise 28 bis 35 Stunden schaffen können und zum Lohnausgleich einen staatlichen Grundzuschuss sowie tarifliche Leistungen erhalten, schlug der Gewerkschaftsvorsitzende vor. Darauf sollten weder Steuern noch Abgaben an die Krankenkassen erhoben werden. (…) Hofmann sieht zu starre Arbeitszeitregelungen aber ebenfalls als nachteilig an. Hier müssten Modelle etabliert werden, die »mehr Selbstbestimmung erlauben«. Eine Änderung des geltenden Arbeitszeitgesetzes sei dafür aber nicht nötig, betonte der IG-Metall-Chef. Es schütze vor Überforderung, regele die notwendigen Pausen und sehr zeitgemäß auch das »Recht auf Abschalten«. Die IG Metall will die Probleme mit Hilfe tariflicher und betrieblicher Vereinbarungen lösen. Man werde am Thema weit über die nächste Tarifrunde Ende 2017 hinaus dranbleiben, kündigte Hofmann an…“ Artikel von Jana Frielinghaus bei der jungen Welt vom 24. Dezember 2016
- Flexibilisierung 4.0: Metallunternehmer fordern Aufweichung geltender Arbeitszeitregeln. Gewerkschaft auch dafür, wenn es Phasen verkürzter Erwerbstätigkeit gibt
- „Zukunftsprojekt Arbeiten 4.0“ – Experimentieren mit der Arbeitszeit?
„… Die wissenschaftlichen Befunde weisen das Dreieck aus dem 8-Stunden-Tag, der 40-Stunden-Woche sowie einer Mindest-Ruhezeit von 11 Stunden mit Blick auf den Erhalt des physischen und psychischen Leistungsvermögens als eine Art Goldstandard der Arbeitszeitgestaltung aus. Dauerhaft längere Arbeitszeiten oder kürzere Ruhezeiten erhöhen signifikant die Unfall- und Gesundheitsrisiken. Das sind belastbare Forschungsergebnisse und die Gesundheit der Beschäftigten ist kein geeigneter Gegenstand von Experimenten…“ Gespräch mit Hans-Jürgen Urban in der Zeitschrift »Gute Arbeit« vom Januar 2017
- Nahles stören 4.0: Aktivisten protestieren während einer Veranstaltung der Arbeitsministerin
„… Unter dem Titel «Herausforderungen der Digitalisierung für eine Gute Arbeitszeitpolitik 4.0» luden Nahles und DGB-Chef Reiner Hoffmann zu einer Diskussion ein. Doch die Veranstaltung drohte zu keinem Zeitpunkt wirklich kritisch zu werden. Wäre da nicht die Intervention einer 30-köpfigen Gruppe gewesen. Lautstark und mit Transpis bewaffnet störten sie den Auftritt der Ministerin. Unbemerkt hatten sie in den Reihen der Zuhörer Platz genommen und ihre Chance genutzt, als Nahles ans Mikrofon trat, um sich vor ihrem Redepult in Stellung zu bringen. Teilweise maskiert rollten sie ihr Transparent mit der Aufschrift «Armut 4.0» vor ihr aus und schrieben an die Wandtafel hinter der Ministerin «Gegen rassistische Gesetze der SPD.» Eine Sprecherin der Aktivisten forderte: «Die Bundesregierung hat im vergangenen halben Jahr unbeachtet von der Öffentlichkeit eine Reform der Sozialgesetzgebung auf den Weg gebracht, die für viele Empfänger*innen von Existenzsicherung und Arbeitslosengeld massive Verschlechterungen bedeuten wird.» Besonders Migrant*innen, Arbeitslose und alleinerziehende würden am meisten unter dieser Reform leiden. Schuld seien das Integrationsgesetz, das Rechtsvereinfachungsgesetz bezüglich Hartz IV sowie das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen. Applaus kam aus den Reihen der Zuhörer, während Nahles, geschützt von einer Mitarbeiterin, zurück hinter die Sitzbänke verzog…“ Bericht vom 16.12.2016 beim ND online und das Video bei youtube : Protest bei einer Veranstaltung mit Andrea Nahles
- «Arbeiten 4.0» – Agenda-Building für eine neue Flexibilisierungsoffensive
„… Mit ihrem Ende November 2016 vorgelegten »Weißbuch Arbeiten 4.0« findet ein anderthalb Jahre währender, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) organisierter, »Dialogprozess« zur Erstellung eines Leitbildes für die Arbeitswelt der Zukunft seinen vorläufigen Abschluss. Erklärtes Ziel des BMAS war und ist dabei die Vorbereitung eines »neuen gesellschaftlichen Flexibilitätskompromisses«. Jenseits blumiger Projektionen auf künftige Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und neue Freiheiten für die »work-life-balance« der Beschäftigten ist dabei eine klare Agenda erkennbar: Durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen soll künftig vom Arbeitsrecht, vor allem vom Arbeitszeitgesetz, abgewichen werden können – und zwar nach unten. (…) In einem weiteren Sinne umfasst der Flexibilisierungsdiskurs über das Feld der Arbeitszeit hinaus auch das Arbeitsvertragsrecht, den Arbeits- und Gesundheitsschutz und letztlich das Arbeitsrecht insgesamt. Im Prinzip geht es um die Lockerung rechtlicher Vorgaben schlechthin, die die Verfügbarkeit menschlicher Arbeitskraft einschränken. Wie es die Daimler AG in ihrer Stellungnahme zum »Arbeiten 4.0«-Prozess formuliert: »Flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeit und selbstständige Tätigkeiten ermöglichen den Unternehmen die notwendige Anpassungsfähigkeit in Bezug auf ein volatiles Umfeld.« »Flexibilisierung« ist in diesem Sinne ein Synonym für die Deregulierung des Arbeitsmarktes. (…) Ein gesellschaftlicher Gegenentwurf, der eine klassenpolitische Perspektive der abhängig Beschäftigten einnehmen und es womöglich mit der Präsenz des vorherrschenden Diskurses aufnehmen könnte, ist nicht in Sicht. Dennoch gibt es Elemente eines solchen, auch wenn sie unverbunden und teilweise in widersprüchliche politische Strategien verwoben sind…“ Artikel von Jörn Boewe vom 7. Dezember 2016 bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung
- „Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung“
Anlässlich der „Arbeiten 4.0“-Konferenz des BMAS machte „der Freitag“ ein Interview mit Klaus Pickshaus. Dabei warnt Pickshaus, dass im Zuge des digitalen Wandels eine neue Deregulierungswelle drohe. Siehe das Interview in der Freitag vom 1.12.2016 dokumentiert auf der Homepage von Klaus Pickshaus
- Rückschritt per Tarif: Nahles will »flexiblere« Arbeitszeiten
„Wozu gibt es Tarifverträge? Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. So war es früher jedenfalls. Tarifverträge waren dafür da, den Beschäftigten günstigere Bedingungen zu verschaffen, als ihnen per Gesetz ohnehin zustehen. Ein Beispiel: Das Bundesurlaubsgesetz schreibt mindestens 20 Urlaubstage im Jahr vor. Viele Tarifverträge garantieren hingegen 30 Tage. Doch immer öfter ist es andersherum: Tarifvereinbarungen werden genutzt, um gesetzliche Standards zu unterlaufen.
So ist es beim gesetzlichen Mindestlohn, der in Branchen mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorübergehend unterschritten werden kann. So ist es bei der Leiharbeit: Die DGB-Tarifverträge verhindern, dass der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgeschriebene Grundsatz gleicher Bezahlung von Leih- und Stammkräften (Equal pay) zum Tragen kommt. Dennoch werden sie dieser Tage ohne große öffentliche Aufmerksamkeit neu verhandelt. Und so soll es nach dem Willen von Andrea Nahles (SPD) künftig auch bei den Arbeitszeiten sein. Wie die Bundesarbeitsministerin bei der Vorstellung ihres Weißbuchs »Arbeit 4.0« am Dienstag erläuterte, soll den Tarifparteien eine »innovative Arbeitszeitgestaltung« ermöglicht werden. Sprich: Wenn sich Gewerkschaften und Unternehmen einig sind, gelten Teile des Arbeitszeitgesetzes nicht mehr. Damit erfüllt die Ministerin einen lange gehegten Wunsch der Konzernlobbyisten. Ihnen gehen die Möglichkeiten, Arbeitskräfte »flexibel« einzusetzen – und damit möglichst effektiv auszunutzen –, noch nicht weit genug…“ Kommentar von Daniel Behruzi bei der jungen Welt vom 30. November 2016- Und als Beispiel für dieses (selbst ausgestellte) Armutszeugnis: „Mehr Flexibilität? Gibt’s schon – mit Tarifvertrag! Tarifverträge bieten großen Spielraum“
„Immer wieder beklagen Arbeitgeber, dass die Arbeitszeiten in Deutschland zu starr geregelt seien, dass die Digitalisierung mehr Flexibilität brauche. Doch eine Auswertung der Tarifverträge in 18 Branchen zeigt: Es gibt schon jetzt viele Ausnahmen, die Betriebe können sich über mangelnde Spielräume nicht beklagen. (…) Die Arbeitswelt 4.0 braucht Beschäftigte, die flexibel einsetzbar sind, unabhängig von festen Orten und starren Schichten: Das fordern Unternehmen und Arbeitgeberverbände immer wieder. Und übersehen dabei, dass es diese Flexibilität längst gibt: Schon heute gibt es in den Tarifverträgen zahlreiche Ausnahme- und Sonderregelungen, zum Beispiel bei der täglichen Arbeitszeit. Nachholbedarf besteht eher auf Seiten der Beschäftigten…“ DGB Themen-Beitrag vom 28. November 2016 - Siehe dazu auch die Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 28. November 2016 : „Arbeitszeit: Tarifverträge bieten Unternehmen bereits sehr hohe Flexibilität“
- Anm.: Der angenehmen Nebeneffekt für die Kapitalseite: Gewerkschaften, die ihre Verhandlungsfreiheit immer mehr im Interesse der Kapitalbedürfnisse einsetzen, machen sich bei ihren Mitgliedern immer unbeliebter. Und was kann der Kapitalseite besseres passieren als schwache Gewerkschaften?
- Siehe dazu auch: “Stärkung der Tarifautonomie: Unternehmer fürchten Rückkehr des Tarifkartells” – wir fürchten uns auch
- Und als Beispiel für dieses (selbst ausgestellte) Armutszeugnis: „Mehr Flexibilität? Gibt’s schon – mit Tarifvertrag! Tarifverträge bieten großen Spielraum“
- Dauereinsatz im Homeoffice: Ministerin Nahles stellt »Weißbuch Arbeiten 4.0« vor. Ihr Rezept: Mehr Flexibilität, weniger gesetzliche Regulierung
„Wollen Sie wissen, ob Ihr Arbeitsplatz morgen noch da ist? Dann fragen Sie den »Job Futuromat«. Anhand der Online-App der ARD lässt sich ermitteln, »welche Tätigkeiten Ihres Berufes heute schon eine Maschine erledigen kann«. Nur ein Mausklick und man hat Klarheit, ob man ein Auslaufmodell ist. Ein Bäcker zum Beispiel könnte auf der Stelle zu »100 Prozent« wegautomatisiert werden. Demnächst müssen wohl ganze Branchen zur Umschulung antanzen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bereitet das keine Sorge. »Wir haben die Chance auf einen Jahrhundertfortschritt, der allen nutzt«, behauptete sie am Dienstag in Berlin. (…) Und wo bleiben bei all dem die Unternehmer? Wo sie schon immer waren: am längeren Hebel. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat die aktuellen Arbeitszeitregelungen in 23 ausgewählten Tarifgebieten ausgewertet und festgestellt, dass »sich die Betriebe über mangelnde Spielräume nicht beklagen« können. Reinhard Bispinck, Autor der am Montag veröffentlichten Untersuchung, erklärte, diese zeige, »dass pauschale Forderungen nach noch mehr Flexibilisierung und einer Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes nicht nur unnötig« seien, sondern die »Probleme von Beschäftigten, die Arbeit und Familienleben unter einen Hut bringen müssen, weiter verschärfen« würden. Und Klaus Ernst, Vizechef der Linksfraktion im Bundestag, warnte am Dienstag, die Idee, Menschen »durch flexible Arbeitszeiten vor Überlastung schützen zu wollen«, sei »absurd«. Wie bei der Leiharbeit sollten hier »gesetzliche Regelungen durch Tarifverträge verschlechtert werden können«. Ernst forderte statt dessen eine »Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte auf das Arbeitsvolumen und mehr individuelle Rechte« für Beschäftigte sowie »eine Verkürzung der realen Wochenhöchstarbeitszeit«. Forderungen nach Einführung einer 35-Stunden-Woche vor dem Hintergrund der absehbaren Arbeitsplatzvernichtungswelle durch die Digitalisierung hatte die Ministerin auf Nachfrage dieser Zeitung allerdings bereits im September als »kalten Kaffee« abgetan…“ Beitrag von Ralf Wurzbacher bei der jungen Welt vom 30. November 2016
- Weißbuch: DGB fordert politischen Ruck für Gute Arbeit 4.0
„Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt die Ziele und Prioritäten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für die Arbeit in einer digitalisierten Zukunft. Zur Vorlage des „Weißbuch Arbeiten 4.0“ sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am Dienstag in Berlin: „Bundesarbeitsministerin Nahles setzt mit dem Weißbuch Arbeiten 4.0 die richtigen Prioritäten. Mit Blick auf die großen Veränderungen durch die Digitalisierung muss das oberste Ziel sein, die Beschäftigten fit zu halten für die Herausforderungen der Zukunft. Wir begrüßen deshalb, dass mit dem „Weißbuch Arbeiten 4.0“ erste Ansätze aufgezeigt werden, um größere Spielräume für mehr berufliche Mobilität zu ermöglichen. Es kommt entscheidend darauf an, dass die Beschäftigten diese Spielräume auch nutzen können. Deshalb ist es wichtig, die Mitbestimmung zu stärken, selbstbestimmte Arbeitszeitflexibilität zu ermöglichen und die berufliche Weiterbildung stärker zu unterstützen… „ DGB-Pressemitteilung vom 29. November 2016
- Arbeiten der Zukunft: So will Nahles den Acht-Stunden-Tag ablösen
„Durch die Digitalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Arbeitsministerin Nahles hat nun Vorschläge präsentiert, um die Arbeit flexibler zu gestalten. So sollen gesetzliche Vorgaben zur Arbeitszeit probeweise gelockert werden können. Auch das Arbeiten von zu Hause soll leichter möglich sein. (…) Die Arbeitgeberverbände hätten es am liebsten, wenn der Acht-Stunden-Tag gleich ganz abgeschafft wird. Sie plädieren für eine Wochenarbeitszeit anstelle einer Tageshöchstarbeit. Nahles ist hier zumindest bereit für Experimente: Im Weißbuch wird einerseits darauf hingewiesen, dass zum Beispiel schon jetzt Arbeitszeiten von zehn Stunden und auf neun Stunden verkürzte Ruhezeiten zwischen zwei Schichten möglich sind. Andererseits sollen Gewerkschaften und Arbeitgeber künftig für zunächst zwei Jahre bei der Arbeitszeit über die gesetzlichen Regeln hinausgehen dürfen, sofern sie dies in einem Tarifvertrag vereinbart haben…“ Beitrag von Thomas Öchsner vom 28. November 2016 bei der Süddeutschen Zeitung online
- Demokratie hält gesund
Mit der Digitalisierung der Arbeit wachsen die Gesundheitsrisiken. Dagegen helfen Initiativen von unten – der Gastbeitrag von Hans-Jügen Urban in der Frankfurter Rundschau vom 27. November 2016 mit dem Schwerpunkt Arbeitszeitdebatte erschienen. Kernpunkt ist das Regulierungsdreieck aus dem 8-Stunden-Tag, der 40-Stunden-Woche sowie einer Mindest-Ruhezeit von 11 Stunden