Reformation: Martin Luther, der Vater des Arbeitsfetischs
„Bloß kein Müßiggang – das ist auch heute noch das gültige Mantra der Arbeitswelt. Wie 500 Jahre Reformation die Lohnarbeit und den Kapitalismus beflügelt haben. „Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen“, predigte Martin Luther. Der Reformator wird als Freiheitskämpfer und Humanist gefeiert, doch abgesehen von seinem glühenden Antisemitismus war er auch ein glühender Arbeitsfanatiker. Ja, die Reformation befeuerte geradezu die moderne Lohnarbeit und den Kapitalismus. Denn „Müßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, der hier Arbeit befohlen hat“, so Luther. (…) Bis zur Reformation galt Arbeit als notwendiges Übel und gemäß der Bibel als kollektive Bußtätigkeit: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (Gen 3,19). Mit diesen Worten werden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben. Vor Luther glaubten die Menschen, dass man mit jedem Beruf in der Ständegesellschaft selig werden könne. Es war schlichtweg sinnlos, sich übermäßig abzurackern, solange man seine Arbeit einigermaßen meisterte. Mit der Reformation aber kam der Arbeitsfetisch (…) Die frischgebackenen Lohnarbeiter nahmen ihr Los nicht einfach hin: Die eigene Arbeitskraft an eine andere Person zu verkaufen und damit deren Profit zu mehren, galt den Menschen damals als unehrenhaft und entwürdigend. (…)Dass die Lohnarbeit ein historisch recht junges Zwangsgebilde ist, das allein dem Zweck dient, den Profit anderer zu mehren, ist selbstverständlich geworden. Dass Schuldzinsen tausende Menschen und ganze Staaten knechten, wird als Notwendigkeit abgetan. Heute, wo sich viele vom Glauben abwenden, sind der Kapitalismus und die Arbeit zum Gottesersatz geworden und sie weisen alle Merkmale einer Religion auf…“ Artikel von Patrick Spät vom 25. November 2016 bei der Zeit online