Streikbilanz: Das Märchen von der »Streikrepublik Deutschland«
„Das Streikrecht steht unter Beschuss. In immer mehr Ländern häufen sich die Fälle, in denen Streiks ausgehebelt, mit Sanktionen belegt oder verboten werden. Eine weltweite Erhebung der Friedrich Ebert Stiftung weist »einen eindeutigen Trend hin zu zunehmenden Verstößen gegen das Streikrecht« nach. Dabei geht es nirgendwo um ein generelles Streikverbot – die Methoden sind subtiler, aber nicht minder wirksam. (…) Auch hierzulande wurde die Gefährdung der Republik beschworen, als kleine Spartengewerkschaften den Bahn- und Flugverkehr tageweise lahmlegten – flugs war von Streikverboten in »strategischen« Wirtschaftsbereichen die Rede. Nachdem im vergangenen Jahr auch noch die ErzieherInnen für die überfällige Reform ihrer Eingruppierung und Bezahlung die Arbeit niederlegten, wurde nicht nur von den Arbeitgebern das Gespenst »Streikrepublik Deutschland« an die Wand gemalt. 2015 war ein »intensives Streikjahr«, stellt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in ihrer Arbeitskampfbilanz fest. Das Arbeitskampfvolumen ist auf rund zwei Millionen Streiktage angestiegen, was ein Plus von 1,6 Mio. Streiktagen gegenüber dem Vorjahr bedeutete (…) Diese Steigerung beruhte im Wesentlichen auf zwei großen Auseinandersetzungen. Allein rund 1,5 Millionen Streiktage entfielen auf den Arbeitskampf im Sozial- und Erziehungsdienst sowie auf den Streik bei der Post. Hinzu kam zu Beginn des letzten Jahres eine breite Warnstreikwelle in der Metall- und Elektroindustrie mit rund 885.000 Beschäftigten. Auch wenn das Volumen der Streiktage auf Grund der genannten Gründen außergewöhnlich war, sind für den WSI-Experten Heiner Dribbusch »eine Million und mehr Streikbeteiligte keine Seltenheit«. Und erst Recht kein Grund, die Wahrnehmung eines Grundrechts zu einem Angriff auf die Republik umzudeuten und durch die gesetzliche Regelung der »Tarifeinheit« Arbeitskämpfe minoritärer Interessengruppen wieder einhegen zu wollen…“ Beitrag von Otto König und Richard Detje vom 29. September 2016 bei Sozialismus.de