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Weiter mit ökonomischer Unvernunft und Ignoranz in Europa – national aufs Abstellgleis!
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 2.9.2016
Die EU reduziert sich auf die einzelnen Nationen und rutscht jetzt immer weiter auf das nationalistische „Abstellgleis“ – nicht zuletzt auch durch diese Sackgasse mit TTIP und Ceta – insoweit immer fort unter dem Vorzeichen ökonomischer Unvernunft und Ignoranz der sozialen Verhältnisse
Es gab am 27. Aug. einen Leitkommentar in der „Süddeutschen“ von Ulrich Schäfer (!) unter der Überschrift „Die schwarze 18“ (= 18 Milliarden beträgt der Überschuss der öffentlichen Haushalte in Deutschland, siehe z. B.: http://www.dgb.de/themen/++co++4cd6fd86-6b8c-11e6-8a4a-525400e5a74a ). Schäuble will den anderen Euro-Staaten mit seiner Etat-Politik unbedingt ein Vorbild sein. Und gerade damit macht er ihnen das Leben so schwer.
Man könnte es auch als Zeichen der ökonomischen Unvernunft bezeichnen – jedenfalls wenn die schwarze Null zum Selbstzweck verkommen sollte. Denn ein ausgeglichener Haushalt ist nicht per se sinnvoll, sondern es kommt darauf an, in welchem wirtschaftlichen Umfeld man sich gerade bewegt…
Seit John Maynard Keynes weiß man dies. Der britische Ökonom hat in den 1930-er Jahren – zunächst mit seinem Rat – und dann mit seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ die Lehren aus der – damaligen – Weltwirtschaftskrise gezogen, welche zwar von den Finanzmärkten ausging, aber verschärft wurde durch Notenbanken… und durch Regierungen…, die sparten… 8 Jahrzehnte später ist die Wirtschaftskrise in Europa zwar nicht ganz so tief wie nach 1929 ff…
Das liegt nicht zuletzt an den Notenbanken, die diesmal ihre Geldpolitik massiv gelockert und die Zinsen drastisch gesenkt haben. Die Regierungen, auch die deutsche, haben nach 2008 anfangs ebenfalls gegengesteuert und große Konjunkturpakete aufgelegt… (http://www.sueddeutsche.de/politik/haushalt-die-schwarze-1.3136991?reduced=true ) Jedoch: Ein solcher mechanistischer Ansatz, wie er hinter der schwarzen Null steckt, funktioniert nicht in einer solch zähen Krise, wo sich die Länder der Währungsunion so unterschiedlich entwickeln. (Siehe dazu auch Varoufakis mit seinem „Überschussrecycling“ weiter unten)
So werden jene Länder, deren Wirtschaft ohnehin nicht gut läuft zu einem besonders harten Sparkurs gezwungen – namentlich die Südeuropäer. Und jenes Land, das den Spielraum – mit seinen inzwischen 18 Milliarden Haushaltsüberschuss – hätte, um mit zusätzlichen Ausgaben etwas für die Konjunktur (und das Wachstum) zu tun, nämlich Deutschland hält sich zurück, weil es den anderen ein leuchtendes Vorbild – beim Sparen – sein möchte. Beides zusammen macht den anderen Ländern – in Europa – das Leben so schwer. (Vgl. dazu „Europa auf die Couch“: http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Greece_Blaetter_08_15.pdf )
Mario Draghi tat vor ein paar Wochen daher unverblümt kund, Deutschland spare zu viel… (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-draghi-gibt-deutschland-kontra-1.2978048?reduced=true ) Dabei wollte Draghi nur darauf aufmerksam machen, dass die – so heftig angeklagten – niedrigen Zinsen nur ein Symptom dieser Krise seinen – und nicht ihre Ursache. (http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2016-05/37357916-bundesbank-praesident-weidmann-deutschland-spart-nicht-zu-viel-015.htm )
Oder jetzt doch noch Europa mit dem Euro funktionsfähig machen.
Und jetzt wird dieses Spektrum der Kritiker der europäischen Verhältnisse auch noch durch ein neues Buch von Yanis Varoufakis – wieder zurück bei Kunstmann – vervollständigt. (http://www.kunstmann.de/titel-0-0/das_euro_paradox-1108/druckansicht/9783956141263.pdf ) Und er möchte als strikter Verfechter des Euro die falsch konstruierte Währung Euro – kurz gesagt – durch einen Mechanismus des „Überschuss-Recycling“ wieder funktionsfähig für alle machen (http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/sendung-vom-28082016-110.html ), um für das Herz Europas zu kämpfen.
Und gerade der Ökonom Herbert Schui, der bedauerlicherweise erst kürzlich verstorbene Gründer der Memorandumsgruppe, hatte diese Auseinandersetzung mit dieser falschen Ideologie der Ökonomen – insbesondere in Deutschland – zu seinem Lebensthema gemacht (http://www.herbert-schui.de/die-wirtschaftskrise-und-die-legitimation-des-neoliberalismus/ ).
Jedoch politischen „Tiefgang“ bekommt diese Diskussion um den „Nutzen“ für die Bürger Europas – gerade mit Blick auf den bevorstehenden Reichtums- und Armutbericht der Bundesregierung – nur, wenn wir dabei Finanzkrise und stark gewachsenene Ungleichheit im Auge behalten. (https://www.labournet.de/?p=103627)
Aber – oh Wunder, denn wer hätte das noch gedacht: Europa macht doch wenigstens beim Steuerdumping ein wenig ernst – und fängt auch gleich bei Apple an und einem Krach mit den USA
Thorsten Knuf schreibt am 31. August in einem Kommentar in der Frankfurter Rundschau: Wenn die Bürger – wenigstens – wieder sehen können, dass Europa ihnen auch nützt, können sie auch wieder für das gemeinsame Projekt Europa doch noch gewonnen werden. – aber jetzt – siehe da – hat die EUKommission doch noch ernst gemacht und Apple dazu verdonnert 13 Milliarden Euro – das sind 13. 000 000 000 Euro – an Steuern nachzubezahlen (http://www.fr-online.de/digital/steuerverguenstigungen-apple-soll-bis-zu-13-milliarden-nachzahlen,1472406,34691706.html ), denn das Unternehmen habe seine Steuern bis zum Jahr 2014 auf 0,005 Prozent senken können. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/apple-steuersatz-prozent-1.3141498?reduced=true )
Das gibt zwar Stress mit den USA (http://www.taz.de/EU-und-USA-streiten-ueber-Steuerdumping/!5330887/ ), aber Europa möchte trotzdem Ernst machen. (http://www.taz.de/!5331727/ )
Na, also, es geht doch schreibt dazu Eric Bonse: Jahrelang hat die EU-Kommission untätig zugesehen, wie kleine Staaten großen Konzernen ebenso exclusive wie lukrative Steuerdeals gewährten. Doch nun greift die Brüsseler Behörde durch. – Endlich! Diese Entscheidung ist aus mehreren Gründen historisch. Sie zeigt, dass die EU tatsächlich Ernst macht in ihrem Kampf gegen Steuerdumping und Steuerbetrug. Sie zeigt, dass Brüssel auch nicht vor übermächtigen Konzernen kneift. – Und sie zeigt, dass Europa dabei auch noch den USA die Stirn bietet.
Nur das Entscheidende fehlt: Ein Pakt der Staaten gegen Steruerdumping für Großkonzerne – und so bleibt der Staat – auch in Europa – nur punktuell nicht Komplize des großen Geldes
Dieser so historischen Entscheidung – erstmals – fügt Alexander Mühlauer in seinem Kommentar in der Süddeutschen noch hinzu: In Irland hat sich der Staat zum Komplizen des großen Geldes gemacht. Er wurde zum Handlanger eines Unternehmens, das – nicht nur im geografischen Sinne – Grenzen überschreitet. Apple hat Milliarden hin und her verschoben.Es nutzte ein undurchsichtiges globale Geflecht, was schließlich zu einem denkwürdigen Steuersatz führte: 0,005 Prozent. Die Entscheidung ist eine Kampfansage an all jene Länder – nicht nur Irland – die ein staatlich organisiertes System der Steuervermeidung geschaffen haben… Ein System, das nur multinationalen Konzernen offensteht. (http://www.sueddeutsche.de/politik/unternehmenssteuer-eine-frage-der-fairness-1.3141649 ) Eine europäische Union ist eben keine Union, wenn die Bürger den berechtigten Eindruck haben, dass die Lasten höchst ungleich verteilt sind, fährt Mühlauer fort.
Es muss daher ein einfacher Grundsatz gelten, Unternehmen haben ihre Steuern dort zu zahlen, wo sie ihre Gewinne machen. Um das zu erreichen, braucht es einen Pakt, der verbindliche Kriterien festlegt: Die EU-Staaten – wenn es schon zusammen mit den USA nicht geht – müssen sich verpflichten, den unfairen Steuerwettbewerb zu beenden. Es gilt dabei auch Mindeststeuersätze festzulegen, die niemand unterschreiten darf. Wer das dennoch tut muss mit Sanktionen rechnen…
Nun ist es nicht so, dass seit der Lux-Leaks-Affäre (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/dass-die-lux-leaks-enthueller-vor-gericht-gelandet-sind-ist-ein-skandal-14315588.html ) und den Enthüllungen der Panama-Papers (http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-05/panama-papers-whistleblower-john-doe-steuerpolitik ) nichts passiert wäre.
Doch noch immer fehlt es an einer glaubwürdigen Allianz – der Staaten – gegen die Steuerflucht.
Von einem ehrlichen Steuerwettbewerb würden – für den globalen Wohlstand – nämlich alle profitieren.
(http://www.sueddeutsche.de/politik/unternehmenssteuer-eine-frage-der-fairness-1.3141649 )
Statt einer Allianz der Staaten gegen das Steuerdumping für Großkonzerne ein weiterer Triumph der Nationalstaaterei zu Gunsten der wirtschaftlich Mächtigen
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, das die Nationalstaaten nie eine gemeinsame Position gegen die Großkonzerne einnehmen würden, um der Konkurrenz der Staaten mit diesem „Wettbewerb“ um die niedrigsten Steuern ein Ende zubereiten, dann ist er hier: Irland will die von Apple gesparten Steuermilliarden überhaupt nicht (http://www.taz.de/Steuerzahlung-des-Computerkonzerns/!5332707/ ) Und dieser Weltkonzern kann sich angesichts dieses Triumphes der Nationalstaaterei in der Europäischen Union getrost zurücklehnen – und die gesparten Steuermilliarden – dank Irland und auch Deutschland behalten. (http://www.taz.de/!5331755/ )
Selbst diese bescheidene Ansatz für Steuergerechtigkeit für die „kleinen Leute“ im Verhältnis zu diesen Unternehmensweltmächten hat die Europäische Union wohl das Nachsehen gegenüber der eigensüchtigen Macht der nationalen „Fürsten“. Und dass in diesem Reigen der Steuerminderung für die Großen und Mächtigen auch der bayerische Finanzminister Söder nicht fehlen darf, verwundert einen dann schon kaum noch. (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/soeder-125.html )
Es steht somit erst einmal einiges „strittig“ im Raum – und so wird dieser Vorstoß wohl letztendlich für die Europäische Union ausgehen wie das Hornbergerschießen. (http://www.zdnet.de/88277849/eu-gegen-apple-steuernachforderung-loest-kontroverse-reaktionen-aus/ ) Am Ende könnte es wie ein Täuschungsmanöver aussehen – und die EU hätte vor den eigensüchtigen Nationen nur wieder den Schwarzen Peter in der Hand.
Weiter nur mit Halbheiten oder Scheinmanövern wird Politik und Demokratie in Europa jetzt auch bei Ceta ruiniert: Doch noch ein Endsieg der Merkelschen „marktkonformen Demokratie“?
Ein großes Drama rollt dazu noch vor unseren Augen bei Ceta ab. Da stürtzt sich auf der einen Seite der Wirtschaftsminister und gleichzeitig SPD- Vorsitzende Sigmar Gabriel mit vollem Einsatz für das Freihandelsabkommen Ceta in den politischen Kampf (http://www.fr-online.de/politik/handelsabkommen-ceta-gabriel-will-durch-die-wand,1472596,34643724.html ) und hofft seine Partei in dieser Frage hinter sich zu scharen.
Der aufrechten Sozialdemokratin und als ehemalige Justizministerin in Verfassungsfragen besonders sensiblen Herta Däubler-Gmelin jedoch erscheint das ein Unding, denn für sie ist das „Nein zu Ceta“ auch ein Nein zu einer Politik, die sich der Merkelschen marktkonformen Demokratie verschrieben hat. (http://www.kontextwochenzeitung.de/wirtschaft/281/wider-die-marktkonforme-demokratie-3827.html )
Zur Seite steht ihr dabei auch der Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch, weil sein Fazit ist nach gründlicher Lektüre des 490-seitigen Abkommens mit seinen 1800-seitigen Anhängen: An zentralen Stellen werden die vom SPD-Parteitag formulierten roten Linien nicht eingehalten! (http://matthias-miersch.de/aktuell/nachrichten/2016/487413.php ) Deshalb fand Herta Däubler-Gmelin in dem Aufruf gegen die Totengräber Europas von Arno Luik eine gute Anregung für diese Diskussion (http://www.kontextwochenzeitung.de/debatte/279/die-totengraeber-europas-3791.html ).
Deshalb haben jetzt auch 125 000 eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen dieses Ceta eingereicht (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ceta-im-namen-des-volkes-1.3141721 ) oder auch noch direkt durch die Beschwerdeführer mit den 125 000 Unterschriften (https://www.mehr-demokratie.de/ceta-verfassungsbeschwerde.html ).
Dies wird noch weiter unterstützt durch die Bundestagsfraktion der Linken mit einem Beschwerde-Antrag an das Bundesverfassungsgericht durch den bekannten Verfassungsjuristen Andreas Fischer-Lescano (https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2016-08_Verfassungsbeschwerde_Fischer-Lescano_CETA-Organklage_15.7.2016.pdf ).
Für Wolfgang Janisch kann Ceta beim Gericht an einer Stelle scheitern, die bisher sogar weniger Beachtung fand – nämlich dem „Gemeinsamen Ausschuss“, der das zentrale Steuerungsorgan in diesem Vertragswerk ist – und Ceta einfach auch – ganz jenseits der Parlamente (also des Bundestages) einfach weiterentwickeln kann. Deshalb kann dieser Ausschuss – ganz ohne politische Einmischung im Sinne der Merkelschen „marktkonformen Demokratie“ für die Unternehmen Ceta ein neues Gesicht geben – ein Gesicht, das auch eine Fratze sein könnte (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ceta-im-namen-des-volkes-1.3141721-2 )
Dagegen wird nun erst einmal jetzt am 17. September 2016 auch demonstriert werden. (https://www.greenpeace.de/ttip-stoppen?match=p&gclid=CKz4n7mT7c4CFRATGwodnXMJHg )
Was bisher schon geschah
Mei, blicken wir doch noch – in diesen turbulenten Zeiten – etwas auf das zurück: nach dem Brexit vom 23. Juni 2016 und dem Putsch in der Türkei (Flüchtlings-Deal!) vom 15. Juli 2016 haben wir einen sehr bewegten Sommer für Europa hinter uns.
Während nun die deutsche Kanzlerin nach dem Brexit als „heimliche Vorsitzende“ von Europa durch Europa tourt, kann man vielleicht erst einmal einen Überblick gebrauchen, was bisher so geschah: Jetzt noch Ventotene: Was läuft so falsch mit der EU – Die Türkei ringt weiter: Wie kommen wir zu Rechtsstaat und Demokratie in der Türkei? – Oder gibt es nur den Weg zu noch mehr Instabilität…
Alles zusammengenommen leben wir in sehr komplexen und unübersichtlichen Zeiten. Ich habe einfach einmal versucht ein wenig den „Überblick“ zu behalten.
Ventotene als Menetekel für Europa: Gewogen und zu leicht befunden
Vielleicht erinnerst du dich ja an das eindrucksvolle Bild von Rembrandt mit Belsazar zu dieser geheimnisvollen Schrift an der Wand, die ihm nur Daniel, der Prophet, in Ketten vorgeführt, deuten konnte? Sozusagen ein alttestamentarisches Bild noch… (http://www.narrenhand.de/modules.php?name=Narrenhand&sop=showpage&pid=22 ) Es darf daran erinnert werden, dass Rembrandt dieses Bild 1635 während einer Zeit des größten Chaos für Europa, dem 30-jährigen Krieg, malte – aber dieses europäische gewalttätige Durcheinander fand dann doch zum „Westfälischen Frieden“ (1648)
Deshalb darf man die Frage jetzt zuspitzen: „Läuft das Modell eines geeinten Europa seinem – vielleicht unverdienten – Ende zu? Auf Ventotene hatte es einst seinen so hoffnungsvollen Anfang genommen…“ Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 26.8.2016 (https://www.labournet.de/?p=103483)