Bochum: Flüchtlingsprotest gegen Wohnsitzpflicht im Integrationsgesetz
Dossier
„Bundestag und Bundesrat haben ein neues, rückschrittliches Gesetz verabschiedet, durch das wir jetzt aus Bochum vertrieben werden sollen. Es nennt sich „Integrationsgesetz“, ist aber das genaue Gegenteil – ein Gesetz zur Verhinderung von Integration. Es soll uns zwingen, in Gebiete in Deutschland zu ziehen, in denen wir keine Zukunft haben. Wir haben damit begonnen, uns in Bochum ein Leben aufzubauen. Jetzt sollen wir gezwungen werden aus Bochum weg zu ziehen…“ Erklärung der Betroffenen zum aktuellen Flüchtlingsprotest in Bochum gegen die Auswirkungen des kürzlich beschlossenen „Integrationsgesetzes“, dokumentiert bei bo-alternativ vom 24. August 2016 . Siehe zum Hintergrund das Dossier „Residenzpflicht im neuen Integrationsgesetz – und neuer Widerstand“ und hier zum Widerstand in Bochum:
- Integrationsgesetz: Flüchtlinge dürfen vorerst in Bochum bleiben
„… Die seit einigen Tagen vor dem Rathaus protestierenden Flüchtlinge , die gegen die im neuen Integrationsgesetz festgelegte Wohnsitzbeschränkung protestieren, können vorerst aufatmen. Zumindest bis zum 1. Dezember wird die Stadt jenen etwa 800 Menschen, die zwischen dem 1. Januar und dem 5. August 2016 nach Bochum gekommen sind und die theoretisch unter die rückwirkend bis Jahresanfang geltende Wohnsitzbeschränkung fallen, keine Aufforderung schicken, die Stadt zu verlassen. Dies hat der Verwaltungsvorstand am Dienstag (6.9.16) entschieden, nachdem das NRW-Innenministerium angekündigt hat, bis zum 1. Dezember eine Ausführungsbestimmung zum aktualisierten Integrationsgesetz vorzulegen. Die Kommunen hatten ein solches Papier angemahnt, bislang gehen sie zum Teil unterschiedlich mit der Wohnsitzbeschränkung um…“ Artikel von Andreas Rorowski bei der WAZ online vom 06.09.2016
- Flüchtlinge gegen Wohnsitzauflage: Protestcamp in Bochum macht am Montag (5.9.16) weiter
„Das Protestcamp der Geflüchteten hat entschieden, seine Dauerpräsenz vor dem Rathaus Bochum für 40 Stunden zu unterbrechen. Ab Montagmittag wird das Camp vor dem Rathaus fortgesetzt, denn die Stadt Bochum hat ihre Vertreibungsdrohungen bisher nicht zurückgenommen. Der Refugee Strike Bochum schreibt dazu auf seiner Facebook-Seite: “Auch können wir nicht bestätigen, was Johannes Rohleder, Sprecher des Bochumer Jobcenters, gegenüber den Ruhr Nachrichten behauptet hat. Es ist keinesfalls so, dass alle Betroffenen ihre zustehenden Leistungen erhalten. Nach wie vor sorgt die Nichtgewährung für akute Existenznöte. Daher werden die Geflüchteten aktiv bleiben und bereiten bereits Aktionen für die nächste Woche vor…“ Beitrag bei bo-alternativ vom 03.09.16
- Angst vor Rückschritt: Geflüchtete protestieren gegen Gesetz am Rathaus in Bochum
„30 Menschen kampieren seit Mittwoch vor dem Rathaus. Sie protestieren gegen die rückwirkende Umsetzung des Integrationsgesetzes und fürchten, bald in eine andere Stadt ziehen zu müssen – obwohl viele von ihnen sich hier gerade erst ein Leben aufgebaut haben…“ Artikel von Sina Langner bei den Ruhrnachrichten vom 2. September 2016
- Solidarität mit dem Protestcamp in Bochum – Alle sollen bleiben dürfen!
„Die Proteste der Geflüchteten gegen die Wohnsitzauflage gehen weiter. Die Menschen haben beschlossen, nun dauerhaft und auch über Nacht für ihre Rechte zu demonstrieren, um ihrem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen. Dafür haben sie auf dem Bochumer Rathausplatz bis einschließlich Samstag (3.9.16) ein Camp errichtet. Die im Integrationsgesetz verankerte Wohnsitzauflage zwingt alle Menschen, die im Jahr 2016 als Geflüchtete in Deutschland anerkannt worden sind, in dem Bundesland ihren Wohnsitz zu nehmen, in dem ihr Asylantrag bearbeitet wurde. Die Auflage gilt rückwirkend…“ Beitrag bei Treffpunkt Asyl vom 1. September 2016
- Protest wird fortgesetzt
„Den heutigen 31. 8. hat die Stadt Bochum mehreren Asylsuchenden in einem Schreiben als Frist gesetzt, zu der sie die Stadt verlassen sollen. Ein Gesetz, das zynischer Weise als Integrationsgesetz bezeichnet wird, regelt, dass Flüchtlinge, die völlig legal nach Bochum gezogen sind, jetzt dahin zurückkehren sollen, wo sie ihre Erstaufnahme gefunden haben. Seit letzter Woche protestieren die Betroffenen und UnterstützerInnen vor dem Rathaus gegen diese Zwangsmaßnahme. Den Asylsuchenden werden jegliche Sozialleistungen verweigert – was sie natürlich in eine aktute Notlage stürzt. Der Protest wird heute ab 10 Uhr vor dem Rathaus fortgesetzt.“ Meldung vom 31.08.16 bei bo-alternativ
- Widersprüche des neuen „Integrationsgesetzes“ zwingen Bochumer Geflüchtete zur Desintegration
„In Bochum protestieren heute (25.8.16) einige Familien, die als Flüchtlinge anerkannt worden sind, gegen die widersinnigen Auswirkungen des neuen „Integrationsgesetzes“. Das Gesetz, das am 07.07.2016 beschlossen wurde, beinhaltet eine sogenannte „Wohnsitzauflage“ (§ 61 AufenthG). Diese Regelung wurde im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes sogar schon vor dem Europäischen Gerichtshof kontrovers diskutiert. Die Wohnsitzauflage besagt, dass die Betroffenen trotz Aufenhaltstitel ihren Wohnort innerhalb Deutschlands nicht mehr frei wählen dürfen. Vorgeschobenes Argument für diese Entscheidung war unter anderem die Verhinderung von so etwas wie „Ghettobildung“. De facto ging es aber hauptsächlich um finanzielle und organisatorische Fragen im Zusammenhang mit der Verteilung von geflüchteten Menschen im Bundesgebiet. Der Europäische Gerichtshof hat die meisten Begründungen für eine Wohnsitzauflage – etwa finanzielle – für unzulässig erklärt. Daher schob die Bundesregierung als angebliches Ziel des Gesetzes die „Integration“ vor…“ Stellungnahme beim Treffpunkt Asyl vom 25. August 2016
- Siehe zum Hintergrund: Fördern und Fordern reloaded: Große Koalition einigt sich auf Integrationsgesetz – Materialsammlung bis 12. August 2016 im LabourNet Germany