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Was hat der Brexit mit der Finanzkrise 2008 gemeinsam?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 25.6.2016Grafik zum Brexit von Joachim Römer - wir danken!

Ja, das wird jetzt wohl die ganz große Frage: Was hat der Brexit jetzt mit der Finanzkrise von 2008 gemeinsam – wenn seine Wirkung so verdammt ähnlich ist?

Und der „Sinn“ von solchen Referenden ist wohl, dass sich die Leute mit etwas beschäftigen, wozu sie noch nie Lust hatten (https://twitter.com/GoogleTrends/status/746303118820937728 externer Link) – wenn auch jetzt wohl etwas „zu spät“…

Die SPD ergreift diese Brexit-Gelegenheit beim Schopfe – um „erste“ Antworten zu geben: durch eine Konferenz für Europa am 2. Juli: (https://anmeldung.spd.de/v/10346 externer Link) und möchte dazu Flugblätter verteilen (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Flugblaetter/2016_Q2/FB_20160624_brexit_oL.pdf externer Link pdf. Siehe weiter dazu das Papier von Gabriel und Schulz in dem Abschnitt „Hat Europa noch eine Zukunft, ohne von Grund auf neu gestaltet zu werden“. (= weiter unten)). Dazu kommt jetzt noch Griechenland, das leicht ein Opfer des Brexit werden könnte, aber jetzt wieder leicht vergessen wird (= siehe unten im Text…). Zunächst kommen die Folgen des Brexit – so einen Tag danach – noch recht deutlich daher.

Wie es zum Brexit kam – und was dann – zunächst – daraus folgte?

Und am 23. Juni 2016 war die Brexit-Entscheidung: Remain or not remain, that`s the question (ach, schon Shakespear hatte – damals – einen Einigungsprozess auch vor Augen, den er oft so dramatisch spiegelte) (http://www.theguardian.com/politics/eu-referendum externer Link).

Die zwei hervorstechenden klaren Merkmale des Brexit: „verrückte“ Finanzmärkte und eine junge Generation ohne Einfluss auf ihre Zukunft

A) Die Finanzmärkte spielen verrückt – und das Pfund fällt auf ein historisches Tief – und die Börsenkurse gaben so stark nach wie nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 nicht mehr (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brexit-abstimmung-britisches-pfund-faellt-auf-jahres-tief-1.3049232?reduced=true externer Link).

Dabei hatten diesen „Einbruch“ die Fachleute wie 1.) Soros (http://www.sueddeutsche.de/news/politik/eu-brexitinvestor-guru-soros-warnt-vor-schwarzem-freitag-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160621-99-389228 externer Link) – Wunschdenken hatte eben nicht geholfen – und 2.) wie die Bank of England (http://www.sueddeutsche.de/news/politik/eu-brexitbank-of-england-warnt-vor-pfund-absturz-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160616-99-336506 externer Link) dieses Mal – im Gegensatz zu 2008 – schon längst vorhergesagt.

Muss das heißen, dass der britische Wähler sich gegen die Herrschaft der Finanzmärkte – die eben auch politisch bisher unangefochten war – ausgesprochen hat?

Kurz gesagt: Muss jetzt doch die Politik die „Herrschaft“ übernehmen, die sie bisher so „leidenschaftlich“ (= alternativlos) den Märkten überließ? Wird es also – jetzt – noch schlimmer als die Lehman-Pleite im Jahr 2008? (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brexit-das-pfund-eine-machtlose-waehrung-1.3049642?reduced=true externer Link)

Der Italiener Marco D`Eramo vertrat schon vor dieser Brexit-Entscheidung der Briten die Ansicht, wie bedauerlich auch immer das ist, aber Deutschland und Frankreich haben Gründe für das Verbleiben von Großbritannien in der EU, die überhaupt nicht für eine echte – und gemeinsame – Europäische Union förderlich sind. (http://www.taz.de/!5311351/ externer Link)

Aber vergessen wir dabei nicht Griechenland, das viel zu befürchten hat von einem Brexit (http://www.ekathimerini.com/209770/article/ekathimerini/business/greece-has-plenty-to-fear-from-brexit externer Link).

Wie schrieb doch Andreas Schwarzkopf von der Frankfurter Rundschau in seinem Leitartikel „Letzte Chance“ am 25. Juni so treffend: „In der Bankenkrise haben die Vertreter der EU zunächst viel Geld ausgegeben, um die angeschlagenen und systemrelevanten Geldhäuser zu retten- allen voran Kanzlerin Merkel. Diesselben Politiker – wieder mit der Kanzlerin Merkel vorneweg – knauserten dann, als Griechenland zu strauchelte. (vgl. dazu den Griechenland-Blog von Niels Kadritzke bei „Le Monde“ – insbesondere nach dem jüngsten Eintrag zur Rolle von Wolfgang Schäuble auch den weiteren Beitrag „Eine Krise zu viel“ bei http://monde-diplomatique.de/blog-nachdenken-ueber-griechenland externer Link)

Statt mit einem Marshall-Plan die kriselnde Ökonomie auf Trab zu bringen, zwangen sie – alternativlos – Athen zum Sparen. Und diese Austeritätspolitik hat die Krise aber nicht beendet, sondern verschärft. (Andreas Schwarzkopf)(http://www.fr-online.de/wir-ueber-uns/ressortleiter-meinung,4353508,1378962.html externer Link)

Und wie die deutsche Presse dieser Sicht – auch jetzt – weiter willfährig folgt, beschreibt Ambros Waibel am Beispiel Frankreichs in einem Kommentar am 25. Juin in der TAZ (Geht`s noch: „Links und folgenlos“) angemessen so: „Auch die überwiegende Berichterstattung über die Proteste in Frankreich gegen Hollandes Arbeitsmarktreform (https://www.labournet.de/internationales/frankreich/politik-frankreich/politik-arbeitsgesetz_widerstand/am-14-juni-weltweite-solidaritaetsaktionen-mit-dem-widerstand-gegen-das-neue-franzoesische-arbeitsgesetz-auch-in-nrw/) zeigt, dass bei deutschen Korrespondenten ein innerer Wolfgang Schäuble mitschreibt, der nicht wahrhaben will, dass die deutschfreundliche Austeritätspolitik in den genannten Staaten von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird.

B) Die Alten bestimmten die Brexit-Mehrheit – und die Jungen, die mehrheitlich für den Verbleib waren – müssen die „Suppe“ jetzt dann auslöffeln.

So machte das Brexit-Referendum eine ganze Generation zu Verlierern, dabei wollten die meisten jungen Briten in der EU bleiben (http://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-alt-ueberstimmt-jung-1.3049467 externer Link).

Diese Herrschaft der Alten kann diese Generation der jetzt „abgehängten“ jungen Menschen jedoch politisch aufgreifen, indem sie offensiv – gegenüber ihren Alten – für diese ihre Zukunft kämpft. Ruth Eisenreich führt dazu ein Referendum für die Homo-Ehe in Irland an, das zeigt: Bevor die Iren im Frühjahr 2015 über die Ehe für Homosexuelle abstimmten, starteten Studenten in Irland die Kampagne #ringyourgranny „Ruf deine Oma an“. Junge Menschen sollten ihren Großeltern ihre Sicht erklären. (http://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-referendum-die-alten-entscheiden-die-jungen-muessen-die-konsequenzen-tragen-1.3049771?reduced=true externer Link)

Die „Ehe für alle“ wurde angenommen, es stimmten sogar fast die Hälfte der Wähler über 65 im so stark katholisch geprägten Irland für die Homo-Ehe. So könnte diese Kampagne zum Vorbild werden: Bei wichtigen Zukunftsfragen müssen die Generationen miteinander reden. Die Weisheit des Alters kann auch darin bestehen, auf die Stimmen der Jungen zu hören.

Und was allgemein noch zu sagen ist, hat Axel Troost noch auf den Punkt gebracht (https://www.die-linke.de/nc/die-linke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/grossbritannien-vor-einem-scherbenhaufen-die-eu-vor-einem-neubeginn/ externer Link).

Hat Europa jetzt noch eine Zukunft – ohne von Grund auf neu gestaltet zu werden?

Ulrike Guerot vertritt in ihrem jüngsten Werk „Warum Europa eine Republik werden muss“ (vgl. http://dietz-verlag.de/isbn/9783801204792/Warum-Europa-eine-Republik-werden-muss-Eine-politische-Utopie-Ulrike-Guerot externer Link – mit vielen Pressestimmen dazu) die Ansicht, dass Europa – in der bisherigen Form – gescheitert ist – und jetzt als politische Republik einen Neuanfang braucht – einfach weil die Einführung des Euro ohne Fiskal – und Soztialunion keine gute Idee war. Deshalb nimmt sie jetzt den Brexit als Anlass zu fordern, Europa muss endlich aufhören nur eine „Union“ zu sein, und zu einer echten Republik werden. „Der Brexit ist ein Weckruf“ (http://www.taz.de/!5313209/ externer Link)

Ob jetzt die SPD (vgl. zu der jetzt dringend erforderlichen Rolle der Sozialdemokraten – nach „Agenda 2010“ & Co. – hat noch einmal Colin Crouch deutlich gemacht: „Die Kritik an den neoliberalen Eliten – der rechte Bewegungen in Europa – geht einher mit Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Deshalb benötigt die Sozialdemokratie eine Rückgewinnung des kritischen Diskurses über Gerechtigkeit. Dieser Diskurs über die Ungleichheit muss von den Rechtsextremen wieder zurückgeholt werden (http://www.fr-online.de/kultur/sozialdemokratie–agenda-2010-ist-eine-ursache-des-niedergangs-,1472786,34275708.html externer Link).

Auf diese Diskussion – auch gegenüber der SPD – hat sich Verdi schon einmal ganz aktuell eingerichtet. (https://wipo.verdi.de/publikationen/++co++31f24eb2-37c5-11e6-946d-525400ed87ba externer Link und zu einer Übersicht zu dieser Erbschaftssteuer-Auseinandersetzung siehe noch https://www.labournet.de/?p=83187)

Die SPD hat sich das – angepeilt in einem Vorbereitungspapier für ein besseres Europa – für einen Europa-Kongress Anfang Juli 2016 vorgenommen: (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges__Papiere_et_al_/PK_Europa_Paper.pdf externer Link pdf)

Wie weit es trägt, werden wir sehen.

Noch einmal: wie es in Großbritannien zum Brexit kam: (= was vorher geschah)

Dir heute noch dies mit viel englischem Text zu deiner Erbauung (falls das Wochenende doch noch schlecht wird): wie alles so europäisch zusammenhängt: ein Brexit dürfte auch für einen Neuanfang in Österreich nach dem äußerst knappen Wahlausgang dort Auswirkungen haben, – und dann kommt die Wahl in Spanien am nächsten Sonntag dazu (http://www.fr-online.de/leitartikel/spanien–das-ende-der-siesta,29607566,34382230.html externer Link) – dabei ist das „Sorpasso“ von Podemos noch das Interessanteste…

deshalb noch einen kleinen Zwischeruf von der beobachtenden Seitenlinie aus – zur aktuellen „Zerfallslage“ in Europa – das Beispiel Großbritannien (http://www.sueddeutsche.de/news/politik/eu-brexit-oder-bleiben-briten-stimmen-ueber-eu-austritt-ab-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160623-99-417564 externer Link).

Und der Brexit außerhalb der Eurozone – das Beispiel Großbritannien – auch mit einer Tendenz zum „Äußersten“

Mit seinem offensiven Linkskurs sieht sich Jeremy Corbyn wohl gegenüber der EU mit ihrer Dominanz des Neoliberalen in einer schwierigen Situation. So hat Corbyn anfangs – wohl zunächst etwas wachsweich – erklärt, dass Labour nicht für einen Brexit werben würde. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/parteichef-jeremy-corbyn-labour-gegen-brexit-a-1053520.html externer Link)

Aber diese – etwas unentschieden wirkende – Position ließ wohl die Labour-Wähler etwas im Unklaren für die Volksabstimmung über einen Brexit jetzt im Juni (http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/labour-party-brexit-pro-contra-europaeische-union externer Link). Dabei dürften die – bisher so unentschiedenen – Stimmen der Labourwähler bei dem bevorstehenden Referendum den entscheidenden Ausschlag gegen einen Brexit geben können.

Dabei ist die britische Wählerschaft in dieser Frage so tief gespalten, dass oft schon der familiäre Abendbrottisch zum Kampffeld von Gegnern un Befürwortern, wie die Kommunikationsberaterin Liz Aram mitleiden muss (http://www.fr-online.de/brexit/brexit-europa-oder-big-bang-,34340058,34406460.html externer Link). Dabei quälen sie alle – auch die Befürworter für das Bleiben in der EU – die Zweifel. Liz Aram möchte, dann doch dem gemeinsamen Europa – mit ihrer Stimme – ein Chance geben – und hofft dann dort auf weitere Reformen.

Die ersten Schritte dazu haben – in einem Gastbeitrag der FR – die Europa-Abgeodneten Fabio De Masi (deutsche Linke), Guillaume Balas und Emmanuel Maurel (französische Parte Scialiste) sowie Curzio Maltese (italienische Sinistra Ecologia e Liberta) schon angepeilt: „Die EU muss in die Zukunft investieren – denn sie kommt nur aus der Dauer-Krise, wenn sie sich erneuert, sonst fällt sie an ihre Gegner.“ (http://www.fabio-de-masi.de/de/article/1065.die-eu-muss-in-die-zukunft-investieren.html externer Link)

Welche Rolle spielt Großbritannien für die EU? – Eine Diskussion nur in England – Eine breite Diskussion im Guardian

Gerade der Guardian hatte darüber noch einmal ein Diskussion angeszettelt: Paul Mason fängt schon gleich mit der Grundsatzfrage an, inwieweit kann diese Brexit-Kampagne zu einer Revolte werden? (https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/jun/20/brexit-fake-revolt-eu-working-class-culture-hijacked-help-elite externer Link)

Und er kommt zu dem Ergebnis, dass es eine so falsche (fake) Revolte nur sein kann, wenn man auf ihre Gegner schaut. Viel pragmatischer stellt sich diese Frage des Brexit für den schon lange in Italien lebenden Briten – er wird wohl Italiener werden müssen. (https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/jun/22/brexit-or-not-time-to-become-italian externer Link)

Die britische Identität – von den Brexit-Befürwortern so beschworen – wird dann wohl immer weniger Briten eine Frage bleiben. Roberto Saviano dagegen meint, dass wir mit Britannien eh`nur den korruptetsen Teil (Europas?) verlieren. (https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/jun/23/real-threat-britain-borders-flow-dirty-money-eu externer Link)

Genau die von den Europa-Abgeordneten (siehe oben) so beklagte Unfähigkeit der EU, die Finanzmärkte zu regulieren, um die Euro-Krise wieder mehr in den Griff zu bekommen, wird sicher mit Großbritannien weiterhin schwieriger. Und jetzt können wir beobachten, ob es ohne Großbritannien und seiner Finanzmacht leichter werden könnte. (Oder übernimmt Deutschland diese Rolle – dann eben „ungeschützt“?)

Dann noch eine recht skurile „Prognose“ der Börse gegen einen Brexit – nach einem Mord an einer jungen Politikerin (= nach dem Brexit ins Gegenteil verkehrt)

Dann kam der Mord an Jo Cox, der beliebten Labour-Abgeordneten und klaren Verfechterin des Verbleibens von Großbritannien in der EU (https://www.theguardian.com/uk-news/2016/jun/16/labour-mp-jo-cox-shot-in-west-yorkshire externer Link).

Ein Ergebnis dieses wohl politischen Mordes registrierte diese grausam nüchterne Finanzwelt mit einem Ansteigen der Kurse: Am Freitag legten die Aktienkurse in Europa und das britische Pfund zu, weil die Investoren die Gefahr eines Brexit – jetzt nach dem Mord – geringer einstuften, so schieb die Süddeutsche (http://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-bestuerzung-ueber-mord-an-jo-cox-1.3038734 externer Link).

Diese Trauer um die über die Parteigrenzen hinaus beliebte Labour-Politikerin Jo Cox führte nicht nur zu einer Einigung der politischen Lager, sondern erstmals seit Wochen dominierten nicht mehr Horrormeldungen über diese und jene „ach so schreckliche“ Folge des Brexit die Zeitungen, sondern eine echte Tragödie. Reihenweise kämpften hartgesottene Politik-Profis mit den Tränen. (http://www.fr-online.de/brexit/mord-an-jo-cox-geeinte-trauer-in-grossbritannien,34340058,34383962.html externer Link)

In diese neue Situation hinein konnte nun Jeremy Corbyn, der Labourchef, nicht nur seine Sympathie mit der Ermordeten – zusammen mit Prime-Minister Cameron – vorbringen, sondern seine Erklärung für das Verbleiben in der EU auch mit dem politischen Kampf um eine Veränderung der EU mit der gestiegenen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vorstellen. (http://www.theguardian.com/politics/video/2016/jun/16/labour-eu-reform-says-jeremy-corbyn-video externer Link)

Die bisher in der politischen Auseinandersetzung so unterbelichteten und meist total verquer vorgebrachten Probleme der EU könnten so doch noch ein wenig Aufmerksamkeit vor der Abstimmung erringen.

Diese bisher leider so schrille Diskussion, ganz ohne die erforderliche Sachlichkeit hatte die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy in der „Süddeutschen“ vom 18. Juni 2016 dann noch folgendermaßen schön auf den Punkt gebracht: „Wir könnten über die fehlende Stabilität des Euro und die Weltmärkte nachdenken, oder über den großen Einfluss der Deutschen Bundesbank auf die EZB und deren zwanghaften Fokus auf die wirtschaftliche Tradition Deutschlands.

Wir könnten mit unserer Stimme auf die Korruption in der EU reagieren – wir kennen uns mit Korruption aus, unsere Eliten sind Weltspitze in Korruption. Wir könnten über die in der Aufklärung wurzelnden Gründungsprinzipien der EU sprechen. Aber all das tun wir nicht, weil wir ein Land sind, das von traumatisierten und verhätschelten Kindern in Erwachsenenanzügen regiert wird.

So erlaubt uns das niedrige Niveau des öffentlichen Diskurses nicht, zusammenhängende und definitive Argumentationen für Austritt oder Verbleib zu finden. Dazu sind unsere Politiker nicht in der Lage, daran sind sie nicht interessiert. Stattdessen ist das Versagen unserer Medien zur vorherrschenden Botschaft des Referendums geworden. Diese Kampagne hat neue Tiefpunkte in Sachen Verzerrung, schlampiger Recherche, Hetze und gedankenloser Verunglimpfung gesetzt. Das wird auf keiner Titelseite zu finden sein, aber viele von uns bemerken es: Das historisch ahnungslose und politisch opportunistische Mediengeblöke ist abscheulich – und das ist viel weniger als das, worauf wir ein Anrecht haben.

Wie noch nie zuvor in unserer Geschichte gehören die Medien den Reichen und sind deren Sprachrohr – denn: das alte Geld musste in letzter Zeit erleben, dass seine Dominanz bedroht ist. (hat Mason doch nicht ganz recht?)

So werden unsere Zeitungen von einer Handvoll ungeheuer reicher Europhobiker kontrolliert, die mit Furcht und Hass auf die kleinste Andeutung europäischer Gesetzgebung reagieren…“ (Alison Louise Kennedy in „Buch Zwei“ der Süddeutschen Zeitung vom 18. Juni 2016). Diese etwas realitätsferne und daher ideologisch enorm aufgeladene Athmosphäre in Großbritannien erklärt uns auch David Graeber noch (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/juni/grossbritannien-oder-das-ende-der-resignation externer Link). Aber er hofft jetzt – wie Kennedy auch – auf ein „Ende der Resignation“.

Die Bank of England als ein positiver „Treiber“ in dieser Wende zur ökonomisch angemessenen Diskussion über den Brexit.

Profiliertester und damit auch ernstzunehmender Gegner eines Brexit in Großbritannien ist der Chef der Bank of England, Mark Carney: Für ihn ist ein Austritt aus der EU einfach eines der größten Risiken für die Stabilität des Finanzsystems von England (http://www.sueddeutsche.de/politik/profil-mark-carney-1.3034790 externer Link) – und in diesem Befund lässt er sich auch keineswegs durch den Vorwurf irre machen, er greife in die Politik ein und beschädige damit die Unabhängigkeit der Bank of England. Er dagegen hält es gerade für seine Aufgabe als Währungshüter bei der Bank of England, vor Risiken zu warnen. Politisch wäre es, wenn er diese verschweigen würde. (http://www.wsj.com/articles/boes-carney-issues-stern-defense-over-banks-brexit-conduct-1466072456 externer Link)

Auf dem Kontinent selbst vermag auch die Kritik an der EU die Linke nicht veranlassen, einen Brexit als Lösung des Problems anzusehen, wie Axel Troost ausführt. Ähnlich wie Jeremy Corbyn… (https://www.die-linke.de/nc/die-linke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/was-bedeutet-das-britische-europareferendum-fuer-die-europaeische-linke/ externer Link)

David Graeber dagegen macht noch einmal klar, wie ideologisch man sich auf der Insel in der Brexit-Diskussion verrannt hat, so dass diese Diskussion – am Ende – auch wie ein Befreiungsschlag wirken könne. (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/juni/grossbritannien-oder-das-ende-der-resignation externer Link)

P.S.: Deutschlands Enttäuschung über das Lieblingsauto VW und seine Firma könnte gegenüber diesen ökonomischen „Wirren“ in England noch ein Klacks sein: (http://www.fr-online.de/wirtschaft/vw-skandal-herr-poetsch-und-die-wut-der-aktionaere,1472780,34405620.html externer Link sowie auch noch http://www.sueddeutsche.de/thema/VW externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=100301
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