Koalition hat ihre »Tarifeinheit« – bis zum BVerfG oder Generalstreik?

Dossier

26. Januar 2014 in Kassel: »Hände weg vom Streikrecht - für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit«Anlässlich der absehbaren Beschließung des Tarifeinheitsgesetzes durch den Bundestag am Freitag, 22. Mai 2015, eröffnen wir ein neues Dossier mit den beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Tarifeinheitsgesetz (18/4062) externer Link sowie Einschätzungen und Reaktionen. Der Titel des Dossiers „bis zum BVG oder Generalstreik?“ soll nicht die politische Naivität des labourNet Germany bezeugen, nein, wir finden lediglich, dass diese Option (wie auch aktuell in den USA bzw. Irland für einen echten Mindestlohn gestreikt wird) zumindest Erwähnung finden sollte… Siehe zum Hintergrund das Dossier: Gemeinsame Interessen: Koalition will »Tarifeinheit« und hier Infos und  Bewertungen zum juristischen Kampf dagegen:

  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist Beschwerde des MB gegen Tarifeinheitsgesetz zurück, dieser bekräftigt Forderung nach Abschaffung des Gesetzes – und Armin Kammrad kommentiert New
    • EGMR weist Beschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz zurück: Kein Verstoß gegen Art. 11 der Menschenrechtskonvention – Sondervotum widerspricht Urteilstenor
      Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Chance ungenutzt gelassen, in der Causa Tarifeinheitsgesetz (TEG) Rechtsfrieden herzustellen. Die Mehrheit der Richterinnen und Richter sieht in den Bestimmungen des Gesetzes keinen Verstoß gegen Artikel 11 (Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie aus dem heutigen Urteil hervorgeht. Der Marburger Bund hatte Ende 2017 beim EGMR Beschwerde gegen das Gesetz in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil die im TEG vorgesehene Verdrängung des Tarifvertrages einer Minderheitsgewerkschaft in unverhältnismäßiger Weise in eine Kerngewährleistung von Art. 11 Abs. 1 der Konvention eingreift. Der Marburger Bund nimmt das Urteil des EGMR mit Enttäuschung zur Kenntnis, ist aber nach wie vor davon überzeugt, dass das Tarifeinheitsgesetz darauf angelegt ist, gewerkschaftliche Grundrechte einzuschränken. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass zwei Richter des EGMR in einem abweichenden Votum den Beschwerdeführern Recht geben und explizit dem Urteilstenor widersprechen. In ihrem Sondervotum weisen sie darauf hin, dass die Pluralität der Gewerkschaften ein wesentliches Element jeder demokratischen Gesellschaft ist und dem Grundsatz der Demokratie entspricht, auf dem die Europäische Menschenrechtskonvention beruht. Wenig hilfreich ist der Hinweis der Richtermehrheit des EGMR, dass tariffähige Gewerkschaften zwar ein Recht auf Verhandlung geltend machen könnten, nicht aber ein Recht auf einen Tarifvertrag. Immerhin teilt der Gerichtshof die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Streikrecht von Minderheitsgewerkschaften im Betrieb uneingeschränkt bleiben muss. Die Annahme des EGMR, durch das Tarifeinheitsgesetz könne „Frieden und Solidarität in einem Betrieb“ sichergestellt werden, hält der Realität nicht stand. Das Gegenteil ist der Fall: Der im Gesetz angelegte Kampf um Mehrheiten im Betrieb erzeugt bei Anwendung der sogenannten Kollisionsregel Unfrieden in den Belegschaften. (…) Angesichts der fortbestehenden Probleme, die das Tarifeinheitsgesetz für Mitglieder tariffähiger Gewerkschaften aufwirft, und der damit verbundenen Konflikte in den Betrieben, bekräftigt der Marburger Bund seine Forderung nach Abschaffung des Gesetzes.“ Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 5. Juli 2022 externer Link
    • Siehe das Urteil vom 5.07.2022 externer Link beim ECHR (engl.)
    • Anmerkungen von Armin Kammrad vom 7. Juli 2022
      Unabhängig von der genauen Kenntnis der Begründung der Richter*Innen-Mehrheit und im Sondervotum, fällt auf, dass ein zentraler Aspekt für abhängig Beschäftigte „zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu Gründen und Gewerkschaften beizutreten“ (Art. 11 EMRK) bei der Rechtfertigung des Tarifeinheitsgesetzes durch die EGMR-Mehrheit in den Hintergrund tritt: Für die Kapitalseite geht es dabei um übersichtliche Tarifbeziehungen, die möglichst kapitalfreundlich ausfallen und nicht durch zu viele Streiks belastet werden. Für die Gewerkschaftsmitglieder geht es um die Durchsetzung und Verteidigung ihrer ursächlichsten Interessen. Hier war immer und ist auch weiterhin der Streik zentral. Dass das EGMR zwar auch Minderheitsgewerkschaften ein Recht auf Tarifverhandlungen, jedoch kein Recht auf einen Tarifvertrag zugesteht, ist einerseits eine Gesetzesinterpretation, die die Funktion des kapitalistischen Normalbetriebes über die erfolgreiche Interessendurchsetzung der abhängig Beschäftigen stellt. Andererseits ist diese Einschränkung inhaltlich und praktisch kurios und sollte aufhorchen lassen.
      Denn wenn sich abhängig Beschäftigte gegen arbeitgeberseitige Zumutungen oder Versäumnisse wehren, ist das Recht auf Arbeitsverweigerung oft auch existenziell zentral. Doch geht es den Betroffenen um die Durchsetzung ihrer Forderungen, und nicht vorrangig um irgendeinen beidseitig akzeptablen Kompromiss. Anders gesagt: Das Streikrecht benötigt gar nicht unbedingt das Ziel eines Tarifvertrages. Entweder erhöht der AG nun seine Leistungen oder man/frau streikt schlichtweg weiter. Dabei haben wir nach bürgerlichem Rechtsverständnis Vertragsfreiheit, d.h. der AG muss natürlich keinen Tarifvertrag unterzeichnen. Nur dann wird eben weiter und u.U. sogar noch offensiver gestreikt. Und Streiks verbietet auch das EGMR nicht (ein Recht, was sich übrigens auch auf Art. 28 EU-Grundrechtecharta stützen kann). Die EGMR-Mehrheit teilt nur das Verbot von Tarifverträgen von Minderheitsgewerkschaften. Aber beim Streik geht es um die Durchsetzung von Forderungen und um keinen Vertrag unabhängig vom Erfolg der Forderungsdurchsetzung.
      Der Witz an der EGMR-Mehrheitsentscheidung zum Vertragsverbot für Minderheitsgewerkschaften durch das Tarifeinheitsgesetz ist jedoch auch, dass die maßgeblich vom Nazi-Rechtsvertreter und ersten BAG-Präsidenten Nipperday geprägte Rechtsauffassung zum Streik, welche nur Arbeitskämpfe zulässt, deren Ziele tariflich vereinbart werden können, so gerade pluralisiert wird. Denn zur praktischen gewerkschaftlichen Interessendurchsetzung sind bindende Verträge gar nicht erforderlich, ja, u.U. sogar hinderlich. Letzteres erleben wir aktuell ganz hautnah. Denn fast alle der ursprünglichen Tarifvereinbarungen haben nicht die nun eingetretenen extremen Preiserhöhungen berücksichtigt. Das bürgerliche Recht fordert nun von der tarifgebundenen Gewerkschaft trotzdem Vertragserfüllung. Eine Rechtsauffassung, die jedoch eher nachteilig für die Gewerkschaften ist. Aber wenn die kleinen Gewerkschaften gar keine Tarifverträge abgeschlossen haben, weil sie das angeblich nicht durften, wie können sie dann eine Vertragsverletzung begehen, wenn sie zum Streik aufrufen? Das Tarifeinheitsgesetz wäre nämlich nicht verletzt, wenn die betroffenen abhängig Beschäftigten einfach die Gewerkschaft wechseln und aus einer Minderheits- eine Mehrheitsgewerkschaft machen. Hat z.B. die Gewerkschaft X eine Laufzeit von 24 Monaten vereinbart, kann für die negativ Betroffenen es lohnend sein nach 12 Monaten in die Gewerkschaft Y zu wechseln und höhere Löhne zu fordern, weil 24 Monate aufgrund gestiegener Preise fürs nackte Überleben nicht mehr akzeptabel sind. Grundsätzlicher ausgedrückt: Die Entscheidung des EGMR rückt – wenn auch ungewollt – wieder den Kern der Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit in den Mittelpunkt. Es geht nicht mehr um eine bestimmte Gewerkschaft, sondern um die, welche am konsequentesten für Arbeitnehmerinteressen eintritt, also um den effektiven Interessenschutz, wozu nach Art. 11 EMRK Gewerkschaften letztlich ja auch da sein sollen.
      Natürlich meint das EGMR es mit seinem Vertragverbot, also mit dem Eingriff in die bürgerliche Vertragsfreiheit im Falle von Tarifverträgen, nicht so. Ob nun das Grundgesetz oder die EMRK – das Koalitionsrecht gilt uneingeschränkt, woran auch die Mehrheit des EGMR nicht dran vorbei kommt. Es ist deshalb auch streng rechtsdogmatisch betrachtet, dann nur möglich, zwar Tarifverhandlungen (also Forderungen) zu zulassen, aber dessen für beide Seiten rechtsverbindlichen Abschluss  möglichst „zu verbieten“, also dem den Rücken zu zuwenden, dem bürgerlichen Vertragsrecht nämlich, was Nipperday gerade als seine Begründung für seine Eingriffe ins Streikrecht anführte. Diese Logik kann auch dann nicht gut gehen, wenn auf länderspezifische Besonderheit oder gesetzgeberische Freiheiten verwiesen wird: Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit ist EU-spezifisch, und EU-Recht bindet auch nationale Rechtsetzung.
      Und noch etwas: Was macht nun die nach dem Tarifeinheitsgesetz tariffähige Gewerkschaft im Falle sog. „wilder Streiks“? Eine Haftung – wenn überhaupt – käme ja nach der herkömmlichen Logik nur in Frage, wenn es Mitglieder*innen der eigenen Gewerkschaft wären, die da „wild“ streiken. Wie wäre es mit einem Austritt oder – besser noch – mit der Gründung oder dem Wechsel zu einer Minderheitsgewerkschaft? Die wird dann auch angemessen größer. Das Kriterium einer mangelnden Tariffähigkeit, als Ausdruck richterlichen Rechtsfortbildung im kollektiven Arbeitsrecht, ist total nebensächlich, wo es nicht um einen Tarifabschluss, sondern um die Durchsetzung von Forderungen geht? Die Größe der Solidarität ist hier entscheidend und nicht die Größe der Gewerkschaft.“
  • Juli 2020: Verfassungsbeschwerden gegen Neuregelung zur Tarifkollision gescheitert – ist die Beschwerdeablehnung der 3. Kammer des Ersten Senats rechtswidrig? – BVerfG-Pressemitteilung vom 2. Juli 2020 sowie umfangreicher Kommentar von Armin Kammrad
  • [Änderung des Gesetzes zur Tarifeinheit] Ernsthaft, wirksam, heimlich 
    Kurz bevor eine Frist des Bundesverfassungsgerichts abläuft, nimmt die Koalition eine Änderung des Gesetzes zur Tarifeinheit vor. Die Linke protestiert, der Beamtenbund spricht sogar von „einer Geheimdienstoperation“. Die große Koalition will das Gesetz zur Tarifeinheit ändern. Damit befolgt sie eine Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte das bisherige Gesetz zwar im Juli 2017 weitgehend für verfassungsgemäß erklärt, aber bis Ende 2018 eine Änderung verlangt. Die Koalition will dies nun tun, indem sie die Richter exakt wörtlich nimmt. (…) Erstens müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Interessen kleinerer Berufsgruppen „hinreichend berücksichtigt“ würden; also die der Ärzte in einem Klinikum oder der Lokführer bei der Bahn. Zweitens dürfe das Gesetz, bis es geändert sei, nur angewendet werden, sofern die größere Gewerkschaft die Interessen der kleinen Berufsgruppen „ernsthaft und wirksam“ berücksichtigt. Weshalb es nun künftig im Gesetz heißen soll: Der Tarifvertrag der kleineren Gewerkschaft gelte immer dann, falls im Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft ihre Interessen „nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt“ worden seien. Die Linke protestiert, und der Beamtenbund (DBB) auch; letzterer ist der Dachverband, dem die GDL angehört. DBB-Chef Ulrich Silberbach sagte am Montag der Süddeutschen Zeitung, was die Koalition vorhabe, sei eine „Mini-Korrektur“. Er spielte darauf an, worauf sich die Gesetzesänderung beschränkt: auf das Hineinkopieren der Formulierung „ernsthaft und wirksam“ aus dem Urteil ins Gesetz. Aber auch die Art, in der das Gesetz geändert werden soll, löst Kritik aus. Regierung und Koalitionsfraktionen arbeiten derzeit an einem sogenannten „Qualifizierungschancengesetz“. Es ist kein eigenes neues Gesetz, sondern besteht aus Änderungen anderer Gesetze (was immer wieder vorkommt). Und eine dieser Änderungen soll nun diejenige des Tarifvertragsgesetzes sein. (…) Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) findet die Gesetzesänderung gut. Damit komme die Koalition den Vorgaben der Karlsruher Richter nach – und „zu weit gehende Verdrängungen“ von Tarifverträgen würden verhindert, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der SZ...“ Artikel von Detlef Esslinger vom 26. November 2018 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link, siehe dazu auch den Marburger Bund:

    • Tarifeinheitsgesetz: Abschaffen wäre konsequenter
      „… Der Marburger Bund hat seit Inkrafttreten des Gesetzes Vorkehrungen getroffen, um sein im Grundgesetz verbürgtes Recht der kollektiven Privatautonomie zu wahren. Die Aufhebung des Gesetzes wäre gleichwohl der einfachste Weg, den nach wie vor bestehenden rechtlichen und praktischen Problemen zu begegnen und damit auch Rechtssicherheit zu schaffen. Diese Chance hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) jedoch mit seinem Entwurf zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes im Qualifizierungschancengesetz verpasst. In seiner für arbeitsgerichtliche Entscheidungen durchaus relevanten Gesetzesbegründung fällt das Ministerium hinter Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zurück und ignoriert offenbar bewusst die vom Gericht genannten Kriterien zur Wahrung der Interessen betrieblicher Minderheiten. (…) Besonders problematisch ist, dass die Regierung in der Gesetzesbegründung den Anschein erweckt, die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht ernsthafte und wirksame Interessenberücksichtigung läge bei der mit Verdrängung bedrohten Minderheit. Tatsächlich aber hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, die Mehrheitsgewerkschaft müsse darlegen, dass sie die Interessen der betrieblichen Minderheit ernsthaft und wirksam berücksichtigt hat. Wenn die Regierung es schon nicht über sich bringt, einen eigenen Irrweg zu korrigieren, sollte sie wenigstens dem Wortlaut höchstrichterlicher Urteile folgen können...“ Pressemitteilung vom 27. November 2018 vom Marburger Bund externer Link
  • Bundesverfassungsgericht: „Das Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar“ – nun bleibt also nur der Streik?! 
    Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Auslegung und Handhabung des Gesetzes muss allerdings der in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen; über im Einzelnen noch offene Fragen haben die Fachgerichte zu entscheiden. Unvereinbar ist das Gesetz mit der Verfassung nur insoweit, als Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber muss insofern Abhilfe schaffen. Bis zu einer Neuregelung darf ein Tarifvertrag im Fall einer Kollision im Betrieb nur verdrängt werden, wenn plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Das Gesetz bleibt mit dieser Maßgabe ansonsten weiterhin anwendbar. Die Neuregelung ist bis zum 31. Dezember 2018 zu treffen. Die Entscheidung ist teilweise mit Gegenstimmen ergangen; zwei Mitglieder des Senats haben ein Sondervotum abgegeben…“ Pressemitteilung vom 11. Juli 2017 externer Link zum Urteil vom 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1477/16, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1588/15

    • Interessant darin die abweichende Meinung des Richters Paulus und der Richterin Baer: „… c) Hinter der Annahme der Senatsmehrheit, die Nachzeichnung eines Tarifvertrags einer anderen Gewerkschaft halte den Verlust des eigenen Tarifvertrags in Grenzen, steht eine gefährliche Tendenz, die Interessen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als einheitlich aufzufassen. Die Vorstellung, es komme nicht auf den konkret ausgehandelten Vertrag an, solange überhaupt eine Tarifbindung bestehe, privilegiert in der Sache die großen Branchengewerkschaften. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Art. 9 Abs. 3 GG, der auf das selbstbestimmte tarifpolitische Engagement von Angehörigen jedweden Berufes setzt.
      d) Das Urteil eröffnet die Möglichkeit, dass im gerichtlichen Beschlussverfahren die Mehrheitsverhältnisse der Gewerkschaften in einem Betrieb offengelegt werden. Solange der Gesetzgeber keine Vorkehrungen trifft, die damit einhergehende Verschiebung der Kampfparität zu verhindern, ist auch dies nicht zumutbar…“
      Siehe dazu die Kommentare:
    • Klassenjustiz in Aktion: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Tarifeinheit ist ein Gefälligkeitsurteil für Kabinett und Kapital 
      „… Der Grund für die extrem vielen inneren Widersprüche dieses Urteils liegt in der Tatsache begründet, dass der Grundgesetzartikel 9 Abs 3 (Koalitionsfreiheit) eigentlich gar keinen Interpretationsspielraum offenlässt, die Mehrheit des Bundesverfassungsgerichts aber (mit 6 gegen 2) sich entschlossen hatte, der Bundesregierung die Stange zu halten. (…) Wie selbst das BVerfG zugeben muss, ist eine Vereinigung nur dann eine Gewerkschaft, wenn sie auch streiken darf. Welchen Sinn aber ein Streikrecht haben soll, wenn es absehbar zu keinem Ergebnis führen kann, weil der möglicherweise erzielte Tarifabschluss nachher keine Anwendung finden wird (weil durch einen anderen Tarifertrag „verdrängt“), das wird tunlichst ausgeklammert. (…) Am schlimmsten trifft es die kleinen – politisch anders ausgerichteten – Gewerkschaften, wie etwa die FAU. Diesen wird ohne jegliche Chance auf eigenständige Interessenvertretung ein Grundrecht, wie würden sagen ein Menschenrecht, streitig gemacht. (…) Die Verantwortung von Seiten maßgeblicher DGB-Gewerkschaften, allen voran IGM und IG BCE, ist bedeutsam. Hätten sie sich von vornherein gegen das Gesetz gestellt, wäre manches anders gelaufen. Die IG BCE hat sich sogar über das Urteil ausgesprochen gefreut. Markige Worte allein werden das Urteil nicht kippen oder den „Gesetzgeber“ umstimmen. Die Niederlage, die die Lohnabhängigen und ihre Gewerkschaften mit diesem Gesetz und jetzt mit dem Urteil erlitten haben, wird nur mit entschlossenem Kampf und langem Atem zu überwinden sein…“ Kommentar von Jakob Schäfer vom 16.7.2017
    • Das Gesetz ohne Wirkung 
      Über die Vorlage zur »Tarifeinheit« wurde viel gestritten. Aber wann werden Regelungen der einen Gewerkschaft durch die einer anderen verdrängt? Eine Erklärung (…) Den Unternehmen liefert das Tarifeinheitsgesetz Möglichkeiten, sich aus den bei ihnen unbeliebten Flächentarifverträgen zu verabschieden – zumindest war das die Absicht. (…) Das Mehrheitsprinzip wurde bestätigt. Es wurde aber mit so zahlreichen Einschränkungen versehen, dass nur noch wenig von ihm übrig bleibt…“ Artikel von Wolfgang Däubler in der jungen Welt vom 18.07.2017 externer Link
    • Verfassungsgericht verschärft Streikrecht 
      „… Es ist durchaus richtig, gerade angesichts der erneuten Verschärfung des Streikrechts durch das Tarifeinheitsgesetz zu fordern, dass sich der Staat aus Tarifkämpfen heraushalten solle. Ebenso ist die Forderung nach einem allseitigen gesetzlichen Streikrecht richtig. Betont werden muss hier aber, dass diese Forderungen nur im Zusammenhang mit realen Kämpfen um deren Umsetzung auch eine Wirkung entfalten. Es gilt der Satz: „Wer die Macht hat, hat das Recht.“ Setzen Beschäftigte in einem Arbeitskampf ihre Interessen entschlossen durch, indem sie durch Streik ökonomischen Druck aufbauen, schützen sie sich damit gleichzeitig auch vor einer Illegalisierung ihres Arbeitskampfes. (…) Auch muss man schließlich berücksichtigen, dass das jeweils bestehende Streikrecht in jedem Land lediglich den Standard abbildet, der zuvor durch die Beschäftigten erkämpft wurde. Das macht sich auch an den jeweils üblichen Aktionsformen bemerkbar: Während ArbeiterInnen in Frankreich während ihrer Arbeitskämpfe z.B immer häufiger die Chefs in ihren Büros gefangen nehmen („Bossnapping“), geht es bei Warnstreiks in Deutschland im europäischen Vergleich noch sehr gesittet zu. Doch auch hier gibt es Beispiele dafür, wie Recht durch Macht erzwungen wurde: Laut Ergebnis des letzten Schlichtungsverfahrens zwischen Deutscher Bahn und GDL wird das Tarifeinheitsgesetz bei den Lokführern nicht angewendet werden. Eine kämpfende Belegschaft hat also durchgesetzt, dass ein bestimmtes Gesetz für sie nicht gilt. Schlussendlich: Man kann durchaus überlegen, was alles durchsetzbar wäre, wenn Beschäftigte wirklich entschlossen und zusammen handeln.“ Kommentar und Überblick von Thomas Stark vom 17.7.2017 bei Perspektive externer Link
    • Tarifeinheit: Glückwunsch, Allen & Overy!
      Bundesverfassungsgericht fördert rechtliche Verwirrung. Prozesshanselei und Überlastung der Arbeitsgerichte werden zunehmen
      Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz vom 11. Juli 2017 dokumentiert eine tiefe Zerissenheit. Die alten Zeiten, als sich “die Gewerkschaften” und “die Arbeitgeber” in Elefantenrunden gegenüber saßen, sind nicht nur auf Gewerkschaftsseite passé. Anstelle von Arbeitgeberverbänden hat ein juristisch-betriebswirtschaftlicher Komplex die Führung übernommen. Neben Unternehmensberatern (McKinsey, Boston Consulting, Kienbaum, Roland Berger) und Wirtschaftsprüfern (PWC, KMPG, Deloitte) gehören dazu große Wirtschaftskanzleien und deren Arbeitsrechtsabteilungen. Sie dürfen sich über das jüngste Urteil zur Tarifeinheit freuen. Ihr Leitwolf in Sachen Streikverhinderung hatte das Tarifeinheitsgesetz nach Kräften voran getrieben. (…) Die Versuche, jede Streikbewegung gerichtlich zu unterbinden, werden aller Voraussicht nach weiter zunehmen, da das jüngste Urteil widersprüchlich und unklar ist...“ Ein Kommentar von Elmar Wigand veröffentlicht am 16. Juli 2017 bei Arbeitsunrecht externer Link
    • [unter_bau] Kommentar zur Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum Tarifeinheitsgesetz 
      „Das durch die Rechtsprechung vergleichsweise restriktiv ausgelegte deutsche Streikrecht wurde mit dem Tarifeinheitsgesetz weiter gesetzlich beschnitten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das Gesetz in seinem Urteil vom 11.07.2017 nun weitestgehend abgesegnet. (…) Problematisch an der Entscheidung sind m.E. insbesondere folgende Punkte: 1. Das BVerfG stellt bei der Feststellung des Gesetzeszwecks ausschließlich auf den Text des Gesetzesentwurfs ab, anstatt die Entstehungsgeschichte miteinzubeziehen. Nur so kann ihm entgehen, dass es hier gerade auch darum geht, die Interessen des DGB und der Arbeitgeberverbände gegenüber kleineren Gewerkschaften zu sichern. 2. Das BVerfG kann nicht plausibel machen, wie eine Gewerkschaft wirksam für einen Tarifvertrag, von dem von vorneherein klar ist, dass er nicht gelten wird, kämpfen soll. 3. Der Prognosespielraum der Gesetzgebung wird vom Gericht denkbar weit gefasst. So steht es dem Gesetzgeber frei, Funktionsstörungen zu antizipieren, ohne eine solche Gefährdung darlegen zu müssen. Gerade weil an dem Gesetz große Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, nicht aber die kleineren Akteure, in deren Grundrechte eingegriffen werden soll, beteiligt waren, wäre eine solche Gefährdung aber plausibel zu machen. 4. Überdenkenswert ist schließlich auch das generelle Koalitions- und Streikverständnis des BVerfG. Im deutschen arbeitsrechtlichen Diskurs fehlt generell jegliches über das Tarifsystem hinausgehende Verständnis der Koalitionsfreiheit, die zudem in ihrem demokratietheoretischen Gehalt verkannt wird. Denn Streiks und die Organisierung der Lohnabhängigen sind auch als demokratisch-solidarische Praktiken zu deuten, die sich nicht auf ihre Funktionalität für die Tarifpolitik beschränken lassen. Vielmehr eröffnen gewerkschaftliche Praktiken potentiell Räume, in denen individuelle und kollektive Autonomieausbildung praktisch möglich wird…“ Beitrag von Marie Diekmann vom 12. Juli 2017 bei unter_bau externer Link
    • Tarifeinheitsgesetz: Und was ist mit dem Streikrecht?
      „… So verlangt das Gericht, dass der Gesetzgeber das Gesetz bis Ende 2018 in mehreren Punkten nachbessert. Er soll Regelungen einziehen, die gewährleisten, dass in einem Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb auch die Interessen der kleineren Verbände berücksichtigt sind. „Wir sollen also nicht mehr nur für unsere Mitglieder zuständig sein, sondern auch noch für die anderen mitdenken,“ bewertet dies der Leiter der ver.di-Rechtsabteilung, Professor Jens Schubert. Und Andrea Kocsis, die stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende wirft die Frage auf, wie denn ein Arbeitsgericht feststellen solle, „ob die Minderheit in einem Mehrheitstarifvertrag ausreichend berücksichtigt wurde“. (…) Abzusehen ist, dass die Frage, wann eine unzumutbare Härte vorliegt, vor den Arbeitsgerichten landen wird. „Zwar ist das Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden, insofern hat sich unsere Beschwerde gelohnt, die Lösung von Tarifkonflikten überlässt das Gericht aber den Arbeitsgerichten“, so Andrea Kocsis nach der Urteilsverkündung. (…) „Das Trittbrettfahrertum wird zum Nachzeichnungsrecht veredelt. Anstatt Ruhe trägt das Urteil nun Unfrieden in die Betriebe.“ (…) Und unklar bleibt nach diesem Urteil auch, ob damit ein Eingriff in das Streikrecht in Gänze abgewehrt ist…“ Beitrag von Maria Kniesburges bei ver.di externer Link (ohne Datum)
    • Das Kreuz mit der Tarifeinheit – Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
      „… Wer dieses Urteil aus gewerkschaftlicher Sicht als „Teilerfolg“ einschätzt, hat es nicht verstanden. Es ist zuallererst eine Art „Kotau“ vor dem Gesetzgeber und ein Verzicht auf die Kontrollbefugnis des BVerfG. Zu Recht kritisieren deshalb auch die Richter Paulus und Baer in ihrem Minderheitenvotum, daß das Urteil die Überwachungsfunktion des Gerichts vermindere. Die dem Gesetzgeber zugestandenen Einschätzungsspielräume seien viel zu weit gefasst. Tatsächlich erkennt der Senat des Gerichts im Gesetz besonders schwere (!) Eingriffe in die Tarifautonomie, meint aber diese Eingriffe seien „zugunsten anderer Ziele mit Verfassungsrang“ gerechtfertigt. Dabei akzeptiert es empirische Annahmen des Gesetzgebers, die vollkommen abseits der Wirklichkeit liegen (…) Auf geradezu absurde Weise erklärt das Gericht Kernelemente des Gesetzes zwar für verfassungswidrig, spricht aber nicht deren Unwirksamkeit aus. Es versucht „aus Respekt vor dem Gesetzgeber“ (!) zu retten was nicht zu retten ist und verweist schließlich – zu allem Überfluß – auf die Arbeitsgerichte (!), die nun in vielen Einzelfällen das Gesetz „schonend auslegen“ sollen… (…) Aber vielleicht ist dieses Urteil auch Gelegenheit, endlich einen Schlußstrich zu ziehen unter den jahrzehntelangen Prozeß der Verrechtlichung von Arbeitsbeziehungen und der Gerichtsgläubigkeit, die den Gewerkschaften hierzulande – mehr als in jedem anderen westeuropäischen Land – eine massive faktische Einschränkung ihres Handlungsspielraums beschert hat. Es gibt aber natürlich auch die Alternative die Handlungsoptionen g a n z den Juristen zu übertragen. Den eigenen wie denen an den Gerichten. Die Gewerkschaften haben die Wahl.“ Analyse des Urteils des BVerfG zur Tarifeinheit vom 12.7.2017 von und bei Rolf Geffken externer Link, aktualisiert am 13.7.

      • Siehe auch: Tarifeinheitsgesetz laut Bundesverfassungsgericht weitgehend verfassungskonform: Gewerkschaftliches Koalitionsrecht marginalisiert.
        In dieser Woche hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem mit Spannung erwarteten Urteil das sogenannte Tarifeinheitsgesetz weitgehend als verfassungskonform beurteilt. Anlass des Gesetztes waren allen voran die Streiks bei der Deutschen Bahn durch die GDL. Über die Bedeutung und die Auswirkungen der Verfassungsgerichtsentscheidung haben wir mit Dr. Rolf Geffken, Arbeits-, Wirtschaftsrechtler und Autor aus Hamburg gesprochen.“ Interview von und bei Radio Dreyeckland vom 13.7.2017 externer Link Audio Datei
    • »Gesetz lässt sich kaum gegen uns einsetzen«. Und sie dürfen doch streiken: Gewerkschaft UFO sieht Entscheidung Karlsruhes zur »Tarifeinheit« gelassen 
      „… Doch Karlsruhe hat das Gesetz in einer Weise ausgelegt, dass für uns viele Vorteile entstehen werden. Beispielsweise haben wir nun das Recht, als Minderheitsgewerkschaft bei Verhandlungen gehört zu werden und Verträge nachzuzeichnen. Die Verdrängungswirkung, die die Vorlage eigentlich entfalten sollte, wurde von den Richtern zudem stark eingeschränkt. Nun bleibt ein Gesetz zurück, das die Arbeitgeber kaum gegen uns einsetzen können. (…) Wir dürfen nun sogar für die Durchsetzung unserer Minderheitsrechte streiken. Es ist geradezu skurril: Wir könnten morgen zu Air Berlin gehen, wo derzeit nur mit Verdi verhandelt wird, und Druck dafür ausüben, damit wir mit an den Verhandlungstisch kommen. Vermutlich hat die Dienstleistungsgewerkschaft dort auch mehr Mitglieder als wir. Dennoch könnten wir zum Arbeitskampf für einen Tarifvertrag aufrufen, der, sobald er ausgehandelt wurde, nicht gültig wäre. Kein Arbeitsgericht dürfte das verbieten…“ Interview von Johannes Supe vom 13.07.2017 mit Nicoley Baublies (UFO) externer Link
    • Was tun, wenn das Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig entscheidet? 
      „… Natürlich agieren die Richter unabhängig. Dies besagt aber nicht, dass sie grundgesetzkonform ent-scheiden. Richter sind auch Menschen, d.h. haben ihre ganz persönliche Meinung über Sinn und Zweck – hier explizit des Streikrechts. Was als grundgesetzkonform gilt ist also keine göttliche Festlegung, sondern eine persönliche Meinung eben dieser Richter, die bei schwacher Opposition noch dazu allein von denen ausgewählt werden, die solche Angriffe auf das Streikrecht erst aushe-cken – den herrschenden Parteien, also aktuell CDU/CSU und SPD. Die Aufgabe des BVerfG besteht dabei darin, bei persönlicher Zustimmung für eine Begrenzung des Streikrechts, dies irgendwie mit dem Verfassungstext in Einklang zu bringen. Wer das Sondervotum einmal genau studiert, wird auch erkennen, dass Richter Paulus und Richterin Baer das Tarifeinheitsgesetz eigentlich für überflüssig halten. Allerdings betrachten auch sie eine Einschränkung „in verhältnismäßiger Weise“ als verfassungskonform, betonen jedoch, dass dies nicht zu einer „widerspruchsfreien Ordnung“ führen darf, sprich: nicht auf das Interesse hinauslaufen darf, „Arbeitgeber vor vielfachen gewerkschaftlichen Forderungen zu schützen“ (PM Pkt 1 SV). Dass genau das die Haltung der Senatsmehrheit ist, wird nicht ausgesprochen, ja, wohl auch nicht erkannt. Solche Haltung würde das „kollegiale Verhältnis“ im Senat auch stark belasten. Der Ansicht vom „Gottgleichen“ prägt auch die redlichen Richter, obwohl es sich nur um ihre ganz persönliche Meinung zur Verfassung handelt. Der entscheidende Punkt ist in diesem Fall nur, dass es der Senatsmehrheit nicht gelingt, ihre Abneigung gegen „zu viel“ Streiks zu verbergen. Es klappt nicht so recht mit einer verfassungskonformen Schwächung der Gewerkschaften. (…) Die Gewerkschaften haben durchaus das Recht (Stichwort „Meinungsfreiheit“) die Interpretation der Senatsmehrheit als verfassungswidrig abzulehnen. Wie gesagt – die Richter sind auch nur Menschen – mit einer bestimmten Haltung zum Streikrecht. Streik ist für die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechte jedoch zentral und nicht verhandelbar. Eingriffe in das Streikrecht zu Gunsten der Arbeitgeber im Rechtstaat des Grundgesetzes sind systemwidrig und gefährlich. Außerdem gibt es eigentlich keinen Grund irgendetwas zu ändern. (…) Wenn übrigens nun der Gesetzgeber die Arbeits- und Wirtschaftsbedingen regelt, wird er damit u.U. auch zum unmittelbaren Gegner der Arbeiterbewegung. Dass nämlich ein politischer Streik auch aus verfassungsrechtlicher Sicht denkbar wird, ergibt sich zwangsläufig, wenn das, was nach Art. 9 GG die Koalitionen ohne staatliche Behinderung regeln sollen, der Gesetzgeber in die Hand nimmt. Natürlich müssen sie auch wollen. Vielleicht ergibt sich auch aus der Mühsal der gerichtlichen Praxis die Forderung an den Gesetzgeber, nun auch mal in das Koalitionsrecht der Arbeitgeber einzugreifen – wenn sich herausstellt, dass die Parität solche Eingriffe erfordert. Dank seiner eigenen Rechtsprechung sähe das BVerfG ziemlich alt aus, wenn das bei den Arbeitgebern nicht gehen soll, was bei den Gewerkschaften als völlig verfassungskonform verstanden wird – Eingriffe in das Koalitionsrecht der Arbeitgeber.“ Ein Kommentar von Armin Kammrad vom 11. Juli 2017 für LabourNet Germany  zur Entscheidung 1 BvR 1571/15 u.a. vom 11. Juli 2017 des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz
    • Ein „weitgehend“ grundgesetzkonformes Tarifeinheitsgesetz. Aber geht das überhaupt – ziemlich schwanger, aber nicht ganz? Und wer muss das ausbaden?
      „… Und hier wird es dann richtig schwierig für die „kleine“ Gewerkschaft. Es ist die Stelle, an der die Kritik vieler Juristen vor der heutigen Entscheidung aus Karlsruhe hinsichtlich einer aus ihrer Sicht gegebenen Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes angedockt hat, weil die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit faktisch für einen Teil der Gewerkschaften ausgehebelt wird, denn die kleineren Gewerkschaften können für ihre Mitglieder nichts mehr durchsetzen, sobald ein größerer Konkurrenzverband die Bühne betritt. Die faktische Außerkraftsetzung des Streikrechts für die kleinen Gewerkschaften resultiert wiederum aus der Arbeitskampfrechtsprechung: Als „unverhältnismäßig“ gilt in der Rechtsprechung ein Streik unter anderem dann, wenn er auf ein Ziel gerichtet ist, das mit ihm gar nicht erreicht werden kann. Wenn aber ein angestrebter Tarifvertrag gar nicht erreicht werden kann, weil sowieso der der größeren Organisation gilt, dann müsste der Streik als „unverhältnismäßig“ bewertet und untersagt werden. Warum aber sollen sich dann Arbeitnehmer in der kleineren Gewerkschaft organisieren, wenn die nur im Windschatten der größeren Gewerkschaft segeln darf und kann? Damit aber stellt sich logischerweise die Existenzfrage der kleineren Organisationen. Und die Entscheidung des BVerfG schafft jetzt leider keine Klarheit, sondern sie eröffnet zahlreiche Baustellen: Dass die kleinen Gewerkschaften prinzipiell streiken dürfen, wird vom BVerfG herausgestellt. Wenn ein Tarifvertrag aber ohnehin von einem Mehrheitstarifvertrag verdrängt werden kann, dürfte ein Streik oft unverhältnismäßig sein. Aber das Bundesverfassungsgericht verlangt ausdrücklich, dass die Minderheitsgewerkschaft in einem solchen Fall nicht dem Risiko ausgesetzt werden darf, für streikbedingte Verluste und Schäden zu haften – das müssten dann aber die Arbeitsgerichte sicherstellen. Und wie soll das funktionieren? Offensichtlich ist auch die Mehrheit der Richter des BVerfG nicht wirklich wohl bei dem, was das Tarifeinheitsgesetz beinhaltet…“ Kommentar vom 11. Juli 2017 von und bei Stefan Sell externer Link
    • Die (ersten) Stellungnahmen der klagenden Gewerkschaften (in der Chronologie der Veröffentlichung):

      • [MB] Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Tarifeinheitsgesetz in weiten Teilen verfassungswidrig
        „… Das Tarifeinheitsgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat das Gesetz heute auf die Intensivstation gelegt und selbst schon mit der Intensivbehandlung begonnen. Wesentliche Regelungen des Gesetzes sind mit der Koalitionsfreiheit in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz nicht vereinbar und müssen korrigiert werden. Das Verfassungsgericht gibt dem Gesetzgeber bis Ende 2018 Zeit, entweder das Gesetz entsprechend nachzubessern oder ganz aufzugeben…“ Optimistische Pressemitteilung vom 11. Juli  2017 vom Marburger Bund externer Link
      • [ver.di] Urteil zum Tarifeinheitsgesetz führt zu massiver Rechtsunsicherheit
        Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz. „Wenig Licht, viel Schatten“, kommentierte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis im Anschluss an die heutige Urteilsverkündung in Karlsruhe. „Zwar ist das Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden, insofern hat sich unsere Beschwerde gelohnt, die Lösung von Tarifkonflikten überlässt das Gericht aber den Arbeitsgerichten“, so Kocsis. Nun stelle sich aber die Frage: Wie soll ein Arbeitsgericht feststellen, ob die Minderheit in einem Mehrheitstarifvertrag ausreichend berücksichtigt wurde? Auch die Vorgaben an den Gesetzgeber, Minderheitsinteressen zu berücksichtigen, bleibe unklar. „Uneinheitliche Urteile und unzählige Prozesse drohen zu jahrelanger Rechtsunsicherheit zu führen.“ Gewerkschaften müssten nun immer wieder – vor, während und nach Tarifverhandlungen – den Beweis erbringen, ob sie die Mehrheiten an Mitgliedern in einem Betrieb haben. Kritisch erachtet ver.di, dass die Regelung nun den Wettbewerb zwischen den Gewerkschaften anheizen werde. „Das Trittbrettfahrertum wird zum Nachzeichnungsrecht veredelt“, so Kocsis. „Anstatt Ruhe trägt das Urteil nun Unfrieden in die Betriebe!Pressemitteilung vom 11.07.2017 externer Link
      • [Cockpit] Tarifeinheitsgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt
        „… „Der Senat hat die unbegrenzte Verdrängung von Tarifverträgen zu Recht als verfassungswidrig bewertet. Dennoch sind wir von dem Urteil insgesamt enttäuscht, da das Gesetz weiterhin in Kraft bleibt. Kleinere Gewerkschaften bleiben durch das Tarifeinheitsgesetz bedroht.  Minderheiten können sich nicht von der Gewerkschaft vertreten lassen, für die sie sich frei entschieden haben. Positiv bewerten wir, dass die Richter das Streikrecht der Minderheitsgewerkschaften ausdrücklich bestätigen und Haftungsrisiken hieraus ausschließen.“, so Ilja Schulz, Präsident der Vereinigung Cockpit. „Erst die Zukunft wird das wahre Ausmaß dieses Gesetzes offenlegen und dann werden sich Viele fragen, wie konnten wir so etwas zulassen?“, so Schulz weiter…“ Pressemitteilung vom 11 Juli 2017 externer Link
      • [dbb] Bundesverfassungsgericht verlangt Nachbesserungen. Tarifeinheitsgesetz-Urteil: „Die Probleme bleiben!“
        „… Der dbb-Chef machte klar, dass das Tarifeinheitsgesetz auch in der neuen Form zu einer Verschärfung der Konkurrenzsituation zwischen den Gewerkschaften führen wird. „Mit der Verlagerung der Tarifpolitik auf die Betriebsebene wird die Idee des Flächentarifs gänzlich zerschossen. Und soweit tatsächlich zahlenmäßig kleinere, aber gleichzeitig hochgradig organisierte Gewerkschaften verdrängt werden, haftet dem TEG weiterhin ein eklatantes Demokratiedefizit an. Dem werden wir nicht tatenlos zusehen“, kündigte der dbb-Chef an. „Wir werden uns intern beraten und das Urteil im Detail analysieren. Danach werden wir unseren Kampf gegen die gewerkschaftsfeindliche Zwangstarifeinheit fortführen – politisch und wenn nötig mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte…“ Pressemitteilung vom 11.07.2017 externer Link
      • [djv] Tarifeinheit: An Arbeitsgerichte verschoben
        Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz einen Verschiebebahnhof zu den Arbeitsgerichten…“ Pressemitteilung vom 11. Juli 2017 externer Link
      • [GDL] Bundesverfassungsgericht zum Tarifeinheitsgesetz: Angriff auf das Existenzrecht der GDL abgewehrt – Gesetzgeber muss nachbessern
        Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist erleichtert über das einschränkende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz (TEG). „Zumindest ist der Ansatz zur Existenzvernichtung von Berufsgewerkschaften gestoppt worden“, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky. „Die Einschränkung der Koalitionsfreiheit wird nicht zugelassen, das Arbeitskampfrecht von Berufsgewerkschaften wird nicht eingeschränkt“. Mit dieser Entscheidung haben die obersten Verfassungsrichter klar aufgezeigt, dass eine Zwangstarifeinheit nicht mit der Verfassung (Artikel 9 Absatz 3) vereinbar ist. Das Gesetz bleibt zwar bestehen, muss aber bis zum 31. Dezember 2018 nachgebessert werden…“ Pressemitteilung vom 11.07.2017 externer Link
    • [DGB als vermeintlicher „Gewinner“ des Gsetzes] Tarifzensur darf nicht ermöglicht werden
      „… Die vom Bundesverfassungsgericht verlangten Änderungen sind teilweise nachvollziehbar. Das Kernziel des Gesetzes, die freiwillige Zusammenarbeit der Gewerkschaften in einem Betrieb zu fördern, wird nach wie vor ermöglicht. Das begrüßen wir. Von der Arbeitgeberseite erwarten wir, dass sie verantwortlich mit der Situation umgeht. Wenn der Gesetzgeber weitere Regelungen treffen sollte, darf dadurch auf keinen Fall Tarifzensur ermöglicht werden.““ Pressemitteilung vom 11.07.2017 externer Link
    • Wir erinnern an 2 unserer Lieblingszitate zum Tarifeinheitsgesetz:
      • Der faktische Entzug des Rechts, Tarifverträge abzuschließen und dafür einen Arbeitskampf zu führen, stellt einen denkbar weitreichenden Eingriff dar, der nur noch durch ein Gewerkschaftsverbot übertroffen werden könnte.“ Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler im Gutachten für die Partei Die Linke
      • Die beste Verteidigung gegen die Einschränkung des Streikrechts wird der Streik selbst sein!“ Jurist Rolf Geffken bei der Demonstration gegen das Tarifeinheitsgesetz in Frankfurt
    • Kein effektiver Grundrechtsschutz der Koalitionsfreiheit: Erneut mehrheitliche Kapitulation im Verfassungsgericht vor Grundrechtsdemontage
      Schon die im Zuge der Verteidigung des angeblichen Elementargrundrechts der Versammlungsfreiheit seit 2016  erfolgten Kammerentscheidungen nur für Rechte, bei wiederholter Billigung überzogener Ausnahmerechte für die  Polizei, – ließen auch beim Tariftreuegesetz zur Minmierung des Streikrechts als Mittel der Koalitionsfreiheit, düstere Ahnungen aufkommen. Diese haben sich bei Verkündigung am 11.7.2017 hinsichtlich der Senatsmehrheitsmeinung bewahrheitet. Mit Ausnahme des Berufsgruppenschutzes  – GDL oder Piloten dürfen also weiter streiken – gibt die Absegnungsmehrheit der Verfassungsrichter*innen den reaktionären, gegen die Gewerkschaftsfreiheiten gerichteten Arbeitskampfverbotsmassnahmen, zwecks verfassungsrechtlicher Fürsorge in die Obhut der Fachgerichte. (…) Mit dieser verfassungrechtsrechlichen Gefälligkeitsjustiz unterminiert der Senat nachhaltig das Ihm bisher entgegengebrachte Vertrauen, er wäre im Gegensatz zur kastrierten Justiz in Polen und Ungarn ein Hort konsequenter Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte.“ Kommentar vom 11. Juli 2017 von und bei Radio Dreyeckland externer Link
  • [24./25.1.2017] Bundesverfassungsgericht verhandelt über Verfassungsbeschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz
    „Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 24. und 25. Januar 2017 in Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerde des Marburger Bundes und andere Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zur Tarifeinheit. „Wir freuen uns, dass das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Tarifeinheitsgesetz nunmehr auch im Rahmen einer zweitägigen mündlichen Verhandlung prüfen wird“, sagte Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes. Die mündliche Verhandlung unterstreiche die hohe Bedeutung, die dem Verfahren insgesamt zukomme. Der Marburger Bund hatte bereits am Tag des Inkrafttretens, dem 10. Juli 2015, Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Tarifeinheit erhoben. Der Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands begründet seine Verfassungsbeschwerde vor allem damit, dass das Tarifeinheitsgesetz einen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz darstellt. Verfahrensbevollmächtigter des Marburger Bundes ist Prof. Dr. Frank Schorkopf, Lehrstuhlinhaber am Institut für Völkerrecht und Europarecht der Georg-August-Universität Göttingen…“ Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 14. Dezember 2016 externer Link. Siehe auch:

    • Zur Klage gegen das Tarifeinheitsgesetz
      Zum aktuellen Stand des Verfahrens gegen das Tarifeinheitsgesetz beim Bundesverfassungsgericht hat Rolf Geffken am 27.1.2017 dem Radio corax, Halle, ein Rundfunkinterview gegeben externer Link Audio Datei
    • [FAU] Tarifeinheitsgesetz: Der kalkulierte Verfassungsbruch?
      „Die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU) begrüßt die aktuelle Überprüfung des umstrittenen Tarifeinheitsgesetzes (TEG) durch den ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. (…) Die FAU appelliert an alle Arbeitenden und Gewerkschaften, denen nicht nur das Wohl der eigenen Mitglieder, sondern aller Lohnabhängigen am Herzen liegt, sich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens solidarisch zu zeigen und aktiv gegen jede kommende Einschränkung der Koalitions- und Gewerkschaftsfreiheit vorzugehen. Unabhängig davon, wie das Bundesverfassungsgericht in den kommenden Monaten entscheiden wird, gilt nach wie vor eine Empfehlung von Arbeitsrechtler Dr. Rolf Geffken bei der kämpferischen Demonstration in Frankfurt: „Die beste Verteidigung gegen die Einschränkung des Streikrechts wird der Streik selbst sein!““ FAU-Presseerklärung vom 25. Januar 2017 externer Link
    • Zwang zur Konkurrenz. Existenz kleiner Gewerkschaften wird durch »Tarifeinheitsgesetz« in Frage gestellt. Verbände wehren sich in Karlsruhe
      „… Bislang haben Unternehmen darauf verzichtet, konkurrierende Gewerkschaften mittels der gesetzlichen »Tarifeinheit« an die Kandare zu nehmen. Offensichtlich wollten die Konzerne den Verfassungsrichtern keinen Präzedenzfall liefern, der bewiesen hätte: Das Gesetz läuft aller Dementis zum Trotz auf die Einschränkung des Streikrechts kleinerer Gewerkschaften hinaus. Das nämlich ist das Argument der elf eingereichten Verfassungsklagen. (…) In welche Richtung der Erste Senat unter Vizegerichtspräsident Ferdinand Kirchhof tendiert, wurde bei der Verhandlung nicht recht klar. Einerseits stellte Kirchhof fest: »Das Gesetz lässt die Minderheitsgewerkschaft allein. Das ist natürlich eine fatale Situation.« Andererseits fragte er Vertreter der klagenden Spartengewerkschaften, ob sie denn Vorschläge hätten, »wie das Gesetz das Problem anders als bisher bewältigen könnte«. Das Problem – das soll wohl die Existenz verschiedener Gewerkschaften in einem Betrieb sein. Für wen aber ist das ein Problem?…“ Artikel von Daniel Behruzi in junge Welt vom 27.01.2017 externer Link
    • Bundesverfassungsgericht verhandelt Tarifeinheitsgesetz
      „… Arbeitgeberverbände und DGB verteidigen dagegen im Schulterschluss das Gesetz. So erklärte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann gegenüber dem NDR, kleinere Gewerkschaften seien unter dem neuen Gesetz in ihrer Handlungsfreiheit überhaupt nicht eingeschränkt. Es müsse in Fällen, in denen in einem Betrieb mehrere Gewerkschaften tarifvertragsfähig seien, nur eine Kooperation vereinbart werde, die die Einhaltung des Grundsatzes „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ sicherstelle. Mit anderen Worten, die kleineren Gewerkschaften sollen sich den DGB-Gewerkschaften freiwillig unterordnen. Der Name „Tarifeinheitsgesetz“ ist eine gezielte Täuschung. Denn gerade die DGB-Gewerkschaften schließen ständig Tarifverträge ab, die auf Spaltung ausgerichtet sind. Alle Tarifauseinandersetzungen werden so geführt, dass immer nur ein möglichst kleiner Teil der Beschäftigten in einer Branche betroffen sind. Selbst innerhalb eines Betriebs werden für Neueingestellte und jüngere Arbeiter, Leih- und Werkvertragsarbeiter ganz unterschiedliche Verträge abgeschlossen. Die meisten Tarifverträge sind Knebelverträge, mit denen Lohnabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. Wenn Arbeiter sich dagegen wehren wollen, erklären Gewerkschaftsfunktionäre, es herrsche Tarif- und Betriebsfrieden und während dieser Zeit seien Streiks verboten…“ Artikel von Gustav Kemper vom 26. Januar 2017 bei wsws externer Link
    • Anhörung zum Tarifeinheitsgesetz: Vorteil für die Gegner
      Zwei Tage lang hat das Bundesverfassungsgericht intensiv das Tarifeinheitsgesetz hinterfragt – und dabei etliche Schwachstellen offengelegt. Dass das Gesetz in den Unternehmen befriedend wirkt, erscheint in der Praxis fraglich, meint Matthias Schiermeyer…“ Kommentar von Matthias Schiermeyer vom 25. Januar 2017 bei den Stuttgarter Nachrichten online externer Link
    • Fatale Wirkung des Tarifeinheitsgesetzes
      Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz lautet: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“ (…) Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sieht das ganz anders. Um ihr offensichtlich verfassungswidriges Gesetz zu retten, behauptete sie vor dem höchsten deutschen Gericht, dass das TEG die Gewerkschaften nicht in ihrer Existenz gefährde, sondern dass im Gegenteil ihre Solidarität gestärkt würde. Das Gesetz solle „Anreize für Kooperation und Abstimmung“ schaffen. „Da sieht man, wie weit die Ministerin von der Realität entfernt ist. Mit dem Tarifeinheitsgesetz wären die Arbeitgeber zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund am Ziel ihrer Träume“, so der GDL-Bundesvorsitzende und weiter: „Ohne die kleinen schlagkräftigen Berufsgewerkschaften müssen sich die großen, aber schwach organisierten Gewerkschaften nicht mehr länger die Butter vom Brot nehmen lassen. Sie können dann gemeinsam mit dem Arbeitgeber noch so geringe Erfolge feiern, allerdings zum Nachteil aller Beschäftigten. Abstimmung und Kooperation sind dann nicht mehr nötig.“...“ GDL-Pressemitteilung vom 26.01.2017 externer Link
    • ver.di: Tarifeinheit muss politisch zwischen den Gewerkschaften hergestellt werden
      In Karlsruhe haben die Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts anlässlich der Beschwerden zum Tarifeinheitsgesetz, das seit 2015 gilt, begonnen. ver.di lehnt das Tarifeinheitsgesetz ab. „Wir streben Tarifeinheit bei Tarifverhandlungen stets an, damit Beschäftigte nicht gegeneinander ausgespielt werden, aber dies müssen wir mit gewerkschaftlichen Mitteln erreichen“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. (…) Da das Gesetz die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb zur Grundlage für die Geltung eines Tarifvertrages mache, würden Branchen- und Flächentarifverträge geschwächt. Zugleich werde den Arbeitgebern ein Instrument in die Hand gegeben, Unternehmen so zu organisieren, dass in einer Vielzahl von Betrieben, die zusammen ein Unternehmen oder einen Konzern bildeten, die vermeintlich genehmere Gewerkschaft zum Zuge kommen könnte…“ ver.di-Pressemitteilung vom 24. Januar 2017 externer Link
    • GDL: Das Tarifeinheitsgesetz ist verfassungswidrig
      „„Das Tarifeinheitsgesetz ist nie und nimmer mit dem Grundgesetz vereinbar.“ Das wiederholte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Claus Weselsky vor der Verhandlung am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 24./25. Januar 2017 in Karlsruhe. Die GDL und neun ihrer Mitglieder hatten gegen das TEG bereits im Sommer 2015 Klage beim BVerfG eingereicht. (…) GDL-Bundesvorsitzender: „Die Arbeitgeber wollen zahme Gewerkschaften und die Großgewerkschaften wollen sich nicht länger die Butter vom Brot nehmen lassen.“ In trauter Zweisamkeit hofierten deshalb die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Gesetzgeber bereits im Jahr 2010. Unliebsame Konkurrenten, wie eine mittlerweile 150 Jahre alte Berufsgewerkschaft GDL, sollten ausgeschaltet werden. (…) Die Unternehmen können sich hingegen nach wie vor beliebig aus den Tarifbindungen lösen. Sie gliedern Betriebe aus, schließen Unternehmen, gründen neue und schneiden die Betriebe letztendlich so zurecht, wie es ihnen passt. Das Ziel ist immer das Gleiche: die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu senken. Was den Gewerkschaften untersagt wird, vollziehen die Unternehmen…“ GDL-Pressemitteilung vom 23. Januar 2017 externer Link zum BVerfG-Termin zur VB gegen das Tarifeinheitsgesetz am 24. Januar 2017
    • Gewerkschaft der Gewerkschaftsbeschäftigten (GdG): Tarifeinheitsgesetz ist verfassungswidrig; mündliche Verhandlung über die Beschwerden vom Bundesverfassungsgericht terminiert
      „… Die GdG hält die Regelungen im Tarifeinheitsgesetz für verfassungs- und menschenrechtswidrig. Sie wider-sprechen Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz und Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die im Gesetz zur Tarifeinheit vorgesehene Beschränkung des Streikrechts in Konfliktfällen zwischen einzelnen Gewerkschaften macht das Streikrecht zu einer leeren Hülle, wenn einzelne Gewerkschaften vom Streikrecht wegen der angeblich erforderlichen Tarifeinheit keinen Gebrauch mehr machen können. Das Streikrecht gilt als Koalitionsrecht für alle, deshalb hält die GdG die Einschränkung des Streikrechts für verfassungswidrig. „Wir gehen davon aus, das dass Bundesverfassungsgericht das Tarifeinheitsgesetz aufhe-ben wird“, so Stracke. [GdG-Vorsitzender]“ Pressemitteilung vom 22.12.2016 
  • Zwei Verfassungsbeschwerden gegen das Tarifeinheitsgesetz unzulässig
    Die Verfassungsbeschwerden von zwei Gewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerinnen nicht erkennen lassen. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit zwei heute veröffentlichten Beschlüssen entschieden. Diesen Verfassungsbeschwerden kann nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerinnen durch das angegriffene Gesetz in ihrem Recht auf kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG gegenwärtig betroffen sind…“ Pressemitteilung des bundesverfassungsgerichtes vom 13. Juli 2016 externer Link zu Beschlüssen vom 16. Juni 2016 – 1 BvR 1707/15 und 1 BvR 2257/15. Siehe dazu:

    • Bundesverfassungsgericht: 13 Klagen gegen die Tarifeinheit in Karlsruhe
      Im Arbeitnehmerlager gilt das Gesetz zur Tarifeinheit im Betrieb als heißes Eisen. Einige Gewerkschaften klagen dagegen. Nun hat Karlsruhe zwei Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Doch kann das Gesetz durchaus noch kippen. (…) Dabei handelt es sich um die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) und die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG), die vor allem beim Versicherungskonzern Ergo aktiv ist. Beide Organisationen wurden erst vor sechs beziehungsweise fünf Jahren gegründet und sind noch in der Aufbauphase. Der DFeuG hält das Gericht vor, bisher nicht am Abschluss eines Tarifvertrags beteiligt zu sein. Und der NAG sei von Gerichten bereits die Fähigkeit zum rechtswirksamen Abschluss von Tarifverträgen abgesprochen worden – der zuständige Arbeitgeberverband habe Verhandlungen abgelehnt (1 BvR 1707/15 – 1 BvR 2257/15) (…) Bis Ende 2016 solle in der Hauptsache darüber entschieden werden. Ob der erste Senat eine mündliche Verhandlung ansetzt, ist noch offen. Dann könnte es eng werden mit einer Urteilsverkündung in diesem Jahr…“ Artikel von Matthias Schiermeyer vom 13. Juli 2016 bei der Stuttgarter Zeitung online externer Link
  • Ver.di klagt mit. DGB-Gewerkschaft hat Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz zur »Tarifeinheit« ­eingelegt, weil es nicht nur die Rechte von Berufsorganisationen beschneidet
    Die gesetzlich verordnete »Tarifeinheit« ist verfassungswidrig. Davon jedenfalls sind jene neun Organisationen überzeugt, die beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Beschwerde gegen das vor einem Jahr in Kraft getretene Gesetz eingereicht haben. (…) Anders als die Schwestergewerkschaften IG Metall und IG BCE, aber auch im Gegensatz zur Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) lehnt ver.di das auf Initiative von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) beschlossene Gesetz klar ab. (…)Das Ziel der Regierungskoali­tion, die den Entwurf im vergangenen Jahr gegen alle Widerstände durchs Parlament geboxt hat, ist klar umrissen: Es geht um die Verhinderung von »Überbietungskonkurrenz«, die Gewerkschaften sollen sich in ihren Tarifforderungen nicht gegenseitig »hochschaukeln«. Dem Stoppen von »Unterbietungskonkurrenz« durch arbeitgebernahe, sich zumeist »christlich« nennende Pseudogewerkschaften dient das Gesetz nach Überzeugung der Kläger jedenfalls nicht. (…) Es werde »noch in diesem Jahr« eine Entscheidung zum Thema angestrebt, erklärte eine Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts auf jW-Nachfrage. Ob es zuvor eine mündliche Verhandlung gibt, sei noch nicht entschieden.“ Artikel von Herbert Wulff in junge Welt vom 20.06.2016 externer Link
  • Tarifeinheit: Gesetz ohne Anwendung. Ende 2016 entscheidet Karlsruhe über umstrittene Regelung
    „… Spätestens Ende 2016 wird das Gesetz noch einmal Thema. Dann will das  Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerden entscheiden, die Spartengewerkschaften wie der Marburger Bund, die GDL und der Deutsche Journalistenverband gegen das Gesetz eingereicht hatten…“ Artikel von und bei Peter Nowak, erschienen im ND online am  01.04.2016 externer Link
  • BVG: Anträge auf einstweilige Anordnung gegen das Tarifeinheitsgesetz erfolglos
    Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts drei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Tarifeinheitseinheitsgesetz abgelehnt. Soll ein Gesetz außer Vollzug gesetzt werden, gelten besonders hohe Hürden. Vorliegend sind jedoch keine entsprechend gravierenden, irreversiblen oder nur schwer revidierbaren Nachteile feststellbar, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machten. Derzeit ist nicht absehbar, dass den Beschwerdeführern bei Fortgeltung des Tarifeinheitsgesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Aushandeln von Tarifverträgen längerfristig unmöglich würde oder sie im Hinblick auf ihre Mitgliederzahl oder ihre Tariffähigkeit in ihrer Existenz bedroht wären. Im Hauptsacheverfahren, dessen Ausgang offen ist, strebt der Erste Senat eine Entscheidung bis zum Ende des nächsten Jahres an…“ Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Oktober 2015 externer Link. Siehe dazu die Bewertungen (Pressemitteilungen) der klagenden Gewerkschaften:

    • MB: Verfassungsbeschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz: Bis Ende 2016 herrscht Klarheit. Rudolf Henke: Ablehnung des Eilantrages kein Präjudiz für das Hauptsacheverfahren
      Der Marburger Bund ist weiterhin zuversichtlich, dass seine Verfassungsbeschwerde gegen das Tarifeinheitsgesetz Erfolg haben wird. Zwar hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen einer Folgenabwägung den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt, zugleich aber deutlich gemacht, dass mit der heute veröffentlichten Entscheidung die Erfolgsaussichten der Hauptsache außer Betracht bleiben. „Der heutige Beschluss ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass es in einer vergleichsweise kurzen Frist bis Ende 2016 über unsere Verfassungsbeschwerde gegen das Tarifeinheitsgesetz entscheiden wird. Damit ist der von den Arbeitgeberverbänden propagierte Weg über die Arbeitsgerichte hinfällig. Es wird eine Grundsatzentscheidung über das Tarifeinheitsgesetz geben. Das begrüßen wir ausdrücklich“, sagte Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes…“ Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 9. Oktober 2015 externer Link
    • VC: Tarifeinheitsgesetz: Keine einstweilige Verfügung – Hauptsacheverfahren bis Ende 2016 angekündigt
      Mit Beschluss vom 6. Oktober 2015, veröffentlicht am heutigen Tage, hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, den Antrag auf einstweilige Anordnung der Vereinigung Cockpit (VC) sowie die entsprechenden Anträge der beiden anderen Antragsteller Marburger Bund und Deutscher Journalisten-Verband gegen das Tarifeinheitsgesetz abzulehnen. Damit bleibt das Gesetz bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren in Kraft. Auch wennj das Gericht in der Vergangenheit die meisten Anträge auf einstweilige Anordnung abgelehnt hat, ist die VC enttäuscht über diese Entscheidung…“ Pressemitteilung der Vereinigung Cockpit vom 09 Oktober 2015 externer Link
    • DJV: Verfassungsgericht: Tarifeinheit bleibt in Kraft
      Der Deutsche Journalisten-Verband hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom heutigen Freitag bedauert, keine einstweilige Anordnung gegen das Tarifeinheitsgesetz zu erlassen. Das Karlsruher Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass bis zum Urteil in der Hauptsache den Berufsgewerkschaften zwar tarifpolitische Nachteile entstünden, aber kein irreversibler Schaden zu erwarten sei. Über die Verfassungsbeschwerden solle voraussichtlich bis Ende 2016 entschieden werden. DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken wies darauf hin, dass die Entscheidung zur einstweiligen Anordnung ausdrücklich nichts über die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits von DJV, Marburger Bund, Vereinigung Cockpit und Deutschem Beamtenbund gegen das Tarifeinheitsgesetz aussage…“ Pressemitteilung des DJV vom 09 Oktober 2015 externer Link
  • Gauck unterzeichnet Tarifeinheitsgesetz. Verbände kündigen Verfassungsbeschwerden an
    Das umstrittene Tarifeinheitsgesetz hat die allerletzte Hürde genommen. Bundespräsident Joachim Gauck unterzeichnete das Regelwerk, wie das Bundespräsidialamt am Montag in Berlin mitteilte. Ob das Gesetz aber von Dauer ist, bleibt vorerst offen. Direkt mit dem Inkrafttreten in den kommenden Tagen will die Ärztegewerkschaft Marburger Bund Verfassungsbeschwerde einlegen. Das sagte ein Sprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin…“ Meldung vom 06.07.2015 bei LTO externer Link. Siehe dazu:

    • [GDL] Verfassungsbeschwerde: Koalitionsfreiheit sieht anders aus
      Das Tarifeinheitsgesetz (TEG) ist nie und nimmer mit dem Grundgesetz vereinbar. Deshalb haben wir eine rund 180-seitige Klage beim Bundesfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Wenn nur noch die größere Gewerkschaft im Betrieb Tarifverträge schließen darf, dann ist die kleinere − und wenn sie noch so stark organisiert ist − zum kollektiven Betteln verdammt. Koalitionsfreiheit sieht anders aus…“ GDL Aktuell vom 05.08.2015 externer Link
    • Marburger Bund erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz. Ärztegewerkschaft stellt zugleich Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
      Der Marburger Bund hat gegen das am 10. Juli 2015 in Kraft getretene Gesetz zur Tarifeinheit Verfassungsbeschwerde erhoben und zugleich beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, die Anwendung des Gesetzes bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einstweilen auszusetzen. (…) Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möchte der Marburger Bund besonders schwere und praktisch nicht wieder gutzumachende Nachteile abwehren, bis abschließend über die Verfassungsbeschwerde entschieden worden ist. Diese, insbesondere mit der Mehrheitsregel im Gesetz verbundenen Nachteile haben sich bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingestellt…“ Pressemitteilung vom 10.07.2015 externer Link
    • GDL klagt gegen Gesetz zur Tarifeinheit
      „„Auch wenn das Gesetz jetzt unterschrieben ist, wird es noch lange nicht verfassungskonform“, so der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Norbert Quitter nach der Unterzeichnung des Gesetzes zur Tarifeinheit durch den Bundespräsident und weiter: „Wenn nur noch die größere Gewerkschaft im Betrieb Tarifverträge schließen darf, dann ist die kleinere − und wenn sie noch so stark organisiert ist − zum kollektiven Betteln verdammt und das ist nicht mit der Koalitionsfreiheit vereinbar. Die GDL wird deshalb alle Hebel gegen die Zwangs-Tarifeinheit in Bewegung setzen und in Kürze in Karlsruhe klagen. Die Vorbereitungen dazu sind schon fast abgeschlossen…“ Pressemitteilung der GDL vom 07.07.2015 externer Link
    • Gewerkschaft der Gewerkschaftsbeschäftigten (GdG): Tarifeinheitsgesetz ist verfassungswidrig
      Da der Bundespräsident am 06.07.2015 das Tarifeinheitsgesetz unterschrieben hat, wird es nun in Kraft treten. Die Gewerkschaft der Gewerkschaftsbeschäftigten (GdG) möchte in diesem Zusammenhang nochmals auf ihre ablehnende Position aufmerksam machen, so der Vorsitzende Bernhard Stracke. (…) Die GdG geht weiterhin davon aus, dass das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben wird und begrüßt daher die Absicht einiger Gewerkschaften, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen.Pressemitteilung der GdG vom 07.07.2015 
  • Tarifeinheit und internationales Recht
    Die gesetzlich vorgeschriebene Tarifeinheit widerspricht ILO-Übereinkommen Nr.87 und Nr.98 sowie Art.11 EMRK: Rechtsgutachten Prof. Schlachters im Auftrag des Verbandes angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie (VAA)…“ Beitrag vom 30. Mai 2015 bei der Kanzlei Hensche externer Link
  • Notbremse im Streikrecht? Der Streit um das Tarifeinheitsgesetz
    Sendung von Eggert Blum mit Prof. Dr. Matthias Jacobs, Arbeitsrechtler, Bucerius Law School, Hamburg; Dr. Hagen Lesch, Experte für Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen, Institut der Deutschen Wirtschaft, Köln; Dr. Jörg Nowak, Politikwissenschaftler, Universität Kassel. Audio der SWR2-Sendung vom 27.5.2015 externer Link Audio Datei (45 Minuten)
  • Desinformation: BMAS täuscht Öffentlichkeit über Inhalte des Tarifeinheitsgesetzes
    In offiziellen Verlautbarungen der Bundesregierung und des federführenden Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) werden Inhalte des Tarifeinheitsgesetzes falsch dargestellt. (…) Diese Darstellung steht im deutlichen Widerspruch zum Gesetzestext, der die Aufnahme von Tarifverhandlungen mit der Mehrheitsgewerkschaft nicht davon abhängig macht, dass Minderheitsgewerkschaften vorher angehört werden. Die Anhörung kann vielmehr erst nach Bekanntgabe der Aufnahme von Tarifverhandlungen erfolgen…“ Beitrag vom 28. Mai 2015 auf der Aktionsseite des Marburger Bundes externer Link
  • Gemeinsamer Widerstand gegen das verfassungswidrige Tarifeinheitsgesetz
    Öffentlicher Aufruf der Grundrechtepartei externer Link an alle Gewerkschaften und gewerkschaftlich organisierten sowie nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer zu einer Beschwerde gemäß Art. 17 GG an den Bundespräsidenten.
  • 444 Verfassungsfeinde
    Mit 444 Ja- bei 126 Nein-Stimmen beschränkt der Bundestag das Grundrecht auf Streik im Namen der »Tarifeinheit«. IG-Metall- und DGB-Spitzen ebenso erfreut wie Konzernvertreter. (…) Nur eine einzige SPD-Abgeordnete stimmte gegen den Gesetzentwurf: die Oldenburgerin Kerstin Lühmann, Mitglied der rechtslastigen Polizeigewerkschaft DPolG. In der CDU/CSU-Fraktion votierten 16 Abgeordnete dagegen, wohl ebenfalls aus Loyalität gegenüber politisch konservativen Berufsgewerkschaften. Linke und Grüne lehnten das Gesetz geschlossen ab. Die Reaktionen der Konzernlobbyisten waren am Freitag durchweg positiv…“ Artikel von Daniel Behruzi in junge Welt vom 23.05.2015 externer Link
  • Mit Hoffmanns Hilfe. Parlament beschränkt Streikrecht
    „… In der Plenardebatte kulminierten die Beiträge aus Union und SPD im immergleichen Punkt – der öffentlichen Unterstützung von DGB-Chef Reiner Hoffmann und der Vorstände von IG Metall und IG BCE für das Gesetz. Das belegt: Für dessen Zustandekommen war die Haltung dieser gewerkschaftlichen Spitzenfunktionäre entscheidend. Sie tragen einen gehörigen Teil der Verantwortung dafür, dass das Streikrecht nun per Gesetz zur Disposition gestellt wird. Ohne ihre allein mit bornierten Apparatinteressen erklärbare Beihilfe wäre dieser Verfassungsbruch wohl gar nicht erst versucht worden. »Die Abwehr von Eingriffen in das Streikrecht war und ist für die Zustimmung der IG Metall zwingend«, ließ IG-Metall-Vize Jörg Hofmann am Freitag per Mitteilung wissen und behauptete stur, das Gesetz beschränke dieses Recht nicht. Dabei weiß auch er ganz genau, dass in Deutschland nur für tariflich regelbare Ziele gestreikt werden darf…“ Artikel von Daniel Behruzi in junge Welt vom vom 23.05.2015 externer Link
  • IG Metall: „Bundestag beschließt Gesetz zur Tarifeinheit: Gesetz stärkt solidarische Tarifpolitik“
    Der Bundestag hat das Gesetz zur Tarifeinheit beschlossen und damit die solidarische Tarifpolitik gestärkt. Wenn nun in einem Betrieb mehrere Tarifverträge konkurrierender Gewerkschaften kollidieren, kann die Belegschaft per Mitgliedschaft entscheiden, welcher Tarifvertrag angewendet wird…“ IG-Metall-Meldung vom 22.05.2015 externer Link.  Aus dem Text: „… Das Mehrheitsprinzip stellt sicher, dass die Interessen aller Beschäftigten Vorrang vor den Partikularinteressen durchsetzungsstarker Eliten haben. Die IG Metall begreift Tarifautonomie als das Eintreten aller Beschäftigtengruppen – der „Starken“ wie der „Schwachen“ – füreinander. Nur so lassen sich gute Ergebnisse für die gesamte Belegschaft erzielen. Gewerkschaftskonkurrenz hingegen spaltet Belegschaften und schwächt ihre Durchsetzungsfähigkeit. Das jetzt beschlossene Gesetz bedeutet keinen Eingriff ins Streikrecht. (…) Nicht zuletzt auf Drängen der IG Metall ist es gelungen, das Arbeitskampfrecht vom Gesetz unberührt zu lassen. So gilt die Friedenspflicht eines vereinbarten Tarifvertrages nicht automatisch auch für andere Gewerkschaften. Eine erweiterte Friedenspflicht war noch in den ersten Eckpunkten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Tarifeinheitsgesetz vorgesehen. „Dass dies vom Tisch ist, ist gut so und ein klarer Verdienst der aktiven Einmischung durch die IG Metall. Denn ohne das Recht zum Streik sind Tarifverhandlungen nicht mehr als kollektives Betteln“, erklärte Gewerkschafter Hofmann. (…) Das Gesetz zur Tarifeinheit berücksichtigt die Kritik der IG Metall. So wird die im ursprünglichen Entwurf enthaltene Möglichkeit, über Tarifverträge nach § 3 BetrVG die Ermittlung der Mehrheit auf mehrere Betriebe zu erstrecken, eingeschränkt, um Manipulationsmöglichkeiten zu reduzieren. Außerdem wurde das Recht der Minderheitsgewerkschaft, den Mehrheitstarifvertrag inhaltsgleich zu übernehmen dahingehend verändert, dass dies auf die Regelungsgegenstände begrenzt bleibt, die ihr verdrängter Tarifvertrag auch tatsächlich enthält. Sie kommt somit nicht automatisch in den Genuss sämtlicher Leistungen des Mehrheitstarifvertrages, Differenzierungen bleiben möglich…“
  • Tarifeinheitsgesetz: Arbeitsrichter rechnen mit mehr Streiks
    Das Gesetz zur Tarifeinheit, das die große Koalition im Bundestag an diesem Freitag beschließen will, könnte zu mehr Streiks führen. Zu dieser Einschätzung kommt der Spitzenverband der Arbeitsrichter. „Entgegen der Absicht des Gesetzgebers ist der Entwurf geeignet, die Anreize zum Streik zu steigern“, heißt es in einem Positionspapier des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit (BRA). Dem Verband gehört nach eigenen Angaben etwa die Hälfte der Arbeitsrichter Deutschlands an…“ Artikel von Eva Roth vom 22.05.2015 in der Berliner Zeitung online externer Link
  • Verfassungsrechtler zweifeln an Gesetz zur Tarifeinheit
    Der Bundestag hat das Tarifeinheitsgesetz abgesegnet. Seine Befürworter hoffen, dass es Spartengewerkschaften wie die GDL zähmt. Viele Juristen halten das Gesetz aber für verfassungswidrig…“ Artikel von Joachim Jahn in der FAZ online vom 22.05.2015 externer Link
  • Bundestag winkt Tarifeinheitsgesetz durch
    Das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit in gewerkschaftlichen Arbeitskämpfen kann voraussichtlich im Juli in Kraft treten. Der Bundestag beschloss das Gesetz am Freitag mit den Stimmen von Union und SPD. Für das Gesetz votierten in namentlicher Abstimmung 448 Abgeordnete, 126 stimmten dagegen, 16 Parlamentarier enthielten sich. Holger Elias fasst die Debatte zusammen…“ Radiobeitrag von bermuda.funk – Freies Radio Rhein-Neckar vom 22.05.2015 externer Link Audio Datei
  • MB: „Tarifeinheitsgesetz ist ein grandioser politischer Irrtum“
    Zur heutigen Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes erklärt Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes: Das heutige Votum des Deutschen Bundestages für das Tarifeinheitsgesetz behindert die tarifautonome Gestaltungsmacht freier Gewerkschaften und schafft Unfrieden und Unordnung, wo bisher ein geregeltes Nebeneinander von Tarifverträgen unterschiedlicher Gewerkschaften bestand. Mit dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip schafft der Gesetzgeber einen völlig neuen Rechtszustand, der anstelle der verfassungsrechtlich vorgesehenen Tarifpluralität einen Zwang zur betrieblichen Tarifeinheit vorsieht. Einen solchen Zwang zur Unterordnung unter einen Mehrheitswillen hat es vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2010 nicht gegeben. Das Gericht hat damals deutlich gemacht, dass der Grundsatz der Tarifeinheit mit der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit nicht zu vereinbaren ist. Insofern ist die heutige Entscheidung auch ein Votum gegen die Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts. Anders als die Befürworter des Gesetzes behaupten, handelt es sich nicht um die „Wiederherstellung“ eines alten Rechtsgrundsatzes, sondern um einen gesetzlich angeordnetes Mehrheitsprinzip zur Privilegierung eines bestimmten Gewerkschaftstyps. Dadurch soll vor allem berufsspezifischen Gewerkschaften wie dem Marburger Bund das Recht vorenthalten werden, eigenständig und unabhängig von anderen Gewerkschaften Tarifverträge für die eigenen Mitglieder zu vereinbaren. Damit schränkt der Gesetzgeber die Freiheit aller Arbeitnehmer in Deutschland ein, selbst zu entscheiden, wer sie heute oder morgen tariflich vertreten darf. Ich bin sicher, dass die Politik ihren grandiosen Irrtum noch bereuen wird. Wir als Marburger Bund werden zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Inkrafttreten des Gesetzes unsere Rechte wahren und Gesetzesverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erheben…“ Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 22. Mai 2015 externer Link
  • Bundestag beschließt das Gesetz zur Tarifeinheit
    Es war der vorläufige, zumindest parlamentarische Endpunkt unter ein heftig diskutiertes und bis zum Schluss umstrittenes Gesetzesprojekt: Am Freitag, 22.Mai 2015, verabschiedete der Bundestag in namentlicher Abstimmung den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit (18/4062), zu dem der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Beschlussempfehlung vorgelegt hatte (18/4966). Von 586 abgegebenen Stimmen votierten 444 für das Gesetz, 126 dagegen und 16 mit Enthaltung. Ebenfalls abgestimmt wurde in dieser dritten Lesung ein Antrag der Linken zur Verteidigung des Streikrechts (18/4184) und ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/2875), in dem sich die Fraktion gegen eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit ausspricht. Beide Anträge wurden mit Koalitionsmehrheit abgelehnt…“ Meldung des Bundestages externer Link und das namentliche Abstimmungsergebnis externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=80810
nach oben