Mehr Mut zum Euro – und zu Europa in „Trump“-Zeiten. Ein neuer Drive für Europa – nach den Parlamentswahlen (erster Durchgang) in Frankreich
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 13.6.2017
Ausgehend von einem Samstags-Essay von Catherine Hoffmann in der Süddeutschen Zeitung zu Pfingsten 2017 (3. Juni f.) und „entlang“ dieser Ausführungen, aber auch im Zusammenhang mit dem neuen Präsidenten von Frankreich Emmanuel Macron und seinen Vorstellungen zur Zukunft Europas, die just in der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen durch den Wähler mit der deutlichen Wahl seiner Bewegung „LRM“ bestätigt wurde, habe ich diesen Überblick vorgenommen:
Mehr Mut zum Euro – und zu Europa in „Trump“-Zeiten
Nach sieben Jahren der Schuldenkrise hat sich wenig verändert in der Währungsunion: Der Euro ist instabil, der Zank ist groß. Wie kommen wir da raus – und zwar gemeinsam? (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/samstagsessay-mehr-mut-zum-euro-1.3532607 )
Die Währungsunion befindet sich in einem besorgniserregenden Zustand.
Catherine Hoffmann wagt hier eine klare Zusammenfassung der Probleme von Europa, die sich auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa inzwischen auf die Gemeinsame Währung, den Euro, focussieren. Meist wird ja die gemeinsame Währung mit dem Euro bei der Problemwahrnehmung von Europa schon ausgeklammert – oder wie von Schäuble gleich ziemlich brutal als Disziplinierung (wie bei Griechenland) eingesetzt. Anders bei Hoffmann, die gleich eingangs – zusammen mit Jörg Haas (Jacques-Delors-Institut Berlin) – feststellt: Die Währungsunion – als Gesamtheit – befindet sich in einem besorgniserregenden Zustand! (http://www.delorsinstitut.de/-/publikationen/autoren/joerg-haas/page/2/ )
Dabei braucht man gar keine Vereinigten Staaten von Europa, um erfolgreich eine gemeinsame Geldpolitik hinzubekommen, aber man braucht genug politische Integration und genug Solidarität (Mei, welch Fremdwort für und in Europa), um die bestehenden Probleme zu lösen. Dazu gehören auch mutige Politiker. die sich nicht nur immer nach der letzten Welle des Populismus „umschauen“ – und dadurch die Probleme in Europa nur weiter verschärfen dürften.
Was fehlt: Für die Krise wurde die Ungleichheit vernachlässigt
Bei aller Begeisterung – endlich – für eine stabile Währungsunion und ihre institutionelle Stärkung, bevor sie ansonsten scheitern muss, fehlt m.E. für den gemeinsamen Blick auf Europa das gemeinsame Dahin-Driften in eine zunehmende Ungleichheit, die jetzt noch durch „Reformen“ in Frankreich auch verstärkt werden könnte (z.B. mit einem „Big Bang“ beim Arbeitsmarkt (http://www.liberation.fr/france/2017/06/06/big-bang-liberal_1574977 ) – d.h. eine Verringerung der Arbeitslosigkeit durch eine zunehmende Präkarisierung der Arbeit.
Und da sich Catherine Hoffmann – soviel Kritik muss erlaubt sein, selbst wenn man das Anliegen dieser Analyse zur Währungsunion ansonsten für sehr begrüßenswert erachtet, so geht diese Darstellung doch nicht über die praktisch jetzt mit Macron anvisierten Möglichkeiten einer erst einmal institutionellen Erneuerung hinaus, die sich – inzwischen – zwischen Frankreich und Deutschland im europäischen Politikset politisch doch als möglich herausstellen könnten – selbst nicht an das Problem der rasant gewachsenen Ungleichheit in Europa heranwagt. (Siehe dazu wiederum „Nach Brexit und Trump-Wahlsieg warnen prominente Ökonomen: Macht etwas gegen die rasant gewachsene Ungleichheit – Europa kann nur bestehen, wenn es sozial wird“: https://www.labournet.de/?p=107955 – sowie vor allem noch den ökonomischen Papst der Ungleichheitsforschungen, den leider verstorbenen Anthony Attkinson: „Noch Keynes bezeichnete die Ökonomik als moralische Wissenschaft: Finanzkrise, Ungleichheit und makroökonomische Instabilität“ bei https://www.labournet.de/?p=103627 als auch des weiteren noch: Die (un-)heimliche Macht der Reichen und ihre Steuerparadiese: https://www.labournet.de/?p=114163 sowie nicht zuletzt auch den Reichtums- und Armutsbericht der deutschen Bundesregierung bei https://www.labournet.de/?p=108730. Und zur grassierenden – von der Politik selbst erzeugten – Ungleichheit unter den Arbeitnehmern kann man – auch ganz aktuell – noch auf das Problem der Leiharbeit in Deutschland blicken, die inzwischen eine gewaltige Größenordnung angenommen hat und damit die Ungleichheit auch noch zwischen den ArbeitnehmerInnen vergrößert. Siehe https://www.labournet.de/?p=116170)
Dieses deutsche Beispiel mit der Leiharbeit zeigt, wie die Unternehmen mit einer stärkeren „Flexibilisierung“ umgehen – aber Macron hat mit seiner Bewegung „En Marche“ gerade auch die jetzt stattfindenden Parlamentswahlen als ein „Plebiszit“ angesehen für diese „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes durch seine Regierung, wie Leo Klimm aus Paris berichtet. (http://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-die-dritte-runde-1.3540271 )
Laurent Joffrin sieht es deshalb schon fast mit Verzweiflung, dass die Franzosen Macron als Ersatz-Monarchen – dank der Mehrheitsverhältnisse mit denen sie ihn jetzt in den Wahlen ausstatten – etablieren, in voller Kenntnis derartiger sozial einschneidender Reformen. (http://www.taz.de/!5415856/ )
Muss also jetzt nach der Ungleichheitsschraube von Deutschland diese Prekaritäts-Spirale nur weiter auf Frankreich ausgedehnt werden ,um derartige Arbeitsplätze angesichts von Arbeit 4.0 zu erhalten? Oder ist doch der Diskurs über das bedingslose Grundeinkommen der Ausweg?
In diese Diskussion um die unausweichliche Prekariat-Spirale zwischen Frankreich und Deutschland grätscht heute (13. juni 2017) Arno Widmann in der „Frankfurter Rundschau“ noch hinein (noch nicht im Netz), mit einem Interview mit dem amerikanischen Soziologen Erik Olin Wright über sein neues Buch „Reale Utopien“ (https://www.perlentaucher.de/buch/eric-olin-wright/reale-utopien.html ). Und Erik Olin Wright sagt deutlich: Das bedingungslose Grundeinkommen wird eines der zentralen Probleme der technologischen Revolution lösen – die Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Aber er glaubt dabei weinger an die generelle Lösung durch die Politik, sondern im Kern geht es immer um zwei Dinge: um Demokratie und die Erweiterung von Freiheit. Und so wird die Auseinandersetzung – eben auch nach den Wahlen in Frankreich und den 18 vorgesehenen Sondierungsrunden mit dem Arbeitsministerium zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in Frankreich über das neue flexibilisierte Arbeitsrecht – weitergehen müssen. (http://www.fr.de/politik/frankreich-keine-zeit-fuer-triumphgefuehle-a-1295357 )
Und die grundsätzliche Auseinandersetzung muss dann konkret immer neu geführt werden. Die Menschen müssen eben mitbestimmen können, über alles, was sie betriftt, um erfolgreich zu sein. Statt dem Interview aus der Frankfurter Rundschau mit Arno Widmann, das noch nicht im Netz ist, sei noch einmal kurz auf die TAZ verwiesen: (http://www.taz.de/!5398986/ )
Der Euro hat eben – trotz aller Versprechen – nicht zur Angleichung der Lebensverhältnisse geführt.
Das lässt sich dann schon an der Fehlkonstruktion der Maastricht-Regeln festmachen, die nicht nur wie Hoffmann meint, gescheitert sind, weil die einzelnen Länder – nur ganz abstrakt, ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik nicht an den Anforderungen einer gemeinsamen Wirtschafts- und Haushaltspolitik – so ganz allgemein ausgerichtet haben, sondern weil diese Maastrichtregeln genau darauf zielten, das deutsche Modell in seiner Dominanz zu verewigen, anstatt die Möglichkeit für ein Miteinander der recht unterschiedlichen Wirtschaftsstärken und Wirtschftsräume zu ermöglichen.
Das von Catherine Hoffmann genannte national politische Kalkül war also vor allem deutsch geprägt. Das heißt man könnte es zentriert auf die deutschen Bedürfnisse durchaus präziser ausdrücken: „Wird Deutschland Europa nationalistisch verkürzen, um es im deutschen ökonomischen Interesse – regelgefestigt – weiter zu beherrschen?“ (https://www.labournet.de/?p=115806) – und damit weiter dem Auseinanderdriften zutreiben?
Und gegen dieses so instutionell verkorkste Europa kann dann die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank auch nicht mehr wirksam angehen. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/ezb-votum-billige-aber-ineffiziente-geldflut-/ )
Jedoch mit dem neuen französischen Staatspräsidenten Macron könnte der schreckliche Wechselkreis von Schulden und Sparen, um zu noch höheren Schulden zu gelangen, doch endlich einmal durch Investitionen durchbrochen werden, was dann auch den Ökonomen Axel Troost von der Linken erfreut. (https://www.axel-troost.de/de/article/9557.macron-zum-anlass-nehmen-den-deutschen-europa-irrweg-zu-beenden.html )
Die Misere um Griechenland geht weiter – und greift auf Italien, Portugal und Spanien über. Die „regelgefestigte“ Währungsunion im Interesse Deutschlands muss angekratzt werden durch mehr ökonomische Rationalität.
Etliche Euro-Mitglieder konnten so noch immer nicht das Ende der ökonomischen Durststrecke erreichen, die mit der drohenden Pleite Griechenlands vor sieben Jahren begann. – Dazu auch paradigmatisch klar Yanis Varoufakis über die grundsätzlich so verschiedenen Philosophien der europäischen Partner (http://www.taz.de/!5409444/ ): „Macron versteht Macroökonomie – und Schäuble nicht. Schäuble will nicht makroökonomisch denken. Er will, dass die Regeln befolgt werden.“ (Ganz klar, weil die Deutschen diese Regeln vor allem an ihren Interessen ausrichten konnten. vgl. dazu noch einmal die Bilanz von Hans Tietmeyer zur Entstehung des Euro vor allem auf der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=109253) Diese Regeln sahen eben keinerlei ausgleichende Mechanismen vor. Zur desatsrösen Entwicklung für Griechenland siehe vor allem auch Niels Kadritzke bei „Monde Diplomatique“ (https://monde-diplomatique.de/blog-nachdenken-ueber-griechenland ).
Da ist es auch noch einmal weiterführend, wenn wir den Bruch in Europa in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli im Jahr 2015 uns vor Augen führen, wo gegenüber Griechenland mit der Drohung des Grexit die Daumenschrauben für die Fortführung der ökonomisch sinnlosen Austeritätspolitik angezogen wurden. (https://www.labournet.de/?p=84385)
Da wurde klar, wer in Europa „regelgefestigt“ das Sagen hat. Und statt dass eine Lösung für die Eurokrise sichtbar wurde, geht es anscheinend darum Griechenland vor allem zu „bestrafen“
Jetzt doch einmal die Konstruktionsfehler der Währungsunion beheben. Dieser bisherige bloß noch engstirnige Pragmatismus ohne Visionen, zerstört Europa und seine Zukunft.
Das zu überwinden, würde jetzt auch Catherine Hoffmann vorschweben: Doch was ist so spinnert daran, für die Eurozone einen Finanzminister mit eigenem Investitionsbudget und demokratischer Legitmation zu fordern, wie es der neue französiche Präsident Emmanuel Macron tut, meint Catherine Hoffmann Unter diesen Konstruktionsfehler leidet der Euro seit den Anfängen.
Doch die Männer und Frauen, die politisch für Europa verantwortlich sind, trauen sich nicht. Sie halten sich allein schon deshalb für Pragmatiker, weil sie ohne Zukunftsvisionen – für Europa – diese aktuelle Eurokrise managen, die sie gerade mit ihrem – doch so kurzsichtigen – Pragmatismus erst produziert haben.
Deshalb neigen diese heutigen Pragmatiker auch gerne dazu, die Gründerväter – mit ihren Visionen -, die auf Basis der historischen Ertfahrungen (2 Weltkriege) noch weit in die Zukunft vorausgedacht hatten, bloß noch als „Spinnerei“ abzutun. (bis auch dieses jetzige Projekt wieder kläglich an seinen nicht bewältigten Konflikten gescheitert ist…)
Dabei waren auch dort zunächst noch weitergehende Vorstellungen im Spiel, die vor allem der Franzose Jacques Delors repräsentierte. Dabei – das wurde bei dem Gedenken der europäischen Größen auf Ventotene zum Jubiläum des europäischen Gründungsaktes nach dem schrecklichen 2. Weltkrieg im Sommer 2016 klar – läuft angesichtes des immer wieder so offensichtlichen „Clash“ der ökonomischen Ideologien zwischen Deutschland und einem große Teils Europas das Modell eines geeinten Europa seinem – vielleicht doch unverdienten – Ende zu?
Peter Bofinger, einer der deutschen Wirtschaftsweisen, hatte die spezifisch deutschen Ideologie noch einmal – zunächst in der „Süddeutschen“ – unter der Überschrift „Der lange Schatten des Walter Eucken“ zusammengefasst. (http://makronom.de/der-lange-schatten-des-walter-eucken-15665 )
Hier wurde dieses Auseinanderfallen der ökonomischen Sichtweise auf „unsere“ Welt begründet, die dabei ausgehend von dem gleichen ökonomischen Problem – der Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. – zu grundsätzlich verschiedenen Schlussfolgerungen gelangte – und diesen deutschen „Anti-Keynesianismus“ begründete. (Vgl. eventuell auch ab der Seite 2 oben ff. „Ventotene als Menetekel für Europa…“: https://www.labournet.de/?p=103483)
Aber in der Praxis gelangte diese nur derart – nach dem Geist von Eucken – gestaltete Europa – festgeklopft in den Europäischen Verträgen – nur zur immer größeren Instabilität – und so entstand für Europa die wichtige Frage: kann die deutsche Kanzlerin eine solche „Rettung“ eines doch noch gemeinsamen Europa für alle noch schaffen?
Und dort – in Ventotene – wurde auch klar, dass es ein ganz zentrales Thema gibt, das Deutschland, Frankreich und Italien entzweit: Die Frage, wie Europa endlich zu mehr Wachstum und wirtschaftlicher Stabilität – für alle – finden kann. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-ein-pakt-fuer-wachstum-1.3132578 )
Nach dem Wahlsieg von Macron in Frankreich wird das für Deutschland auf die Tagesordnung kommen – und kann Merkel das dann als Kanzlerin schaffen?
Was ist verkehrt daran, eine Zentralbank zu schaffen, die wirksam gegen Schocks vorgehen kann – auch mit gemeinsamen Euro-Anleihen?
Das soll eine Verrückte Idee sein, fragt Catherine Hoffmann? (http://www.gevestor.de/details/eu-staatsanleihen-in-der-niedrigzinsphase-773045.html ) Dabei sind die die Wachstumsschwäche überwindenden Investitionen für Europa von großer Bedeutung. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/ezb-votum-billige-aber-ineffiziente-geldflut-/ )
Kann jetzt der Wahlsieg von Emmanuel Macron in Frankreich Abhilfe leisten. Der Ökonom Axel Troost findet das notwendig! (https://www.axel-troost.de/de/article/9557.macron-zum-anlass-nehmen-den-deutschen-europa-irrweg-zu-beenden.html )
Trotz der Finanzkrise 2008 ff. noch keine wirksame Bankenunion
So etwa müsste sie aussehen: (http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/176699/bankenunion ) Aber zur Zeit können sich die europäischen Politiker noch nicht einmal darauf verständigen eine Bankenunion zu vollenden, weil der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellvertretend für viel Deutsche eine gemeinsame Einlagensicherung für Bankguthaben scheut.
Dabei hat Guntram Wolff, Direktor des Think-Tanks Bruegel in Brüssel, schon einmal ausgeführt, dass eine Währungsunion eben auch eine funktionierende Bankenunion einfach notwendigerweise braucht. (http://bruegel.org/2017/05/europa-sinnvoll-gestalten/ )
Solidarische Union darf keine Utopie bleiben, denn ein Ausstieg aus dem Euro ist auch keine Option.
Auflösen ist keine Option. Aus dem Euro auszusteigen und nationale Währungen wieder einzuführen, ist viel teurer als gemeinhin angenommen. Darauf macht der US-Ökonom Barry Eichengreen aufmerksam. (https://eml.berkeley.edu/~eichengr/crisis_euro_projsyn.pdf )
Kurzfristige Kapitalverkehrkontrollen würden keineswegs ausreichen, um die Flucht des Geldes aus dem Süden in den Norden zu bremsen. Neue Drachmen, Lire, Pesos und Escudos würden massiv abwerten, was wiederum die D-Mark enorm verteuern würde – und die deutsche Exportwirtschaft – der ganz Stolz der Deutschen (Paul Krugman: Die für die Deutschen günstigere „Unterbewertung“ ihrer Wirtschaftsstärke im Euroraum ist ein Problem für Europa – und sollte dort bleiben und geregelt werden – siehe im letzten Drittel der ersten Seite bei https://www.labournet.de/?p=111654) ruinieren.
Ein Austritt aus dem Euro müsste eine Wirtschaftskrieg provoziernen, erklärt uns Stephan Schulmeister (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/EuroabwicklungDerFinaleSchrittInDenWirtschaftskrieg.pdf ). Somit ist dieser Exportüberschuss Anlass zur Sorge und – eigentlich – kein Grund stolz zu sein.
Die Schulden der Südländer bei der EZB
Catherine Hoffmann dröselt uns das Problem noch einmal auf – mit den Schulden gegenüber der EZB, die durch einen Euro-Austritt auch fällig würden: Nicht zuletzt blieben die Südländer auch noch auf einer gewaltigen Rechnung an die EZB sitzen. Eine Rechnung, die EZB-Chef Mario Draghi Ländern präsentieren müsste, die sich vom Euro lossagen.
Italien zum Beispiel müsste mehr als 400 Milliarden Euro zurückzahlen, das wäre für jeden Italiener – gleich ob Mann oder Frau – rund 6600 Euro. Wie gesagt: keine Option. (Beispiel bei Catherine Hoffmann / SZ)
Außer einer funktionierenden Bankenunion auch noch eine gemeinsame Fiskalpolitik
Wer sich bei einer gemeinsamen Finanzpolitik für Europa allein auf den Verlust der nationalen Souveränität konzentriert, übersieht einfach geflissentlich, dass eine Währungsunion, bei allen Vorteilen, die sie ihren Mitglidern bietet, auch einen entscheidenden Nachteil hat: Die Mitgliedsländer können nicht – mehr – einfach den Wechselkurs ihrer Währung abwerten oder neues Geld in Umlauf bringen, um ihre Wirtschaft zu beleben.
Deshalb können schon kleine Krisen zu einer großen Gefahr für die Stabilität werden. Und deshalb reicht es auch nicht, wenn jedes Euroland einfach nur seine „Hausaufgaben“ macht und spart. „Wenn alle Euromitglieder zur gleichen Zeit sparen, dann spart auch die Eurozone insgesamt – und das ist sinnlos“, sagt der Ökonom Jan Priewe, der in einem neuen Arbeitspapier sich mit der Architektur der Währungsunion beschäftigt hat. (https://makronom.de/ist-die-eurozone-vielleicht-doch-ein-optimaler-waehrungsraum-19143 ) Dabei stellt er fest: Die Währungsunion ist natürlich nicht „alternativlos“ – aber ein Zusammenbruch der Eurozone wäre dennoch die schlechteste aller Möglichkeiten.
Europa braucht mehr Wachstum als die Zinsen, nur dann können die Schulden sinken.
Europa bracht mehr Wachstum als alles andere. Nur wenn das Wirtschaftswachstum größer ist als die Zinsen auf öffentlich Schulden, sinkt der Schuldenstand. (vgl. dazu Stephan Schulmeister, der auch klarmacht, dass die Umdrehung dieses Verhältnisses (= Zins größer als das Wachstum) zum Systemwechsel des Finanzkapitalismus führte „Zinssatz, Wachstumsrate und Staatsverschuldung“ (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/ziwafrft.pdf )
Nur so kann der Euro – wieder – sein Wohlstandsversprechen für alle erfüllen. Nötig ist dazu ein finanzieller Ausgleich zwischen starken und schwachen Ländern, eine Umverteilung oder – schöner gesagt: eine Solidarität. Emmanuel Macron plädiert deshalb für einen eigenen Haushalt in der Eurozone. (https://www.axel-troost.de/de/article/9557.macron-zum-anlass-nehmen-den-deutschen-europa-irrweg-zu-beenden.html ) Dazu braucht es auch eine starke demokratische Kontrolle: Die Europolitik muss raus aus den Hinterzimmern. Ein Parlament der 19 Eurostaaten, dessen Mitglieder sich aus dem Europa-Parlament und / oder Abgesandten der nationalen Parlamente zusammensetzt, könnte die Aufgabe übernehmen. Und auch noch gemeinsame Anleihen, die keine Eurobonds sein müssten.
Damit die Schwierigkeiten mit den Eurobonds umschifft werden können, hat Markus Brunnermeier (Princeton) vorgeschlagen sogenannte gemeinsame europäische „Safe-Bonds“ auszugeben. (Siehe zur Darstellung wie auch gleich zur Krittik Michler: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=7424 )
Das wäre eine Möglichkeit der bisherigen „Schuldenfalle“ vertragsgemäß doch ein Stück weit zu entkommen. (Vgl auch den entsprechenden Abschnitt zu den Safe-Bonds und Markus Brunnermeier bei „Tohuwabohu in der Europäischen Union – ohne Sinn für Gemeinsamkeiten“: https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eu-krise-gr/das-tohuwabohu-in-der-europaeischen-union-ohne-sinn-fuer-gemeinsamkeiten/ – oder auch kurz https://www.labournet.de/?p=96317 vom 11. April 2016)
Aber in diesem Zusammenhang mit Frankreich in einer ökonomisch aktiven Rolle unter dem neuen Staatspräsidenten Macron siehe auch noch das Buch von drei Ökonomen – u.a. von Markus Brunnermeier – zum „Rheingraben“ zwischen Frankreich und Deutschland in der Eurozone „The Euro and the Battle of Ideas“ (siehe Seite eins bei https://www.labournet.de/?p=109710). Und für diese drei Ökonomen, die sich in Princeton aus unterschiedlichen Richtungen (nicht nur regional) trafen, erscheint dieser Rheingraben nicht unüberwindbar. Das könnte entscheidend für die Zukunft Europas werden.
Die Zukunft der Währungsunion könnte also solidarisch und sozial gestaltet werden – wenn nicht nur die bisherigen „Pragmatiker“ ohne Weitblick und die Populisten das Wort führen können. (Soweit Catherine Hoffmann, die ich als Ganzes auch noch selbst zur Lektür empfehle und der ich auch manche Anregungen verdanke: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/samstagsessay-mehr-mut-zum-euro-1.3532607 )