Eine kleine Zwischenbilanz: nach den Kommunalwahlen in Frankreich, einem Streik im öffentlichen Dienst und einer Entscheidung der Notenbank (EZB)
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 3.4.2014
Nun werden die Gewerkschaften am 4. April in Brüssel demonstrieren – für einen neuen Weg für Europa: Investieren statt kaputtsparen. (http://www.dgb.de/themen/++co++1949c77e-9ef6-11e3-87a9-52540023ef1a ). Nur hat es aber den Anschein, dass die Politik bis jetzt keineswegs bereit ist, einen neuen Weg einzuschlagen. Denn auch in Frankreich – nicht nur bei uns – gibt es noch diese „Lernwiderstände“ – nur vielleicht kommen sie dort „zwangsweise“ schneller drauf?
Die Kommunalwahlen in Frankreich: Merci beaucoup, Angela
Er kann sich für das Desaster aber auch bei Angela Merkel bedanken. Diese hat ihn – wie schon seinen Vorgänger – an die Haushaltsdisziplin gemahnt und zu einem seriösen Schuldenabbau gedrängt. Hollande wollte seine EU-Verpflichtungen einhalten. das ist ihm übel bekommen. (http://www.taz.de/!135854/ )
So sehr der Kommentar zu begrüßen ist, weil er das bisherige Spardiktat in der Euro-Zone „im Prinzip“ in Frage stellt, so wirft er bezüglich seiner „Denke“, die dem Bisherigen so verhaftet bleibt, doch Zweifel auf: Dass der Kommentator in der schlichten Denkungsart der „schwäbischen Hausfrau“ von „seriösem Schuldenabbau“ (vgl. dazu auf der Seite 5 „Merkel weiß um die Befindlichkeit der Bundesbürger – und spielt mit ihnen“ bei https://www.labournet.de/?p=55249 – insbesondere den 2. Abschnitt) schreibt, macht auch deutlich, dass die ideologisch so zurechenbare sog. „Schuldenkrise“ mit ihrer den Interessen der Finanzmärkte dienenden Bedeutung noch nicht als der Weg in die falsche Richtung für Europa verstanden wurde. (Vgl. dazu auch Stephan Schulmeister,“Lernwiderstände der Eliten“ – insbesondere auf der Seite 10: „Die siebente Etappe bestand in der durch den Masstrichtvertrag gleichgeschalteten Sparpolitik der EU-Regierungen, also dem Versuch, Budget-Defizit und Staatsverschuldung zu reduzieren – und dies in einer Situation, in der die Wachstumsraten nach wie vor deutlich niedriger waren als die Zinssätze: http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Lernwiderstand_Schulmeister_01_01.pdf – und weiter zur Regelbindung als einen Grundpfeiler der neoliberalen Weltanschauung auch noch auf der Seite 3 f. „Ausbau der Instrumente des neoliberalen Orchesters durch den dritten Pfeiler des neoliberalen Programms – die Regelbindung“ bei https://www.labournet.de/?p=55249)
Mal schauen, ob der Neue – Super Manuel – da doch noch einmal mehr bringt? (http://www.fr-online.de/politik/frankreich–super-manuel-macht-sich-an-die-arbeit,1472596,26725482.html ) Oder das Ganze jetzt endgültig „total“ vor die Wand fährt?
Hollande, der der Politik die Richtung gibt, benutzte wieder einmal den Begriff einer „Kampfregierung“ – aber in Wahrheit will Hollande nicht den eingeschlagenen „Spardiktat“-Kurs ändern, sondern sogar das Tempo beschleunigen. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2014%2F04%2F02%2Fa0031&cHash=dad3dead21356407be17c724bfcafbf5 )
Die Ernennung von Manuel Valls zum neuen Ministerpräsidenten gilt als eine Bestätigung von Hollandes – strikter -Wende zu einer in der Wolle gefärbten neoliberalen „sozialdemokratischen“ Realpolitik. Deshalb meint der Sprecher der Linken bei den Sozialisten Emmanuel Maurel: „Man hätte einen anderen Kandidaten finden müssen“ (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2014%2F04%2F02%2Fa0036&cHash=466a30266e666891c5e81bed586bdc56 )
Frankreich steht nämlich vor Problemen, die es nicht mit einem Wettlauf um die Senkung des Defizites lösen kann.
Europa als effizientes Unternehmen?
Dabei nehmen in den Medien die Stimmen zu, dass diese Politik auf eine Ende der Währungsunion hinauslaufen muss. So schreibt Cerstin Gammelin, als hervorragende Kennerin der Eurokrise bzw. ihrer politischen „Behandlung“ ausgewiesen (vgl. noch einmal ab „Die Eurokrise, das wird deutlich, hat Deutschland zur dominanten Macht in der Eurozone und Europa gemacht“ auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=55249 – und auch ein wenig schon den Absatz vorher!), gestern (1.4.2014) im Wirtschaftsteil in einem Kommentar der SZ (nicht im Netz): Die gelebte Realität zeigt, dass das Mantra vieler mittel- und nordeuropäischer Politiker, die Währungsunion als effiziente Unternehmung zu betrachten, nicht aufgeht.
Und: Geht es so weiter, ist es mit dem Schönrechnen eines nicht fernen Tages vorbei. Und auch mit der Währungsunion. (Vgl. dazu noch einmal ein „Riss geht durch Europa…“: https://www.labournet.de/?p=55740)
Ulrike Herrmann nimmt sich am 2.4. auch noch einmal diese „Schönrechnerei“ vor – und schreibt: Um zunächst bei der Deflation (Preisverfall) von Spanien zu bleiben: Es war politisch gewollt, dass die Preise fallen, denn die – ewige neoliberale – Mantra lautete, dass die Spanier „wettbewerbsfähiger“ werden sollen. Erst verspätet fiel den EU-Spitzen auf, dass eine Deflation extrem gefährlich ist – vor allem weil es unmöglich wird,Schulden zurückzuzahlen…
Jetzt kommt es auf die EZB an
Jetzt wird es – immer wieder allein – auf die EZB ankommen – doch die Spekulanten – auf die allein alles in Europa blickt – sind optimistisch, dass von der EZB eine Geldspritze demnächst kommt…
Aber was hier – für die Spekulanten – wie eine zwingende Logik aussieht, ist dennoch eine verkehrte Welt: Eine drohende Rezession wird in einen kommenden Boom umgedeutet. (http://www.taz.de/!135821/ ) … aber die Notenbank ist im Dilemma: Wie bekämpft man Deflation?
– An einem Strick kann man ziehen, aber nicht schieben –
Dieses Urteil von Ulrike Herrmann vertieft mit Blick auf die Entscheidung der EZB am 3. April 2014 Robert von Heusinger noch: „Die falsche Angst der deutschen Ökonomen“. Mindestens eine Krise lang haben deutsche Geldpolitiker und Wissenschaftler vor einer angeblich drohenden Inflation gewarnt. Was sie bekämpfen sollten, wäre jedoch eine Gefahr, die uns wirklich droht: die Deflation. Und gegen die Deflation ist die Geldpolitik machtlos – oder in einem Bild gesprochen: Die Notenbanken können am Strick ziehen und die Inflation – wie mit einem Lasso – einfangen, sie können aber nicht am Strick schieben. Das kann eben nur die Wirtschaft selber.
Was ist da in Euroland schiefgelaufen, fragt Robert von Heusinger? Die deutschen Ökonomen, die in dieser Krise den Ton angaben (vielleicht weil Deutschland „relativ“ ökonomisch so gut dastand?), haben mit den falschen Theorien hantiert. Hätten sie sich nur etwas mit den Werken von John Maynard Keynes befasst, dem größten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, wäre es ihnen nicht passiert. So haben sie zum einen die Nachfrageseite ausgeblendet und deshalb zu früh und zu stark auf Sparanstrengungen gepocht.
Zum anderen haben sie verkannt, was es bedeutet, wenn die Bilanzen der Banken schrumpfen. Deshalb haben die deutschen Volkswirte vor dem kleinen Übel Inflation gewarnt – und so das schlimmere Übel Deflation provoziert. (http://berliner-zeitung.de/meinung/leitartikel-zu-inflation-das-gespenst-der-deflation,10808020,26730812.html )
Und als Gewerkschafter wird man dabei fatal auch an einen Streik im Öffentlichen Dienst erinnert – die sog. „Kluncker-Runde“ von 1974 – die eine gewaltige Welle der Hochzinspolitik der Deutschen Bundesbank einleitete und damit ein wesentlicher Auftakt zur neoliberalen Wende mit rasch steigender Arbeitslosigkeit wurde. (Vgl. dazu Heiner Flassbeck / Friederike Spiecker, „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“ (2007) – auf den Seiten 174 ff.) Nun werden wir sehen, was die Europäische Zentralbank macht?
Kann die EZB nichts mehr entscheiden – oder will sie nur in „guter Hoffnung“ nichts entscheiden?
Nun hat die Europäische Zentralbank – nach heftiger und langer Diskussion – nichts entschieden, sondern, nachdem die Deflation schon einmal „wie ein Damoklesschwert“ über ihnen hängt, die Drohungen ausgestoßen, was sie machen wird, wenn die Inflation länger noch so niedrig bleibt.
Jetzt aber will die EZB noch nichts tun, da sie davon ausgeht, dass die Inflationsraten nicht so niedrig bleiben werden, sondern ab April wieder ansteigen werden. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-strategie-draghi-will-deflation-notfalls-mit-drastischen-mitteln-bekaempfen-1.1929163 )
Als Gegenmaßnahme sind massive Anleihekäufe im Gespräch, die anders als beim OMT-Proramm nicht nur Anleihen von Krisenländern, sondern – nach einem Schlüssel – „flächendeckend“ Staatsanleihen aller Eurostaaten kaufen würde.
Da jedoch die Finanzierung der Wirtschaft in der Eurozone hauptsächlich über Banken und nicht über den Finanzmarkt abläuft, ist man sich bei der EZB gar nicht sicher, ob solch eine „Quantitative Easing“ (QE) genannte Maßnahme überhaupt ein geeignetes Mittel wäre, um eine Deflation zu bekämpfen. Die Möglichkeiten der Notenbank wären damit an ein Ende gelangt.
Und der nächste Crash…
Dabei weisen bedeutende „Meinungsmacher“ doch – inzwischen sehr deutlich daraufhin, dass der nächste „Crash“ auf den Finanzmärkten – ob unmittelbar oder mittelfristig sei dahingestellt – bevorsteht – und dass er schlimmer als der letzte von 2008 f. werden wird. (vgl. die ersten Absätze bei https://www.labournet.de/?p=55740 – sowie weiter noch auf der Seite 2 bei „The Times They Are Changin“ (vor allem den 4. Absatz dort): https://www.labournet.de/?p=56131)
Und wie es jetzt aussieht, wird die Politik in simpler Sturheit und Uneinsichtigkeit auf dieses Ende der Eurozone „hinsteuern“ – und erst eine weitere Verschärfung des Krisengeschehens könnte ihren dogmatischen Tunnelblick – vielleicht – noch aufbrechen? Nur zu welchen „Ende“ dann?
Hilfestellung der Gewerkschaften zur Überwindung des Tunnelblicks der Politik? Steuererhöhungen gehören auf die Tagesordnung
Welche „Hilfestellung können die Gewerkschaften dabei liefern? Vielleicht konnte die Lohnrunde im öffentlichen Dienst dazu auch noch einen Anstoß geben – denn bei den Einnahmerückgängen der Kommunen in der Vergangenheit wird sonst der Investitions-Spielraum dort weitgehend beseitigt. Deshalb benötigen wir Steuererhöhungen – wer nämlich von Steuererhöhungen nicht reden will, sollte die Gewerkschaften nicht zur Mäßigung ermahnen. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a1&dig=2014%2F03%2F31%2Fa0047&cHash=de7f836b953bcd57c9dc7f2b080d834a ) Die Einnahmerückgänge in den öffentlichen Kassen sind der Steuersenkungsidelogie geschuldet, die das Regierungshandeln der letzten 15 Jahre bestimmt hat.
Zur Einschränkung des Handlungsspielraumes der öffentlichen Hand kommt noch das deutsche Lohndumping für Europa dazu – wie gerade auch von Verdi in der Lohnrunde noch festgehalten wurde. (vgl. ab dem Abschnitt „Und mitten hinein in diese „Unsicherheit“… gelangt jetzt ein Streik von Verdi“ auf der Seite 2 unten bei https://www.labournet.de/?p=56131 und folgende)
Jedoch der genannte Tunnelblick erscheint konsequent für eine Politik, die alle Steuerung auf „die“ Märkte übertragen hat – und allenfalls noch durch deren „totales“ Scheitern – sozusagen „im Untergehen“ – zu einem Umsteuern kommen könnte.
Und können die Gewerkschaften das Aufbrechen des „Tunnelblicks“ der Politik noch etwas erleichtern?
(zur Lohnrunde von Verdi selbst siehe auch noch zunächst „Sieg der Härte“ (http://www.fr-online.de/wirtschaft/tarifabschluss–verdi—der-sieg-der-haerte-,1472780,26734538.html – und dann den Überblick bei Verdi: https://www.verdi.de/themen/geld-tarif/tarifrunde-oed-2014 )
Und bei allem sonstigen „Geplänkel“ steht dieser gute Tarifabschluss auch auf dem „Sockel“ des Mindestlohnes – der allerdings noch nicht vollkommen ist: (siehe zunächst: „So löchrig ist der „flächendeckende“ Mindestlohn: http://www.fr-online.de/meinung/mindestlohn-kommentar–so-loechrig-ist-der–flaechendeckende–mindestlohn-,1472602,26735400.html – und weiter siehe: DGB: Wir wollen keine Ausnahmen vom Mindestlohn: http://www.dgb.de/themen/++co++bf6e8c3e-b8e6-11e3-939a-52540023ef1a und: Mindestlohn: Keine Ausnahmen für Jugendliche und Langzeitarbeitslose: http://www.dgb.de/themen/++co++b1ddf3e2-a3bb-11e3-936b-52540023ef1a )
So kommen wir zu einem allmählichen Ausstieg aus der Ära der sozialen Kälte
Die Frankfurter Rundschau bezieht sich (3.4.2014 – nicht im Netz) auf einen Artikel in der „Rheinischen Post“ in der Wilhelm Heitmeyer – wieder – vor einer neuerlichen sozialen Kältewelle warnt: Es steige die Tendenz – in der ganzen Abstiegsangst – andere abzuwerten, um selbst besser dazustehen. (vgl. Heitmeyer und seine Studien: http://www.dasdossier.de/autor/wilhelm-heitmeyer )
Die gesellschaftliche Spaltung in den zunehmenden Wohlstand bei wenigen und der Verarmung von immer mehr auch in Deutschland wird damit schon einmal mit einem ersten Schritt – in der Überwindung des neoliberalen Dogmas (das lag ja Rudolf Hickel so am Herzen – siehe den Schluss auf der Seite 5 bei https://www.labournet.de/?p=56131) – angegangen. (Vgl. zu „Wohlstand und Verarmung“ vom 2.4.2014: http://www.demokratisch-links.de/category/hartz4 )