»System lebt von Angst«. Zweieinhalb Jahre auf Null: Hartz-IV-Aktivist Ralph Boes hungert erneut öffentlich

Dossier

Ralph Boes hungert erneut öffentlichVor zwei Monaten fasste Richter Jens Petermann am Sozialgericht Gotha einen Beschluss: Hartz-IV-Beziehern für das Nichtbefolgen von Auflagen die existenzsichernden Leistungen zu kürzen oder streichen, sei verfassungswidrig. Er leitete sein Urteil nach Karlsruhe weiter. Die ursprüngliche Beschlussvorlage, die der Kläger eingereicht hatte, gäbe es ohne Ralph Boes wohl nicht. Denn auf sein Bestreben hin hatten der Bundesrichter a.D., Wolfgang Nešković, und die Juristin Isabel Erdem das Papier erstellt…Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 7. Juli 2015 externer Link. Aktuelle Infos immer beim Unterstützer*innenkreis www.wir-sind-boes.de externer Link. Hier neu:

  • Dauerfeuer gegen Hartz. Sanktionen auf 30 Prozent begrenzt: Aktivist Ralph Boes erstritt sich Tausende Euro. Die volle Rückerstattung gönnten ihm die Landessozialrichter nun aber nicht New
    „Aus 60 und 100 wurden 30 Prozent: Zu Recht habe das Berliner Jobcenter zwei hohe Sanktionen gegen den Hartz-IV-Aktivisten Ralph Boes aus den Jahren 2013 und 2014 nachträglich abgemildert, anstatt sie aufzuheben. Das entschied vergangene Woche das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg. Nach jahrelangem Rechtsstreit wies Richter Knut Haack damit die Berufung des 63jährigen gegen ein Urteil der Vorinstanz ab, wie Boes am Freitag gegenüber jW mitteilte. Er sprach trotzdem von einem »Teilerfolg für Hunderttausende Betroffene«. Denn dass Jobcenter seit einem knappen Jahr die Grundsicherung nicht mehr bis auf Null kürzen dürfen, wenn Bezieher nicht parieren, hat viel mit seinem Aufstand zu tun. Seit acht Jahren spielt Boes nicht mehr mit. 2012 hörte er auf, die Auflagen des Jobcenters zu erfüllen. Er ließ sich absichtlich sanktionieren, erst zu 30, dann zu 60 und schließlich zu 100 Prozent, um zu klagen. Sein Ziel war es, die Sanktionspraxis anzuprangern und letztlich dafür zu sorgen, dass sie seitens der Behörde beendet wird. (…) Vor dem Richterspruch aus Karlsruhe hatte Boes zahlreiche Verfahren durchzustehen. Verfahren, die teils über Jahre die einzelnen Instanzen durchlaufen hatten. Etliche seiner Sanktionen haben Gerichte seither von 60 oder 100 auf 30 Prozent abgesenkt. »Da kommt jetzt immer mal Geld von der Bundesagentur für Arbeit, bisher waren das so um die 12.000 Euro, die sie mir damals vorenthalten hatten«, berichtete er. Allerdings warte er bis heute auf die Erstattung diverser Krankenkassenbeiträge. Von der LSG-Entscheidung ist Boes trotzdem enttäuscht. »Ich wollte erreichen, dass sie die Sanktionen ganz aufheben.« Denn er habe einen wichtigen Grund für sein Verhalten gehabt: »Die Herstellung der Verfassungsmäßigkeit«, klärte er auf und fügte an: Seine Weigerung, Jobs anzunehmen, habe zu dem Karlsruher Urteil beigetragen. Seinen Kampf gegen die Sanktionen will er fortsetzen. Das »autoritäre und repressive Hartz-IV-System« bringe nicht nur Erwerbslosen viel Leid, führte er aus. »Es dient dazu, Niedriglöhne zu subventionieren und Beschäftigte zu erpressen«, so Boes.“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 20. Oktober 2020 externer Link
  • Keiner verantwortlich. Hartz IV: Staatsanwaltschaft weist Anzeigen gegen Regierungsmitglieder ab. Bund sei nicht zuständig für Anwendung des Bundesgesetzes
    “… Der Hartz-IV-Bezieher Ralph Boes war von Mitte 2013 bis Ende November 2015 wegen »mangelnder Mitwirkung« durchgängig vollsanktioniert, bekam also keinerlei Bezüge vom Jobcenter. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) betrifft dies monatlich rund 7.000 Menschen. In der Absicht, diese Praxis zu kippen, hungerte Boes öffentlich (jW berichtete). Das Jobcenter Berlin-Mitte hielt an der Kürzung fest. Deshalb hatten mehrere Personen Strafanzeige gestellt. Sie warfen dem Geschäftsführer des hiesigen Jobcenters Thomas Schneider, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem BA-Vorstand »Körperverletzung durch Unterlassen« vor. Doch die Staatsanwaltschaft Berlin hat die Anzeigen abgewiesen. Der Bund sei nicht zuständig, weil Kommunen die im Bundessozialgesetz geregelten Sanktionen verhängten, begründet sie unter anderem…” Artikel von Susan Bonath in junge Welt vom 02.12.2015 externer Link
  • Sanktionshungern von Ralph Boes beendet: Politisches Asyl in der evangelischen Kirche
    Nach 132 Tagen im Sanktionshunger und einem Gewichtsverlust von fast 25 kg war es nun am 10. November eine evangelische Gemeinde in Ostberlin, die durch das Angebot eines politischen Asyls, Ralph Boes zur Beendigung des Sanktionshungerns bewegen konnte. Auch für die betreffende Gemeinde ist dies kein Leichtes. Aber jetzt kann Ralph Boes erst mal wieder zu Kräften kommen und den politischen Widerstand gegen ein unmenschliches „System“ fortführen: Das Sanktionssystem in Hartz-IV, welches durch das Engagement von Ralph Boes und dem Sozialgericht Gotha seit Mai 2015 zur Überprüfung der Verfassungswidrigkeit beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegt…Pressemitteilung des Unterstützer*innen-Kreises Wir sind Boes vom 11. November 2015 externer Link
  • 27.10.15 -Hungertag 119 !!!!!
    Ralph hat wegen immer häufiger auftretendem Schwächeln, Konzentrationseinbussen u.ä. erst am 27.10. aus dem 119. #Hungertag einen Antwort-Brief an die Geschäftsführung JC Mitte geschickt. Veröffentlichung folgt … Gewicht: 69 KiloMeldung beim Newsticker des Unterstützer*innen-Kreises vom 27. Oktober 2015 externer Link
  • BAG-PLESA: Solidarität mit Ralph Boes * Hartz‐IV‐Sanktionen abschaffen!
    Leistungskürzungen der Jobcenter, die Existenzen bedrohen und vernichten, sind das zentrale Instrument der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Sie sind das Druckmittel, jeden Job oder jede „Beschäftigung“ anzunehmen, egal unter welchen Bedingungen. Daher gehört der Kampf gegen die Hartz‐IV‐Sanktionen auch zu den zentralen Anliegen der Erwerbslosengruppen und ‐organisationen bundesweit. Über die Mittel, diesen Kampf sowohl auf rechtlicher als auch auf politischer Ebene zu führen, gibt es gewiss unterschiedliche Auffassungen und Erfahrungen. Dennoch haben wir, die Unterstützer/innen dieser Erklärung, ein gemeinsames Ziel. Wir erklären uns daher solidarisch mit dem Berliner Aktivisten Ralph Boes, der sich seit fast 80 Tagen im politischen Hungerstreik gegen die 100prozentige Leistungskürzung des Berliner Jobcenters befindet, und fordern die Verantwortlichen auf, die Dauersanktionierung gegen ihn sofort einzustellen! Unsere gemeinsame Forderung lautet: Die Hartz‐IV‐Sanktionen müssen abgeschafft werden ‐ sofort!Erklärung vom Plenum der BAG‐PLESA‐Fachtagung am 19.09.2015 externer Link  (Unterstützer*innen: Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen e.V. (BAG PLESA), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal , Initiative AufRechtbestehen Rhein‐Main )
  • 23.09.2015: 85.ster Hungertag
    Liebe Freunde – am Sonntag Abend haben wir die Aktion am Brandenburger Tor beendet. Es war eine durchaus doppelte Empfindung, die ich dabei hatte. (…) Natürlich sind wir nicht gescheitert. In einer gewissen und sogar sehr tiefgründigen Beziehung fangen wir ja jetzt erst mit der Arbeit richtig an! (…) Jeweils für Samstag Abend lade ich ein zum öffentlichen Treffen im Hof der Spanheimstr. 11, 13357 Berlin – und zum Gespräch am Tisch. Jeweils von 18 bis 21 Uhr. Gewicht heute: 72,6 kgAus Ralph Boes‘ Tagebuch zum Sanktionshungern externer Link
  • 09.09.15: Hungertag 71 !!!!!
    … Diagnose ist jetzt endlich gestellt: Angina pectoris (Symptome vermutlich durch Verengung der Herzkranzgefäße, verursacht durch körperliche und psychische Belastung). Dennoch wird Ralph Boes morgen entlassen! Sollten die Symptome weiter auftreten bzw. schlimmer werden würde ein operativer Eingriff nötig. Die Gefahr für Herzinfarkt ist erhöht…Meldung beim Newsticker des Unterstützer*innen-Kreises vom 9. September 2015 externer Link
  • Solidarität mit Ralph Boes´ „Sanktionshungern“ – es geht um die Rechte aller Menschen!
    Aktive Arbeitslose Österreich erklären sich solidarisch mit der Protestaktion gegen das menschenrechtswidrige Sanktionenregime in Deutschland und anderswo…“ Pressemitteilung vom 25.8.2015 externer Link
  • Hungerstreik gegen Hartz-IV Sanktionen: Ralf Boes demonstriert gegen das System der Sanktionen
    Ralf Boes seit dem 1. Juli keine Nahrung mehr zu sich, um gegen die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger zu protestieren. Kein Hungerstreik, sondern Folge der Sanktionspolitik. Doch es hagelt auch Kritik an dem Protest. (…) Dass er von »Bild« schon als »Deutschlands frechster Hartz-IV-Schnorrer« tituliert wurde, weil er 2012 in einer Talkshow vehement gegen Sanktionen für Erwerbslose stritt, verbucht der 57-Jährige als Auszeichnung. Doch auch von links gibt es Kritik an dieser Form des Körpereinsatzes für die gute Sache. Inge Hannemann etwa, die als Jobcenterbeschäftigte gemobbt wurde, weil sie Sanktionen ablehnt, hält den Hungerstreik für falsch. Sie unterstütze keine für Menschenleben gefährliche Aktion – und sei es das eigene. Die Soziologin Mag Wompel von der Initiative »Labournet« schrieb schon vor zehn Jahren, nicht individuelle Hungerstreiks, sondern Selbstorganisation und politischer Widerstand seien gegen Hartz IV angezeigt…“ Artikel von Peter Nowak vom 21.08.2015 im ND online externer Link. Siehe dazu:

  • Aus dem Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 7. Juli 2015: „… Damit habe Boes sein Ziel erreicht, die Sanktionspraxis höchstrichterlich prüfen zu lassen, sagte er 58jährige am Montag im Gespräch mit jW. Vier Jahre nach seinem »Brandbrief« an die Regierung, Ministerien und die Bundesagentur für Arbeit hat der Berliner Erwerbslose am 1. Juli seine vierte öffentliche Hungeraktion gestartet. »Ich bin seit 2012 dauersanktioniert, seit zweieinhalb Jahren auf Null gesetzt und existiere nur von Darlehen, die mir Unterstützer gewähren«, erklärte er. Dies könne nicht unbegrenzt so weiterlaufen. (…) »Das System zieht seine Kraft aus der Todesangst der Menschen«, bekräftigte er. Da müsse es jemanden geben, der sich dadurch nicht erpressen lässt. Das will der 58jährige auch weiterhin nicht. Für ihn geht es am 21. Juli vor dem Sozialgericht Berlin weiter. Dort werde seine Klage gegen seine erste Sanktion vom Oktober 2012, eine Kürzung um 30 Prozent, verhandelt. »Das ist der erste ausgesprochene Gerichtstermin in meiner Sache«, erklärte er. Widersprüche und Klagen gegen Hartz-IV-Kürzungen haben, anders als bei anderen Behördenstreits, keine aufschiebende Wirkung. Sanktionen werden, wie bei Ralph Boes, dennoch durchgesetzt. Derzeit habe ihm das Amt sogar 200 Prozent Abzug auferlegt, sagte er. Das bedeutet: Nicht nur für drei, sondern sechs Monate bekommt er keinen Cent…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=83251
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