Eine wirkliche Kriegsministerin rührt – schon wieder – die Trommel
Dossier
„… Am Donnerstagvormittag trat Kramp-Karrenbauer vor Studierenden der Bundeswehr-Universität München auf. Das Verteidigungsministerium hatte vorab eine „Grundsatzrede“ angekündigt – und lag damit zumindest nicht ganz falsch. Die Verteidigungsministerin verlangte während ihrer knapp 40-minütigen Rede, dass Deutschland in internationalen Konflikten stärker mitmischt und die Bundeswehr stärker im Ausland einsetzt als bisher. Ähnliche Vorschläge gibt es von deutschen Regierungsvertretern zwar schon seit Jahren, Kramp-Karrenbauer ging aber über bisherige Forderungen noch mal hinaus. Zentral waren fünf Punkte. Bislang nahm die Bundeswehr vor allem an Einsätzen teil, die von den USA, der Nato oder anderen initiiert wurden. In Zukunft soll Deutschland, wenn es nach Kramp-Karrenbauer geht, selbst voran gehen. „Nicht einfach nur abwarten, ob andere handeln, und dann mehr oder weniger entschlossen mittun. Wir müssen selbst Vorschläge machen, Ideen entwickeln, Optionen vorstellen“, sagte sie in München. (…) In den letzten Jahren leistete die Bundeswehr in Auslandseinsätzen vor allem Unterstützung für andere – etwa durch Ausbildung kurdischer Kämpfer im Nordirak oder durch Luftaufnahmen über Syrien. Im Vergleich zu Kampfeinsätzen wie in Jugoslawien- oder Afghanistan sind solche Einsätze weniger aufwendig, weniger risikobehaftet und innenpolitisch leichter durchzusetzen. Kramp-Karrenbauer will die Bundeswehr in Zukunft aber wieder häufiger kämpfen lassen. Sie forderte in München „die Bereitschaft, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern das Spektrum militärischer Mittel wenn nötig auszuschöpfen“…“ – aus dem Beitrag „Ab in den Pazifik“ von Tobias Schulze am 07. November 2019 in der taz online , der die kontinuierliche Steigerung der Androhungen deutlich macht. Siehe dazu auch weitere aktuelle Beiträge – auch zur konkreten Zielrichtung des „Pazifik-Aufmarsches“, einen Beitrag, der anhand ihres vorherigen Vorstoßes Indizien dafür berichtet, wer da alles wie am „gestalten“ ist – und einen Beitrag, der die (von wem wohl) erwünschte mediale Behandlung des Themas deutlich macht – sowie nun weitere Bewertungen:
- Vor 10 Jahren führte eine Brandrede wie die von AKK vor der Bundeswehr noch zum Rücktritt: Heute wird sie von der EU unterstützt…
„… Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer steht durch die besonders schlechten Umfragewerte der letzten Zeit, Tendenz fallend, stark unter Druck. Es hieße aber, ihre verbale Kraftmeierei zu unterschätzen, wollte man in ihrem militärischen Interessensgehabe allein den Ausgleich für die sinkende Popularität sehen. Bewusst sucht Kramp-Karrenbauer den Tabubruch und formuliert strategische Interessen in Trump‘scher Offenheit („Wir sichern in Syrien das Öl“), ohne dass es Konsequenzen hätte wie in der Vergangenheit beispielsweise, als Horst Köhler den Rückzug antreten musste, weil er allzu offen sagte, warum deutsche Soldaten im Ausland eingesetzt werden. In ihrer Münchener Rede an der Universität der Bundeswehr vom 7. November 2019 sagt die Verteidigungsministerin, worauf es ihr in Zukunft ankommt: „Nicht nur Vorgegebenes auszuführen, sondern wirklich zu führen.“ Deutschland soll führen in der Welt, „die aus den Fugen geraten ist“. Und die Gegner werden sogleich benannt, die bei der neuen Führungsrolle Deutschlands im Wege stehen, als „Entwicklungen, die unsere Sicherheitspolitik fordern“: Das ist zuerst „die russische Aggression in der Ukraine und insbesondere die völkerrechtswidrige Annexion der Krim“, „die weltumspannenden Netzwerke des Terrorismus“ und der „machtpolitische Aufstieg Chinas“. Kramp-Karrenbauer beschwört geradezu ein neues Zeitalter des Imperialismus…“ – aus dem Kommentar „Neuer deutscher Imperialismus“ von Sevim Dagdelen am 08. November 2019 bei telepolis zur Trommelei von AKK für einen neuen „deutschen Platz an der Sonne“… Siehe dazu auch einen weiteren Kommentar (zum Vergleich mit 2010, als Köhlers ähnliche Rede zu seinem Rücktritt führte) und einen Beitrag, der sehr deutlich macht, dass die Frau mit ihrer „Abteilung Attacke“ eine Verbündete hat – in der EU-Chefin…- „Wenn es noch einen Beleg für die Rechtsverschiebung des politischen Diskurses braucht, dann ist dies das Schweigen zu AKKs „Hunnenrede““ von Jens Berger am 08. November 2019 bei den Nachdenkseiten hebt hervor die (Nicht) Reaktion: „… Nein, diese Sätze stammen nicht aus Kramp-Karrenbauers Grundsatzrede, sondern aus einem Interview, das der damalige Bundespräsident Horst Köhler am 22. Mai 2010 dem Deutschlandfunk gab. Die Kritik, die diesen Sätzen folgte, war gewaltig. Der damalige SPD-Fraktionsführer Thomas Oppermann verkündete, „Wir wollen keinen Wirtschaftskrieg“. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, „Wir brauchen weder Kanonenbootspolitik noch eine lose rhetorische Deckskanone an der Spitze des Staates“ und befand, Köhlers Äußerungen stünden nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Auch aus den Reihen der damaligen Regierungsparteien CDU und FDP gab es Kritik. Köhlers Äußerung sei „keine besonders glückliche Formulierung, um es vorsichtig auszudrücken“ (Ruprecht Polenz, CDU) und „etwas befremdlich“ (Rainer Stinner, FDP). Sogar sicherheitspolitischen Falken gingen diese Äußerungen zu weit. Michael Wolffsohn forderte Köhler auf, er solle sich öffentlich korrigieren. Der Verfassungsrechtler Ulrich Preuß von der Berliner Hertie School of Governance resümierte: „Das ist eine durch das Grundgesetz schwerlich gedeckte Erweiterung der zulässigen Gründe für einen Bundeswehreinsatz um wirtschaftliche Interessen. Da ist ein imperialer Zungenschlag erkennbar“. Aus einer politischen wurde schnell eine gesellschaftliche Debatte und die Kritik an Horst Köhler war so präsent, dass sich dieser wenige Tage später zum Rücktritt gedrängt fühlte und sein Amt niederlegte. Das war vor etwas mehr als neun Jahren. Schauen Sie sich Köhlers Äußerungen noch einmal an und vergleichen Sie sie mit den Äußerungen in Annegret Kramp-Karrenbauers Grundsatzrede …“
- „“Europa muss die Sprache der Macht lernen““ am 08. November 2019 beim Spiegel online macht deutlich, dass die BRD-Kriegerin mit ihrer Offensive keinesfalls alleine da steht: „…„Europa muss auch die Sprache der Macht lernen“, sagte sie in Berlin in einer Europa-Rede vor der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Das heißt zum einen, eigene Muskeln aufbauen, wo wir uns lange auf andere stützen konnten – zum Beispiel in der Sicherheitspolitik“, sagte die frühere deutsche Verteidigungsministerin. „Zum anderen die vorhandene Kraft gezielter einsetzen, wo es um europäische Interessen geht.“ Als Beispiel nannte von der Leyen die Handelspolitik. China sei zwar ein wichtiger Handelspartner für Europa. Aber umgekehrt sei die EU Pekings größter Handelspartner. „Wir können die Bedingungen beeinflussen, zu denen wir Geschäfte machen“, sagte von der Leyen. Dies geschehe auch bereits. So freue man sich über jedes ausländische Unternehmen, das an Ausschreibungen in der EU teilnehme, sei es für den Bau von Autobahnen oder Stromtrassen. „Aber wir werden künftig stärker darauf achten, dass sich diese Unternehmen auch an unsere Standards halten, zum Beispiel was Arbeitsbedingungen und Umweltschutzvorschriften angeht.“ Von der Leyen rief Europa auf, sich auf seine Stärken zu besinnen. Für Verzagtheit gebe es keinen Grund...“
- „The Germans to the front“ am 08. November 2019 bei German Foreign Policy zum erwünschten „pazifischen Aufmarsch“ unter anderem: „… Konkret kündigt die Verteidigungsministerin zum einen Maßnahmen in der Bundesrepublik an. So soll der Bundessicherheitsrat, der unter anderem Rüstungsexporte genehmigt, in einen „Nationalen Sicherheitsrat“ transformiert werden; dieser müsse in Zukunft die „Entwicklung strategischer Leitlinien“ für die deutsche Außen- und Militärpolitik übernehmen, hatte Kramp-Karrenbauer bereits im März dieses Jahres verlangt. Die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats wird in den deutschen Eliten bereits seit dem Jahr 2006 immer wieder gefordert. Die Verteidigungsministerin sprach sich zudem für eine „Vereinfachung und Beschleunigung“ des parlamentarischen Verfahrens zur Entsendung der Bundeswehr in Auslandseinsätze aus. Schließlich soll auch das Militärbudget massiv aufgestockt werden. Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass Berlin für das kommende Jahr erstmals Militärausgaben von mehr als 50 Milliarden Euro an die NATO melden wird; in den NATO-relevanten Zahlen sind auch Kosten enthalten – zum Beispiel Ausgaben für Auslandseinsätze -, die die Bundesregierung in anderen Etatposten, etwa im Haushalt des Auswärtigen Amts, versteckt. Wie die Ministerin gestern bekräftigte, sollen die deutschen Wehrausgaben im Jahr 2024 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen, „spätestens 2031“ dann zwei Prozent des BIP. Beim BIP des vergangenen Jahres wären dies 66,8 Milliarden Euro gewesen; bis 2031 wird die deutsche Wirtschaftsleistung aber wohl noch klar ansteigen. Die massive Aufstockung liege, erklärte Kramp-Karrenbauer, „in unserem eigenen Sicherheitsinteresse„…“
- „Herzmassage gegen Hirntod“ von René Heilig am 07. November 2019 in neues deutschland online zu zentralen Passagen der Grundsatzrede der Kriegsministerin: „… Kramp-Karrenbauer sprach von »Zeiten des Umbruchs« und »der Ungewissheit«, in denen man merke, »es ändert sich etwas, aber das Neue hat noch keine Gestalt erhalten«.Und das in einer Welt, die wie viele sagen, »aus den Fugen geraten ist«. Und was kam nach der zutreffenden Zustandsbeschreibung von der Ministerin? Nicht etwa Vorschläge zu einer notwendigen und möglichen neuen Entspannungspolitik. Dabei zitierte sie den US-Präsidenten Barack Obama, der von seinen Mitarbeitern forderte: Bewundert nicht das Problem, sondern bietet Lösungen an! Das, so Kramp-Karrenbauer, sei es, »was die Bürgerinnen und Bürger von Politik erwarten«. Deutschland leiste bereits jetzt »markante Beiträge«, auch bei Sicherheit und Verteidigung. Dennoch sagte die Verteidigungsministerin: »Ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen, das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen.« Sie kritisierte eine bislang von Deutschland geübte »Kultur der Zurückhaltung« und rief dazu auf, »mutiger zu handeln«, die »Rolle der Gestaltungsmacht anzunehmen« – freilich »tief verwurzelt im transatlantischen Bündnis und in der Europäischen Union«. Wichtig sei, dass Deutschland endlich »zu allen Fragen, die seine strategischen Interessen betreffen, eine Haltung« entwickele und Initiative ergreife, damit aus Haltung und Interesse Wirklichkeit werden könne…“
- „Nordsyrien: „Schutzzonen“-Vorschläge und (mögliche) DGAP-Einflüsterer“ von Jens Wittneben am 24. Oktober 2019 bei IMI-Online zum vorherigen Vorstoß der Kriegsministerin – der ja wohl kein rein persönlicher Kreuzzug ist: „… Da sie mit dem Ministeramt für Verteidigung neu auf der internationalen Bühne ist, ist es durchaus denkbar, dass sie den Rat renommierter Experten gesucht hat. Schlüssig beweisen lässt sich dies natürlcih nicht, aber es ist durchaus vorstellbar, dass sie sich hier auch von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hat „inspirieren“ lassen, die u.a. in „Kamingesprächen“ und „Gesprächskreisen“ bestrebt ist, die „die außenpolitische Meinungsbildung … zu beeinflussen.“ Ihre „Arbeit richtet sich an Entscheidungsträger in der deutschen Politik, Wirtschaft, Verwaltung, in Nichtregierungsorganisationen, im Militär sowie an eine breite Öffentlichkeit.“ Der stellvertretende Direktor des Forschungsinstituts der DGAP hat sich vor dem Schutzzonen-Vorschlag der Verteidigungsministerin zum Syrien-Konflikt in der Presse kritisch über die bisherige Politik geäußert: „Man hätte sich bereiterklären müssen, Bodentruppen zu schicken.“ Grundsätzlich ginge es für ihn um „Länder, die bereit sind, militärisch zu agieren.“ Der europäischen Politik empfahl er, „dass sie durchsetzt, was sie politisch predigt.“ Aus seiner Sicht sitzen die Europäer „wie das Kaninchen vor der Schlange.“ (Was dieser Vergleich mit Wissenschaft zu tun haben könnte, sei dahingestellt.) Ein Stopp von Rüstungsexporten, so Mölling, greife nicht angemessen. In diesem Zusammenhang mit dem Iran zu verhandeln, sei wie ein „Geschäft mit dem Teufel“ einzugehen. Zivile Konfliktbearbeitung schließt Dr. Mölling hier also offenbar aus. Es bleibt offen, ob er mit diesem Konzept überhaupt vertraut ist…“
- „Kramp-Karrenbauers Vision eines geostrategisch agierenden Deutschland“ von Michaela Küfner am 07. November 2019 bei der Deutschen Welle gibt per Kommentar die erwünschte Art der Behandlung in bundesdeutschen Medien wieder: „… Dies öffentlich nicht nur zuzugeben, sondern direkt zum Umdenken aufzufordern, wird Kramp-Karrenbauer im Nachhinein – je nach Karriereausgang der CDU-Parteivorsitzenden – als mutig oder schlicht naiv ausgelegt werden. Dass sie aktiv werden musste, um zu zeigen, dass sie Kanzlerin kann, lag auf der Hand. Es war der Vorsitzende des eigenen Jugendverbandes, der die Jagdsaison auf seine Parteivorsitzende eröffnet, die Führungsfrage gestellt hatte. Technisch stand die nach ihrer Wahl zur Chefin vor einem Jahr zwar gar nicht an. Doch für eine mögliche Merkel-Nachfolgerin gibt es keine Schonzeit. Die Schlagzeile „Die Sicherheit der Sahelzone ist auch unsere Sicherheit“, die schon am Vorabend der Rede der Verteidigungsministerin die Richtung ankündigte, hätte noch von Angela Merkel sein können. Auch Merkel betont oft, wie wichtig die Sahel-Region für Deutschland ist. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Hatte Merkel doch ungefragt folgenden Satz am Ende der G7-Pressekonferenz zur Sicherheit der Sahel-Region im August hinzugefügt: „Wenn dazu Rat und Tat notwendig ist, dann werden wir das liefern. Aber es geht nicht um konkrete Truppeneinsätze“ sagte sie in Anwesenheit von Frankreichs Präsident Macron, dessen Truppen die robusten EU-Einsätze in der Region quasi alleine stemmen…“