Sie kommen wieder, bei Nacht und Nebel, mit Hundertschaften und bewaffnet: Zwiebelfreunde BRD, OpenLab Augsburg, Wissenschaftsladen Dortmund – so sieht der Polizeistaat aus!
Dossier
Ob Proteste gegen den AFD-Parteitag unterbinden, oder das Geschäft der Daten-Dealer absichern, ob daran hindern, alternative Netzmöglichkeiten bereit zu stellen, oder bloße Nachbarschaft verfolgen: In der heutigen BRD ist der Polizei-Recht(s)-Staat jeden Tag mehr Wirklichkeit. Sie marschieren des Nachts auf und nehmen mit, was nicht Niet- und nagelfest ist, und wer mit den „Zielobjekten“ der lichtscheuen Aktionen von Einheiten, die heute Cybercrime Unit oder ähnlich heißen, zufällig (oder gar: Absichtlich!) unter einem Dach wohnt, ist selber schuld. Der Wissenschaftsladen Dortmund, in der Nacht zum Donnerstag, 05. Juli 2018 Opfer einer solchen Aktion, stellt unter vielem Anderen – gaanz gefährlich – Serverplätze bereit. Da werden dann nicht nur Türen aufgebrochen, sondern auch benachbarte Initiativen angegriffen. Der Verein Zwiebelfreunde betreibt Aktivitäten zur Erhöhung der Sicherheit im Netz und schädigt damit möglicherweise Geschäftsmodelle wie die des Capo Zuckerberg. Wofür im Morgengrauen des 20. Juni 2018 ein Vorstandsmitglied die polizeiliche Quittung bekam: Wer Spenden für Riseup sammelt ist verdächtig – wie zwei Generationen vorher, wer BBC hörte. Und im Augsburger OpenLab, wo auch der CCC sein extrem verdächtiges Unwesen der Förderung bewusster Nutzung der Computerei betreibt, wurde wieder einmal Material zum Bombenbau gefunden, inklusive Festnahmen, exklusive: Durchsuchungsbefehl. Siehe Beiträge zu den cyberkriminellen Aktivitäten der Polizei in den letzten Tagen, laufenden und kommenden Protesten und Stellungnahmen, sowie aktuellen weiteren Informationen und die Links zu den Webseiten der (hauptsächlich, keineswegs nur) betroffenen Vereine:
- Gericht urteilt: Durchsuchung bei Zwiebelfreunden war rechtswidrig
„… Nach einer umstrittenen Hausdurchsuchung beim netzaktivistischen Verein Zwiebelfreunde hat nun das Landgericht München entschieden, dass die Aktion rechtswidrig war. Die Behörden müssen alle beschlagnahmten Gegenstände und Akten wieder herausgeben. Ende Juni durchsuchte die Polizei das Vereinslokal der Zwiebelfreunde in Dresden sowie Wohnungen von Mitgliedern an anderen Orten. Auch der Augsburger Ableger des Chaos Computer Club wurde durchsucht. Die Begründung der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft für die Aktion ist haarsträubend (…) Das Gericht in München erteilt der Oberstaatsanwaltschaft nun juristische Ohrfeigen für ihre Vorgehen. In der Entscheidung der Richter heißt es: „Es besteht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Auffinden relevanter Daten. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Betroffenen, deren Verein Zwiebelfreunde e.V. oder die Gruppierung “Riseup Networks” auch nur zum Umfeld der unbekannten Täter gehören. Es ist zudem auch nicht unmittelbar ersichtlich, dass sich bei ihnen Informationen zum Täterumfeld oder zu den Tätern finden lassen.“ Nach Angaben der Zwiebelfreunde beschlagnahmte die Polizei bei der Razzia Laptops, PCs, Festplatten und Smartcards sowie Unterlagen zu Projekten und Spendern. Bisherige Spender und Aktivisten müssen nach Angaben auf dem Blog damit rechnen, dass ihre Identität der Polizei bekannt wurde. Die Torserver-Infrastruktur des Vereins bleibt allerdings intakt und in Betrieb. Auch sammelt der Verein weiterhin Spenden für Riseup…“ Bericht von Alexander Fanta vom 24. August 2018 bei Netzpolitik
- Beschlagnahmungen bei den Hausdurchsuchungen bei den Zwiebelfreunden: Sogar Spenderlisten…
„Bei der bundesweiten Razzia gegen die Netzaktivisten des Vereins Zwiebelfreunde beschlagnahmte die Polizei mehr Dokumente als vielen Betroffenen klar sein dürfte. Bei der Durchsuchung von Wohnungen und Vereinsräumen in Berlin, Augsburg, Dresden und Jena stellten die Beamten neben Datenträgern und Mitgliederlisten auch Unterlagen sicher, die die Kontobewegungen des Dresdner Vereins seit 2011 dokumentieren: Das betrifft die Namen und Bankdaten von Spendern des Vereins der letzten sieben Jahre, die jeweilige Überweisungsbeträge und -daten sowie in vielen Fällen auch die Adressen der Spender. Die sensiblen Dokumente beschlagnahmten die Ermittler unter anderem bei der Razzia im Berliner Vereinsbüro, bei der sie sich den Safe des Vereins öffnen ließen. Selbst anonyme Unterstützer, die dem Verein postalisch Geld schickten, nicht selten mit einer Notiz oder einer E-Mail-Adresse versehen, könnten nun in den Blickpunkt der Staatsanwaltschaft geraten…“ – aus dem Beitrag „Polizei zwingt Netzaktivisten zur Öffnung ihres Safes und gelangt an geheime Spenderliste“ von Daniel Mützel am 13. Juli 2018 bei Motherboard über die Ergebnisse der Zeugenbetreuung der Zwiebelfreunde, worin auch deutlich gemacht wird, dass eigentlich – eigentlich eben – Hausdurchsuchungen bei Zeugen nur dann legal wären, wenn ganz konkret gesichertes Wissen darüber bestünde, dass da auch etwas zu finden sei – eine bloße Vermutung reicht dafür nicht aus. Eigentlich…
- In einem Rechtsstaat braucht die Polizei einen Durchsuchungsbefehl. In einem Polizeistaat schlägt sie alle Türen ein. Wo liegt Dortmund?
„Am Mittwoch den 04. Juli 2018 drangen gegen 19 Uhr mit Maschinenpistolen bewaffnete Uniformierte in das Kulturzentrum Langer August in der Dortmunder Nordstadt ein und hielten die dort Anwesenden mehrere Stunden fest. Sie führten einen Durchsuchungsbefehl mit, der sich auf die Räume des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. (WiLaDo) in der 3. Etage bezog. Dessen ungeachtet wurde mit Ausnahme weniger Räume der gesamte Lange August durchsucht. (…) Ziel des LKA war die Sicherstellung eines im WiLaDo befindlichen Servers. Dabei haben die Eindringlinge fünf Türen zerstört, davon drei im WiLaDo. (…) Obwohl die Staatsgewalt vom Gericht lediglich beauftragt war einen Server sicher zu stellen, wurden darüber hinaus Ordner mit Vereinsunterlagen des Wilado, Kartons mit Flyern und Plakaten, zwei Laptops, eine externe Festplatte sowie ein Smartphone mitgenommen. Wir sind entsetzt über diese vollkommen unverhältnismäßige Maßnahme“ – aus „Zur Durchsuchung des Langen August am 04.07.2018“ der Gruppen im Langen August vom 08. Juli 2018 , eine Pressemitteilung die den polizeistaatlichen Charakter der Aktion nachdrücklich deutlich macht. Siehe dazu auch eine weitere Pressemitteilung (des CCC) und einen Hintergrundbeitrag:- „Unrechtmäßige Hausdurchsuchung: Polizei reitet erneut beim Chaos Computer Club ein“ am 07. Juli 2018 beim Chaostreff Dortmund ist die Mitteilung der örtlichen CCC-Gruppe zum Einbruch in ihren Gruppenraum: „Im Kulturzentrum „Langer August“ ist auch der Chaostreff Dortmund (CTDO) des Chaos Computer Clubs ansässig, dessen Mitglieder für mehrere Stunden in ihren Räumen festgehalten wurden, während diese von bewaffneten Polizeibeamten durchsucht wurden. Die Anwesenden im CTDO waren keine Zeugen und schon gar keine Beschuldigten einer Straftat. Den anwesenden Mitgliedern wurde dennoch jegliche elektronische Kommunikation unterbunden und die Verwendung von Telefonen und Rechnern untersagt. Einzelne Räume des CTDO wurden durchsucht, auch ohne dass unseren Mitgliedern die Gelegenheit gegeben wurde, das Vorgehen der Polizisten zu bezeugen. Darüber hinaus wurden die Personalausweise der Anwesenden für die Dauer der Durchsuchung eingezogen und ihre Personalien aufgenommen. „Wir wurden behandelt wie Straftäter, obwohl uns rein gar nichts vorgeworfen wird. Die Polizei marschierte in unsere Räume mit dem Wissen, dass der Durchsuchungsbeschluss sie gar nicht umfasste“, sagte Tim Windelschmidt, Mitglied im CTDO und bei der Durchsuchung anwesend. Der später auf Verlangen vorgezeigte Durchsuchungsbeschluss bezog sich explizit auf die Räume des Wissenschaftsladens und nicht auf die des CTDO. Das Anfertigen einer Kopie des Beschlusses wurde auch auf mehrfache Nachfrage verwehrt. Unterdessen hat der Wissenschaftsladen die Beschlüsse veröffentlicht…“
- „Polizei-Großeinsatz wegen Server: Kritik an Hausdurchsuchung in Dortmund“ von Martin Holland am 05. Juli .2018 bei telepolis fasst die Ereignisse – mehrfach upgedated – an den verschiedenen Orten nochmals zusammen (und dabei sind insbesondere auch viele der sage und schreibe 617 Kommentare lesenswert): „Kritik gibt es nun einmal mehr an der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens. Vertretern der in dem Zentrum ansässigen Vereine zufolge wurden weit mehr Räume durchsucht, als es für eine Suche nach dem fraglichen Server notwendig wäre. So seien auch Materialien von antifaschistischen Gruppen beschlagnahmt worden. Auf welcher Grundlage das geschehen ist, sei unklar. Nordstadtblogger hat die Schäden an den Türen dokumentiert. Die anderen im „Wissenschaftsladen“ im Rahmen des Projekts free.de gehosteten Server sind von dem Vorgehen nicht betroffen und können weiter laufen. (…) Die Hausdurchsuchung in Dortmund folgte am Mittwoch nur wenige Stunden auf Berichte über umfangreiche Durchsuchungen in mehreren deutschen Städten, von denen die Datenschutz-Aktivisten von „Zwiebelfreunde“, ein Hackerspace in Augsburg und ebenfalls der CCC betroffen war. Dabei ging es der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft zufolge um einen anonym betrieben Blog, auf dem zu Gewalt gegen den AfD-Bundesparteitag aufgerufen wurde. Als Kontaktmöglichkeit ist dort lediglich eine beim US-Anbieter RiseUp gehostete E-Mail-Adresse angegeben. Weil die Zwiebelfreunde für diesen Dienst Spenden sammeln, seien sie als Zeugen in den Fokus geraten. „Über das Sammeln der Geldspenden hinaus“ sehe man keine Verbindung zwischen RiseUp und Zwiebelfreunde, so die Ermittler…“
a) Zur Demonstration am 5. Juli in Dortmund
„200 Menschen zeigen Solidarität nach Razzia“ am 05. Juli 2018 bei der Autonomen Antifa Dortmund ist ein kurzer Bericht von der abendlichen Demonstration in Dortmund, worin unter anderem informiert wird: „Nachdem sich bereits am gestrigen Abend viele Anwohner_innen und Nutzer_innen des Kulturzentrums Langer August in der Braunschweiger Straße eingefunden hatten, um ihre Solidarität zu bekunden, fanden heute 200 Menschen ihren Weg in die Dortmunder Nordstadt. Neben der empörenden Durchsuchung zahlreicher Vereinsräume ohne richterlichen Beschluss und der Verwüstung im Wissenschaftsladen richteten sich die Teilnehmer_innen auch gegen das in NRW geplante Polizeigesetz. Die Teilnehmer_innen zogen vom Langen August über die belebte Münsterstraße bis zur Polizeiwache Nord. Begeitet wurde die Demonstration von der gleichen Bochumer Polizeieinheit, die gestern schwer bewaffnet in den Langen August eingebrochen waren. Die Reaktion darauf machte der Einsatzleitung zwischenzeitlich zu schaffen, so wurde die Parole „All Cops are Bastards – ACAB“ während der Demo per Auflage verboten. Bei den Anwohner_innen am Nordmarkt und auf der Münsterstraße kam die Demonstration hingegen gut an. Wenig verwunderlich, sind doch Polizeigewalt und Schikane alltägliche Lebenserfahrungen in großen Teilen der Nordstadt…“
„Polizei nutzt Durchsuchung zum Rundumschlag gegen linke Initiativen und Vereine – Demo gegen Repression“ am 05. Juli 2018 bei der Dortmunder Autonomen Antifa , worin der Demonstrations-Aufruf zu finden ist (19 Uhr Braunschweigerstraße 22, am Nordmarkt) und folgende Informationen: „Eine Hausdurchsuchung gegen den Wissenschaftsladen, ein im linken Zentrum Langer August ansässiges Webhostingkollektiv, nahm die Polizei am Mittwoch zum Anlass, in die Räume sämtlicher Initiativen und Vereine im Haus einzudringen. Wir rufen am heutigen Donnerstag zu einer Solidaritätsdemonstration auf. Kommt um 19:00 Uhr zur Braunschweiger Straße 22! Gegen 19:00 Uhr am 4. Juli 2018 drang ein mit Maschinenpistolen bewaffnetes Kommando der Bochumer Bereitschaftspolizei zusammen mit Beamten des LKA in das Haus an der Braunschweiger Straße ein. Ziel der Durchsuchung waren Server im Wissenschaftsladen, auf denen durch einen Nutzer strafbares Material hochgeladen worden sein soll. Türen, die nicht unmittelbar zu öffnen waren, wurden mit einem Rammbock eingeschlagen. Vom Wortlaut ihres Durchsuchungsbefehls ließen sich die Beamten dabei nicht irritieren. Räume des Schwulen- und Lesbenzentrums KCR waren genauso betroffen wie die der Deutschen Friedensgesellschaft, ein Archiv für internationalistische Schriften und Räumlichkeiten des örtlichen Chaos Computer Club. Aber auch der eigentliche Einsatz gegen das Webhosting-Kollektiv ist an Frechheit kaum zu überbieten…“
b) Zur Reaktion betroffener Vereine und Organisationen
„Schwerbewaffnete staatliche Einbrecher dringen im Wila ein“ am 05. Juli 2018 bei der FAU nimmt zur Dortmunder Razzia folgendermaßen Stellung: „Aufgrund der Razzia gestern Abend in Dortmund waren die Websiten der FAU über Nacht nicht erreichbar. Die Razzia fand bei unserem Provider dem Wissenschaftsladen (WiLa) in Dortmund statt und wie üblich nahm die Polizei nicht nur Technik mit, sondern hinterließ einiges an Sachschaden. Aus Sicherheitsgründen haben wir unsere Dienste selbstständig offline genommen, nachdem wir von der Razzia erfahren haben. Die FAU war aber nicht Ziel der Razzia, daher wurden unsere Server nicht beschlagnahmt und konnten nach Ende des Einsatz wieder hochgefahren werden. Die Polizei gab laut Medienberichten als Anlass für die Razzia an, dass angeblich über einen im Wissenschaftsladen stehenden Server eine Internetseite betrieben wurde, auf dem im ”Wikileaks”-Manier geheime Dokumente verbreitet worden seien. Der Verein WiLa bietet verschiedene Internet-Dienste an – zum Beispiel können in seinen Serverräumen Plätze für nichtkommerzielle Server gemietet werden. Die mit Maschinengewehren bewaffnete Polizei hat zudem nicht nur im Wissenschaftsladen eine Durchsuchung durchgeführt und Gegenstände beschlagnahmt, sondern auch im gesamten Kulturzentrum Langer August, dessen Räume der WiLa nutzt…“.
„Durchsuchung in Dortmunder Kulturzentrum: LKA greift nebenbei massiv in Rundfunk- und Pressefreiheit ein“ am 05. Juli 2018 bei Radio Dreyeckland (hier dokumentiert im Freie-radios.net) ist ein Beitrag über die Betroffenheit des alternativen Radios FSK Hamburg von der Dortmunder Polizeiaktion, in dessen Begleittext es heißt: „In der letzten Zeit war beim freien Radio in Hamburg, dem freien Senderkombinat (FSK) viel los. Ein rechtswidriger Spitzeleinsatz, die langjährige Überwachung eines Redakteurs durch den Verfassungsschutz und nun wurde am Mittwoch auch noch ein Server beschlagnahmt, auf dem die Homepage des Freien Senderkombinats lief. Offenbar „Beifang“ bei der Durchsuchung im Dortmunder Kulturzentrum Langer August. Ziel der Polizei soll ein Server gewesen sein, der beim linken Webhoster „FREE!“ im Kulturzentrum stand. FREE ist das Projekt des im Langen August beheimateten Wissenschaftsladen, der für externe Initiativen Mailadressen und Webseitenhosting anbietet. Mit einem solchen Server einer externen Initiative sollen laut WDR Baupläne von französischen Gefängnissen und des Atomkraftwerks Fessenheim veröffentlicht worden sein. Die Dokumente stammen demnach aus einem Hack einer französischen Firma. Über die Betroffenheit des FSK von der Repression haben wir mit Martin vom Freien Senderkombinat gesprochen“.
„Press Release: Lka Cologne takes Hamburg radio station fsk 93.0 from the network“ des Freien Senderkombinats Hamburg am 05. Juli 2018 (Facebook) ist die Pressemitteilung des Hamburger Alternativradios zur Polizeistaats-Aktion in Dortmund: Offensichtlich hatte der abendliche Überfall den Server zum Ziel, auf dem FSK seine Materialien speichert (was wiederum nahe legt, dass das ganze im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das G20 Großmanöver steht, die das FSK organisiert hatte und weiterhin betreibt).
Das FSK hat dazu folgende Ergänzung per Email mitversendet: „Unser Livestream ist vorübergehend über die folgenden Adressen direkt erreichbar“.
c) Neue Berichte und Stellungnahmen seit unserer ersten Veröffentlichung am 05. Juli 2018
„Solidarität mit Netzaktivisten“ am 05. Juli 2018 bei Reporter ohne Grenzen ist eine Stellungnahme gegen die Razzien bei den Vorstandsmitgliedern des Vereins Zwiebelfreunde in Bayern, in der es unter anderem heißt: „Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert das Vorgehen der bayerischen Strafverfolgungsbehörden gegen Netzaktivisten aufs Schärfste. Auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft München haben Polizisten am 20. Juni die Räume des Vereins Zwiebelfreunde und die Wohnungen der Vorstandsmitglieder in mehreren deutschen Städten durchsucht. Dabei wurden unter anderem mehrere Rechner, Festplatten und Handys beschlagnahmt, aber auch Spenderdaten. Die von den Durchsuchungen Betroffenen gelten als Zeugen in Ermittlungen gegen unbekannte Autoren eines Blogs, auf dem zu gewalttätigen Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag vergangenes Wochenende aufgerufen worden sein soll. Die Ermittler stützen sich alleine auf die Tatsache, dass die Autoren dafür eine E-Mail-Adresse des E-Mail-Anbieters Riseup genutzt haben, und die Zwiebelfreunde für diesen Anbieter Spenden sammeln. „Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden ist absolut unverhältnismäßig und auch als Angriff gegen Anonymität im Internet anzusehen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Das Vorgehen schüchtert Netzaktivisten, aber auch Journalisten ein, die sich für sichere Kommunikation im Internet einsetzen. Die Behörden müssen alle beschlagnahmten Geräte und Dokumente sofort zurückgeben und die Hintergründe ihres Vorgehens erklären…“.
„Cybercrime-Razzia im linken Kulturzentrum in der Dortmunder Nordstadt“ von Bastian Pietsch und Sebsatian Weiermann am 05. Juli 2018 in der Ruhr-Nachrichten ist ein Beitrag, der etwas aus dem gewohnten Muster der Dortmunder Lokalpresse fällt, indem unter anderem berichtet wird: „Die ZAC ist zuständig für „Cybercrime-Ermittlungsverfahren von herausgehobener Bedeutung“. Was die Ermittler in dem Dortmunder Kulturzentrum gesucht haben, ist der Öffentlichkeit am Donnerstag lange unbekannt. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Köln gibt man sich verschlossen, bestätigt lediglich, dass es den Einsatz gab. Auch LKA und Polizei Dortmund schweigen sich aus. Dann wird der Durchsuchungsbeschluss öffentlich. (…) Die Razzia galt Servern des Vereins „Wissenschaftsladen Dortmund“. Dem Verein angeschlossen ist der Internetdienstleister „free.de“. Bei „free.de“ kann jeder eine E-Mail-Adresse haben, außerdem stellt der Verein Serverplätze zur Verfügung – ebenfalls für jeden zu mieten. Auf einem dieser Server sollen laut Durchsuchungsbefehl unter anderem Pläne von vier französischen Haftanstalten und Unterlagen zur Infrastruktur des Atomkraftwerks in Fessenheim (Elsass) veröffentlicht worden sein. Unbekannte Täter sollen sie bei einem Angriff auf die IT-Systeme einer französischen Firma erbeutet haben und drohten, weitere Dokumente zu veröffentlichen. Entsprechend bezieht sich der Durchsuchungsbeschluss auf „die Beschlagnahme des Datenbestandes einschließlich der auf den Server bezogenen Backups, Log- und Protokolldateien“ einer bestimmten IP-Adresse aus den Räumen des Wissenschaftsladens. Petra Liebherr gehörzt zum Vorstand des Vereins. Sie und anwesende Augenzeugen kritisieren, dass die Polizei das gesamte Haus durchsucht habe, und nicht nur, wie im Durchsuchungsbeschluss vorgesehen, die Räume des Wissenschaftsladens. „Sogar Yoga-Matten auf dem Dachboden wurden durchwühlt“, heißt es am Donnerstag aus dem Umfeld des Vereins…“.
„Cybercrime in linkem Zentrum?“ von Sebsatian Weiermann am 05. Juli 2018 in neues deutschland , worin es zur Begründung des nächtlichen Polizei-Aufmarsches heißt: „Was dem Verein vorgeworfen wird, erklärte Petra Liebherr, Vorsitzende des Wissenschaftsladen. Die Polizei habe die Räumlichkeiten durchsucht, um an Daten zu kommen, die »eigentlich nicht veröffentlicht werden sollen«. Diese sollen auf dem Server eines anderen Projektes liegen, für das free.de nur die technische Administration übernommen hat. Im Raum stehen Straftaten nach den Paragrafen 202a und 303a des Strafgesetzbuches: Ausspähen von Daten und die Veränderung von Daten. Hinweise, dass es einen Zusammenhang mit der Durchsuchung bei den Zwiebelfreunden gibt, bestehen bisher nicht. Polizeibeamte hatte Vereinsräume der Netzaktivist*innen und die Wohnungen von Mitgliedern in Berlin, Dresden, Augsburg und Jena durchsucht…“.
d) Die ersten Berichte über die Polizeirazzien gegen mehrere Vereine quer durch die BRD
„Hausdurchsuchungen bei Vereinsvorständen der „Zwiebelfreunde“ und im „OpenLab“ Augsburg“ am 04. Juli 2018 bei de.indymedia berichtet unter anderem: „Die Wohnungen von Aktiven im Vorstand des Vereins Zwiebelfreunde sind in mehreren deutschen Städten mit einer höchst fragwürdigen Begründung „als Zeugen“ durchsucht und Computer und Datenträger beschlagnahmt worden. Auch der Augsburger Ableger des CCC im dortigen OpenLab musste eine Durchsuchung über sich ergehen lassen. Der Verein Zwiebelfreunde setzt sich seit sieben Jahren für technische Lösungen zur Anonymisierung ein und schult Menschen im Umgang mit Anonymisierungstechniken. Er betreibt unter TorServers.net Relays der Anonymisierungssoftware Tor und hilft Betreibern technisch und juristisch. Daneben unterstützt der Verein andere Organisationen beim Sammeln von Spenden. Ins Visier polizeilicher Maßnahmen gerieten die Vereinsvorstände nun nicht etwa als Verdächtige, sondern als Zeugen. Der Hintergrund der Durchsuchungen und Beschlagnahmungen am 20. Juni mutet abenteuerlich an: Es gab eine anonyme Webseite im Internet, die zu Protesten gegen den AfD-Parteitag in Augsburg aufgerufen hatte. Die unbekannten Betreiber dieser Webseite verwendeten eine beim alternativen E-Mail-Provider Riseup registrierte Mail-Adresse. Für Spenden an riseup.net wiederum existiert beim Verein Zwiebelfreunde eine Bankverbindung für ein Spendenkonto. Riseup hat seinen Sitz in den Vereinigten Staaten und bietet im Grunde eine coole und kommerzfreie Alternative zu Gmail an. Wegen der sonst rar gewordenen strikten Datenschutz-Richtlinien wird er weltweit von einer Vielzahl von NGOs und Graswurzelbewegungen verwendet. (…)Im Zuge der Durchsuchungen bei den Vereinsvorständen in Augsburg, Jena, Dresden und Berlin weitete die Polizei die Maßnahmen eigenmächtig auf Räume aus, die auch von Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (CCC) genutzt werden: das Augsburger OpenLab. Hier trafen die Beamten auf die Lebensrealität von Hackern: Arbeitsmittel zum Platinenätzen, Reinigen und Haarefärben. Weil die Polizisten dann noch eine Zeichnung auf einem Whiteboard des Hackerspaces großzügig als Bombenbauanleitung interpretierten, beschuldigten sie zufällig anwesende Mitglieder des Hackerspaces, sie würden ein Sprengstoffattentat vorbereiten. Drei Personen nahm die Polizei fest und durchsuchte danach den Hackerspace ohne einen Durchsuchungsbeschluss und ohne jegliche Zeugen…“.
„„Zwiebelfreunde“-Durchsuchungen: Wenn Zeugen wie Straftäter behandelt werden“ von Alexander Fanta am 04. Juli 2018 bei netzpolitik.org ist ein Interview mit Heidi und Jens Kubiziel, deren Wohnung im Morgengrauen des 20. Juni 2018 von – natürlich: bewaffneten – Westenträgern heimgesucht wurde, in dessen Einleitungstext der Autor hervor hebt: „Zum Verhängnis wurde den Betroffenen, dass ihr Verein durch das Anbieten einer Spendenmöglichkeit einen E-Mailanbieter unterstützt, der ins Visier von Ermittlern geriet. Es geht dabei um Riseup, der kostenlose E-Mail-Dienste anbietet und dafür um finanzielle Unterstützung bittet. Geführt wird dafür auch ein Spendenkonto vom Verein „Zwiebelfreunde“. Wer dahin spendet, kann sicher sein, dass sein Geld an den Anbieter Riseup weitergegeben wird. Soweit, so problemlos – bis zu dem Tag, als die Polizei das Riseup-Spendenkonto des Vereins entdeckte. Denn ein Unbekannter hatte zuvor mit Angabe einer Riseup-E-Mailadresse eine Webseite als Protest gegen den Parteitag der Alternative für Deutschland (AfD) in Augsburg ins Netz gestellt. Wer zu den Protesten aufruft, geht aus der Webseite nicht hervor, lediglich diese E-Mailadresse ist zu finden. Die Behörden sehen in dem Aufruf eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten und eine Anleitung zu Straftaten. Weil eine Spendenmöglichkeit an Riseup über das „Zwiebelfreunde“-Konto besteht, schlussfolgerte die Polizei messerscharf, dass nun gegen den Verein und seine Mitglieder vorzugehen sei, und erwirkte Hausdurchsuchungen bei allen Vorständen des Vereins. Das Vorgehen der Polizei ist auch deswegen fragwürdig, weil sich die Frage stellt, ob es nun auch Durchsuchungen bei Paypal, Flattr oder Amazon geben wird, über die ebenfalls Zahlungsmöglichkeiten angeboten werden…“.
„Hausdurchsuchungen bei Vereinsvorständen der „Zwiebelfreunde“ und im „OpenLab“ Augsburg“ am 04. Juli 2018 beim Chaos Computer Club zu den „Nebenwirkungen“ nächtlicher Razzien: „Mit der gleichen an den Haaren herbeigezogenen Begründung hätte jede Durchsuchung bei beliebigen Personen zu Hause stattfinden können, wenn die anonyme Seite von Menschen mit Gmail-Adressen betrieben worden wäre. Die für einen offenkundig unsinnigen Zusammenhang lediglich als Zeugen geführten Betroffenen mussten Eingriffe in ihre Privatsphären über sich und ihre Familien ergehen lassen, die in jeder Hinsicht unverhältnismäßig sind. Ohne den Versuch einer Befragung der Zeugen wurden unmittelbar die privaten Wohnungen der Vorstände des Vereins durchsucht. Dabei wurde eine Vielzahl an informationstechnischen Geräten und zahlreiche Speichermedien beschlagnahmt. Betroffen von den Durchsuchungen und Beschlagnahmungen waren zudem vollkommen unbeteiligte Familienangehörige der Vereinsvorstände – die allesamt keiner Straftat beschuldigt waren. Von den Beschlagnahmungen betroffen sind außerdem unbeteiligte Firmen und sensible Daten unbeteiligter Projekte der Zwiebelfreunde, beispielsweise der Linux-Distribution Tails. Eine Herausgabe der beschlagnahmten Hardware wird bisher bei einigen Betroffenen verweigert…“.
„Cybercrime-Razzia des LKA beim Wissenschaftsladen in der Nordstadt – Beamte durchsuchten den „Langen August““ von Alexander Völkel am 05. Juli 2018 beim Nordstadt-Blogger über die Aktion gegen freies Netz in Dortmund: „Doch statt nur im Wissenschaftsladen, wo die Server stehen, hatte die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW, unterstützt von einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, alle Räume in dem linken Zentrum durchsucht. Dort sind neben dem Bündnis gegen Rechts über das KommunikationsCentrum Ruhr (KCR) – dem ältesten Schwulen- und Lesbenzentrum Deutschlands – auch die Ärzte gegen Atomkraft (IPPNW) und der Chaos-Computer-Club zu Hause. Daher ist im Nachgang mit juristischen Auseinandersetzungen zu rechnen, da der Einsatz und die Durchsuchung nach Ansicht vieler anderer MieterInnen – darunter viele gemeinnützige Organisationen – nicht rechtmäßig war. So wurden auch Materialien von antifaschistischen Gruppen – u.a. Plakate und Flyer – von den eingesetzten BeamtInnen beschlagnahmt. Dort, wo kein Schlüssel greifbar war, wurden die Türen aufgebrochen. Selbst Speichertüren und jene von Abstellkammern wurden gewaltsam geöffnet. Die schweren Stahltüren des Wissenschaftsladen – dort will man die Sever ja vor unbefugten Zugriffen schützen – ließ die Polizei von der herbeigerufenen Feuerwehr öffnen…“. In Dortmund –wo die Aktion unter Begleitung einer Hundertschaft(!) erfolgte, wird es heute noch eine Protestdemonstration geben – Näheres folgt…
e) Die Selbstdarstellungen der betroffenen Vereine
- Free Dortmund : „Das FREE! Projekt wurde Anfang 1991 vom gemeinnützigen Verein Wissenschaftsladen Dortmund e.V. ins Leben gerufen. Ziel war und ist die Nutzung neuer Formen elektronischer Kommunikation zur Förderung eines freien und unzensierten Informationsaustauschs für interessierte Individuen und Gruppen“ – so stellt sich der – damit geständige – Verein auf seiner eigenen Homepage vor.
- Zwiebelfreunde: „Coordinated raids of Zwiebelfreunde at various locations in Germany“ ist der laufend aktualisierte Blog (bei torservers, also keinem Daten Dealer, also höxst verdächtig) über die Polizeiaktion – inklusive internationalem Pressespiegel, der immerhin deutlich macht, dass solche Polizeistaatsaktionen keineswegs „internationaler Standard“ sind.
- „Open Lab Augsburg – ein Raum für Deine Ideen“ ist die Webseite des durchsuchten und geplünderten Vereins, der auf seiner Blogseite jetzt die berüchtigte gefundene Bombe als Sonderaktion zum Nachbauen anbietet: „Aufgrund populärer Nachfrage: Die F-Bomb“ (inklusive Link zu einer You Tube Bau-Anleitung).