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[Libyen-Deal] Absurde EU-Politik im Mittelmeer: Rettungsmissionen sollen von libyschen Schleusern koordiniert werden
Dossier
„Spätestens in 2018 soll die libysche Küstenwache alle Geflüchteten vor der eigenen Küste abfangen und in Lager nach Libyen zurückbringen. Hier zeigt sich die brutale Migrationspolitik der Europäischen Union, denn in Libyen werden die Migranten misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und umgebracht. Auch auf See werden vom libyschen Militär Straftaten begangen. (…) Als Scharnier für den Datentausch finanziert die Europäische Kommission ein militärisches Lagezentrum in Tripolis, das derzeit von Italien errichtet wird. Schließlich soll Libyen offiziell eine Seenotrettungszone benennen und seine Zuständigkeit hierfür erklären. Damit sollen die Fluchten aus dem Bürgerkriegsland auf Null zurückgehen…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 25. Juli 2017 . Siehe in dem Zusammenhang auch unser Dossier: Italienische Flüchtlingspolitik und hier zu Libyen:
- Anschlag auf Migrationsdeal mit Italien? In Tripolis wurde ein gesuchter Ex-Küstenwächter und Menschenhändler erschossen
„Mit der Ermordung des berüchtigten libyschen Menschenhändlers Abd al-Rahman Milad, bekannt als »Bija«, in Tripolis könnte auch ein Deal zwischen Italien und Libyen zur Migrationsabwehr Geschichte sein. Der ehemalige Leiter der libyschen Küstenwache wurde am Sonntag in Sayyad westlich der Hauptstadt erschossen. Aufnahmen in sozialen Medien zeigen sein von Kugeln durchlöchertes Fahrzeug. Über das Schicksal seines Fahrers ist nichts bekannt. Der 34-jährige Milad galt als Schlüsselfigur im Menschen-, Waffen-, Drogen- und Ölhandel in Libyen und wurde seit 2018 mithilfe von Interpol gesucht. Im gleichen Jahr hatte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen Milad und fünf weitere Personen wegen »Gefährdung des Friedens, der Sicherheit oder der Stabilität Libyens durch ihre Beteiligung am Schmuggel von Migranten« verhängt. Anschließend setzte ihn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf eine Sanktionsliste. Laut der UN-Falldarstellung stand Milads Küstenwacheneinheit »durchgängig mit Gewalt gegen Migranten und andere Menschenschmuggler in Verbindung gebracht«. Milad betrieb offenbar ein doppeltes Spiel: Einerseits soll er Millionen damit verdient haben, Menschen auf See in Richtung Europa zu schicken. Andererseits nutzte er in seiner Rolle als Kommandeur der Küstenwache europäische Gelder und von Italien gespendete Schiffe, um die Boote der Migranten wieder abzufangen und diese in Lager zurückzubringen, wo sie erneut für eine Überfahrt bezahlen sollten. In einer Marineakademie soll er dazu auch Kadetten ausgebildet haben. Bei der Wegfahrt von dieser Akademie erfolgten am Sonntag die tödlichen Schüsse. Trotz der seit Jahren bekannten Vorwürfe war Milad 2017 von der damaligen Mitte-links-Regierung nach Italien eingeladen worden. Bei verschiedenen Treffen ging es um die Reaktion auf die Ankunft einer zunehmenden Zahl von Migranten, die auf dem Seeweg Italien erreichten. Eines dieser Treffen soll im Hafen von Catania auf Sizilien stattgefunden haben. Laut einem Bericht der Zeitung »Avvenire« wurde dabei die engere Zusammenarbeit zwischen der libyschen Küstenwache und italienischen Behörden zum Abfangen von Migrantenbooten verabredet. (…) Italienische Journalisten, die zu Milads kriminellen Aktivitäten recherchiert hatten, sehen in seinem Tod ein mögliches Ende des undurchsichtigen Deals zwischen Italien und Libyen zur Migrationsabwehr. Ähnliche Absprachen – wenn auch, soweit bekannt, ohne die Einbindung berüchtigter Milizen – unternimmt derzeit die deutsche Bundesregierung. Vor zwei Wochen hat sich der Staatsminister für Migration im deutschen Innenministerium, Bernd Kroeser, mit dem libyschen Minister für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit, Taher Al-Baour, sowie den Botschaftern beider Länder in Tripolis getroffen. Auf der Tagesordnung des deutsch-libyschen Treffens stand nach Angaben libyscher Medien »das Problem der illegalen Einwanderung und die libyschen Bemühungen, dieses Problem zu lösen«. Kroeser soll in Tripolis die Bereitschaft bekundet haben, zur Migrationsabwehr mit Libyen auf bilateraler Ebene und auf Ebene der EU-Kommission enger zusammenzuarbeiten. Beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, einen gemeinsamen Ausschuss zu bilden, dem Vertreter der mit »illegaler Einwanderung und anderen Sicherheitsfragen« befassten Bereiche beider Länder angehören. Nachfragen des »nd« zu den in Tripolis getroffenen Vereinbarungen beantwortete das Bundesinnenministerium nicht.“ Artikel von Matthias Monroy vom 3. September 2024 in Neues Deutschland online - Frontex soll keine Geflüchteten mehr verraten: Anwälte gehen gegen die Weitergabe von Positionsdaten an Libyen vor
„Die Zahl der Überfahrten von Schutz- und Asylsuchenden über das Mittelmeer nach Europa geht drastisch zurück, bestätigte Frontex vorvergangene Woche. Als Ursache nannte die Grenzagentur Aktivitäten von Behörden in Tunesien und Libyen. In beiden Ländern hat die EU-Kommission die Ausrüstung der Küstenwachen finanziert und auf die Einrichtung eigener Such- und Rettungszonen (SAR-Zonen) gedrängt. Ziel dieser Kooperation, die dreistellige Millionensummen verschlingt, ist es, Boote vor dem Erreichen europäischer Gewässer abzufangen. Frontex unterstützt dies mit Luftaufklärung durch Flugzeuge und Drohnen. Dabei werden auch Koordinaten von Booten, die nicht in Not geraten sind, an nordafrikanische Küstenwachen weitergegeben. So sollen die Insassen daran gehindert werden, die Seenotrettungszone oder die Hoheitsgewässer eines EU-Mitgliedstaates zu erreichen, um dort Asyl zu beantragen. Diesen Vorwurf erheben Anwälte der Organisation Front-LEX, die dazu am 29. Mai mit einem aus dem Sudan stammenden Mitglied der Organisation Refugees in Libya eine Eingabe an Frontex gerichtet haben. Darin fordert der Kläger den neuen Frontex-Direktor Hans Leijtens zur Einstellung der fragwürdigen Kooperation auf und stützt dies auf Artikel 265 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Mit einer »Vorläufigen Maßnahme« kann verlangt werden zu überprüfen, ob eine Institution der EU sich an ihre Pflichten hält. Die Weitergabe von Positionsdaten an libysche Akteure sei ein Verstoß gegen das Prinzip der Nichtzurückweisung und trage zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei, so die Anwälte. In Libyen werden viele abgefangene Bootsinsassen misshandelt, gefoltert oder getötet. (…) Der amtierende Frontex-Direktor Leijtens scheint die neuen Vorwürfe aussitzen zu wollen. Auf eine Eingabe gemäß Artikel 265 AEUV muss innerhalb von zwei Monaten reagiert werden, aber diese Frist ließ Leijtens verstreichen. Zu den Gründen will sich sein Sprecher nicht äußern. »Ich kann Ihnen leider keine Auskunft über einzelne Aspekte unserer rechtlichen Strategien und internen Überlegungen geben«, hieß auf eine Anfrage des »nd«. Refugees in Libya bereitet nun eine Untätigkeitsklage beim EU-Gerichtshof vor, bestätigte Mitbegründer David Yambio. Die Vorwürfe aus Warschau nennt er »erschütternd«. Frontex gefährde das Leben von Geflüchteten, wenn diese an libysche Milizen ausgeliefert würden. »Den Opfern von Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Schuld dafür zu geben, dass sie buchstäblich versuchen, ihr Leben durch rechtliche Schritte zu schützen, stellt eine neue Stufe des Zynismus dar, selbst für Frontex«, sagt Yambio gegenüber »nd«.“ Artikel von Matthias Monroy vom 26. August 2024 in Neues Deutschland online - Nordafrika übernimmt gegen Flüchtlinge: Die libysche Übergangsregierung richtet einen Gipfel gegen Migration aus
„Beim Anti-Migrationsgipfel in Libyens Hauptstadt Tripolis wollte Italiens Premier Giorgia Meloni nicht fehlen. Gleich mehrfach war sie nach Amtsantritt nach Nordafrika gereist. Sie gilt als treibende Kraft hinter den Migrationsabkommen zwischen der EU-Kommission und Ägypten, Tunesien, Libyen sowie Mauretanien.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren das rigorose Vorgehen der Sicherheitskräfte am südlichen Mittelmeer. In Libyen werden tausende Migranten in privaten und staatlichen Gefängnissen festgehalten, in Tunesien leben mehrere zehntausend Migranten und Flüchtlinge auf Olivenhainen nahe der Hafenstadt Sfax. Hilfsorganisationen haben nur begrenzten Zugang zu den Hungernden, die nach Europa wollen.
Doch migrationsfeindliche Kreise feiern den Rückgang der in Italien ankommenden Flüchtlingsboote als Erfolg der neuen Allianzen Melonis. Genau 30 348 Menschen erreichten bis Anfang Juli Lampedusa, Sizilien und das italienische Festland – 61 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Auch wenn kein offizielles Abschlussdokument beschlossen wurde, markiert das Forum aus Sicht vieler Teilnehmer einen Wendepunkt in Sachen Migration im Mittelmeerraum und in der Sahel-Region. Die durch einen Militärputsch an die Macht gekommene Regierung Malis blieb wie andere einer zeitgleich in Berlin stattfindenden Sahel-Konferenz fern. In Tripolis diskutierten Delegationen aus Nordafrika und anderer Länder die Migrationsrouten nach Europa. (…)
Die Kritik europäischer Menschenrechtsorganisationen an den Menschenrechtsverletzungen und Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Migranten aus Subsahara-Afrika wird häufig als Fortsetzung kolonialer Politik gewertet. Aber Milizen und Sicherheitskräfte verdienen an dem Transport der Menschen gleich mehrfach mit: An Kontrollpunkten in der Sahara zahlen die Schmuggler an Armeesoldaten, die Passagiere zahlen Fischern, Lastwagen- und Taxifahrern horrende Preise.
Doch der Umsatz der Migrations-Mafias schwindet wegen verstärkter Patrouillen im südlichen Mittelmeer. »Weniger Abfahrten sind aus Sicht europäischer rechter Parteien ein Erfolg«, sagt Tarek Lamloum, ein Aktivist aus Tripolis. »Doch für Libyen, Tunesien oder Städte wie Agadez im Niger bedeutet dies soziale Spannungen, die den Regierungen gefährlich werden können.«
Die libyschen Gastgeber scheinen mithilfe des Themas Migration die von westlichen Diplomaten immer wieder geforderten Neuwahlen im Keim ersticken zu wollen. Obwohl sein Mandat Ende 2022 abgelaufen ist, hat sich Abdelhamid Dbaiba, Premier der international anerkannten Einheitsregierung, ebenso wie sein Konkurrent, der in Ostlibyen herrschende Feldmarschall Khalifa Haftar, zu einem Hauptverbündeten Europas gegen Migration gemausert.
In seiner Eröffnungsrede schlug Dbaiba am Mittwoch neue Töne an. Alle Länder entlang der Migrationsrouten nach Europa hätten eine moralische Verantwortung gegenüber den Menschen, »die auf ihrer gefährlichen Reise durch die Wüste und über das Meer ihr Leben aufs Spiel setzen«. Intern sagen die Organisatoren ganz offen, das Thema Migration selber in die Hand nehmen zu wollen. (…) Giorgia Meloni forderte in Tripolis, illegale Schmugglernetzwerke stärker zu bekämpfen. Dafür war der Konferenzort gut gewählt. Saßen ihr doch einige Milizenkommandeure gegenüber, die UN-Experten als Drahtzieher des Menschenhandels am südlichen Mittelmeer bezeichnen.“ Artikel von Mirco Keilberth vom 18.07.2024 in ND online- Siehe auch unser Dossier: Ein Flüchtlingsbekämpfungs-Deal nach dem anderen: Die EU und ihre »Migrationspartnerschaften«
- N entdeckt ein weiteres Massengrab von Migranten an der Grenze zwischen Libyen und Tunesien von ebenfalls mindestens 65 MigrantInnen
„Die UN gehen Berichten über ein weiteres Massengrab in der Wüste an der libysch-tunesischen Grenze nach. Dies folgt auf die Entdeckung der Leichen von mindestens 65 Migranten an einer anderen Stelle in der Region im März dieses Jahres. Nach Angaben der UN ist die Wüste Sahara für Migranten inzwischen tödlicher als die Überfahrt über das Mittelmeer.
Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk prangerte die anhaltenden Misshandlungen und Verstöße gegen Migranten und Flüchtlinge in Libyen an und forderte „die Behörden auf, rasch auf unsere Anfragen zu reagieren und diese Verbrechen vollständig zu untersuchen.“
„Die Angehörigen der Verstorbenen haben ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, und die Verantwortung für die Untersuchung dieser Verbrechen liegt eindeutig bei den libyschen Behörden“, sagte Türk vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf.
Der hochrangige UN-Beamte betonte auch, dass die Übergriffe gegen Migranten und Flüchtlinge in Libyen seit langem dokumentiert seien und „in großem Umfang und ungestraft verübt“ würden.
Er wies insbesondere auf Verbrechen gegen Menschen wie Menschenhandel, Folter, Zwangsarbeit, Erpressung, Hunger, Inhaftierung und Massenvertreibungen hin, die nach Angaben der UNO sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren begangen werden.
Beunruhigende Entwicklungen
Türk machte keine Angaben zur mutmaßlichen Identität der Opfer des Massengrabs oder dazu, wie der Ort gefunden wurde. Ein Sprecher seines Büros sagte jedoch, dass die Informationen nicht von den Behörden stammten. Türk bezeichnete unterdessen die aktuellen Entwicklungen in Libyen als „beunruhigend“ und wies darauf hin, dass im März dieses Jahres bereits ein Massengrab mit mindestens 65 Leichen von Migranten im Südwesten Libyens entdeckt worden sei. Damals erklärte die IOM in einer Erklärung, dass „die Umstände ihres Todes und ihre Nationalitäten noch unbekannt sind, aber es wird vermutet, dass sie während des Schmuggels durch die Wüste gestorben sind„…“ engl. Beitrag von Sertan Sanderson vom 10.7.2024 bei InfoMigrants (maschinenübersetzt) - Massengrab in der Wüste: Uno-Organisation IOM meldet Fund von mindestens 65 toten MigrantInnen in Libyen
„Der Weg Richtung Mittelmeer endet für Flüchtlinge in Afrika immer wieder tödlich. Nun berichtet die Internationale Organisation für Migration von einem Fund etlicher Leichen im Südwesten Libyens.
Die Migrationsroute aus der Sahelzone nach Nordafrika zählt zu den gefährlichsten der Welt. Immer wieder sterben Menschen bereits in der Sahara, andere geraten etwa in Libyen in die Gewalt von Schleppern und Milizen. Laut einer Mitteilung der Uno-Organisation für Migration (IOM) wurde nun im Südwesten Libyens ein Massengrab mit den Leichen von 65 Migranten gefunden. (…) Die IOM unterstützt in Libyen Migranten in Not. Sie forderte neue Anstrengungen aller Länder, um die irreguläre Migration einzudämmen. Dazu brauche es koordiniertes Handeln gegen Menschenschmuggler und Wege legaler Migration. Der Leichenfund verdeutliche die »dringende Notwendigkeit«, mit einer »koordinierten Antwort« auf das Schmuggeln von Menschen zu reagieren. »Ohne reguläre Wege, die Möglichkeiten zur legalen Migration bieten, werden solche Tragödien ein Merkmal dieser Route bleiben«, teilte die Organisation mit…“ Meldung vom 22.03.2024 im Spiegel online („Massengrab in der Wüste: Uno-Organisation meldet Fund von mindestens 65 toten Migranten in Libyen“) zu derjenigen von IOM: Discovery of Mass Grave with 65 Migrants‘ Bodies in Libya - Mittelmeer: Ärzte ohne Grenzen kritisiert lebensgefährliche Manöver von libyscher Küstenwache und die Missachtung von Menschenleben durch die EU
„Teams von Ärzte ohne Grenzen sind am vergangenen Wochenende Zeugen von zwei gefährlichen Manövern der von der Europäischen Union (EU) unterstützten libyschen Küstenwache geworden. Bei den Vorfällen wurden die Gesundheit und das Leben von Hunderten Schutzsuchenden vorsätzlich gefährdet.
– Pushback deutlich außerhalb des Zuständigkeitsbereichs
– Forderung nach Ende der Unterstützung durch EU
Ärzte ohne Grenzen appelliert an die EU und ihre Mitgliedsstaaten, die finanzielle und materielle Unterstützung der libyschen Küstenwache und die damit einhergehende erzwungene Rückführung von Menschen nach Libyen zu beenden. „Verblendet von dem alleinigen Ziel, die Ankunft von Geflüchteten und Migrant*innen an den europäischen Küsten zu verhindern, unterstützen die EU und ihre Mitgliedstaaten aktiv gewaltsame Pushbacks”, sagt Juan Matias Gil, Leiter der Seenotrettung bei Ärzte ohne Grenzen. „Sie riskieren damit, dass Menschen zurück nach Libyen gebracht werden, wo ihnen Folter und Misshandlung drohen.”
Am vergangenen Freitag wurde das Team von Ärzte ohne Grenzen Zeuge eines Pushbacks der libyschen Küstenwache. Dies geschah in internationalen Gewässern, deutlich außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der libyschen Küstenwache, in der maltesischen Such- und Rettungszone. Trotz des Angebots der Organisation, Hilfe zu leisten und die Menschen an einen sicheren Ort zu bringen, koordinierten die maltesischen Behörden und Frontex die Besatzung eines von Italien gespendeten Patrouillenschiffs der libyschen Küstenwache, um mehr als 100 Menschen abzufangen und gewaltsam nach Libyen zurückzubringen.
Am Samstag (16. März) behinderte ein weiteres Patrouillenschiff der libyschen Küstenwache, das ebenfalls von der italienischen Regierung gespendet wurde, über zwei Stunden lang aggressiv die Rettungen von Ärzte ohne Grenzen und gefährdete so 146 Menschen in Not auf einem Holzboot in internationalen Gewässern. (…)
Die Ereignisse vom Wochenende sind ein weiterer deutlicher Beweis für die fehlenden Such- und Rettungskapazitäten im zentralen Mittelmeer und für die völlige Missachtung von Menschenleben durch die EU und ihre Mitgliedstaaten. Seit 2017 haben die EU und Italien mindestens 59 Millionen Euro ausgegeben, um die libysche Küstenwache auszurüsten und auszubilden, damit sie Ankünfte in Europa verhindern kann…“ Pressemitteilung vom 20. März 2024 - Der oberste italienische Gerichtshof: Gefängnisstrafe für Pushback-Kapitän – Handelsschiffe dürfen keine aus Seenot Geretteten an libysche Küstenwache übergeben
„Der oberste italienische Gerichtshof in Rom hat den Kapitän der »Asso Ventotto« zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er am 30. Juli 2018 insgesamt 101 Geflüchtete aus Seenot gerettet und anschließend der libyschen Küstenwache übergeben hatte. Diese wurden daraufhin nach Libyen, von wo sie die Überfahrt nach Europa angetreten hatten, zurückgeholt. Unter ihnen waren Kinder und schwangere Frauen. Das Kassationsgericht bewertet dies als strafbare »Aussetzung« von vulnerablen Schutzsuchenden. Der Kapitän Giuseppe Sotgiu habe versäumt zu prüfen, ob die Menschen Asyl beantragen wollten. (…) »Das Urteil des Kassationsgerichts sollte auch Mitarbeitenden von Frontex zu denken geben, denn es macht deutlich: Wer Menschen in Seenot nicht rettet, macht sich strafbar«, warnt Sophie Scheytt, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland, auf Anfrage des »nd«. Auch der Justizblogger Paleologo sieht im Fall der »Asso Ventotto« eine womöglich strafbare Komplizenschaft der EU-Grenzagentur, die das nach dem Hirsi-Urteil verbotene Zurückbringen von Geflüchteten im Mittelmeer nunmehr an die libysche Küstenwache delegiert hat. (…) Der Richterspruch aus Brindisi dürfte auch Auswirkungen auf andere, von kommerziellen Schiffen durchgeführte Rettungsaktionen haben. Zu mehreren weiteren Fällen wird dazu unter dem Vorwurf der »Aussetzung« ermittelt. So wurde etwa im November 2018 das Handelsschiff »NIVIN« vom MRCC in Rom angewiesen, ein in internationalen Gewässern in Not geratenes Boot mit 79 Insassen zu retten und dazu die libysche Küstenwache zu kontaktieren. Diese soll den Kapitän der »NIVIN« angewiesen haben, Menschen in einem libyschen Hafen von Bord gehen zu lassen. Weil sich die Geretteten geweigert hätten, das Schiff zu verlassen, sollen Milizen mit Gewalt, Tränengas und Waffen vorgegangen sein. Für die Seeleute seien Rettungen »äußerst herausfordernde Situationen«, sagt dazu der Pressesprecher des Verbands deutscher Reeder (VdR) dem »nd«. Die Schifffahrt und die Besatzungen dürften damit nicht alleine gelassen werden. »Problematisch wird es zum Beispiel, wenn Küstenstaaten die Schiffe nicht in ihre Häfen einfahren und die Flüchtlinge nicht an Land gehen lassen.« Auch deutsche Handelsschiffe haben jedoch in der Vergangenheit aus Seenot Gerettete an die libysche Küstenwache übergeben, bekannt ist dies etwa zur Hamburger Reederei Opielok. Im Flaggenstaat Deutschland ist aber noch kein derartiger Fall zur Anklage gebracht worden – offenbar hat auch die zuständige Staatsanwaltschaft in der Hansestadt hierzu noch keine Ermittlungen aufgenommen. Auch dem VdR ist hierzu nach eigenen Angaben nichts bekannt.“ Artikel von Matthias Monroy vom 29. Februar 2024 in Neues Deutschland online - (Sogar) Italienisches Gericht bestätigt: Libyen ist kein sicherer Hafen!
„Das höchste Gericht in Italien bestätigt: es ist ein Verbrechen, fliehende Menschen an die sogenannten libyschen Küstenwache auszuliefern, weil Libyen nicht als sicherer Hafen angesehen werden kann. Dieses Urteil wurde im Fall des Handelsschiffes Asso 28 gefällt, das am 30. Juli 2018 101 Menschen aus Seenot rettete und dann an die sogenannte libysche Küstenwache übergab, die die Menschen zurück nach Libyen verschleppten. Mit dem Urteil wurde festgestellt, dass der Vorfall von 2018 einer kollektiven Zurückweisung in ein Land, das nicht als sicher gilt, gleichkommt und somit einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention darstellt. Fliehende Menschen, die nach Libyen zurück verschleppt werden, nachdem sie auf See abgefangen wurden, werden routinemäßig inhaftiert und sind schlimmsten Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Misshandlung und Missbrauch ausgesetzt. Auch Frontex arbeitet routinemäßig mit der sogenannten libyschen Küstenwache zusammen (…) Wir fordern ein Ende der Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache! Es braucht endlich sichere Fluchtwege und Bewegungsfreiheit für alle Menschen!“ Meldung vom 23.02.2024 bei der Seebrücke - EU-Grenzschutzagentur Frontex hat in offenbar tausenden Fällen E-Mails mit Positionsdaten von Flüchtlingsbooten an die libysche Küstenwache geschickt
- 2200 heikle E-Mails: Wie Frontex Migranten in die Arme der libyschen Küstenwache treibt
„Libysche Küstenwächter schlagen, treten und schießen auf Asylsuchende. Frontex schickt ihnen trotzdem tausendfach Positionen von Flüchtlingsbooten, wie interne Dokumente zeigen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Agentur schlägt Alarm…“ Artikel von Bashar Deeb und Steffen Lüdke vom 10.02.2024 beim Spiegel online hinter paywall, siehe daher: - Bericht: Intensive Kooperation von Frontex mit libyscher Küstenwache
„Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat in offenbar tausenden Fällen E-Mails mit Positionsdaten von Flüchtlingsbooten an die libysche Küstenwache geschickt, obwohl dieser vorgeworfen wird, im Mittelmeer regelmäßig gewaltsam Migranten abzufangen und völkerrechtswidrig nach Libyen zu bringen. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf interne Dokumente der Grenzschutzagentur. Zuvor gab es immer wieder Berichte über Gewaltausbrüche der Libyer. Demnach schlugen und traten libysche Küstenwächter mehrmals auf jene Migranten ein, die sie formal aus dem Mittelmeer retten sollten. Anschließend bringen die Küstenwächter die Migranten an die libysche Küste zurück. Dort werden sie oft in Haftlager gesteckt. Viele berichten danach von Misshandlungen und Folter. Laut „Spiegel“ schicken die Frontex-Grenzschützer Positionsdaten von Booten in Seenot an alle zuständigen Rettungsleitstellen der Region, darunter auch jene in Tripolis…“ Agenturmeldung vom 10. Feb.2024 in new-facts.eu
- 2200 heikle E-Mails: Wie Frontex Migranten in die Arme der libyschen Küstenwache treibt
- Grauenvolle Zustände und Tuberkulose in libyschen Auffanglagern, Hunderte von sudanesischen Flüchtlingen bleiben vom UNHCR unversorgt
- Missstände in Libyen: Video zeigt am Boden liegende tote Frau in Auffanglager für Geflüchtete
„… Dem britischen »Guardian« liegen Aufnahmen aus einem Lager für Geflüchtete in Libyen vor, die eine Frau zeigen, die dort zwischen anderen Menschen tot auf dem Boden liegt. Das Video gibt einen schockierenden Einblick in die Bedingungen, denen Geflüchtete in dem nordafrikanischen Land ausgesetzt sind. Der Clip, der vermutlich vor zwei Wochen gefilmt und dem »Guardian« von einer Gruppe, die aus Libyen nach Tunesien kam, zur Verfügung gestellt wurde, zeigt einen Raum im Abu-Salim-Auffanglager in Tripolis. Eine nigerianische Frau, die auf den Raum zeigt, in dem Hunderte von Asylbewerberinnen auf Betten zusammengepfercht sind, schreit auf und nennt die Einrichtung ein »Gefängnis«. Das 30-Sekunden-Video endet mit dem Bild einer unterernährten Frau, die tot auf dem Boden zu liegen scheint, unbekleidet, mit offenen Augen. »Diese Frau ist tot«, sagt die Nigerianerin. »Sie ist heute Morgen gestorben.« (…) Zahlreiche NGOs haben über wiederholte Vorfälle von Gewalt gegen Geflüchtete und Migranten berichtet, die in der Einrichtung festgehalten werden. Im Juni 2021 wurde mit automatischen Waffen auf Häftlinge geschossen, was nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen zu einer Reihe von Opfern führte. Die Gruppe kündigte letzte Woche an, dass sie ihre medizinischen Aktivitäten in Tripolis bis Ende des Jahres einstellen werde. Die Uno-Quelle sagte dem »Guardian« ebenfalls, die Frau in dem Video, von der man annimmt, dass sie aus Somalia stammt, sei möglicherweise an Tuberkulose gestorben. Dutzende von Asylbewerbern, die in Abu Salim inhaftiert sind, haben sich mit der Krankheit angesteckt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichten, dass sie in überfüllten Räumen auf Matratzen ausharren und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben…“ Meldung vom 29.08.2023 im Spiegel online - Hunderte von sudanesischen Flüchtlingen bleiben vom UNHCR unversorgt
„Hunderte von sudanesischen Flüchtlingen in Libyen erhalten immer noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Sie haben das UNHCR beschuldigt, nicht genug für ihre Situation zu tun. Die Flüchtlinge kamen in einer kürzlich von Aljazeera gedrehten Dokumentation zu Wort. In einer Fußnote des Dokuments, das auf Youtube.com hochgeladen wurde, schrieb Aljazeera: „Hunderte von sudanesischen Flüchtlingen kampieren vor einem Gebäude der Vereinten Nationen in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Sie sagen, sie bräuchten dringend Hilfe und werfen dem UN-Flüchtlingshilfswerk vor, nicht genug zu tun, um zu helfen.“
Als Reaktion auf die Klagen der sudanesischen Flüchtlinge erklärte Solidarity with Refugees in Libya, ein Zusammenschluss verschiedener Einzelpersonen und Organisationen, die sich mit den Flüchtlingen in Libyen solidarisch zeigen und eng mit ihnen zusammenarbeiten, um ihren Stimmen und Forderungen über Libyen hinaus Gehör zu verschaffen: „Dutzende von Frauen und Kindern, die seit Wochen auf der Straße vor dem @UNHCRLibya wochenlang ohne das Nötigste ausharren.Statt humanitäre Hilfe zu erhalten, werden sie von lokalen Sicherheitskräften und UNHCR-Wachen angegriffen.Sie brauchen SCHUTZ statt MISERIE.“ Eine andere Organisation, Refugee Network Libya, sagte: „Ja, das UNHCR hat es versäumt, die Flüchtlinge zu schützen, die vor seinem Büro in Libyen Tripolis leben.“ Vor der Aljazeera-Dokumentation hatten wir, voiceforafricanmigrants.org, berichtet, wie das UNHCR in Libyen die Flüchtlinge angeblich unmenschlich behandelt. Der Bericht trug den Titel „UNHCR hat uns rausgeworfen, bedroht uns mit Waffen – sudanesische Flüchtlinge„…“ engl. Meldung vom 26.8.2023 bei voiceforafricanmigrants.org („Hundreds of Sudanese refugees still left unattended by UNHCR“, maschinenübersetzt)
- Missstände in Libyen: Video zeigt am Boden liegende tote Frau in Auffanglager für Geflüchtete
- Libysche „Küstenwache“ von Kriminellen unterwandert, sagt sogar die EU-Kommissarin für Migration: Von der EU finanziertes Patrouillenschiff schießt bei Rettungseinsatz
- »Kriminelle« in libyscher Küstenwache: Von der EU finanziertes Patrouillenschiff schießt bei Rettungseinsatz
„Am Freitagnachmittag hat die libysche Küstenwache bei einem Rettungseinsatz im Mittelmeer von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Das berichtet die in der Schweiz ansässige Nichtregierungsorganisation SOS Mediterranée. Demnach sei in unmittelbarer Nähe ihrer in Norwegen registrierten »Ocean Viking« geschossen worden. Die Organisation betreibt das Rettungsschiff gemeinsam mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC). Nach Angaben von SOS Mediterranée habe die Crew auf den Notruf eines kleinen Bootes 45 Seemeilen vor der libyschen Stadt Garabulli reagiert. Es war der zweite Einsatz am gleichen Tag, nachdem die »Ocean Viking« bereits 46 Personen von einem Boot in internationalen Gewässern an Bord genommen hatte. Kurz nach der Evakuierung von insgesamt elf Schiffbrüchigen des zweiten Bootes durch zwei Schlauchboote der »Ocean Viking« soll sich ein Patrouillenschiff der libyschen Küstenwache mit hoher Geschwindigkeit genähert und dabei aus »weniger als 100 Meter« Entfernung geschossen haben. In dem Schlauchboot hätten zu diesem Zeitpunkt eine Frau und fünf unbegleitete Kinder gesessen. Zudem sei das Patrouillenschiff gefährliche Manöver gefahren und habe die Seenotretter auf ihrem Weg zur »Ocean Viking« abdrängen wollen. Der Vorfall wurde von einem Flugzeug der Nichtregierungsorganisation Pilotes Volontaires gefilmt. (…) Allein in diesem Jahr haben libysche Einheiten über 7500 Personen auf Hoher See aufgegriffen und nach Libyen zurückgeholt. So steht es in einem Schreiben der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die 27 EU-Staaten. Libyen sei ein wichtiges »Partnerland«, deshalb solle die Zusammenarbeit zur »Koordinierung von Such- und Rettungskapazitäten und der Grenzüberwachung an den See- und Landgrenzen« verstärkt werden…“ Artikel von Matthias Monroy vom 11. Juli 2023 in Neues Deutschland online , siehe dazu: - Libysche Küstenwache von Kriminellen unterwandert, sagt EU-Kommissarin
„Nach Ansicht der Europäischen Kommission gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass die von ihr subventionierte libysche Küstenwache von kriminellen Gruppen unterwandert ist. Die Erklärung der EU-Kommissarin für Migration, Ylva Johansson, vom Donnerstag (6. Juli) folgt auf die jüngste Übergabe von Patrouillenbooten der EU an die libysche Küstenwache. „Ich muss auch sagen, dass einige der Nachbar- und Transitländer schwieriger sind als andere, wie z.B. Libyen, wo wir auch klare Hinweise darauf haben, dass kriminelle Gruppen auch in die Küstenwache eindringen“, sagte sie den Abgeordneten. „Das ist natürlich keine leichte Aufgabe. Deshalb reicht es nicht aus, mit diesen Ländern zu arbeiten, wir müssen auch mit den Herkunftsländern zusammenarbeiten“, sagte sie…“ engl. Artikel von Nikolaj Nielsen vom 7.7.2023 in euobserver („Libyan coast guard infiltrated by criminals, says EU commissioner“, maschinenübersetzt)
- »Kriminelle« in libyscher Küstenwache: Von der EU finanziertes Patrouillenschiff schießt bei Rettungseinsatz
- Drohnenangriffe gegen Ausreisewelle: Libyens Regierung lässt Küstenstädte bombardieren, um Migration übers Mittelmeer zu bremsen
„… In Libyen sind bei Drohnenangriffen auf Treibstofflager und Befehlszentralen von Menschenhändlern in den Hafenstädten Zawiya und Zuwara mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. In der Hauptstadt Tripolis gestartete Drohnen hatten am Freitag zunächst die Kasernen von Kämpfern der Buzriba-Brüder ins Visier genommen. Die Familie kontrolliert in Zawiya mehrere private und staatliche Gefängnisse für Migranten. Laut UN-Experten schicken die Buzribas ebenso wie konkurrierende Milizen Migranten auf Booten nach Lampedusa und Sizilien. Wer die Drohnen gesteuert hat, ist bislang unbekannt. Die Regierung in Tripolis wird von türkischen Militärberatern unterstützt. Mit dem Einsatz von türkischen Drohnen war zuvor die „Libysch-Arabische Armee“ unter Chalifa Haftar wieder nach Ostlibyen vertrieben worden. Die Türkei hat weiterhin Soldaten und Militärgerät in Tripolis stationiert. Mit dem militärischen Vorgehen gegen die westlibyschen Schmugglernetzwerke will die Regierung von Premierminister Abdulhamid Dabaiba offenbar die für die nächsten Wochen erwartete Ausreisewelle nach Italien stoppen. Zu den vielen Arbeitssuchenden aus Westafrika, die in Westlibyen auf einen Platz in einem Boot warten, sind in den letzten Wochen mehrere Tausend Flüchtlinge aus dem Sudan hinzugekommen. Mit der für Juni erwarteten stabilen Wetterlage ist das Mittelmeer auch für kleine Boote passierbar. Die Grenze zwischen staatlichen und privaten Strukturen ist in Libyen verschwommen. So ist der von der EU wegen Menschenhandel sanktionierte Milizenchef Abdelrahman al-Milad in Zawiya Chef der Küstenwache. Einige Geschosse haben auch Gebäude des Parlamentsabgeordneten Ali Buzriba getroffen, der ebenfalls eine unbekannte Zahl von Milizionären in Zawiya befehligt. (…)Die Konkurrenz zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen in Zawiya war in den letzten Monaten immer wieder in Gewalt umgeschlagen. In Tripolis ankommende Migranten versuchen deshalb, in die tunesische Hafenstadt Sfax zu gelangen, die Zawiya als Hauptabfahrtsort für die Fahrt nach Italien abgelöst hat. In Sfax organisieren sich viele Gruppen aus Subsahara-Afrika mittlerweile autonom, um sich zu schützen. (…) Die Verlagerung der Migration von Libyen in das eigentlich sichere Tunesien hat das Mittelmeer aus Alis Sicht noch tödlicher gemacht. Auch nach UN-Angaben liegt die Zahl der bekannten Opfer mit mehr als 400 im ersten Quartal des Jahres höher als in den letzten sechs Jahren. In den kommenden Wochen dürfte nun die Zahl der aus Sfax sowie aus den ostlibyschen Städten Bengasi und Tobruk abfahrenden Boote extrem ansteigen. Denn nach den Drohnenangriffen in Zawiya wird seit Sonntag auch in Tripolis gekämpft. Die regierungstreue Einheit 444 hatte einen Kommandeur der Rada-Miliz verhaftet, die wiederum mit Schmugglern aus Zawiya verbündet ist. Das Milizenchaos Westlibyens wird sogar für die Menschenhändler zu riskant. Kritiker Haftars vermuten, dass die vielen aus Bengasi und Tobruk ablegenden Boote mit Migranten und Flüchtlingen aus Bangladesch, Syrien, Ägypten und Sudan nur mit dessen Einverständnis ablegen können. „Haftar nutzt die Migration, um Druck auf Europa aufzubauen“, sagt der Libyen-Experte Jalel Harchaoui. Offenbar mit Erfolg: Bei offiziellen Gesprächen mit Italiens Regierungschefin Anfang Mai wurde nicht über die Kriegsverbrechen von Haftars Soldaten gesprochen.“ Artikel von Mirco Keilberth vom 30. Mai 2023 in der taz online - UN-Bericht belegt: EU hat in Libyen Beihilfe zu Straftaten gegen Geflüchtete geleistet – und die Küstenwache aus Libyen bedroht erneut Seenotretter und Geflüchtete
- UN-Bericht: EU hat in Libyen Beihilfe zu Straftaten gegen Geflüchtete geleistet
„Deutlicher hätten die Experten es nicht formulieren können: Die EU hat mit ihrer Unterstützung für die libysche Küstenwache Beihilfe zu Straftaten gegenüber Geflüchteten geleistet. Die Europäische Union hat mit ihrer Unterstützung für die libysche Küstenwache Beihilfe zu Straftaten geleistet. Sie müsse ihre Unterstützung für der Küstenwache überdenken, forderte Chaloka Bayani, der mit anderen unabhängigen Experten im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats die Lage in Libyen seit 2016 untersucht hat. Die Experten legten am Montag in Genf ihren Bericht vor. Die EU müsse sich im Klaren sein, dass in diesem Zusammenhang Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, sagte Bayani. Er betonte: „Wir sagen nicht, dass die EU diese Straftaten begangen hat, aber ihre Unterstützung ist eine Beihilfe zur Ausführung dieser Straftaten.“…“ Meldung vom 28.03.2023 im Migazin , siehe auch: - Erbarmungslose Misshandlung von Migranten in Libyen: Schwere Vorwürfe gegen die EU
„UN-Bericht: Mit ihrer Unterstützung für die libysche Küstenwache leiste die Union Beihilfe zu Straftaten. Steigende Zahlen der Migranten, die über das Mittelmeer aus Libyen und Tunesien nach Italien kommen. Rigides Vorgehen in Italien gegen NGO-Schiff.
Viel war in jüngster Zeit nicht mehr über die Zustände in Libyen zu lesen. Jetzt gibt ein Bericht über die Menschenrechtslage in Libyen auf 53 Seiten detaillierte Auskunft über eine nach wie vor grauenhafte Situation. Zu finden ist er in einem aktuellen Bericht von relief.net . Er präsentiert die Ergebnisse einer unabhängigen Fact-Finding-Mission im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates (Human Rights Council) und soll dort Ende der Woche vorgelegt werden. Auch der EU werden darin Vorwürfe gemacht. (…) Wie diese Straftaten aussehen und zu welchem Leid sie führen, wird im genannten Bericht mehrfach ausgeführt. In Punkt 123 des Dokuments ist die Rede von knapp 680.000 Migranten in Libyen. Die Zahl aus dem Zeitraum zwischen Juli und August 2022 (Seite vier) stammt von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Dazu heißt es im Bericht der UN-Mission, dass sämtliche befragten Migranten „in ähnlicher Weise von einem abscheulichen Kreislauf der Gewalt“ berichten würden. (…) In Punkt 125 werden die Verbrechen gegen die Migranten aufgelistet: Ausbeutung von Migranten in Form von Menschenhandel, Versklavung, sexuelle Sklaverei, Zwangsarbeit, Inhaftierung, Erpressung, Diebstahl von Privateigentum der Migranten. Daraus wird der Schluss gezogen, dass es Grund zur Annahme gebe, dass diese „Ausbeutung einen Anreiz für die Fortsetzung der dokumentierten Rechtsverletzungen und die Konsolidierung von Macht und Reichtum des Staates und der mit ihm verbundenen Gruppen liefere“. Im Folgenden werden sogenannte detention centers beim Namen genannt (…) Der UN-Bericht bekräftigt nun Zweifel daran, ob die EU tatsächlich genau hinschaut, wenn es um die allerseits betonte regelbasierte Ordnung geht, um Menschenrechte und einen anständigen Umgang miteinander…“ Beitrag von Thomas Pany vom 28. März 2023 in Telepolis - Küstenwache aus Libyen: Wieder Schüsse statt Rettung. Küstenwache aus Libyen bedroht Seenotretter und Geflüchtete
„Abermals hat die libysche Küstenwache Menschen in Seenot und die Besatzung eines Rettungsschiffs mit Schusswaffen bedroht. Der Vorfall habe sich am Samstagmorgen in internationalen Gewässern ereignet, berichtet SOS Méditerranée . Als europäisches Netzwerk zur zivilen Seenotrettung im Mittelmeer betreibt es die »Ocean Viking«. Das Schiff wurde vom Notrufnetzwerk Alarm Phone über ein Schlauchboot mit etwa 80 Personen in Seenot benachrichtigt. Auf dem Weg dorthin sei das Patrouillenboot »Zawiyah« der libyschen Küstenwache erschienen und der »Ocean Viking« gefährlich nahegekommen, berichtet die Organisation. In arabischer Sprache sei den Seenotrettern befohlen worden, das Gebiet zu verlassen, da es sich um libysche Gewässer handele. Ausweislich verschiedener Meldungen befand sich die »Ocean Viking« jedoch rund 36 Seemeilen vor der libyschen Küste und damit weit entfernt von der hoheitlichen Zwölfmeilenzone. Alle Versuche der Seenotretter, die »Zawiyah« per Funk zu kontaktieren, seien unbeantwortet geblieben. Die libysche Besatzung habe sich zunehmend aggressiv verhalten, mit Schusswaffen gedroht und schließlich Schüsse aus einer automatischen Waffe in die Luft abgefeuert. So ist es in einem Video dokumentiert , das SOS Méditerranée online veröffentlicht hat. Darauf ist auch zu hören, wie die Besatzung des Rettungsschiffs über Funk ankündigt, sich sofort zu entfernen. Dies sei »angesichts der Bedrohung« für die Sicherheit der Besatzung mit voller Geschwindigkeit erfolgt, schreibt SOS Méditerranée in einer Pressemitteilung…“ Artikel von Matthias Monroy vom 28.03.2023 im ND online
- UN-Bericht: EU hat in Libyen Beihilfe zu Straftaten gegen Geflüchtete geleistet
- Proteste gegen EU-Patrouillenboote für Libyen – 80 Kilometer vor Tripolis hat die Küstenwache italienische Fischer bedrängt
„Rund 100 Personen haben am Montag im norditalienischen Venetien gegen die Lieferung von Patrouillenbooten an die Küstenwache in Libyen demonstriert. Die Proteste erfolgten vor der Werft des Schiffbauunternehmens Cantiere Navale Vittoria in der Kleinstadt Adria. Dort hatten sich Italiens Außenminister, seine libysche Amtskollegin und der EU-Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zu einer Zeremonie eingefunden. Dabei wurde das erste von insgesamt fünf neuen Booten an Libyen übergeben. Die Boote werden über den »Treuhandfonds für Afrika« der Kommission finanziert, von dem rund 59 Millionen Euro für die Grenzüberwachung und Stärkung der zuständigen Polizei- und Militärbehörden in Libyen aufgewendet werden. Weitere zehn Millionen Euro stammen aus dem neuen »Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit«. Mit der Durchführung der Maßnahmen ist das italienische Innenministerium beauftragt. Zu den Protesten aufgerufen hatte die Organisation Mediterranea Saving Humans, die auch ein Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer betreibt. Beteiligt waren außerdem verschiedene Soziale Zentren aus dem Nordosten Italiens. Die Polizei hatte den Zugang zu der Werft zunächst blockiert, Berichten zufolge konnten die Demonstranten die Sperre jedoch überwinden und in die Nähe der Politiker gelangen. Die Regierung in Rom will die Migrationsabwehr mit Libyen weiter ausbauen. »Ihr gebt uns Gas, wir geben euch alle Unterstützung, die ihr braucht, um die Migrationsströme zu stoppen«, verlautbarte die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Ende Januar bei einem Besuch in Tripolis. Allerdings zeigen sich die libyschen Einheiten wenig dankbar. Am 3. Februar, wenige Tage nach dem Besuch der rechtsextremen Meloni, sollen vier italienische Fischerboote rund 80 Seemeilen nördlich von Tripolis von einem Patrouillenboot der libyschen Küstenwache bedrängt worden sein. Nach Angaben der Fischer hätten diese nach Tripolis gebracht werden sollen. Nachdem ein Hubschrauber von Italiens Marine über dem Gebiet auftauchte, habe das Patrouillenboot abgedreht.“ Artikel von Matthias Monroy vom 8. Februar 2023 in Neues Deutschland online- Siehe auch unser Dossier: Italienische Flüchtlingspolitik
- Entführt, gefoltert und verhaftet: 15-jähriger Mazin seit 100 Tagen in Libyen unschuldig in Haft. Seine Familie wendet sich verzweifelt an den UNHCR
„Ein 15-jähriger Junge wird entführt und gefoltert. Die Polizei findet ihn und nimmt ihn in Gewahrsam, wo sie ihn weiter foltert. 100 Tage lang. Was wie ein dramatisches Filmdrehbuch klingt, ist grausame Realität für Mazin. Seine Familie lässt nicht nach, für seine Freiheit zu kämpfen. Jetzt protestieren sie vor dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Tripolis, Libyen, für seine Freilassung. Sie tragen Plakate mit Fotos von ihm, auf denen steht: „Help us to free the child Mazin“ – „Helft uns, unser Kind Mazin zu befreien“. Die Familie lebt seit einigen Jahren in Libyen, nachdem sie vor dem Genozid in Darfur (Sudan) geflüchtet waren. Als Geflüchtete haben sie in Libyen kaum Rechte und erhalten von den libyschen Behörden und den Institutionen der Vereinten Nationen keine Unterstützung. Niemand ist bereit, für Mazin Verantwortung zu übernehmen, Recht durchzusetzen, die Familie zu unterstützen. Wie ihnen geht es tausenden von Schutzbedürftigen, die auf ihrer Flucht nach Libyen kommen oder das Land durchqueren: Fast ohne Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, sind sie darauf angewiesen, einander aus extremen Notsituationen herauszuhelfen. (…) Die Lebensrealität von flüchtenden Menschen in Libyen wird auch durch europäische Migrations- und Asylpolitik geschaffen, besonders durch die europäische Finanzierung der sogenannten libyschen Küstenwache. „Europa ist mitschuldig an der Situation in Libyen, am Leid, an der Folter, an den Morden, den Vergewaltigungen, die in den Haftzentren geschehen“, erklärte Azeb Ambessa bei den Protesten in Genf. Mithilfe von öffentlichem Druck aus Europa, so die Hoffnung von Mazins Vater, könne Mazin befreit werden. Die Hoffnung ist durchaus plausibel: In den Wirren des libyschen Bürgerkriegs ist die Regierung auf (finanzielle) Unterstützung aus Europa angewiesen. Während die EU sich weiter gegen flüchtende Menschen abschottet, kämpft Mazins Familie vor dem UNHCR Tripolis um das Leben und die Freiheit des Jungen. Druck aus der europäischen Zivilgesellschaft und das Eingreifen des UNHCR sind ihre letzten verzweifelten Hoffnungen. „Ich habe keine andere Möglichkeit, nur die Vereinten Nationen. Ich kann mich sonst nirgendwohin wenden“, sagt Mazins Vater in einer Videobotschaft, die vor dem UNHCR Büro in Tripolis aufgenommen wurde. Genau wie bei den Protesten der Refugees in Libya, geht es auch hier um mehr: Libyen ist für keinen Schutzsuchenden ein sicherer Ort. Die EU und der UNHCR müssen endlich Verantwortung für Mazin übernehmen und für alle, die dort jetzt gerade Menschenrechtsverletzungen erfahren.“ Beitrag von Sarah Spasiano vom 10. Januar 2023 im MiGAZIN - Refugees in Libya protestieren in Genf: Der UNHCR arbeite mit Staaten Hand in Hand gegen Menschen in Not und schütze nicht Menschen, sondern Grenzen
„Ein kleines weißes Zelt, direkt neben einer großen Straße in Genf, biegt sich unter dem nassen Schnee, der seit dem Morgen darauf fällt. Es wirkt verschwindend klein vor dem riesigen, klobigen Bürogebäude, über dessen Eingang weit oben in blauen Buchstaben „UNHCR“ prangt. Vor dem Eingang steht bewaffnetes Sicherheitspersonal. Es ist das Büro des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen. Im Zelt und darum herum im Schnee stehen etwa siebzig warm eingepackte Menschen, die damit beschäftigt sind, Mikrofone zu verkabeln, Banner aufzuhängen oder sich die Hände an einem Heizpilz wärmen. Die Stimmung ist erwartungsvoll gespannt. Die Mahnwache, die den gesamten Freitag, den 9. Dezember 2022, vor dem UNHCR abgehalten werden wird, und die Demonstration am darauffolgenden Tag der Menschenrechte, sind Teil der Kampagne „UNFAIR – The UN Refusal Agency“. Sie wurde gestartet von der selbstorganisierten Bewegung „Refugees in Libya“ gemeinsam mit dem transnationalen Netzwerk „Solidarity with Refugees in Libya“ (wir berichteten). Refugees in Libya, das sind Flüchtende, Migrant:innen und Asylbewerber:innen aus Süd-, Ost-, Zentral- und West-Afrika, sowie der Maghreb-Region und dem Nahen Osten, deren Fluchtweg nach oder über Libyen führte. Sie protestierten ab Oktober 2021 einhundert Tage lang vor dem UNHCR-Büro in Tripolis gegen die unerträglichen Lebensbedingungen, denen sie in Libyen ausgesetzt sind. Sie fordern unter anderem die Evakuierung aller Schutzsuchenden aus Libyen, ein Ende der europäischen Finanzierung der sogenannten libyschen Küstenwache und die Schließung der berüchtigten libyschen Haftzentren. Im Januar 2022 wurden diese Proteste gewaltsam von libyschen Sicherheitsbehörden geräumt und viele der Protestierenden in Haft genommen. Überlebende berichten von unerträglichen Bedingungen in diesen Haftlagern. Berichte über Folter, Unterversorgung, sexuelle Gewalt, und schlechte hygienische Bedingungen – hier finden sie Gehör. Nach einer Pressekonferenz am Morgen vor internationaler Presse, stehen die siebzig Personen und das kleine Zelt bis zum Abend als Mahnwache vor dem Gebäude des UNHCR. Immer wieder ergreifen Menschen das Mikrofon, berichten von ihren Erfahrungen, ihrer Enttäuschung, ihrer Wut. Einzelne haben es aus Libyen heraus und nach Europa geschafft. Sie sind heute hier, aber – wie sie beklagen – nicht dank, sondern trotz des UNHCR. Immer wieder wird an diesem Tag ein Vorwurf laut: Der UNHCR schütze nicht Menschen, sondern Grenzen: „Der UNHCR arbeitet Hand in Hand mit den Staaten, mit den Regierungen, gegen schutzbedürftige Menschen, gegen Menschen in Not. Das ist der UNHCR heute“, sagt der Menschenrechtsaktivist Muhammed al-Kashef. (…) Die Reaktionen des UNHCR in den jeweiligen Länderbüros scheinen einem Muster zu folgen: Nach einiger Zeit intensiver Proteste werden den Demonstrierenden Gespräche angeboten. Diese führen in den allermeisten Fällen ins Leere, die Proteste hören irgendwann von selbst auf oder werden von nationalen Sicherheitsbehörden geräumt. Der UNHCR schweigt und sitzt die Kritik aus. (…) Es bleibt abzuwarten, wie der UNHCR mit diesen Protesten, wie auch mit allen vorherigen, umgehen wird und ob er versucht, die Kritik auszusitzen. Notwendig wäre, dass das Flüchtlingshilfswerk die Kritik ernst nimmt und sich mit den Demonstrierenden an den Verhandlungstisch setzt. (…) Allen Widrigkeiten zum Trotz haben die Aktivist:innen der Refugees in Libya es geschafft, sich mit machtvollen Worten und Aktionen über zwei Tage hinweg in Genf Gehör zu verschaffen. Und sie kündigten bereits an: „Nächstes Mal werden wir dem UNHCR noch ein bisschen näherkommen und an seine Türe klopfen.“ Bericht von Theresa Becker und Sarah Spasiano vom 20. Dezember 2022 im MiGAZIN („„Der UNHCR spielt politische Spiele mit unseren Leben”“), siehe:- UNFAIR Agency – eine Kampagne, die die von UNHCR Libya vernachlässigten Stimmen von Refugees verstärkt mit Grundinformationen und dem Protestaufruf auf deren Homepage und auf Twitter
- den Twitter-Account von Refugees In Libya mit vielen Berichten und Videos
- Libyen: Das Aufgreifen und Rückführen von Schutzsuchenden ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Den Haag muss die Verantwortung hochrangiger EU-Entscheidungsträger untersuchen
„Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat heute mit Unterstützung von Sea-Watch eine Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht. Gegenstand der Strafanzeige sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Migranten und Geflüchteten, die systematisch auf See abgefangen werden, um nach Libyen zurückgebracht und dort inhaftiert zu werden. Die Organisationen fordern den IStGH auf, die individuelle strafrechtliche Verantwortung hochrangiger Entscheidungsträger von EU-Mitgliedstaaten und EU-Agenturen im Zusammenhang mit zwölf Fällen von schwerer Freiheitsberaubung zu prüfen, die mit Abfangaktionen auf See zwischen 2018 und 2021 begannen. Zu den mutmaßlichen Mittätern gehören unter anderem die ehemaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini und Marco Minniti, der amtierende und der ehemalige maltesische Premierminister Robert Abela und Joseph Muscat, die ehemalige Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, der ehemalige Exekutivdirektor von Frontex, Fabrice Leggeri, sowie Mitglieder der italienischen und maltesischen Rettungskoordinierungszentren und Beamten der EUNAV FOR MED und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). (…) Das Abfangen von Booten und die anschließende Rückführung von Migranten und Geflüchteten nach Libyen sind keine Such- und Rettungsaktionen, die Leben retten. Stattdessen argumentiert ECCHR in der Strafanzeige, dass diese Operationen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von schwerer Freiheitsberaubung darstellen, da sie Teil eines weit verbreiteten Systems der Ausbeutung sind, das sich gegen diese vulnerablen Gruppen richtet. Der IStGH muss daher die Zusammenarbeit zwischen europäischen und libyschen Akteuren untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht stellen. (…) ECCHR und Sea-Watch fordern: – Eine gründliche Untersuchung des IStGH der mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die an Migranten und Geflüchteten auf See und anschließend in Libyen begangen wurden, einschließlich der Verbrechen, die von hochrangigen Entscheidungsträgern der EU-Mitgliedstaaten und EU-Agenturen begangen wurden; – Eine sofortige Beendigung jeglicher Politik, Finanzierung oder Programme der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die darauf abzielen, die europäischen Grenzen zu externalisieren, indem Migranten in Libyen gefangen gehalten werden; – Eine zivile, nicht-militärische, staatlich finanzierte und koordinierte, flächendeckende europäische SAR-Operation, die im Einklang mit dem Seerecht und den Menschenrechten im gesamten Mittelmeerraum funktioniert und der Pflicht nachkommt, den Menschen Hilfe zu leisten und sie an einem sicheren Ort an Land zu bringen. Im November 2021 reichte das ECCHR mit Unterstützung seiner Partner FIDH und LFJL eine Strafanzeige beim IStGH ein. Diese forderte die Einleitung einer Untersuchung über die Verantwortung bewaffneter Gruppen, Milizen und staatlicher libyscher Akteure an Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Migranten und Geflüchtete in Libyen. Der IStGH untersucht seit 11 Jahren die Situation in Libyen, hat aber bisher noch kein Verfahren wegen Verbrechen speziell gegen Migranten und Geflüchtete eingeleitet…“ ECCHR-Pressemiteilung vom 30. November 2022 - Nach fünf Jahren EU-Finanzierung: Seenotleitstelle in Libyen „nicht einsatzbereit“
„Seit 2017 hat die EU mindestens 57 Millionen Euro zur Migrationsabwehr in Libyen investiert. Die Regierung in Tripolis setzt die UN-Konvention zur Seenotrettung aber immer noch nicht korrekt um. Die Geldgeber aus Brüssel sorgen sich deshalb um ihren Ruf. (…) Völkerrechtlich schien dieses Verfahren Bestand zu haben; die SOLAS-Konvention schreibt vor, dass das für eine Rettungszone zuständige MRCC über einen Seenotfall informiert werden muss. Dahinter verbirgt sich aber eine Hintertür, indem die EU-Schiffe die Geflüchteten nicht selbst in ein Land bringen, wo Verfolgung droht, sondern libysche Behörden mit „Pullbacks“ beauftragen. Wenn jedoch kein MRCC in Tripolis oder anderswo existiert, erfüllt Libyen auch die SOLAS-Anforderungen der Vereinten Nationen für die Wahrnehmung einer eigenen SAR-Zone nicht. Private Rettungsorganisationen weisen darauf seit Jahren hin. Demnach ist die libysche Küstenwache oft nicht erreichbar oder die Besatzung spricht kein Englisch. Beides gehört jedoch gemäß den Vereinten Nationen zu den Grundsätzen einer eine SAR-Zone. (…) Für die Einrichtung des MRCC hat die EU im Projekt „Unterstützung des integrierten Grenzmanagements und der Migrationssteuerung in Libyen — SIBMMIL“ zunächst 42 Millionen Euro aus dem Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika gezahlt, weitere 15 Millionen Euro folgten für eine zweite Phase. Konkrete Angaben auch zum Verbleib der Fördermittel will das italienische Innenministerium aber geheim halten. Die Journalistin Sara Creta klagt deshalb gegen die Regierung in Rom. (…) Die EU-Überwachungstechnik wird noch mehr Menschen den brutalen Methoden der libyschen Küstenwache und den Lagern der Milizen ausliefern. Die Berichte darüber werden auch für die EU zum Problem. In einem Dokument zu dem SIBMMIL-Projekt schreibt etwa die Kommission, dass die Behandlung von Geflüchteten bei Such- und Rettungsaktionen verbesserungswürdig sei, ansonsten könne „das Narrativ und der Ruf der EU weiter beschädigt werden“. Funktioniert hat dies bislang nicht: Kürzlich hat selbst der Grundrechtsbeauftragte bei Frontex den libyschen Behörden die Misshandlung von Menschen, die aus Seenot gerettet werden sollten, attestiert. Die dortige Küstenwache habe demnach sogar mehrfach auf die Geflüchteten auf See geschossen. Auch dies ist durch private Seenotretter:innen mehrfach belegt. Zuletzt hatten Grenztruppen aus Libyen sogar ein Flugzeug der Organisation Sea-Watch mit dem Abschuss durch eine Rakete bedroht.“ Beitrag von Matthias Monroy vom 10. November 2022 bei MiGAZIN - Trotz Protesten: Italien verlängert den Deal mit Libyen um weitere 3 Jahre
- „Wir brauchen mehr sozialen Druck & organisierte Wut! Dieses Memorandum ist Ausdruck des faschistischen Grenzregimes der EU. Solange die Gesellschaft über die Verantwortung der EU für Inhaftierung, Folter, Entführung, Versklavung und Ermordung von Menschen schweigt, sind wir an diesen Verbrechen mitschuldig.“ engl. Thread von iuventa-crew vom 2.11.22 (the memorandum with Libya has been renewed for another 3 years.)
- „Vor fünf Jahren unterzeichneten #Italy, die #EU und #Libya ein Abkommen, um Flüchtlingen den Weg nach Europa abzuschneiden. Der Deal förderte Gewalt und Missbrauch in #Libya und #Mediterranean . Morgen wird das Memorandum im italienischen Parlament automatisch verlängert – Geltungsbereich des Memorandums: Unterstützung der sogenannten libyschen Küstenwache beim Aufbau ihrer Kapazitäten. Für diesen Zweck wurden erhebliche finanzielle und technische Ressourcen bereitgestellt. Allein Italien hat seit 2017 32,6 Millionen Euro zur Unterstützung der sogenannten libyschen Küstenwache ausgegeben. Das Ergebnis des Abkommens: Ein brutaler Kreislauf von Ausbeutung, Erpressung und Missbrauch; in denen Menschen auf der Flucht in Libyen eingeschlossen sind. Europa hat bekommen, was es wollte und finanziert es weiter. Wir fordern: Das Ende jeglicher politischen und materiellen Unterstützung der sogenannten libyschen Küstenwache durch die EU. #NonSonoDaccordo – Stoppt die Verlängerung des Memorandums und schafft endlich sichere & legale Fluchtwege nach Europa!“ engl. Thread von Sea-Watch International vom 1.11.22 zur Kampagne #NonSonoDaccordo
- auch Sea-Watch forderte im Tweet vom 1. Nov. 2022 : „Wir fordern: jede politische und materielle Unterstützung für die sog. Libysche Küstenwache umgehend zu beenden. #NonSonoDaccordo – stoppt die Verlängerung des Memorandums und schafft endlich sichere & legale Fluchtwege nach Europa!„
- Libysche Küstenwache bedroht Aufklärungsflugzeug von Seenotrettern
„Die libysche Küstenwache soll Seenotrettern damit gedroht haben, Aufklärungsflugzeuge mit Raketen abzuschießen. Ein im Netz veröffentlichtes Video zeigt das Geschehen. Die Seenotretter sprechen von einer „neuen Eskalationsstufe“. Die libysche Küstenwache hat laut Sea-Watch privaten Seenotrettern mit Waffengewalt gedroht. Wie die Organisation am Mittwoch auf Twitter mitteilte, drohte ein Boot der Küstenwache, das Sea-Watch-Aufklärungsflugzeug „Seabird“ abzuschießen. Demnach befand sich die „Seabird“ in der maltesischen Such- und Rettungszone und nicht über libyschem Territorium. Sea-Watch-Sprecher Felix Weiss sprach von einer „neuen Eskalationsstufe“. Trotz einer „aggressiven Kommunikation“ der Küstenwache sei der Organisation noch nie auf diese Art gedroht worden, sagte er dem „Evangelischen Pressedienst“. (…) Sprecher Weiss sagte, die „Seabird“ sei nach dem Vorfall abgedreht, weil die Situation nicht einzuschätzen gewesen sei. Dass die libysche Küstenwache mit Raketen auf das Aufklärungsflugzeug feuere, sei zwar schwer vorstellbar. Es sei aber durchaus möglich, dass beispielsweise mit Kalaschnikow-Gewehren auf die „Seabird“ geschossen werde. Grundsätzlich handele es sich bei der libyschen Küstenwache um einen „diffusen und nebligen Akteur“…“ Beitrag vom 27.10.2022 im Migazin , siehe dazu:- „BREAKING: Die sog. Libysche Küstenwache bedroht unsere Flugzeug Crew mit Waffengewalt in der maltesischen Such- und Rettungszone: “Get away from Libyan territory, otherwise we will shoot you by some missiles.” Die völkerrechtswidrige Arbeit des EU Partners:
Nachmittag, 25. Oktober: Unsere #Seabird sichtet ein überfülltes Schlauchboot mit ca. 70 Menschen in Seenot. Kurz darauf erreicht die sog. Libysche Küstenwache das Boot, das sich in der maltesischen Such- und Rettungszone befindet. Nach Ankunft droht das Patrouillenboot unserer Flugzeugcrew – wahrscheinlich um die Dokumentation des folgenden illegalen #Pullbacks zu verhindern. Die flüchtenden Personen werden völkerrechtswidrig innerhalb der #EU-Gewässer abgefangen, das Boot durch Schüsse in Brand gesetzt.
Inzwischen finden #Pullbacks der sog. Libyschen Küstenwache wie selbstverständlich in europäischen Gewässern statt. Trotz systematischer Menschenrechtsverletzungen setzen die #EU & #Italien die Kooperation & finanzielle Unterstützung fort – eine eindeutige politische Agenda.
„Wer Menschen an die Libysche Küstenwache überführt, bricht mit dem Völkerrecht“, sagte @ABaerbock noch in der Opposition. Heute erkennt ihr @AuswaertigesAmt die sog. Libysche Küstenwache als Partner an und lässt fliehende Menschen gewaltsam zurück nach #Libyen verschleppen. Da wir mehr daran interessiert sind, Menschen zu retten, als sie zu töten, haben wir es nicht bemerkt: Die sog. Libysche Küstenwache drohte nicht damit, uns mit „some missiles“ zu beschießen, sondern mit „SAM missiles“ (Boden-Luft-Raketen). Kriegswaffen.“ Thread von Sea-Watch vom 26. Okt. 2022 mit Video
- „BREAKING: Die sog. Libysche Küstenwache bedroht unsere Flugzeug Crew mit Waffengewalt in der maltesischen Such- und Rettungszone: “Get away from Libyan territory, otherwise we will shoot you by some missiles.” Die völkerrechtswidrige Arbeit des EU Partners:
- Flüchtlingskrise im Mittelmeer: Bundesregierung setzt weiter auf Libyen
„Ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer, Rückführungen in libysche Folterlager und ein permanenter Bruch des Völkerrechts: Eigentlich wollte die neue Bundesregierung dem ein Ende setzen. Doch davon kann nach Monitor-Recherchen keine Rede sein. Es sind Jagdszenen, die die Seenotretter von der Initiative „Sea-Watch“ regelmäßig aus der Luft dokumentieren. Die so genannte libysche Küstenwache verfolgt Flüchtlingsboote, die versuchen nach Europa zu fliehen und den Milizen zu entkommen. Doch sie haben keine Chance, werden abgefangen und nach Libyen zurückgebracht, wo ihnen Folter und Misshandlungen drohen. Zahlreiche Videoaufnahmen solcher Abfangaktionen liegen dem ARD-Magazin Monitor vor, die jüngste stammt aus dieser Woche. (…) Die Libyer scheinen für deutsche Behörden (…) weiter ein legitimer Partner zu sein. Das offenbart ein Treffen der Bundespolizei mit Vertretern der Küstenwache Libyens Anfang Juli. Es habe sich lediglich um einen Informationsaustausch und ein Kennenlernen gehandelt, erklärt die Bundespolizei dazu auf Anfrage. Die Libyer hätten aber gleichwohl den Wunsch nach besserer Ausrüstung geäußert. Klar ist: Die libysche Küstenwache soll von Europa weiter aufgerüstet werden. Nach internen Berichten, die Monitor vorliegen, sollen jährlich mindestens 200 Millionen nach Nordafrika fließen. Als Ziele zuvorderst genannt werden in einem EU-Dokument: Grenzschutz und Seenotrettung in Libyen. In einem sogenannten „Action-Plan“ für Libyen heißt es klar und deutlich: Die libysche Küstenwache und die libysche Seepolizei sollen weiter ausgebaut werden, „damit diese effektive Such- und Rettungsaktionen durchführen können“. (…) Im Juni 2018 hatte die heutige Außenministerin dagegen noch klargestellt: „Man kann keine Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache machen, einem Regime, einem Terrorregime, in deren Lagern gefoltert, vergewaltigt wird, wo Menschen daraus fliehen.“ Offensichtlich sieht sie das heute anders.“ Beitrag von Lara Stratmann und Elke Brandstätter vom 28. Juli 2022 bei tagesschau.de- Sehenswert dazu das Video „Flüchtlingsdrama im Mittelmeer: Wortbruch der Bundesregierung?“ beim ARD-Magazin Monitor vom 28. Juli 2022 (Videolänge: 8:55 Min.)
- Libyen: Protest gegen EU-finanzierte Foltergefängnisse
„Die verheerende Menschenrechtslage in dem Kriegsland ist bekannt. Über die Rolle der EU wird weniger gesprochen. Warum eigentlich? (…) Den Protesten von Migranten und Migrantinnen gegen ihre Lebensbedingungen in Libyen und fehlende internationale Hilfen (…) schlägt dröhnendes Schweigen entgegen. (…) Der blinde Fleck in der Berichterstattung wird unangenehm auffällig, wenn man die Zahl der Inhaftierten betrachtet, die mehrfach in die Hunderte geht – Zahlen, die zum Beispiel in Belarus zu einer umfangreichen Berichterstattung in allen deutschen Medien führten. So wurden allein in der Räumung einer Sitzblockade vor dem UNHCR im Januar rund 600 Personen festgenommen. Es gab auch Tote. Doch die Verantwortlichen sind Kooperationspartner der EU, nicht Putins. Nachdem libysche Behörden am 1. und 2. Oktober 2021 in einer groß angelegten Offensive rund 4.000 Migrant:nnen aus ihren angemieteten Wohnungen im tripolitanischen Stadtteil Gargaresh holten, auf LKWs packten und in Internierungs- (bzw. Arbeits-) Lager brachten, gab es einen Aufstand in dem überfüllten Sammelzentrum Al-Mabani. Die zusammengepferchten und hungernden Menschen rissen Zäune und Tore ein und strömten auf die Straße. Wie auch zuvor bei der Razzia in Gargaresh schossen die libyschen Milizionäre auf die Flüchtenden und töteten dabei einige der Protestteilnehmer. (…) Die obdachlosen und verängstigten Migrant:innen begannen daraufhin vor der lokalen Niederlassung des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Geflüchtete (UNHCR) im Stadtteil Al-Serradsch zu campen. Sie forderten von der Agentur der Vereinten Nationen und generell der internationalen Gemeinschaft die Wahrung ihrer Rechte, Legalisierung oder Evakuierung in ein sicheres Land. Doch auch hiergegen gingen die libyschen Autoritäten vor. Ein junger Sudanese wurde im Oktober vor dem Community Day Center des UNHCR erschossen und am 10. Januar, bei der Räumung der Sitzblockade vor dem UNHCR, dann wieder 600 Personen in Internierungslager abtransportiert. Der UNHCR selbst nahm jedoch nicht einmal den Forderungskatalog der Protestierenden entgegen, sondern warf ihnen vor, von ihnen bei der Hilfe von hilfsbedürftigen Geflüchteten behindert worden zu sein – ein Vorwurf der von den Protestierenden und anwesenden Journalisten dementiert wurde. (…) Die Forderungen der protestierenden Migrant:innen in Libyen decken sich somit komplett mit den Forderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und internationalem Recht. Doch scheinbar haben es die EU-Institutionen und nationalen Regierungen nicht gerade eilig, dem Richtspruch und Recht zu folgen und die Hölle in Libyen zu beenden – oder zumindest die Flucht daraus zuzulassen. Entschieden sind demgegenüber die protestierenden Migrant:innen auf Tripolis Straßen. Auf die Frage nach der Räumung im Januar, ob der Protest nun vorbei sei, antwortete Yambio David der ak: „Ich kann euch versichern: Wir fangen gerade erst an.“ Auf ihrem Twitter-Profil Refugees in Libya dokumentierten die Aktivisten seitdem erneute Repression und Massenfestnahmen. Zum Zuckerfest am 3. Mai 2022, dem Festtag zum Ende des Ramadans, wurden die Migranten von der offiziellen Feier auf dem Platz der Märtyrer vertrieben. Hunderte wurden wieder in die berüchtigten Internierungslager gebracht.“ Beitrag von Pablo Flock vom 19. Mai 2022 bei Telepolis - Umstrittenen Bundeswehr-Einsatz im Mittelmeer vor Libyen verlängert – Seenotrettern üben Kritik: Symbolpolitik helfe Opfern nicht.
„… Die Bundeswehr beteiligt sich ein weiteres Jahr an der EU-Marinemission „Irini“ im Mittelmeer. Dabei ist die umstrittene Ausbildung der libyschen Küstenwache aber nicht mehr vorgesehen, wie aus der am Freitag vom Bundestag beschlossenen Mandatsverlängerung bis Ende April 2023 hervorgeht. Grund dafür ist nach Angaben der Bundesregierung wiederholtes inakzeptables und rechtswidriges Verhalten der Küstenwache gegenüber Flüchtlingen und Migranten sowie Nichtregierungsorganisationen, die bei der Seenotrettung helfen. Weiterhin sollen bis zu 300 deutsche Soldaten bei der nach einer griechischen Friedensgöttin benannten Mission eingesetzt werden. Dabei geht es vor allem darum, mit Schiffen, Fluggerät und Satelliten das Waffenembargo gegen Libyen zu überwachen. Weitere Aufgaben der Mission sind die Verhinderung illegaler Ölausfuhren sowie die Bekämpfung von Schlepperkriminalität. Anders als bei der Vorgängermission „Sophia“ sieht der Auftrag von „Irini“ Seenotrettung nicht als eine festgelegte Aufgabe vor. (…) Seenotretter kritisieren den Beschluss des Bundestags als unzureichend. Er bleibe hinter den im Koalitionsvertrag formulierten Verbesserungen für Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer zurück. „Die libysche Küstenwache hat 2021 fast dreimal so viele Flüchtende auf See abgefangen wie 2020”, sagt Mirka Schäfer von der zivilen Seenotrettungsorganisation SOS Humanity. IOM-Angaben zufolge wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres mehr als 4.200 Menschen von der libyschen Küstenwache auf See abgefangen und nach Libyen zurückgebracht. (…) Die Bundesregierung mache mit der Mandatsänderung deutlich, dass das Agieren der libyschen Küstenwache nicht mit den Menschenrechten und den europäischen Werten vereinbar ist. Die Entscheidung sei jedoch nur ein rein symbolischer Schritt, der die Situation von Flüchtenden nicht verändere.“ Meldung vom 1. Mai 2022 von und bei MiGAZIN - Lager der Schande – Europas Libyen-Deal
„Wer kontrolliert die Haftlager für Migrantinnen und Migranten in Libyen? Die Doku zeigt die Gefangenencamps und beleuchtet die Verbindungen zwischen Milizen, Menschenschmugglern und Behörden: Ein eingespieltes System, das aus der europäischen Politik Kapital schlägt und sich die Laxheit von Ländern wie Italien zunutze macht – bis hin zur Einbeziehung der Vereinten Nationen…“ Film von Sara Creta (Frankreich 2021) bei arte - Geflüchtete in Libyen an die EU-Kommission: »Ich möchte die Welt daran erinnern, dass wir Menschen sind«
- „Eine Nachricht an die @EU_commission und die @GovernmentLY von Flüchtlingen in Libyen. In Libyen werden Flüchtlinge und Einwanderer unmenschlich behandelt und willkürlich festgenommen, gefolgt von Vergewaltigung, Folter und Erpressung. Heute fordern wir beide Parteien auf, uns als Menschen anzuerkennen.“ (engl.) Thread und Video von Refugees In Libya vom 20.4.2022
- Dazu Sea-Watch am 21.4.2022 auf Twitter : „Heute befasst sich @EP_Justice im EU-Parlament mit der Situation von Geflüchteten in Libyen. Die Betroffenen wurden dazu nicht eingeladen oder im Vorfeld angehört. Es wird Zeit, dass die EU-Kommission endlich klare Position zu Libyen bezieht & den @RefugeesinLibya zuhört!„
- Geflüchtete in Libyen: »Ich möchte die Welt daran erinnern, dass wir Menschen sind«
„Flüchtlinge sind in Libyen in einem Kreislauf aus Gewalt und Perspektivlosigkeit gefangen. Im Oktober 2021 forderten Tausende vor dem Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks in Tripolis ihre Rechte ein. Der selbstorganisierte Protest wurde von den libyschen Behörden brutal unterdrückt – und war in Europa kaum eine Randnotiz. Und heute? »Der Protest ist entstanden, weil die Menschen den Kreislauf der Gewalt nicht länger ertragen. Und weil wir verstanden haben, dass wir niemanden haben, der sich für uns einsetzt. Es sei denn, wir organisieren uns selbst.« Mit diesen Worten erklärt ein junger Mann aus dem Südsudan sein Engagement in der Selbstorganisation der Flüchtlinge in Libyen. Am 13. April lud die Gruppe »Refugees in Libya« zu einem Online-Gespräch über ihre Lage ein. Das Gefühl, von der Welt allein gelassen zu werden, gepaart mit Verzweiflung, Wut und Entschlossenheit, dem Schicksal die Stirn zu bieten, schien immer wieder durch, als Männer und Frauen aus verschiedenen afrikanischen Ländern über die katastrophale Situation vor Ort berichteten. Einer von ihnen, der noch immer in Libyen lebt, ist der 24-jährige Charlie. Er heißt eigentlich anders, will seinen echten Namen aber aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich machen. »Ich möchte die Welt daran erinnern, dass wir Menschen sind, keine Zahlen. Wir sind Menschen, die Namen haben, die eine Mutter, einen Vater, ein Kind, eine Schwester haben«, sagte er. »Aber die internationale Gemeinschaft hat versagt, das zu erkennen. Menschen werden geschlagen, getötet, Frauen vergewaltigt, Männer zur Zwangsarbeit genötigt. All das geschieht in Libyen unter den Augen der internationalen Gemeinschaft, mit den Geldern europäischer Behörden. Wissen die europäischen Steuerzahler, dass ihr Geld unschuldige Menschen kaputt macht, Mütter und Väter, die sich nach Freiheit sehnen und die ein normales Leben führen wollen?« (…) Weder die Selbstorganisation der Geflüchteten in Libyen noch deren Unterdrückung und Inhaftierung wurde hierzulande groß zur Kenntnis genommen. Daran zeigt sich, dass die Strategie Europas, den Flüchtlingsschutz auszulagern und möglichst keine Bilder zu produzieren, um bloß nicht Empathie zu wecken, aufgeht. Die Logik dahinter ist einfach: Wo es keine Bilder gibt, gibt es auch kein Mitgefühl – und keine Empörung. Von der einen oder anderen Zeitung abgesehen, wurde kaum über die Protestbewegung berichtet. »Wir haben 100 Tage lang protestiert und so viel geweint, aber niemand hat uns zugehört«, sagt Charlie enttäuscht. »Selbst Tiere werden besser behandelt als wir. Aber wir werden weiter davon berichten, was uns angetan wird.« (…) »Wir sehen, dass sehr viele Ukrainer in den europäischen Mitgliedsstaaten aufgenommen wurden«, sagt Charlie. »Aber die internationale Gemeinschaft sollte nicht nach Hautfarbe, Herkunft oder Bildung entscheiden. Auch wir zählen. Weil wir Menschen sind. Die Medien berichten nicht über uns, aber wir haben dasselbe durchgemacht wie die Ukrainer.«…“ Pressemitteilung vom 14. April 2022 bei Pro Asyl
- EU-Kommission rüstet Überwachung in Libyen weiter auf – und sorgt sich um ihren Ruf
„Aus Mitteln der Entwicklungshilfe finanziert die EU eine verlegbare Radaranlage für die libysche Küstenwache. Die für ihre Brutalität bekannte Truppe will damit Geflüchtete bei einer Überfahrt nach Europa aufspüren. Abgefangen werden sie dann mit drei neuen Patrouillenbooten. (…)Seit 2017 investiert die Europäische Union in die verstärkte Überwachung der libyschen Seegrenzen. Im Rahmen des Projekts „Unterstützung des integrierten Grenzmanagements und der Migrationssteuerung in Libyen — SIBMMIL“ wurde Italien beauftragt, ein maritimes Koordinationszentrum in der Hauptstadt Tripolis zu installieren und eine Seenotrettungszone festzulegen, in der seitdem die libysche Küstenwache zuständig ist. Die Einrichtung der Leitstelle finanzierte die EU zunächst mit 42 Millionen Euro aus dem Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika, für eine zweite Phase des Projekts wurden weitere 15 Millionen Euro bewilligt. (…) Im Dezember hat die italienische Marine weitere Technik zur Überwachung der Seegrenzen nach Libyen verschifft. (…) Über das SIBMMIL-Projekt erhält Libyen außerdem drei neue Patrouillenboote. (…) Das System ist aus Sicht der EU erfolgreich: 2021 wurden mindestens 32.425 Menschen von der libyschen Küstenwache abgefangen und in menschenunwürdige Lager in Tripolis gepfercht, unter ihnen 1.500 Minderjährige. Gegenüber 2020 hat sich diese Zahl beinahe verdreifacht. Gleichzeitig werden die Schiffe der Rettungsorganisationen von Italien weiterhin an der Ausfahrt gehindert. Über 1.500 Menschen sind deshalb laut der Internationalen Organisation für Migration im vergangenen Jahr im Mittelmeer ertrunken. Eigentlich sollte der Nothilfe-Treuhandfonds der EU, aus dem Italien die Ausrüstung der libyschen Küstenwache finanziert, die Ursachen irregulärer Migration angehen. Tatsächlich werden die Gelder für ein neues Abschreckungsregime genutzt. Die libysche Küstenwache ist für ihre brutalen Übergriffe gegenüber Geflüchteten bekannt, mehrfach wurden zudem private Seenotretter:innen bedroht und beschossen. In einem Dokument zu dem SIBMMIL-Projekt schreibt auch die Kommission, dass die Behandlung von Geflüchteten bei Such- und Rettungsaktionen verbessert werden müsse. Ansonsten könnte „das Narrativ und der Ruf der EU weiter beschädigt werden“. Beitrag von Matthias Monroy vom 21. Februar 2022 bei Netzpolitik.org - »Wir wollen, dass ihr unsere Geschichten weitertragt«. In Libyen organisieren sich Geflüchtete gegen die unmenschlichen Bedingungen – Yambio David ist einer von ihnen
Yambio David im Gespräch mit Henrike Koch in ak 679 vom 15. Februar 2022 : „… Ich habe in Libyen Erpressungen, willkürliche Inhaftierungen und schwere Menschenrechtsverletzungen erlebt. Monatelang war ich ohne gerichtliche Überprüfung inhaftiert und wurde zur Arbeit gezwungen. Ich wurde mehrmals in verschiedenen Haftanstalten gefoltert, nur weil ich bin, wer ich bin: ein Immigrant, ein Refugee, in ihrer Welt also ein Niemand. Sie geben uns hier das Gefühl, Untermenschen zu sein. (…) Was wir hier erleben, zwingt uns dazu, in Boote zu steigen. Ich habe ein paar Mal versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, wurde aber jedes Mal abgefangen und von libyschen Milizen in Internierungslager gebracht. Aufgrund der Dinge, die ich durchgemacht habe, bin ich Aktivist geworden. (…) Im Grunde ist der Protest entstanden, weil die Menschen den Kreislauf der Gewalt nicht länger ertragen. Und weil wir verstanden haben, dass wir niemanden haben, der sich für uns einsetzt. Es sei denn, wir organisieren uns selbst. Wir haben vor dem UNHCR in Tripolis für eine faire Behandlung protestiert und gefordert, dass wir als Menschen anerkannt werden, dass unsere Rechte geschützt und respektiert werden, dass die Gefangenen freigelassen und wir evakuiert werden. Unter den Protestierenden herrschte eine große Wut darüber, dass uns so viel Leid zugefügt wird, während die internationale Gemeinschaft schweigt und der UNHCR sich nicht für unsere Rechte einsetzt. Wir fühlen uns immer noch im Stich gelassen. (…) Wir fordern, dass die europäischen Staaten aufhören, mit der libyschen Küstenwache und den libyschen Milizen zusammenarbeiten und dass alle Lager – wir nennen sie Konzentrationslager – in Libyen vollständig geschlossen werden. Und wir fordern den Schutz und die Evakuierung all derjenigen, die sich in Libyen nicht sicher fühlen. Außerdem müssen die Täter, die Verletzer von grundlegenden Menschenrechten, vor dem Gesetz zur Rechenschaft gezogen werden. (…) Wir erwarten von deutschen wie von allen Open-Border-Aktivist*innen nicht mehr, als dass ihr unsere Stimmen verstärkt. Wir wollen, dass ihr unsere Geschichten weitertragt – ohne Filter und ohne, dass unseren Worten, unserem Schmerz und unserer Realität etwas hinzugefügt oder etwas davon weggelassen wird. Die Situation in Libyen muss ein Thema für alle werden, denn erst, wenn es eine Weltöffentlichkeit dafür gibt, wird es für die Regierungen und Entscheidungsträger*innen keinen Ausweg mehr geben…“ - Migrantische Proteste in Libyen: Wir sind Geflüchtete und wir leben in Libyen. Unser politisches Manifest.
„Dieses Manifest wurde von Migrant*innen verfasst, die während mehr als 100 Tage vor dem „UNHCR Community Center“ in Tripolis protestierten.
Anfangs Oktober 2022 haben das libysche Militär und die Polizei den Ort Gargaresh überfallen, welcher westlich von Tripolis liegt und das Zuhause von vielen Migrant*innen ist. Mit Schusswaffen ausgerüstet, haben sie Türen eingebrochen, Wohnungen durchsucht und die Bewohner*innen gewaltsam heraus gezerrt. Tausende wurden festgenommen und in Lagern untergebracht. Viele flohen darauf vor das UNHCR Hauptquartier in Tripolis auf der Suche nach Schutz und Gerechtigkeit. Anfangs Januar 2022 griffen libysche Sicherheitskräfte den Protest äußerst gewaltvoll an. Zelte wurden verbrannt, Migrant*innen verletzt und festgenommen und in ein Lager in Ain Zara gebracht. Die Bilder und Nachrichten, welche Migrant*innen aus Ain Zara veröffentlichen, zeigen grausame Lebensbedingungen. Eine grosse Mitverantwortung für diese Zustände tragen westliche Institutionen; wie das UNHCR oder die EU und ihre Grenzschutzbehörde Frontex.
Wir sind Geflüchtete und wir leben in Libyen.
Wir kommen aus Südsudan, Sierra Leone, Tschad, Uganda, Kongo, Ruanda, Burundi, Somalia, Eritrea, Äthiopien und Sudan. Wir sind auf der Flucht vor Bürger*innenkriegen, Verfolgung, Klimawandel und Armut in unseren Herkunftsländern. Wir wurden alle von unaushaltbaren Zuständen zur Flucht gedrängt.
Wir versuchten Europa zu erreichen, auf der Suche nach einer zweiten Chance für unser Leben und gelangten deshalb nach Libyen. Hier wurden wir zu unsichtbaren Arbeitskräften der libyischen Wirtschaft: Wir errichten Backsteinmauern und bauen libysche Häuser; wir reparieren und waschen libysche Autos; Wir produzieren Früchte und Gemüse für libysche Bäuerinnen und Bauern und für libysche Teller; Wir montieren Satellitenschüsseln auf hohen Dächern für die libyschen Bildschirme usw.
Offensichtlich reicht das den libyschen Behörden nicht. Unsere Arbeitskraft ist nicht genug. Sie wollen die volle Kontrolle über unsere Körper und unsere Würde. Bei unserer Ankunft trafen wir auf einen Alptraum von Folter, Vergewaltigung, Erpressung und willkürlicher Einsperrung… Wir litten unter jeder möglichen und unvorstellbaren Verletzung der Menschenrechte. Nicht nur einmal…“ Manifest in dt. Übersetzung dokumentiert am 20.02. 2022 bei barrikade.info , weitere Informationen gibt es auf: www.refugeesinlibya.org - Menschen im libyschen Lager Ain Zara seit 3 Tagen im Hungerstreik
„600 Menschen werden immer noch im berüchtigten libyschen Lager Ain Zara festgehalten, wo Vergewaltigung, Folter und Zwangsarbeit an der Tagesordnung sind. Seit Samstag befinden sich einige der gefangen gehaltenen Menschen im Hungerstreik, um gegen die unmenschliche Behandlung zu protestieren und ihre Evakuierung zu fordern.
Sowohl die deutsche Bundesregierung als auch die EU sind maßgeblich mitverantwortlich für das Leid der schutzsuchenden Menschen in Libyen, da sie sich an der Finanzierung und Ausstattung der sog. libyschen Küstenwache beteiligen – auch in diesem Jahr plant die EU mehrere Schiffe an die sogenannte libysche Küstenwache zu liefern. Diese hindert Menschen an der Flucht über das Mittelmeer und verschleppt sie zurück in Detention Centers, wo ihnen schlimmste Menschenrechtsverletzungen drohen. Damit muss endlich Schluss sein!
Wir stehen solidarisch an der Seite von RefugeesInLibya und fordern die sofortige Evakuierung der schutzsuchenden Menschen aus Libyen und ein Ende der Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache!“ Meldung vom 10.02.2022 bei Seebrücke - Appell: Freiheit und Sicherheit für Geflüchtete in Libyen – Zusammenarbeit mit Libyen beenden
„Geflüchtete in Libyen werden den Folterern und Vergewaltigern überlassen, vor denen sie geflohen waren. Ein Appell von Carola Rackete, Milo Rau, Jean Ziegler und medico international.
Die libysche Regierung hatte Anfang Oktober in einer überraschenden Verhaftungsaktion tausende Flüchtlinge aus Wohnungen und Sammelunterkünften zusammengetrieben, um sie in die berüchtigten Haftlager Libyens zu bringen. Mindestens sechs Menschen wurden dabei von libyschen Sicherheitskräften ermordet. Einige tausend konnten entkommen und campierten seither in der Hoffnung auf Hilfe, Schutz und Evakuierung auf der Straße vor dem UN-Flüchtlingshilfswerk. Vergeblich: Der UNHCR behauptete, diese Menschen seien nicht „vulnerabel“, man habe keine Kapazitäten für sie. Ende Dezember schloss der UNHCR das Community Development Center. Infolgedessen waren die Menschen vollkommen schutzlos der „libyschen Behörde zur Bekämpfung illegaler Migration“ (DCIM) ausgeliefert, die Hunderte von ihnen Anfang Januar unter Einsatz von Schusswaffen in das Haftlager Ain Zara brachte. Dabei wurden zum Teil Kinder von ihren Eltern getrennt.
Der Umgang mit dem Protestcamp zeigt eindrücklich, dass es in Libyen für Migrant:innen und Flüchtlinge keine Sicherheit gibt. Da Libyen keine Asylgesetzgebung hat, gelten die Menschen automatisch als „illegale Migrant:innen“ und können jederzeit Opfer von Razzien, willkürlicher Inhaftierung und Gewalt werden. Wir fordern:
Die Europäische Union ebenso wie die europäische Grenzschutzagentur Frontex und die Mitgliedsländer der EU müssen sofort jegliche Finanzierung und Kooperation mit der korrupten libyschen Küstenwache beenden, die Flüchtlinge und Migrant:innen in die Folterlager Libyens zurückzubringt. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen stattdessen die Seenotrettung wieder aufnehmen, um das Überleben schiffbrüchiger Flüchtlinge sicherzustellen. Sie müssen zudem genügend Resettlementplätze für die gepeinigten Migrant:innen und Flüchlinge in Libyen zur Verfügung stellen. Der UNHCR muss endlich tätig werden und sein klares völkerrechtliches Mandat wahrnehmen…“ Appell vom 26. Januar 2022 bei Medico International - Protest von Schutzsuchenden vor dem UNHCR in Tripoli nach über 100 Tagen brutal niedergeschlagen – #EvacuateRefugeesFromLibya: Social Media Aktion 25.01. – 27.01.
„… Der friedliche, selbstorganisierte Protest von afrikanischen Schutzsuchenden vor dem UNHCR in Tripoli, Libyen wurde nach > 100 Tagen brutal niedergeschlagen. Mindestens 600 Menschen, darunter Frauen und Kinder, wurden in eines der berüchtigten Gefangenenlager verschleppt, wo Vergewaltigung, Folter und Zwangsarbeit an der Tagesordnung sind. Deutschland ist mitverantwortlich für das tödliche Lagersystem in Libyen und doch schweigen die Verantwortlichen und die Medien. Lasst uns gemeinsam den Stimmen der @RefugeesinLibya in Deutschland und der EU Gehör verschaffen!...“ Aus dem mehrsprachigen Aufruf bei No Border Assembly – Genauere Infos in der pdf-Version mit Vorschlägen für Posts und Tweets und Forderungen – #EvacuateRefugeesFromLibya #DefundLibyanCoastGuard #DismantleLibyanDetentionCenters #SafePassage #FortressEurope - Libyen: Hunderte von Festnahmen bei erneuter Razzia gegen MigrantInnen und Flüchtlinge
„Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) und das International Rescue Committee (IRC) sind alarmiert über die Festnahme von mehr als 600 Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern vor dem ehemaligen Community Day Centre in Tripolis heute früh. Das Zentrum diente der humanitären Unterstützung von Flüchtlingen und Asylbewerbern, bevor es im Dezember endgültig geschlossen wurde. Dax Roque, der Landesdirektor des Norwegischen Flüchtlingsrats für Libyen, sagte: „Wir sind alarmiert über die Festnahme von Hunderten von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern, darunter auch Frauen und Kinder, die vor dem ehemaligen Tageszentrum in Tripolis kampierten. Zeugen haben uns berichtet, dass ihnen heute Morgen Gewalt angetan wurde und dass behelfsmäßige Zelte niedergebrannt wurden. Dies ist der Höhepunkt einer katastrophalen Situation, die sich in den letzten Monaten verschlechtert hat. Seit der Masseninhaftierung von Tausenden von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern im Oktober letzten Jahres hat sich die Situation für diese Bevölkerungsgruppe in Libyen nur noch verschlimmert.“
Thomas Garofalo, der Landesdirektor des International Rescue Committee, sagte: „Unsere medizinischen Teams haben die Verletzten der Verhaftungen von heute Morgen versorgt, darunter eine Person mit einer Schusswunde. Soweit wir wissen, wurden Hunderte von Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, in Haftanstalten weitergeschickt, wo die Bedingungen oft schon schlimm sind. Zu Beginn des neuen Jahres sollten uns die Ereignisse einmal mehr daran erinnern, dass die derzeitige Situation für Migranten und Flüchtlinge in Libyen unhaltbar ist und einen neuen Ansatz erfordert, der die Rechte der Menschen auf der Flucht respektiert.
Die humanitären Organisationen fordern die libyschen Behörden auf, die Inhaftierten – insbesondere Frauen, Kinder und Flüchtlinge – unverzüglich freizulassen und sie vor weiterer Gewalt zu schützen. Darüber hinaus fordern sie die internationale Gemeinschaft auf, die Neuansiedlung und andere sichere und reguläre Wege für Flüchtlinge, Asylsuchende und andere Migranten, die Libyen verlassen möchten, unverzüglich auszuweiten.“ Maschinenübersetzung des (engl.) Statement von Norwegian Refugee Council (NRC) und International Rescue Committee (IRC) vom 10.1.2022 (per e-mail). Siehe auch:- Im Visier der libyschen Milizen: Geflüchtete werden Opfer willkürlicher Festnahmen. Artikel von Mirco Keilberth, Tunis, vom 11.01.2022 im ND online
- Spendenkampagne der „Refugees In Libya“: Solidarität mit Flüchtlingen in Libyen
„Wir sind Flüchtlinge und wir leben in Libyen. Wir kommen aus dem Südsudan, Sierra Leone, Tschad, Uganda, Kongo, Ruanda, Burundi, Somalia, Eritrea, Äthiopien und dem Sudan. Wir sind auf der Flucht vor Bürgerkriegen, Verfolgungen, Klimaveränderungen und Armut in unseren Herkunftsländern. Wir alle wurden von Umständen getrieben, die über das menschlich Erträgliche hinausgehen.
Auf der Suche nach einer zweiten Chance für unser Leben wollten wir Europa erreichen und gelangten so nach Libyen. Hier wurden wir zu den versteckten Arbeitskräften der libyschen Wirtschaft: Wir mauern und bauen libysche Häuser, wir reparieren und waschen libysche Autos, wir kultivieren und pflanzen Obst und Gemüse für libysche Bauern und libysche Esstische, wir montieren Satelliten auf hohen Dächern für die libyschen Bildschirme usw.
Den libyschen Behörden reicht das offenbar nicht aus. Unsere Arbeitskraft ist nicht genug. Sie wollen die volle Kontrolle über unseren Körper und unsere Würde. Was wir bei unserer Ankunft vorfanden, war ein Albtraum aus Folterungen, Vergewaltigungen, Erpressungen, willkürlichen Verhaftungen… wir erlitten alle möglichen und unvorstellbaren Menschenrechtsverletzungen. Nicht nur einmal.
Wir wurden von der so genannten libyschen Küstenwache – die von den italienischen und europäischen Behörden finanziert wird – gewaltsam auf See abgefangen und dann in Gefängnisse und unmenschliche Konzentrationslager zurückgebracht. Einige von uns mussten diesen Zyklus der Demütigung zwei-, drei-, fünf-, bis zu zehnmal wiederholen.
Wir versuchten, unsere Stimme zu erheben und unsere Geschichten zu verbreiten. Wir trugen sie Institutionen, Politikern und Journalisten vor, aber bis auf wenige Interessierte blieben unsere Geschichten ungehört. Wir wurden absichtlich zum Schweigen gebracht.
Aber jetzt nicht mehr. Seit dem 1. Oktober 2021, dem Tag, an dem libysche Polizei- und Militärkräfte in unsere Häuser im Stadtteil Gargaresh kamen und rücksichtslos, schwerwiegend und gnadenlos gegen uns vorgingen und Massenrazzien durchführten. Tausende wurden willkürlich verhaftet und in unmenschlichen Konzentrationslagern festgehalten. Am nächsten Tag kamen wir als Einzelpersonen und versammelten uns im UNHCR-Hauptquartier. Hier wurde uns klar, dass wir keine andere Wahl hatten, als uns selbst zu organisieren.
Wir erhoben unsere Stimmen und die Stimmen der stimmlosen Flüchtlinge, die ständig zum Schweigen gebracht werden. Wir können nicht weiter schweigen, solange sich niemand für uns und unsere Rechte einsetzt. Wir sind jetzt hier, um unsere Rechte einzufordern und Schutz in sicheren Ländern zu suchen. Deshalb fordern wir jetzt mit unserer Stimme:- Evakuierung in sichere Länder, in denen unsere Rechte geschützt und geachtet werden.
- Gerechtigkeit und Gleichheit unter den Flüchtlingen und Asylbewerbern, die beim UNHCR in Libyen registriert sind.
- Die Abschaffung der Finanzierung der libyschen Küstenwache, die ständig und gewaltsam Flüchtlinge abfängt, die aus der libyschen Hölle fliehen, und sie nach Libyen bringt, wo ihnen alle Gräueltaten widerfahren.
- Die Schließung aller Haftanstalten in ganz Libyen, die vollständig von den italienischen Behörden und der Europäischen Union finanziert werden.
- Die Behörden sollten die Täter vor Gericht stellen, die auf unsere Brüder und Schwestern in und außerhalb der Haftanstalten geschossen und sie getötet haben.
- Die libyschen Behörden sollen die willkürliche Inhaftierung von Personen, die dem Büro des UNHCR am Herzen liegen, einstellen.
- Libyen aufzufordern, die Verfassung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 zu unterzeichnen und zu ratifizieren.“
Maschinenübersetzung des engl. Spendenaufrufs bei gofundme für ihre Selbstorganisation
- „Refugees in Libya“ protestieren nun seit 2 Monaten vor dem UNHCR in Tripolis: Tägliche Berichte und Spendenaufruf
„Nach der Razzia von Polizei und Militär in Gargaresh am 1. Oktober beschlossen wir am 2. Oktober, vor das UNHCR Community Day Centre (CDC) in Tripolis zu ziehen, um Schutz und die Achtung unserer Rechte als Menschen zu fordern. So sehen unsere Lebensbedingungen seit dem 2. Oktober aus. Wir haben keinen Zugang zu den Grundbedürfnissen: Unterkunft, Toiletten, Trinkwasser, Medikamente, Hygieneartikel für Frauen und Kinder…“ Siehe die neue Website der Refugees in Libya mit Berichten und Spendenaufruf sowie deren Twitter-Account - Beihilfe zum Flüchtlingsmord. Menschenrechtsorganisationen erstatten wegen Verbrechen an Flüchtlingen in Libyen Anzeige beim Internationalen Strafgerichtshof und bezichtigen EU der Kollaboration
„Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) Strafanzeige wegen schwerster Verbrechen an Flüchtlingen in Libyen erstattet und bezichtigen die EU der Kollaboration. Die Vorwürfe lauten auf zahllose Verbrechen von Freiheitsberaubung über Folter, Vergewaltigung und Versklavung bis zum Mord; mutmaßliche Täter sind Wächter in libyschen Flüchtlingslagern und bekannte Milizenführer. Mit Blick auf die Flüchtlingsabwehr der EU heißt es, „europäische Akteure“ hätten, indem sie die Flucht aus Libyen zu verhindern suchten, „Verbrechen gegen die Menschheit“ in zahlreichen Fällen erst ermöglicht. Die Menschenrechtsorganisationen belegen dies mit dem systematischen Bemühen der EU und vor allem ihrer südlichen Mitgliedstaaten, Libyen die Kompetenzen für die Seenotrettung zu übertragen sowie Libyens Küstenwache zum Aufgreifen von Flüchtlingsbooten zu befähigen. Bereits im Juni 2019 hatten Menschenrechtsanwälte deswegen Strafanzeige beim ICC gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten erstattet. Auch in UN-Gremien steigt der Druck auf die EU…“ Beitrag vom 24.11.2021 bei German-Foreign-Policy (Teil II) - Flüchtlingslager in Libyen: Kaum Luft zum Atmen. Hilfsorganisationen rufen die EU auf, die Zusammenarbeit mit Libyen zu beenden
„Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ hat die Zustände in libyschen Internierungslagern für Flüchtlinge angeprangert. In und um die Hauptstadt Tripolis würden Tausende Flüchtlinge und Migranten in Lagerhallen und Hangars festgehalten, sagte die „Ärzte ohne Grenzen“-Projektmanagerin für Libyen, Ellen van der Velden, dem „Evangelischen Pressedienst“ in Amsterdam. In vielen Lagern gebe es keine Toiletten, keine Fenster und kaum Luft zum Atmen. Zuletzt habe sich die Situation nochmal verschlimmert. Libyen ist ein Haupttransitland für Flüchtlinge und Migranten auf dem Weg nach Europa. Nach UN-Angaben leben mindestens 43.000 Flüchtlinge in dem nordafrikanischen Land. (…) „Die Menschen können sich oft nicht hinsetzen oder hinlegen.“ Immer wieder müssten bewusstlose Flüchtlinge und Migranten versorgt werden. Außerhalb der Hauptstadt würden viele Lager von kriminellen Organisationen betrieben, zu denen ihre Organisation keinen Zutritt habe, sagte van der Velden. (…) So hätte viele Flüchtlinge erzählt, während Telefonaten mit ihrer Familie verprügelt worden zu sein, damit die Verwandten ihren Peinigern Geld schickten. „Es ist schlimmer als im Gefängnis“, sagte van der Velden. (…) Die Libyen-Beauftrage der Hilfsorganisation forderte die Europäische Union dazu auf, die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache zu beenden. „Die Kooperation muss stoppen.“ Die Küstenwache bringe ausnahmslose alle von ihr auf dem Mittelmeer abgefangenen Menschen in die Lager, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen lebten. Zudem müsse die internationale Gemeinschaft, Schutzsuchende aus Libyen evakuieren und auf andere Staaten verteilen.“ Beitrag von Moritz Elliesen vom 2. November 2021 bei MiGAZIN - Wegweisendes Urteil: Handelskapitän wegen Auslieferung von Geflohenen an Libyen verurteilt
„… Nach der Rückführung von Geflohenen nach Libyen ist der Kapitän eines Handelsschiffes von einem italienischen Gericht zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Es sei illegal, Migranten der sogenannten libyschen Küstenwache zu übergeben, entschied das Gericht in Neapel in einem wegweisenden Urteil am Donnerstag, wie die Zeitung „Avvenire“ berichtete. Der Kapitän der „Asso 28“ wurde zu einem Jahr Haft verurteilt. Es wird erwartet, dass er in Berufung geht. Es ist das erste Mal, dass der Kapitän eines kommerziellen Schiffes wegen der erzwungenen Rückführung von Geretteten verurteilt wird. Damit bestätigt das Gericht auch erstmals, dass Libyen nicht als sicherer Hafen gewertet werden kann. Zivile Schiffe, die an sogenannten Pushbacks beteiligt sind, könnten künftig belangt werden. Amnesty International begrüßte das Urteil. Es sei sehr wichtig für den Umgang mit dem Recht auf Asyl in Europa. Das Handelsschiff „Asso 28“ hatte im Juli 2018 über 100 Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot gerettet und sie in die libysche Hauptstadt Tripolis zurückgebracht, ohne ihr Anrecht auf Asyl zu prüfen. Sie wollten in einem Schlauchboot von Libyen aus nach Europa gelangen. Unter den Geflohenen waren dem Bericht zufolge mehrere Minderjährige und Schwangere. Für das Urteil stützten sich Staatsanwaltschaft und Gericht auf Funkgespräche, die das spanische Seenotrettungsschiff „Open Arms“ aufgezeichnet hatte…“ Meldung vom 15. Oktober 2021 beim MiGAZIN - Mindestens 15 Menschen vor Libyen ertrunken
„Immer wieder sterben Menschen beim Versuch, Libyen zu verlassen. Sei es im Mittelmeer oder durch die Gewalt von Sicherheitspersonal in den Internierungslagern. Mindestens 15 Geflohene sind laut den Vereinten Nationen vor der Küste Libyens ertrunken. Die libysche Küstenwache habe ein Boot mit Dutzenden Menschen, die das Mittelmeer überqueren wollten, zurück gezwungen, erklärte die Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration, Safa Msehli, am Dienstag in Genf. Das hätten 90 Überlebende berichtet. (…) IOM-Sprecherin Msehli verwies darauf, dass die Rückführung der Überlebenden in die elende Internierung die Traumata der Migranten verlängere und in vielen Fällen verschlimmere. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte prangerte die grauenhaften Zustände in den Gefangenenlagern für Flüchtlinge an, in denen Gewalt und Not herrschten. Libyen müsse alle Internierten frei lassen, forderte die Sprecherin des Hochkommissariats, Marta Hurtado. Seit Anfang Oktober habe es eine Serie entsetzlicher Übergriffe auf Migranten rund um die Camps gegeben, bei denen viele Menschen getötet worden sein. Am Freitag wurden nach UN-Angaben mindestens sechs Menschen durch Sicherheitspersonal in einem Internierungslager in Tripolis getötet worden. Zuvor waren demnach Tausende Migrantinnen und Migranten bei Razzien festgenommen worden, so dass das Lager komplett überfüllt war. Am Mittwoch vergangener Woche flohen nach Angaben des Menschenrechts-Kommissariat 500 Migranten aus dem Lager Gheriyan. Wachmannschaften hätten sie gejagt und das Feuereröffnet. Nach vorläufigen Erkenntnissen seien mindestens vier Menschen getötet worden, viele andere hätte Verletzungen erlitten…“ Meldung vom 13.10.2021 beim Migazin - [Libyen] Aufstand gegen die Willkür: Eingesperrte Migranten flüchten aus Internierungslagern in Tripolis
„Noch immer übernachten mehrere Tausend Menschen in den Straßen der libyschen Hauptstadt, mehr als eine Woche nach der Massenverhaftung von Migranten. Vor dem Hauptquartier des Flüchtlingshilfswerkes der UN werden Gruppen aus Eritrea, dem Sudan und Bangladesch mit Lebensmitteln versorgt. (…) Zuvor waren bei dem Ausbruch von mehreren Tausend inhaftieren Migranten aus einem Gefängnis am vergangenen Freitag mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der internationalen Organisation für Migration IOM wurden 22 von Schüssen Verwundete in Krankenhäuser eingeliefert. Der Leiter der Libyen-Mission Frederico Soda sagte, man wisse nicht genau, was den Vorfall ausgelöst habe. »Sicher ist aber, dass die Wachen auf die flüchtenden Menschen geschossen haben, die in dem überfüllten Al-Mabani-Zentrum zusammengepfercht worden waren«, so Soda. Das libysche Innenministerium gab die Zahl der in einer Lagerhalle untergebrachten Menschen mit 2000 an. Bei der überraschenden Verhaftungsaktion der Vorwoche waren Tausende Flüchtlinge und Migranten aus ihren Wohnungen, auf offener Straße und aus Massenunterkünften zusammengetrieben worden. Nach offiziellen Angaben wurden 4000 Menschen in Lager gebracht, Anwohner in dem betroffenen Bezirk Gargaresch gehen jedoch von bis zu 10 000 Menschen aus. Auch Ahmed Bol wurde aus seiner Wohnung verschleppt. »Maskierte Männer in Uniform nahmen uns Handy, Geld und Dokumente ab. Obwohl wir alle Arbeit auf einer Baustelle haben und gemeinsam eine Wohnung mieten«, berichtet der Sudanese am Telefon. (…) IOM-Chef Soda geht von 3000 Menschen aus, die nach der Verhaftungswelle der Vorwoche mehrheitlich auf dem Boden schlafen mussten und hungerten. Einige Verhaftete filmten mit eingeschmuggelten Handys, wie Uniformierte mit Stöcken und Peitschen auf am Boden hockende Menschen einschlugen. Aus Verzweiflung über den Mangel an Wasser, Nahrung und Platz begannen dann am Freitag in mehreren Gefängnissen von Tripolis Aufstände, berichtet Ahmed Bol…“ Artikel von Mirco Keilberth vom 12. Oktober 2021 in neues Deutschland online , siehe auch die Meldungen von Refugees In Libya auf Twitter - WhatsApp nach Libyen: Wie Frontex mit einer List das Völkerrecht umgeht
„Die EU darf Geflüchtete nicht in Länder bringen, wo ihnen Verfolgung droht. 2017 hat die Kommission deshalb eine Hintertür für Zurückweisungen nach Nordafrika eingerichtet. Erstmals veröffentlichte Textnachrichten belegen, wie die Grenzagentur die Luftaufklärung für die libysche Küstenwache übernimmt. (…) Wie weit die Kooperation tatsächlich ging, zeigen WhatsApp-Nachrichten zwischen Frontex und Einheiten der libyschen Küstenwache. Dass diese existieren, hatte bereits der SPIEGEL gemeldet. Nach einer Anfrage des Autors nach dem Informationsfreiheitsgesetz sind sie hier im Volltext abrufbar. (…) Mit dem Aufbau des Flugdienstes und dem Ende der Operation „Triton“ 2018 zog Frontex ihre Schiffe aus dem zentralen Mittelmeer ab. Die Agentur ist also nicht mehr direkt an der Seenotrettung beteiligt, wenn ihre Luftfahrzeuge dort ein Boot mit Geflüchteten entdecken. Meist starten diese Boote in Libyen, in vielen Fällen aber auch in Tunesien, seltener aus Ägypten. Durch eine Hintertür sorgt Frontex dafür, dass die Schutzsuchenden nicht in die EU-Mitgliedstaaten gelangen, sondern wieder in Nordafrika enden. Die Grenzagentur informiert in zunehmenden Umfang libysche Behörden mit dem Auftrag, die Menschen auf Hoher See aufzugreifen und nach Libyen zurückzubringen. (…) Die EU-Grenzagentur übernimmt de facto die Luftaufklärung für die libysche Küstenwache. Diese enge Kooperation sorgt nicht nur dafür, dass Tausende von Menschen in Lager zurückgebracht werden, in denen sie Misshandlung, Folter und Tod erwarten. Wenn auch die Position eines Seenotfalls gegenüber Rettungsorganisationen geheim gehalten werden, ist Frontex direkt verantwortlich, dass Menschen deshalb im Mittelmeer ertrinken. Frontex nahm auch mehrere Tage nach schriftlicher Bitte nicht Stellung zur direkten Kooperation mit der libyschen Küstenwache.“ Beitrag von Matthias Monroy vom 12. Oktober 2021 bei Netzpolitik.org - Libyen: Tausende Migrant*innen nach fünftägigen Massenverhaftungen interniert
„Die Zahl der Migrant*innen und Geflüchteten in Internierungslagern in Tripolis hat sich in den vergangenen fünf Tagen verdreifacht. Dies berichten Teams von Ärzte ohne Grenzen, die in drei Internierungslagern der libyschen Hauptstadt medizinische Versorgung anbieten. Zu dem drastischen Anstieg haben fünf Tage andauernde willkürliche Massenverhaftungen geführt, die seit dem 1. Oktober in Tripolis stattgefunden haben. Dabei wurden mindestens 5.000 Männer, Frauen und Kinder von Sicherheitskräften der Regierung festgenommen. Bei den Razzien waren viele der Festgenommenen Berichten zufolge schwerer körperlicher Gewalt einschließlich sexueller Gewalt ausgesetzt. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurde ein junger Migrant getötet, mindestens fünf weitere erlitten Schussverletzungen. Die Festgenommen wurden in staatliche Internierungslager gebracht und dort in Zellen gesperrt, die vielfach überbelegt sind. Die Menschen erhalten kaum sauberes Wasser, Nahrung oder Zugang zu Toiletten. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen gehen davon aus, dass viele Menschen angesichts der Gewalt bei den Razzien dringend medizinische Versorgung brauchen. (…) Im Lager Schara Zawija, in dem normaler Weise 200 bis 250 Menschen untergebracht sind, sahen die Teams mehr als 550 Frauen und Kinder, darunter Schwangere und Neugeborene, in Zellen zusammengepfercht. In Al-Mabani sahen die Teams Hangars und Zellen, die so überfüllt waren, dass die Männer darin nur stehen konnten. Außerhalb der Zellen wurden Frauen und Kinder unter freiem Himmel festgehalten, ohne Schatten oder Unterstände. Einige Männer berichtete einem Team, dass sie seit drei Tagen nichts gegessen hätten. Frauen berichteten, sie hätten nur ein Stück Brot und eine Ecke Käse bekommen. Mehrere Männer waren bewusstlos und brauchten dringend medizinische Hilfe.“ Pressemitteilung von und bei Ärzte ohne Grenzen vom 6. Oktober 2021 - Flüchtlinge in Libyen: Ausgebeutet und gequält
„Laut Monitor-Recherchen werden Flüchtlinge in libyschen Lagern weiterhin misshandelt und ausgebeutet. Seit Jahren verspricht die Bundesregierung, sich für die Verbesserung der Lage einzusetzen – bisher offenbar ohne Erfolg. „Wir brauchen Freiheit“ rufen etwa Hundert Männer, die eng zusammengepfercht in einer dunklen Zelle stehen. Ihre Hände sind gekreuzt aus Protest gegen ihre Gefangenschaft in einem der libyschen Flüchtlingslager. Das Video, das den Protest zeigt, liegt dem ARD-Magazin Monitor vor. Das Lager ist eins von vielen, in die Menschen gebracht werden, die beim Versuch, nach Europa zu fliehen, von der sogenannten libyschen Küstenwache abgefangen werden. Auf dem Papier sind es Flüchtlingslager – faktisch sind es Gefängnisse. Monitor hat mit vielen Geflüchteten gesprochen, die in libyschen Lagern inhaftiert und gequält wurden – auch, weil die EU das System mit aufgebaut hat, das sie auf der Flucht abfängt und in die Lager bringt. (…) Doch die angestrebten Verbesserungen haben die staatlichen Lager offenbar nicht gebracht. Auch, weil die libysche Küstenwache immer effizienter wird: Allein in diesem Jahr hat sie bereits mehr als 20.000 Menschen abfangen und zurück nach Libyen gebracht – fast doppelt so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Das führe zu vollkommen überfüllten Lagern, kritisiert Beatrice Lau von der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. „Wir sprechen über vier Menschen auf einem Quadratmeter. Ohne frische Luft, mit eingeschränktem Zugang zu Wasser und Essen. Das führt immer wieder zu Gewalt zwischen Wachpersonal und Migranten.“…“ Beitrag von Lara Straatmann, WDR, am 19.08.2021 bei tagesschau.de - Beihilfe zum Flüchtlingsmord. Amnesty International prangert EU wegen Zuarbeit für Menschenrechtsverbrechen an Flüchtlingen in Libyen an
„Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) erhebt schwere Vorwürfe gegen die EU wegen ihrer Zuarbeit bei Ergreifung und Internierung von Flüchtlingen in Libyen. Demnach sorgen EU-Stellen und Einrichtungen der Mitgliedstaaten dafür, dass Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer nicht von Seeleuten aus Europa gerettet, sondern von der sogenannten libyschen Küstenwache aufgegriffen werden. Diese beschießt die Boote zuweilen oder bringt sie zum Kentern. Flüchtlinge, die sie ergreift, werden oft in Flüchtlingslager gebracht. In den Flüchtlingslagern wiederum sind sie schwersten Misshandlungen ausgesetzt; auch Morde sind dokumentiert. Tausende von der „Küstenwache“ aufgegriffene Flüchtlinge sind spurlos verschwunden. Am heutigen Donnerstag befasst sich der UN-Sicherheitsrat mit Libyen – freilich nicht mit der Lage der Flüchtlinge, sondern mit dem drohenden Scheitern des Plans, in Libyen am 24. Dezember Parlaments- und Präsidentenwahlen durchzuführen. Dies bedeutete zugleich das Scheitern der zweiten Berliner Libyen-Konferenz am 23. Juni, die der deutsche Außenminister als „Erfolg“ seiner Diplomatie gefeiert hat. (…) AI weist ausdrücklich auf die Rolle der EU und ihrer Mitgliedstaaten bei den seit einem Jahrzehnt anhaltenden schweren Menschenrechtsverbrechen an Flüchtlingen in Libyen hin. Obwohl sie sich „der entsetzlichen Rechtsbrüche vollauf bewusst“ seien, arbeiteten sie mit den einschlägigen libyschen Stellen umstandslos zusammen, konstatiert die Menschenrechtsorganisation. In der Tat wird beispielsweise die libysche „Küstenwache“ seit Jahren mit Mitteln der EU aufgerüstet und trainiert. Mehr noch: Die Verbrechen an den Flüchtlingen seien „das eindeutige und vorhersehbare Ergebnis“ eines Systems des Abfangens und Einsperrens missliebiger Migranten, das „von der EU unterstützt“ werde, hält AI fest. Die Organisation bestätigt, was vor kurzem bereits durch Berichte von Médecins sans frontières (MSF) sowie weiteren Hilfsorganisationen bekannt wurde: Der Anstieg der von der libyschen „Küstenwache“ aufgegriffenen Flüchtlinge beruht vor allem darauf, dass die zuständigen EU-Leitstellen Flüchtlingsboote zwar aufspüren, ihnen aber keinerlei Hilfe zukommen lassen – und stattdessen libysche Stellen über die Boote informieren, die diese dann stoppen. AI fordert ausdrücklich: „Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen die Kooperation mit Libyen bei der Grenz- und Migrationskontrolle einstellen.“...“ Beitrag von German-Foreign-Policy vom 15.7.2021 , siehe auch die Meldung von Amnesty International : „Libyen: Schwere Menschenrechtsverletzungen in Haftzentren für Schutzsuchende“ zum Amnesty-Bericht „‚No one will look for you‘: Forcibly returned from sea to abusive detention in Libya“ - 133 Menschen gerettet. Video zeigt: Libysche Küstenwache schießt auf Flüchtlingsboot
„Binnen weniger Tage haben Seenotretter auf der „Ocean Viking“ 132 Menschen gerettet – darunter viele Minderjährige und Frauen sowie zwei Schwangere. Ein Video zeigt, wie die libysche Küstenwache auf ein Flüchtlingsboot schießt. Bei ihrer vierten Rettungsaktion binnen vier Tagen hat die „Ocean Viking“ am Sonntag 67 Menschen an Bord genommen. Sie seien im Mittelmeer von einem überfüllten Holzboot gerettet worden, das kurz vor dem Kentern gewesen sei, erklärte die Organisation SOS Méditerranée, die die „Ocean Viking“ betreibt. Noch am Freitag hatte die Besatzung 44 Menschen aus Seenot gerettet. Die Geflohenen seien aus zwei Holzbooten in der maltesischen Rettungszone an Bord geholt worden, teilte die Hilfsorganisation mit. (…) Laut SOS Méditerranée störte ein libysches Patrouillenboot, das sich näherte, bei der ersten Rettung. Die Seenotrettungsorganisation „Sea-Watch“ hatte bereits am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache erhoben. Demnach sah die Besatzung des Beobachtungsflugzeugs der Organisation, „Seabird“, einen Angriff der Küstenwache auf ein Flüchtlingsboot in der maltesischen Rettungszone. Auf den Videobildern ist zu sehen, wie die Schüsse in Richtung des Bootes abgegeben und die Geflohenen mit Gegenständen beworfen werden. Zudem ist zu sehen, wie mehrmals versucht wird, das Boot zu rammen…“ Meldung vom 05.07.2021 bei Migazin , siehe dazu:- Thread von Sea-Watch vom 1. Juli 2021 samt Video : „Gestern wurde #Seabird Zeugin eines brutalen Angriffs tief in der maltesischen Rettungszone. Unser Video zeigt deutlich: Die sog. Libysche Küstenwache feuerte Schüsse in Richtung des Bootes, versuchte mehrmals das Boot zu rammen und warf mit Gegenständen nach Menschen…“
- und den Thread von Sea-Watch vom 3. Juli 2021 : „Die Ras Jadir 648 ist das Libysche Küstenwachen-Schiff, dessen Besatzung am Mittwoch wahllos auf Menschen auf der Flucht schoss. Ein Blick auf die Geschichte des Schiffes verrät, wer wirklich dahinter steckt…“
- Mit automatischen Waffen gegen Flüchtlinge: Hilfsorganisationen protestieren gegen Hunger und Gewalt in libyschen Flüchtlingslagern. EU-Behörde Frontex begünstigt Aufgreifen und Internierung von Flüchtlingen
„Hilfsorganisationen schlagen wegen der katastrophalen Verhältnisse in libyschen Internierungslagern für Flüchtlinge zum wiederholten Mal Alarm. Médecins sans frontières (Ärzte ohne Grenzen) hat kurz vor der Berliner Libyen-Konferenz mitgeteilt, die ärztliche Versorgung in zwei Lagern in Tripolis wegen des gewalttätigen Vorgehens des Lagerpersonals einstellen zu müssen; in einem der Lager hatten Wächter mit automatischen Waffen auf internierte Flüchtlinge geschossen. Aus einem weiteren Lager wird monatelanger sexueller Missbrauch 16- bis 18-jähriger Frauen gemeldet. Die Lager sind zur Zeit stark überbelegt, weil die von der EU trainierte und ausgerüstete libysche Küstenwache immer mehr Flüchtlinge aufgreift – dank systematischer Zuarbeit der EU-Flüchtlingsabwehrbehörde Frontex. Allein in den ersten sechs Monaten 2021 wurden bereits mehr Migranten von der Küstenwache festgesetzt als im Gesamtjahr 2020. Der Europäische Auswärtige Dienst lobt, die Küstenwache, die unerwünschte Flüchtlinge von der EU fernhält, erziele „exzellente Ergebnisse“. (…) „Die Effektivität der libyschen Küstenwache“, heißt es mit Blick auf die Entwicklung im zweiten Halbjahr 2020, „konnte gesteigert werden und exzellente Ergebnisse erzielen“. In der Tat ist die Zahl der Flüchtlinge, die libysche Küstenwächter von ihren Booten holten sowie zurück nach Libyen brachten, von 9.000 im Jahr 2019 auf fast 12.000 im Jahr 2020 gestiegen; allein zwischen dem 1. Januar und dem 19. Juni dieses Jahres belief sich ihre Anzahl laut Médecins sans frontières bereits auf mehr als 14.000. Die Mitwirkung von Frontex stuft die Völkerrechtlerin Nora Markand von der Universität Münster als „mit dem Völkerrecht unvereinbar“ ein: Es handele sich „im Grunde“ um „Beihilfe zu schwersten Menschenrechtsverletzungen“. (…) Auf der gestrigen zweiten Berliner Libyen- Konferenz spielte die Lage der Flüchtlinge keine Rolle…“ Bericht vom 24. Juni 2021 von und bei German-Foreign-Policy , wir erinnern an unser Dossier: Für die EU sind nunmehr endgültig Geflohene Verbrecher: Alle ins (vorzugsweise: afrikanische) Lager, mehr Kopfgeld für libysche Banden, massive Frontex-Aufrüstung - Sea-Watch 4 bezeugt Gewalt gegen Flüchtende [mit Video]
„Am vergangenen Samstagmorgen wurde die Besatzung der Sea-Watch 4 Zeugin einer gewaltvollen Rückführung durch die sogenannte Libysche Küstenwache und beobachtete, wie sie auf die Menschen im Schlauchboot einschlug, um sie anschließend nach Libyen zurück zu schleppen. Mit Hilfe von Kameras und Ferngläsern konnte die Besatzung den Zwischenfall beobachten und dokumentieren. Dies kommt keine zwei Wochen nachdem der Bundestag die deutsche Beteiligung an der EU-Mission IRINI im zentralen Mittelmeer für zwei weitere Jahre zu verlängerte. Zentraler Bestandteil ist dabei auch die Fortsetzung der Ausbildung der sogenannten Libyschen Küstenwache. Die dramatischen Auswirkungen dieser Entscheidung konnte die Sea-Watch 4 in den letzten Tagen hautnah bezeugen. Diese im Bundestag legitimierte Gewalt hat verheerende Konsequenzen für Menschen auf der Flucht und ist ein erschütterndes Ergebnis europäischer Migrationspolitik!“ Sea-Watch-Meldung vom 3. Mai 2021 mit Videobeweis - Frontex und die libysche Küstenwache: Tödliche Kollaboration
„Die EU-Grenzschutzagentur Frontex spielt eine entscheidende Rolle bei den Rückführungen von Flüchtlingen nach Libyen. (…) 14. März 2020, zentrales Mittelmeer: Ein Flugzeug der europäischen Grenzschutzagentur Frontex entdeckt ein Flüchtlingsboot in Seenot. Etwa 50 Menschen sind an Bord, viele in Panik, weil der Motor ins Wasser gefallen ist. Die Seenotleitstellen in Italien und Malta sind informiert. Doch es passiert – nichts. Und das, obwohl mehrere Handelsschiffe in der Nähe waren und hätten eingreifen können. Erst zehn Stunden später erscheint ein Schiff der libyschen Küstenwache und bringt die Menschen aus der maltesischen Such- und Rettungszone zurück ins Bürgerkriegsland Libyen. Kein Einzelfall, wie Recherchen des ARD-Magazins Monitor, des „Spiegel“, der Medienorganisation „Lighthouse Reports“ und der französischen Zeitung „Libération“ ergeben: Bei mindestens acht solcher Rückführungen aus der maltesischen Such- und Rettungszone kreiste zuvor ein Frontex-Flugzeug in der Nähe der Boote. (…) Allein in den ersten drei Monaten diesen Jahres hat die libysche Küstenwache mehr als 4500 Menschen abgefangen und zurückgebracht. Mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Die Flüchtlinge, die zurückgeschleppt werden, landen dann oftmals in Gefängnissen, wo ihnen laut den Vereinten Nationen und der EU Folter, Misshandlungen und der Tod drohen. (…) Für die Völkerrechtlerin Nora Markard von der Universität Münster hat die Kollaboration von Frontex mit der libyschen Küstenwache eine neue Qualität erreicht: „Menschen nach Libyen zurückbringen zu lassen, ist mit dem Völkerrecht unvereinbar. Es ist mit den europarechtlichen Vorgaben über das Handeln von Frontex unvereinbar. Das muss man offen sagen – dann ist das im Grunde Beihilfe zu schwersten Menschenrechtsverletzungen.“ (…) Die EU setzt weiter auf die Zusammenarbeit von Frontex mit der libyschen Küstenwache: In einem internen Bericht des Europäischen Auswärtigen Diensts wird die Arbeit der libyschen Küstenwache im zweiten Halbjahr 2020 bilanziert. Darin heißt es: „Die Effektivität der libyschen Küstenwache konnte gesteigert werden und exzellente Ergebnisse erzielen.“ Beitrag von Shafagh Laghai und Lara Straatmann vom 29. April 2021 bei tagesschau.de , er bezieht sich auf den Bericht „Jagd auf Flüchtlinge: Frontex und die Libysche Küstenwache“ von Shafagh Laghai, Lara Straatmann und Sara Creta vom 29. April 2021 bei Monitor WDR (Videolänge: 8:28 Min.). Siehe dazu auch noch:- Europapolitiker verlangen Rücktritt von Frontex-Chef Leggeri: »Beispiellose Komplizenschaft«
„…Nachdem der SPIEGEL die enge Zusammenarbeit der Europäischen Grenzschutzagentur mit der libyschen Küstenwache enthüllt hat, wächst der Druck auf Frontex-Chef Fabrice Leggeri. Grüne, linke und sozialdemokratische EU-Politiker verlangen Leggeris Rücktritt oder seine Entlassung. »Der Frontex-Direktor sollte aufhören, uns für dumm zu verkaufen. Es ist an der Zeit, dass die EU-Kommission reagiert und seine Entlassung verlangt«, sagt die spanische EU-Abgeordnete Sira Rego. (…) Im Europaparlament hatte Frontex-Chef Fabrice Leggeri noch im März behauptet, dass seine Agentur »nie direkt mit der libyschen Küstenwache kooperiert« habe. Zahlreiche Abgeordnete fühlen sich deshalb nun in die Irre geführt. Der französische Parlamentarier Damien Carême forderte Leggeris sofortigen Rücktritt. Der deutsche Europapolitiker Erik Marquardt sprach von einer »beispiellosen Komplizenschaft zwischen libyschen Milizen, Frontex und EU-Regierungen, bei der die schwersten Verbrechen ungestraft bleiben können.« »Wir haben versucht, Klarheit von der Europäischen Kommission und Frontex zu bekommen«, sagte Tineke Strik, niederländische EU-Abgeordnete und Berichterstatterin einer eigens eingesetzten Prüfgruppe, die Frontex kontrollieren soll. »Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass alle Fakten auf den Tisch müssen.« Die EU müsse Menschenrechte schützen und nicht verletzen. Der deutsche Sozialdemokrat und EU-Abgeordnete Ismail Ertug wurde noch deutlicher. »Leggeri muss gehen und sich vor Gericht verantworten«, schrieb er auf Twitter…“ Artikel von Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 1. Mai 2021 beim Spiegel online - Siehe auch unser Dossier: Pushbacks in der Ägäis: Deutsche Marine drückt Auge zu – Frontex macht mit
- Europapolitiker verlangen Rücktritt von Frontex-Chef Leggeri: »Beispiellose Komplizenschaft«
- Tote bei Bootsunglück vor libyscher Küste
„Bei mehreren Bootsunglücken vor der libyschen Küste starben mindestens 18 Flüchtlinge – darunter Frauen und ein Kind. Das spanische Schiff „Open Arms“ rettete etwa 180 Menschen aus Seenot. Das spanische Rettungsschiff „Open Arms“ hat innerhalb von 24 Stunden bei zwei Einsätzen vor der libyschen Küste im Mittelmeer etwa 180 Flüchtlinge aus Seenot aufgenommen. Leider seien fünf Migranten ums Leben gekommen, weil sich offenbar an ihrem Boot mit etwa 100 Insassen der Boden gelöst habe, teilte die gleichnamige spanische Hilfsorganisation am Mittwoch auf Twitter mit. Die Geretteten würden an Bord der „Open Arms“ ärztlich versorgt. Bei einem weiteren Bootsunglück ertranken mindestens 13 Flüchtlinge vor der libyschen Küste. Unter den Toten seien auch drei Frauen und ein Kind, erklärte der Mittelmeer-Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Flavio Di Giacomo, auf Twitter. Elf Überlebende seien nach Libyen zurückgebracht worden…“ Meldung vom 12.11.2020 beim Migazin (ab da im Abo) -siehe auch:- Und wieder gibt es Tote. Vor der Küste Libyens sind 74 Füchtlinge ertrunken. 47 konnten gerettet werden. Es ist bereits das achte tödliche Bootsunglück seit Anfang Oktober
„Bei einem Unglück vor der Küste Libyens sind am Donnerstag 74 MigrantInnen ertrunken. Das berichtet die Internationale Organisation für Migration. Insgesamt seien über 120 Menschen auf dem Schiff gewesen. 47 Überlebende seien von der Küstenwache und Fischern an Land gebracht und 31 Leichen geborgen worden. Federico Soda, der Missionschef der IOM in Libyen sagte, der zunehmende Verlust an Menschenleben im Mittelmeer sei „Ausdruck der Unfähigkeit der Staaten, entschiedene Maßnahmen“ im „tödlichsten Seegebiet der Welt“ zu ergreifen. In den vergangenen zwei Tagen waren bereits mindestens 19 Menschen, darunter zwei Kinder, ertrunken. Zwei Boote waren im zentralen Mittelmeer gekentert. Das Rettungsschiff Open Arms der gleichnamigen spanischen NGO kam in letzter Minute an die Unglücksstelle und rettete in einer dramatischen Aktion 200 Menschen. „Wären die nur ein klein bisschen später gekommen, hätten wir 200 Tote mehr gehabt“, sagt Maurice Stierl von der Initiative Alarm Phone. Die Schiffbrüchigen hatten das Alarm Phone zuvor per Satellitentelefon kontaktiert. Die Situation im zentralen Mittelmeer nannte Stierl „gerade absolut frustrierend“. Wohin die von der Open Arms Geretteten kommen, ist völlig unklar – in der Regel weigern sich europäische Häfen, Rettungsschiffe an Land zu lassen. Weitere Schiffbrüchige aufnehmen kann die Open Arms deshalb erst einmal nicht…“ Artikel von Christian Jakob vom 12.11.2020 in der taz online - siehe für aktuelle Infos die Homepage von „Open Arms“ und diese auf Twitter
- Und wieder gibt es Tote. Vor der Küste Libyens sind 74 Füchtlinge ertrunken. 47 konnten gerettet werden. Es ist bereits das achte tödliche Bootsunglück seit Anfang Oktober
- ai legt eine Bilanz der EU-Politik gegen Flüchtlinge in Libyen vor: Seit 2016 über 60.000 Menschen Not und Terror ausgeliefert
„… Der neue Amnesty-Bericht „Between life and death: Refugees and migrants trapped in Libya’s cycle of abuse“ belegt, welchen unzumutbaren Bedingungen aktuell Schutzsuchende in Libyen ausgesetzt sind. Dabei geht es auch um Geflüchtete, die beim Versuch das Mittelmeer zu überqueren nach Libyen zurückgebracht wurden. Zu den dokumentierten Menschenrechtsverletzungen zählen rechtswidrige Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen, Vergewaltigungen, willkürliche Inhaftierung sowie Zwangsarbeit und Ausbeutung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure. „Gerade im Hinblick auf die Vorschläge des EU-Migrationspakts fordern wir die Europäische Union erneut auf, jede Kooperation mit Libyen von der Einhaltung von Menschenrechten abhängig zu machen. Niemand darf von der libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgebracht werden“, erklärt Franziska Vilmar, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland“ – aus der Pressemitteilung von ai „Menschen auf der Flucht sind gefangen in einer Spirale der Gewalt“ am 24. September 2020 zum Bericht über systematische Verletzung von Menschenrechten durch die EU und ihre Partnerbanden in Libyen, wozu im weiteren Text zur Entwicklung seit 2016 noch konkretisiert wird: „… Seither hat die von der EU unterstützte libysche Küstenwache geschätzt 60.000 Frauen, Männer und Kinder auf See abgefangen und nach Libyen zurückgebracht, 8.435 davon allein im Jahr 2020...“ Siehe dazu auch den Bericht selbst: „Between life and death: Refugees and migrants trapped in Libya’s cycle of abuse“ seit September 2020 bei ai über die katastrophale Menschenrechtslage von Flüchtlingen in Libyen – die die Betroffenen in erster Linie der EU zu „verdanken“ haben… - Das Völkerrecht gilt auch für deutsche Reeder: Das Ausschiffen von geretteten Geflüchteten in Libyen ist nach deutschen Gesetzbüchern strafbar, auch für Handelsschiffe
„… Werden im Rahmen der staatlichen Missionen Boote in Seenot festgestellt, müssen diese umgehend gerettet werden, dies gilt selbstredend auch für Geflüchtete in meist seeuntüchtigen Schlauchbooten. So regelt es das Seevölkerrecht, etwa im Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See. Die Geretteten müssen anschließend in einen sicheren Hafen gebracht werden. Libyen kann jedoch für Geflüchtete nicht als sicher gelten, das Land verfügt über kein Asylsystem, die dortigen Milizen sind für Misshandlungen, Folter und Morde an Schutzsuchenden bekannt. (…) Den Schiffen der EU-Mitgliedstaaten und der NATO ist es deshalb untersagt, Geflüchtete wieder nach Libyen zu bringen. Solche „Push backs“ sind im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Genfer Flüchtlingskonvention verboten. Beide Verträge betonen den Grundsatz der Nichtzurückweisung („Non-refoulement-Gebot“), der eine Rückführung von Personen in Staaten untersagt, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. (…) Seenotrettungsorganisationen kritisieren diese Praxis als „Push backs by proxy“, also das Umgehen des Verbots der Zurückschiebung, indem die EU andere Akteure damit beauftragt. Zuständig für die Koordinierung der Einsätze ist eine Leitstelle zur Seenotrettung, die mit EU-Mitteln in Tripolis errichtet werden sollte. Mehrmals hat unter anderem die libysche Küstenwache in der Vergangenheit Schiffe der Hamburger Reederei Opielok, die mit insgesamt acht Schiffen zur Versorgung von Ölplattformen im Geschäft ist, zur Bergung von Menschen in Seenot aufgefordert. Die Kapitäne der „Panther“ oder „Jaguar“ wurden dabei angewiesen zu warten, bis die libysche Küstenwache die Geflüchteten übernimmt oder diese am besten selbst nach Libyen bringen. Diesen Anweisungen hätten die Kapitäne der deutsch beflaggten Schiffe „notgedrungen“ Folge geleistet, sagte der Inhaber der Reederei, Christopher Opielok im vergangenen Jahr im Interview mit der ZEIT. (…) Dahinter steht die Annahme, dass die Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention nur für staatliche Schiffe gelten, nicht aber für private Handelsschiffe, Gerettete also ohne Furcht vor gerichtlicher Verfolgung nach Libyen gebracht werden könnten. Diese Auslegung ist jedoch falsch, bestätigt ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste im Bundestag in aller Deutlichkeit. Den Anweisungen einer libyschen Behörde darf demnach nicht gefolgt werden, „wenn damit unweigerlich die Rückführung der Geretteten nach Libyen […] verbunden ist“. Denn für die deutsch beflaggten Schiffe gilt deutsches Strafrecht, und das verbietet eine „Aussetzung“ von Schutzsuchenden nach § 221 StGB. (…) Es ist nicht bekannt, ob deutsche Verantwortliche jemals wegen eines Verstoßes gegen § 221 StGB angezeigt oder gar verurteilt worden sind, hier braucht es wohl wie in Italien einen Präzedenzfall. Gegen geltendes Recht verstoßen aber auch hiesige Staatsanwaltschaften, wenn sie beim Anfangsverdacht wegen „Aussetzung“ keine Ermittlungen gegen deutsche Reeder und Kapitäne aufnehmen. Deutsche Justizbehörden ignorieren also das Völkerrecht und die damit zusammenhängenden strafrechtlichen Normen des StGB, damit die Festung Europa keine Risse erhält.“ Artikel von Matthias Monroy vom 20. August 2020 bei Telepolis - EU-Abschottung tötet: Menschen in Seenot auf Mittelmeerroute ihrem Schicksal überlassen. Überlebende in libysche Internierungslager gebracht
„Das Grenzregime der EU hat erneut Geflüchtete das Leben gekostet. Vor der libyschen Küste sind, wie am Mittwoch bekannt wurde, Dutzende Menschen beim Versuch das Mittelmeer zu überqueren, ertrunken. Nachdem die darauf spezialisierte Initiative »Alarm Phone« bereits am Sonnabend Nachricht von dem mit ungefähr 65 Geflüchteten besetzten Schlauchboot erhalten hatte, habe es keine Reaktion seitens der Behörden gegeben. Unter den Menschen in Seenot befanden sich demnach auch zwei schwangere Frauen. Sie berichteten Alarm Phone, dass ihr Motor nicht mehr funktioniere und sie weder Essen noch Trinken übrig hätten. Sie gaben an, aus Syrien, Somalia, Ägypten, Äthiopien, dem Sudan und Guinea geflohen zu sein. Die durchgegebenen GPS-Daten hätten gezeigt, dass sich das Boot unmittelbar außerhalb libyscher Hoheitsgewässer in internationalen Gewässern befunden habe. Die sogenannte libysche Küstenwache wie auch die maltesischen und italienischen Behörden seien unmittelbar informiert worden, mit einer genauen Positionsangabe. Telefonanrufe blieben jedoch unbeantwortet, wie es die Initiative in ähnlichen Situationen unzählige Male zuvor immer wieder erleben musste. (…) Überleben bedeutet in ihrem und vielen anderen Fällen jedoch den direkten Weg in libysche Internierungslager. Sollten sie dort nicht unter den unmenschlichen Bedingungen umkommen oder als Arbeitssklaven oder Söldner in den Krieg verkauft werden, werden sie sich erneut auf den Weg machen, um in der EU einen Antrag auf Asyl stellen zu können. Auf einem anderen Weg ist dieses Ziel, trotz der bisher für dieses Jahr offiziell gezählten 302 Toten auf dieser Mittelmeerroute, nicht zu erreichen.“ Artikel von Ina Sembdner in der jungen Welt vom 21.08.2020 , siehe dazu auch die Meldung in unserem Dossier: UN verurteilt Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten und Aussetzung der Seenotrettung - Zwei Bootsflüchtlinge in Libyen erschossen
„Zwei sudanesische Bootsflüchtlinge wurden UN-Angaben zufolge von libanesischen Sicherheitskräften erschossen. Libyen sei kein sicherer Ort. Auch die Gewalt gegen Flüchtlinge auf ihrem Weg durch andere afrikanische Länder ende oft tödlich. In Libyen sind nach UN-Angaben in der Nacht zum Dienstag zwei sudanesische Bootsflüchtlinge nach ihrer erzwungenen Rückkehr erschossen worden. Die Migranten seien in ihrem Boot auf dem Mittelmeer abgefangen und in das arabische Land zurückgebracht worden, erklärte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit Sitz in Genf. Örtliche Sicherheitskräfte in der libyschen Hafenstadt Al-Chums hätten das Feuer eröffnet, als die Sudanesen beim Verlassen des Bootes flüchten wollten. Drei weitere Migranten seien verwundet worden. Die Verletzten wurden den Angaben zufolge in eine Klinik gebracht, die weiteren Überlebenden in ein Internierungslager. „Das Leiden der Migranten in Libyen ist nicht hinnehmbar“, sagte der Leiter des IOM-Büros in Libyen, Federico Soda. „Der exzessive Einsatz von Gewalt führt wieder einmal zu einem sinnlosen Verlust an Menschenleben“, fügte er hinzu. Oft gebe es in Libyen keinerlei Schutz für Flüchtlinge und Migranten, und es zeichne sich keine Besserung ab…“ Meldung vom 29.07.2020 im Migazin (im Abo) - Appell an Europa: Mehr als 100 Bootsflüchtlinge nach Libyen zurückgebracht
„Erneut wurden Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht. Die Internationale Organisation für Migration fordert Europa erneut auf, solche Rückführungen zu beenden. In Libyen drohe den Menschen Haft und Folter. Auf dem Mittelmeer sind 131 Bootsflüchtlinge, die aus Libyen fliehen wollten, aufgegriffen und in das Land zurückgebracht worden. Die Menschen wurden von der libyschen Küstenwache in den Hafen der Hauptstadt Tripolis gefahren, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Mittwoch mitteilte. Unter den Flüchtlingen sind 13 Minderjährige. Ein IOM-Team leistete Erste Hilfe. Die UN-Organisation hat die europäischen Staaten mehrfach aufgefordert, die Rückführung von Flüchtlingen und Migranten nach Libyen zu beenden. Libyen sei kein sicherer Hafen, betont die IOM. In diesem Jahr wurden nach ihren Angaben bereits etwa 6.000 Migranten auf See abgefangen oder gerettet und nach Libyen zurückgebracht…“ Meldung vom 23.07.2020 beim Migazin (im Abo) - Libyen: Die EU in Not – Ist Erdogan auch bald Schleusenwärter der zentralen Mittelmeerroute?
„… In Libyen bauen sich Fronten auf, die die EU in die Bredouille bringen. Zypern, Griechenland und Frankreich bilden im Streit über Erdgasvorkommen im Mittelmeer einen Block gegen die Türkei. Das türkische Militär ist in Libyen aufseiten der GNA-Regierung im Einsatz, die von der EU (und von der Nato) unterstützt wird. Deren Gegner, die „Libysche Nationalarmee“ (LNA), steht unter dem Kommando von Khalifa Haftar. Der wird wiederum von Frankreich unterstützt, aber auch von einer Reihe von Staaten, angefangen von Ägypten, über Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und indirekt von Russland, bis hin zur syrischen Regierung unter Baschar al-Assad. (…) In welcher Form diese spannungsgeladene Konstellation in der „Bedrohungsanalyse der EU“ verarbeitet wird und zu welchen Schlüssen sie kommt, bleibt der Öffentlichkeit noch verborgen. Es gibt aktuelle Stellungnahmen wie die des EU-„Außenministers“ Josep Borells, der dieser Tage in Griechenland zu Besuch ist. Heute versicherte Borell, dass die EU nicht nur solidarisch mit Griechenland sei, sondern dem Land verpflichtet. Er sei sich mit dem griechischen Verteidigungsminister darin einig, ein Minimum an Vertrauen und Dialog mit der Türkei wiederherzustellen, „um diese Eskalation zu stoppen“. (…) Und dies ein paar Tage, bevor Deutschland zum 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten gehört, wie das Verteidigungsministerium erklärt ein „starkes Europa in der Welt“. Daher werde die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ausgebaut, um „um unsere Handlungsfähigkeit in zukünftigen Krisen zu stärken“. (…) Man darf gespannt sein, welchen Einfluss die EU auf das Geschehen ausüben kann. Bislang werden zwar 2020 deutlich mehr Migranten gezählt, die in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von Libyen aus nach Italien gelangt sind, doch sind die Zahlen im Vergleich zu früheren Jahren nach wie vor sehr klein. Doch nicht einmal bei der Verteilung von wenigen Migranten konnte die EU eine gemeinsame Politik beschließen, wie wird das erst sein, wenn der libysche Konflikt weiter hochkocht?“ Artikel von Thomas Pany vom 25. Juni 2020 bei Telepolis - Bundestagsgutachten: Aussetzen von Geretteten in Libyen auch für Handelsschiffe strafbar
„… Handelsschiffkapitäninnen und –kapitäne deutsch beflaggter Schiffe machen sich wegen „Aussetzung“ nach § 221 StGB strafbar, wenn sie Geflüchtete in Länder wie Libyen bringen. Das schreiben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages in dem Gutachten „Seenotrettung durch nicht-staatliche Akteure“. Zwar sieht die Verordnung über die Sicherung der Seefahrt (SeeFSichV) eine Befolgung von Anweisungen einer zuständigen Seenotleitstelle vor. Das Refoulementverbot gilt jedoch als höherrangiges Recht. (…) Das Seevölkerrecht und das Internationale Übereinkommen zum Schutz menschlichen Lebens auf See bestimmen zudem an keiner Stelle, dass Anweisungen einer Seenotleitstelle zur Ausschiffung von Geretteten Folge geleistet werden muss. Außerdem machen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention den Staaten klare menschenrechtliche Vorgaben, die eine Ausschiffung nach Libyen verbieten. Kapitäninnen und Kapitäne MÜSSEN einen entsprechenden Befehl der libyschen Küstenwache also ignorieren. Jahrzehntelang wurde der libysche Such- und Rettungsbereich (SAR-Zone) von der Seenotleitstelle in Rom beaufsichtigt. Auf Druck der Europäischen Union hat Libyen in 2017 eine eigene Leitstelle ausgerufen, die aber nachweislich nicht den Kriterien der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) entspricht. Es ist bedauerlich, dass nicht einmal die IMO die libyschen Verstöße prüfen will. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich deshalb dafür einsetzen, dass Einsätze in der libyschen Seenotrettungszone wieder aus Italien koordiniert werden…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 9. März 2020 zum Gutachten „Seenotrettung durch nicht-staatliche Akteure“ der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages - Flüchtlingspolitik: Der verflixte “Pull-Faktor”. Die geplante neue Marine-Mission vor der Küste Libyens soll keine Flüchtlinge retten.
„Denn das wäre ein “Pull-Faktor”, der noch mehr Migranten anziehen würde, meint Österreichs Kanzler Kurz. Was hat es damit auf sich? Mit einem “Pull-Faktor” ist ein Vorgang gemeint, der Menschen in die EU “zieht”. Das können attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen sein, aber auch plötzlich offene Grenzen. (…) Aber hat auch die Marine-Mission “Sophia” als “Pull-Faktor” gewirkt? Österreichs Kanzler Kurz ist davon überzeugt, genau wie Bundesinnenminister Horst Seehofer oder die AfD. Die alte EU-Mission sei ein “Ticket nach Europa“, mit dem “Tausende illegale Migranten” nach Europa kommen, sagte Kurz, der in Wien gemeinsam mit den Grünen regiert. Doch von einem “Ticket” kann keine Rede sein. Wer in Libyen in ein klappriges Boot stieg, konnte nie sicher sein, von Schiffen aus der EU gerettet zu werden. Es war ein Vabanque-Spiel, das viele das Leben kostete…“ Beitrag von Eric Bonse vom 18.2.2020 bei Lost in EU , siehe dazu auch: Neue Libyen-Mission macht “Sophia” den Garaus – diesmal ohne “Pull-Faktor” - Initiative: Libysche Küstenwache verweigert Seenotrettung
„Die Notruf-Initiative „Alarm Phone“ erhebt Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache. Nach ihren Angaben sind 91 Migranten vor der Küste in Seenot geraten. Es ströme Wasser in das Boot mit Geflüchteten an Bord. „Alarm Phone“ teilte mit, Libyens Küstenwache sei nur schwer zu erreichen. Schließlich habe man die Auskunft erhalten, derzeit würden keine Suchaktionen durchgeführt, weil die Flüchtlingslager voll seien. Dieses Problem müsse erst gelöst werden. Ob jemand den 91 Migranten helfen wird, ist zur Stunde unklar. Vor Libyens Küste sind zahlreiche private Rettungsschiffe unterwegs. Die EU-Mission „Sophia“ zur Unterstützung der libyschen Küstenwache ist im vergangenen Jahr gestoppt worden. Die Schiffe der EU hatten bis dahin fast 50.000 Menschen aus Seenot gerettet.“ Meldung vom 9. Februar 2020 von und bei SWR aktuell - Nach Schüssen auf die „Alan Kurdi“: Libysche Seenotrettungszone muss wieder aus Rom koordiniert werden
„Die Europäische Union befördert den Bürgerkrieg in Libyen, indem konkurrierende Gruppen unterstützt werden. Die Grenzagentur Frontex bildet die Seepolizei aus, die Militärmission EUNAVFOR MED die Küstenwache. Die Seepolizei untersteht dem Innenministerium und ist für die Strafverfolgung zuständig, auf hoher See will dies aber die Küstenwache des Verteidigungsministeriums übernehmen. Eine libysche Arbeitsgruppe soll diese Kompetenzen nun neu organisieren und den Konflikt der beiden Ministerien entschärfen. Die EU hätte diesen Prozess abwarten müssen. Der hat sich aber zugespitzt, das deutsche Rettungsschiff ‚Alan Kurdi‘ geriet zwischen die Fronten“ (…) Am 26. Oktober 2019 haben bewaffnete libysche Milizen das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ angegriffen. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt jetzt die Bundespolizei in dem Fall. Medienberichten zufolge gehören die libyschen Angreifer zur Seepolizei Zuwara. (…) „Die Küstenwache und die Seepolizei in Libyen sind eine Truppe von Piraten, die sich aus Milizen zusammensetzen die nachweislich ins Schleusergeschäft verstrickt sind. Das sagt sogar Frontex. Mit ihnen kann es keine Zusammenarbeit geben. Private Seenotretter bestätigen, dass die Küstenwache trotz mehrjähriger Ausbildung höchst unprofessionell rettet, keine Schlauchboote ausbringt, Gewalt anwendet, Menschen ertrinken lässt. Auch die angebliche Seenotleitstelle in Libyen funktioniert nicht. Wie viele Belege braucht es noch, um die Einsätze in der libyschen Seenotrettungszone wieder von der Leitstelle in Rom zu koordinieren? Dies wäre möglich, es braucht dazu nur die Zustimmung der Regierung in Tripolis.“ Pressemitteilung vom 3. Februar 2020 von Andrej Hunko mit Link zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Bewaffneter Angriff auf das deutsche Seenotrettungsschiff ‚Alan Kurdi‘“ - Flucht aus Libyen: 700 Menschen in Seenot
„… Eine für die Wintermonate hohe Zahl von Flüchtlingen und Migrant_innen ist in den letzten Tagen in Libyen in See gestochen. Die Initiative Alarm Phone hat seit Freitag Notrufe von zehn Booten mit rund 700 Menschen erhalten – insgesamt haben mindestens 16 Flüchtlingsboote mit rund 800 Menschen von der libyschen Küste abgelegt. Die meisten wurden von NGO-Schiffen gerettet, ein Boot erreichte aus eigener Kraft die Insel Lampedusa. Die maltesische Küstenwache brachte die Insassen zwei weiterer Boote in Sicherheit, um ein weiteres kümmerte sich die italienische Küstenwache. Mindestens zwei Flüchtlingsboote wurden von der libyschen Küstenwache aufgehalten, die Insassen zurückgebracht. Beteiligt an diesen Pushbacks hat sich erstmalig auch die türkische Marine. Das türkische Verteidigungsministerium meldete am Mittwoch, die Fregatte „Gaziantep“ habe 30 irreguläre Migranten_innen im zentralen Mittelmeer aufgegriffen und nach einer „medizinischen Unterstützung“ an das libysche Küstenwachenkommando übergeben. Die Türkei hatte kürzlich Bohrschiffe und Kriegsschiffe in die Gewässer vor Zypern geschickt. Eine neue Seegrenzen-Vereinbarung mit der libyschen Regierung in Tripolis gibt Ankara nach eigenen Angaben Zugang zu einem großen Bereich im östlichen Mittelmeer. Das Abkommen verstößt nach Ansicht Italiens und Zyperns gegen das Völkerrecht. Die souveränen Rechte anderer Länder würden in dem Pakt missachtet und er dürfe auf sie keine rechtlichen Auswirkungen haben, sagte am Mittwoch der italienische Außenminister Luigi Di Maio…“ Beitrag von Christian Jakob vom 30. Januar 2020 bei der taz online - Mission Lifeline: Libyen-Konferenz bringt keine Fortschritte für Flüchtlinge
„Die Libyen-Konferenz in Berlin hat nach Ansicht der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline keine konkreten Fortschritte für Flüchtlinge in Seenot gebracht. Das »Massensterben im zentralen Mittelmeer« sei bei der Konferenz kein Thema gewesen, kritisierten die Dresdner Seenotretter am Sonntag. Auch zu den Ergebnissen der Konferenz äußerte sich die Hilfsorganisation skeptisch. Mission Lifeline begrüßte zwar einen möglichen Waffenstillstand in Libyen. Es gebe bereits ein Waffenembargo, welches aber nicht eingehalten werde – »auch weil die EU Schiffe aus dem Mittelmeer zurückgezogen hat, um keine Flüchtlinge retten zu müssen«, erklärte die Organisation. Die Ergebnisse der Libyen-Konferenz könnten das Land zwar »eventuell langfristig wieder stabilisieren«. Es gebe aber »keinen Ansatz den Flüchtlingen im Wasser sofort zu helfen«. An jedem Tag, »an dem wir dieses Problem nicht gemeinsam lösen, sterben folglich weiter Unschuldige«, erklärte der Vorsitzende von Mission Lifeline, Axel Steier. »Wir fordern daher eine sofortige Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung im zentralen Mittelmeer und die bedingungslose Unterstützung der privaten NGOs vor Ort.«…“ Agenturmeldung vom 20.01.2020 beim ND online - Pro Asyl fordert Evakuierung von Flüchtlingen in Libyen. Die Organisation kritisiert auch die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache
„Vor der Libyen-Konferenz am Sonntag in Berlin hat die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl zu einer Evakuierung der in dem Bürgerkriegsland festsitzenden Flüchtlinge aufgerufen. »Das Schicksal der dort hilflos festsitzenden Schutzsuchenden darf nicht außer Acht bleiben«, forderte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Samstag. Er kritisierte auch die Zusammenarbeit der EU mit der »verbrecherisch handelnden libyschen Küstenwache«.»Schutzsuchende müssen umgehend aus Libyen evakuiert werden, die EU muss hierfür genügend Resettlement-Plätze bereitstellen«, verlangte Burkhardt. Zehntausende Menschen, vorwiegend aus afrikanischen, aber auch aus arabischen Ländern, sitzen in Libyen fest. Viele von ihnen sind in libyschen Haftlagern schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, auch durch libysche Sicherheitskräfte oder mit ihnen zusammenarbeitende Milizen…“ Meldung vom 19.01.2020 beim ND online - Libysche Armee soll einen Mann erschossen und die Leiche ins Wasser geworfen haben
„… Die libysche Küstenwache hat derweil nach Angaben der UN-Migrationsorganisation IOM am Freitag und Samstag über 300 Menschen auf dem Meer aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht. Am Samstagnachmittag weigerte sich dabei eine Gruppe von rund 60 Menschen, an Land zu gehen. Sie fürchteten, in Libyen wieder interniert zu werden. Daraufhin soll die libysche Armee einen Mann erschossen und die Leiche ins Wasser geworfen haben. Das berichteten zwei Flüchtlinge per Telefon am Samstagnachmittag Aktivisten des Alarm Phone. Die IOM, die die Ankünfte am Hafen von Tripolis beobachtet, erklärte auf Twitter, sie sei in dieser Zeit von den Sicherheitskräften aufgefordert worden, den Hafen zu verlassen. Im östlichen Mittelmeer gab es zwei tödliche Unglücke. In der Nacht zum Sonntag sank ein Boot vor der Küste von Cesme, westlich von Izmir. Elf Menschen starben. Das Boot war auf dem Weg zur nur fünf Kilometer von der türkischen Küste entfernten griechischen Insel Chios. Wenige Stunden zuvor war nahe der Insel Paxos an der griechischen Westküste ein weiteres Flüchtlingsboot auf dem Weg nach Italien gekentert. Die griechische Küstenwache barg zwölf Leichen. Einige der zwanzig geretteten Überlebenden berichteten, auf dem Boot hätten sich insgesamt fünfzig Flüchtlinge befunden. Dies war bereits das vierte Unglück in der Ägäis seit Jahresbeginn.“ Aus dem Artikel „Flucht übers Mittelmeer: Ertrunken, erschossen, interniert“ von Christian Jakob vom 12.1.2020 bei der taz online - EU bezahlt Folter. UN-Menschenrechtsbüro warnt vor libyscher Küstenwache – Berlin und Brüssel setzen weiter darauf, Flüchtlinge in Nordafrika festzusetzen
„Während die EU weiterhin darauf setzt, Flüchtlinge an der Überfahrt von Libyen nach Europa abzuhalten und die sogenannte libysche Küstenwache ausbildet, äußert die UN-Menschenrechtskommission harte Kritik an dieser Praxis. Man sei »besorgt über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Libyen«, teilte ein Sprecher des Hohen Kommissars für Menschenrechte am Freitag in Genf mit. Flüchtlinge und Migranten würden seit Jahren vielfachen Formen von Gewalt ausgesetzt, angefangen von Zwangsarbeit und willkürlicher Inhaftierung über körperliche Misshandlungen und Folter bis hin zu ungesetzlichen Tötungen und »Verschwindenlassen«. Zu den Verbrechern gehörten laut UN auch Beamte der »Einheitsregierung«. Auch die Bundesregierung äußerte sich am Freitag zu Libyen – in Beantwortung einer kleinen Anfrage der Linksfraktion. Der Tenor unterscheidet sich deutlich von dem der Vereinten Nationen. So verkündet die Bundesregierung zweckoptimistisch, Libyen habe ja die Antifolterkonvention der UNO unterzeichnet, und deren Bestimmungen gälten »ungeachtet des aktuellen Konflikts«. Außerdem setze sie sich »in Gesprächen mit der libyschen Regierung für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen« ein. An der Ausbildung der libyschen Küstenwache halte man fest, das sei langfristig ein Beitrag zur Stabilisierung des Landes. Sie habe schließlich in diesem Jahr bereits über 8.300 Flüchtlinge »aus Seenot gerettet oder aufgegriffen«. Die UN hingegen vermeiden in Hinsicht auf diese Küstenwache die Vokabel »retten« und sprechen ausschließlich vom »Abfangen« von Flüchtlingen, von denen anschließend viele umgehend in offizielle oder »private« Gefängnisse verfrachtet und dort den erwähnten Misshandlungen ausgesetzt würden. Ihre Registrierung durch UN-Behörden gelinge nur teilweise und sei auch kein Schutz vor Inhaftierung. Unmissverständlich lehnen die UN-Menschenrechtler die Rückführungen nach Libyen ab, weil das Land »beim besten Willen nicht als sicherer Hafen« betrachtet werden könne…“ Artikel von Ulla Jelpke in der jungen Welt vom 21.12.2019 - In Libyen wird weiter aufgerüstet. Von der EU
„… Trotz des Bürgerkriegs will die Europäische Union weiter mit der libyschen Polizei und Grenzpolizei zusammenarbeiten. Die Mission EUBAM Libyen soll trotz aufgeflammtem Bürgerkrieg sogar aufgestockt werden. In diesem Rahmen hatte die Grenzagentur Frontex Anfang des Jahres bereits einen Workshop für die libysche Seepolizei (auch als Küstenschutzverwaltung oder Küstenpolizei bezeichnet) durchgeführt. Dieses Trainingsprojekt des italienischen Innenministeriums wird jetzt verlängert. Wegen der Schüsse auf die „Alan Kurdi“ im Oktober ermitteln die Hamburger Staatsanwaltschaft und die Bundespolizei gegen die Seepolizei. Andrej Hunko weiter: „Ich glaube nicht dass die Bundespolizei in Libyen objektiv ermitteln kann, denn sie ist im Rahmen von EUBAM Libyen selbst an der Unterstützung der Küstenschutzverwaltung beteiligt. Tatsächlich verlaufen die angeblichen Ermittlungen schleppend. Die Bundesregierung weiß nicht, welche libyschen Stellen überhaupt damit befasst sind. Es wurden auch keine Erkundigungen bei der italienischen Regierung eingeholt, ob die Boote der bewaffneten Gruppe zu den Beständen gehören, die aus Italien geschenkt wurden. Die ‚Alan Kurdi‘ fährt mit deutscher Besatzung unter deutscher Flagge. Die Bundesregierung muss deshalb mit Hochdruck für Aufklärung sorgen, wer auf das Schiff geschossen hat...“ – aus der Pressemitteilung „Unterstützung für die Seepolizei: EU heizt Bürgerkrieg in Libyen an“ am 10. Dezember 2019 auf der Webseite des Linke-Abgeordneten Andrej Hunko - Flüchtlinge durch libysche Küstenwache nach Libyen zurückgebracht
„Die libysche Küstenwache hat offenbar 30 Flüchtlinge von einem deutschen Schiff geholt. Das berichtet die Hilfsorganisation SOS-Méditerranée. Es soll ein Versorgungsschiff für eine Bohrinsel sein, das die Migranten aus zwei Booten geborgen hatte. Zwei Menschen sollen aus Verzweiflung von Bord gesprungen sein, um nicht nach Libyen zurückgebracht werden zu können.“ Meldung vom 2. Dezember 2019 bei SWR Aktuell – siehe dazu:- „… Derweil verteidigte die Hamburger Reederei Opielok ihre Übergabe von 30 geretteten Flüchtlingen an die sogenannte libysche Küstenwache. „Dies war ein besonderer Fall“, sagte Reeder Christopher Opielok am Montag. Die Crew habe sich bedroht gefühlt. Die Besatzung der „OOC Panther“ hatte am Samstag die Flüchtlinge vor der libyschen Küste aus zwei Booten aus Seenot gerettet. Die Crew der „Ocean Viking“ konnte die Geretteten wegen fehlender Erlaubnis der Schifffahrtsbehörden nicht übernehmen. Also bat die Besatzung der „OOC Panther“ die Libyer um Hilfe. Bei einem ersten Versuch der libyschen Küstenwache, die Menschen nach Libyen zurückzubringen, hatte es an Bord Widerstand gegeben, zwei Gerettete sprangen von Bord. Als die Flüchtlinge dann versucht hätten, auf die Brücke zu gelangen, habe die Crew erneut Hilfe in Libyen beantragt, sagte Opielok. Der Kapitän habe der Küstenwache allerdings untersagt, bewaffnet an Bord zu kommen. „Die Menschen wurden ohne Gewalt und Waffen von Bord geholt.“ Nach Einschätzung von UN und Menschenrechtsorganisationen herrschen in libyschen Internierungslagern unmenschliche Zustände mit Folter, Missbrauch und Zwangsarbeit. Die sogenannte libysche Küstenwache besteht weitgehend aus Milizionären…“ Aus der Meldung vom 3. Dezember 2019 beim Migazin
- Bundesregierung finanziert biometrische Datenbank für libysche Küstenwache
„„Das vom Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen geführte Sammel- und Transitzentrum in Tripolis ist weiterhin überbelegt. Es handelt sich dabei um den einzig halbwegs sicheren Ort für Schutzsuchende in Libyen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, die Kapazitäten der Einrichtung zu erhöhen und die von Milizen geführten Lager zu schließen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete und europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Andrej Hunko. In die „Gathering and Departure Facility“ (GDF) in Tripolis werden Flüchtlinge und Asylsuchende gebracht, die der UNHCR als besonders schutzbedürftig identifiziert. Die Anstalt ist für 700 Personen ausgelegt, laut dem Auswärtigen Amt befinden sich dort über 900 Schutzsuchende. (…) Auch die Bundesregierung muss ihre Mittel für den UNHCR in Libyen erhöhen. Das Auswärtige Amt muss auch in Erfahrung bringen, wofür die bereits verausgabten fünf Millionen Euro verwendet wurden. Es handelt sich dabei um humanitäre Hilfe, die allerdings in die biometrische Registrierung von Schutzsuchenden fließt. Dieses System wird von der libyschen Küstenwache genutzt und dient damit auch militärischen Zwecken. Bei dieser Küstenwache handelt es sich aus meiner Sicht um eine Truppe von Piraten, mit der sich jede Zusammenarbeit, insbesondere im Aufbau von Datenbanken, verbietet.“…“ Pressemitteilung vom 19. November 2019 von und bei Andrej Hunko und die Antwort auf die Kleine Anfrage „‘Transitmechanismus‘ für Geflüchtete aus Gefangenenlagern in Libyen nach Ruanda“
- Die UN können für Flüchtlinge in Libyen nicht viel tun
„Sie sind folternden Milizen, Hunger und Elend ausgeliefert. Tausende Flüchtlinge in Libyen leben auf der Straße. Selbst der Schrecken der Internierungslager erscheint dadurch geringer. Mounir Abdallah setzte seine Hoffnung auf das Gefängnis. In einem der libyschen Internierungslager würde es ihm und seiner Familie vielleicht besser gehen. Natürlich hatte der Eritreer, der 2018 nach Libyen geflohen war, von Misshandlung und Folter dort gehört. „Aber ich habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als mich mit meiner Familie freiwillig dort zu melden.“ Die Wangen des 27-jährigen Familienvaters sind eingefallen, seine Haare werden bereits grau. Mounir ist einer von knapp 48.000 Flüchtlingen, die das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Libyen registriert hat. Die meisten schlagen sich irgendwie durch. Rund 5.000 Geflohene werden von der international anerkannten libyschen Regierung unter Ministerpräsident Fayez Al-Sarradsch in etwa 20 Internierungslagern festgehalten. Dort herrschten „KZ-ähnliche Verhältnisse“, schrieb die deutsche Botschaft in Niger laut der „Welt am Sonntag“ bereits 2017 an das Bundeskanzleramt und mehrere Ministerien. In eins dieser Lager ging Mounir freiwillig im Februar oder März dieses Jahres. (…) „Unsere Mittel sind begrenzt“, sagt UNHCR-Sprecherin Paula Esteban. Besonders wenig bleibe für Flüchtlinge, die nicht in Internierungslagern festgehalten würden, „weil dahin die ganze Aufmerksamkeit geht“. Und damit ein Großteil des Geldes. (…) Mounir erhält schließlich Geld nach der Geburt des Kindes, das nur dank der Hilfe wildfremder Libyer im Krankenhaus zur Welt kommen konnte. Allerdings reichen die umgerechnet etwa 180 Dollar vom UNHCR nicht für Unterkunft und Essen. Der junge Mann weiß keinen anderen Ausweg mehr, als mit seiner Familie in das Internierungslager von Kasr bin Gashir zu gehen, in der Nähe des internationalen Flughafens von Tripolis. Von den etwa 700 Gefangenen hätten viele Krätze gehabt, sagt Mounir. „Das Wasser war salzig, das Essen viel zu wenig und schlecht. Das Leben dort war unerträglich.“…“ Bericht von Bettina Rühl vom 8. November 2019 bei MiGAZIN
- Sea Eye: Libysche Miliz feuert Warnschüsse auf deutsches Rettungsschiff – Einsatzleitung lehnt den zugewiesenen Hafen Tripolis ab, Kurs auf Lampedusa
„… Die Crew der ALAN KURDI hat trotz des Chaos besonnen und professionell agiert. Sie zog alle Menschen aus dem Wasser und aus dem Schlauchboot auf die ALAN KURDI. Zu diesem Zeitpunkt endete die gefährliche Auseinandersetzung. Die Libyer entwendeten das leere Schlauchboot und zogen sich damit zurück. 90 Überlebende befinden sich nun zusammen mit 17 Crewmitgliedern auf dem deutschen Rettungsschiff ALAN KURDI. Die Crew blieb unversehrt. „Ich bin total schockiert, was heute hier geschehen ist und bin glücklich, dass meine Crew unverletzt blieb. Nun kümmern wir uns erstmal um die geretteten Menschen“, sagt Kapitänin Beuse. Das medizinische Team fürchtet derweil um das Leben eines ungeborenen Kindes. Eine schwangere Frau leidet unter schweren Unterleibsblutungen. Sea-Eye hat die italienischen und maltesischen Behörden um eine Evakuierung der Frau gebeten. „Wir fürchten, dass die junge Mutter ihr Baby bei diesem Vorfall verloren hat“, sagt Ribbeck. „Es ist ein unglaublicher und schockierender Fakt, dass hier europäische, zivile Rettungskräfte von Personen bedroht und gefährdet worden sind, die von den eigenen Heimatländern der Rettungskräfte bei völkerrechtswidrigen Bemühungen unterstützt werden, Menschen von der Flucht aus Libyen abzuhalten“, sagt Gorden Isler, Sprecher von Sea-Eye e. V. „Das heute keine Menschen starben, ist allein dem professionellen und deeskalierenden Verhalten unserer Besatzung zu verdanken. Wir sind glücklich, dass alle gesund zu ihren Familien zurückkehren werden“. Am Abend schreibt der Libysche Offizier Mohamed Al Abuzidi der ALAN KURDI, dass Tripolis sich den geretteten Menschen als sicheren Hafen anbietet. Unter Hinweis auf das Völkerrecht lehnte die Sea-Eye-Einsatzleitung den zugewiesenen Hafen ab und nahm Kurs auf die italienische Insel Lampedusa.““ Sea Eye-Meldung vom 26.10.2019 , siehe dazu auch:- Warnschüsse der libyschen Küstenwache gegen „Alan Kurdi“
„Das deutsche zivile Rettungsboot „Alan Kurdi“ ist nach Angaben eines Sprechers am Samstag vor der libyschen Küste von mindestens drei Booten der libyschen Küstenwache bedroht worden, als es einem Flüchtlingsboot in Seenot zur Hilfe geeilt ist. „Die Besatzung der libyschen Küstenwache hat Warnschüsse ins Wasser und in die Luft abgegeben. Für unsere Crew war das ein völliger Schock, es bestand Lebensgefahr“, sagte Gorden Isler dem SPIEGEL. Isler ist Sprecher von Sea-Eye, die Organisation betreibt das Schiff. Isler zufolge hatte seine Crew zunächst einen Notruf weitergeleitet bekommen. Demnach sei ein weißes Flüchtlingsboot mit etwa 90 Menschen an Bord in Seenot geraten. Die „Alan Kurdi“ habe laut Isler das Boot erreicht und bereits zehn Migranten an Bord genommen, als mindestens drei Boote der libyschen Küstenwache die „Alan Kurdi“ umkreist und die Rettung behindert hätten. Vom Flüchtlingsboot sprangen demnach anschließend Menschen ins Wasser, um zur „Alan Kurdi“ zu gelangen. Die libysche Küstenwache habe zum Teil auch Flüchtlinge an Bord genommen, die seien aber wieder ins Wasser gesprungen. Einige Flüchtlinge seien zudem bei der Aktion zwischen „Alan Kurdi“ und Flüchtlingsboot geraten, die Situation sei sehr gefährlich gewesen, sagte Isler…“ Artikel von Steffen Lüdke vom 26.10.2019 beim Spiegel online
- Warnschüsse der libyschen Küstenwache gegen „Alan Kurdi“
- »Ein neuer Tiefpunkt in der brutalen europäischen Migrationspolitik« – Kurz vor Malta sollen 50 Flüchtlinge von der lybischen Küstenwache aufgegriffen und nach Tripolis zurück gebracht worden sein
„»Sie brachten uns bis in die türkischen Gewässer und warfen uns, einen nach dem anderen, auf unser Boot. Einer von uns fiel ins Meer und wir zogen ihn wieder aus dem Wasser. Sie warfen uns weg, als wären wir Abfall. Dann schnitten sie das Seil durch. Wir hatten keinen Motor, kein Benzin auf dem Boot und keine Ruder.« Dieses Zitat stammt aus einem Interview mit einem Flüchtling aus Syrien. Gemeinsam mit 46 anderen Männern, Frauen und Kinder wurde er am 8. August 2013 Opfer einer »Push-Back-Operation«. Die Gruppe aus Syrien hatte es bereits auf die griechische Insel Farmakonisi geschafft, wurde von dort aber zurück in die türkischen Gewässer gebracht. Lange Zeit galten sogenannte Pushbacks als eine der grausamsten Folgen der europäischen Flüchtlingspolitik. Dann kam das »Hirsi-Urteil«. Mehrere Flüchtlinge klagten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen ihre Rückführung nach Libyen. Die Operation wurde damals von einem italienischen Militärschiff durchgeführt. Der Gerichtshof stellte zwei Dinge fest: Erstens: Sobald Flüchtlinge mit europäischen Akteuren in Kontakt kommen, also auch mit europäischen Küstenwachen, sei Europa für die Menschen verantwortlich. Das heißt, die Flüchtlinge haben ein Recht auf Prüfung ihrer Asylgründe und ihnen muss Schutz gewährt werden, zum Beispiel durch die Verbringung in einen sicheren Hafen. Zweitens: Libyen ist kein solcher Hafen. Das Urteil schob den Pushbacks zumindest in der Breite einen Riegel vor. Nun macht die Organisation Alarmphone den maltesischen Behörden schwere Vorwürfe. Alarmphone hatte den Maltesern am 18. Oktober die Position eines in Seenot geratenen Schiffes durchgegeben. Nach Darstellung der Organisation haben die Behörden die Rettung verzögert. Schließlich wurden die Menschen von der libyschen Küstenwache aufgegriffen – obwohl sich das Boot in der maltesischen Rettungszone befand. Nach der Ausschiffung in Tripolis wurden die Menschen in die Haftanstalt Triq al Sikka gebracht, die für unmenschliche Zustände und schwere Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Die Dokumentation von Telefongesprächen und dem E-Mailverkehr zwischen Alarmphone und den maltesischen Behörden, die »nd« vorliegen, belegen diese Vorwürfe…“ Beitrag von Fabian Hillebrand bei neues Deutschland vom 24. Oktober 2019
- „Es ist leichter auf See zu ertrinken, als in Libyen zu sterben“ – 104 Gerettete an Bord der Ocean Viking brauchen einen sicheren Hafen
„Am 18. Oktober, nur zwei Tage nachdem das Rettungsschiff Ocean Viking in Italien 176 gerettete Menschen an Land gebracht hat, haben die Hilfsorganisationen SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen (MSF) erneut 104 Personen aus einem Schlauchboot gerettet. Es war 50 Seemeilen vor der libyschen Küste in Seenot geraten. Unter den geretteten Menschen befinden sich zwei schwangere Frauen und 40 Minderjährige, 30% von ihnen sind unbegleitet. Das Rettungsteam von SOS MEDITERRANEE hatte das Boot mit einem Fernglas gesichtet und umgehend die Evakuierung der Menschen von dem seeuntüchtigen Schlauchboot eingeleitet. In den letzten zwei Tagen haben die Teams der Ocean Viking den Augenzeugenberichten der Überlebenden zugehört. Diese sind erschreckende Zeugnisse der Gewalt und der Misshandlungen denen Migrant*innen und Flüchtende in Libyen ausgesetzt sind. Ein 20-jähriger Mann von der Elfenbeinküste erzählte dem SOS MEDITERRANEE-Team an Bord, dass er in dem libyschen Privatgefängnis Bani Walid mitansehen musste, wie Wächter einen seiner Freunde mit Benzin übergossen und ihn anschließend anzündeten. Sein Freund sei zwei Tage später, nachdem er keine medizinische Versorgung erhalten hatte, an den Folgen seiner Verletzungen gestorben. Ein 15-jähriges Mädchen von der Elfenbeinküste versuchte laut eigenen Angaben erstmals im August dieses Jahres gemeinsam mit ihrer Mutter und den zwei jüngeren Geschwistern, über das Mittelmeer zu flüchten. Vier Tage lang seien sie auf See gewesen und hätten dort zwei Kleinkinder und zwei Frauen sterben sehen, bevor sie von der libyschen Küstenwache abgefangen und nach Libyen in ein Internierungslager zurückgebracht worden seien. „Da drin tun sie mit den Frauen, was sie wollen“, erzählte das Mädchen den Teams der Ocean Viking. Ein 23-jähriger Überlebender, ebenfalls von der Elfenbeinküste, sagte: „Es ist leichter, auf See zu sterben, als in Libyen zu leben.“…“ Pressemitteilung von SOS Mediterranee vom 21. Oktober 2019
- Interniert im Bürgerkrieg: Was passiert, wenn Libyen seine Flüchtlingsgefängnisse schließt?
„Libyen will einige der umstrittenen Lager schließen, in denen Flüchtlinge interniert und misshandelt werden. (…) In libyschen Internierungslagern werden Flüchtlinge und Migranten gefoltert, erpresst, zum Kriegsdienst gezwungen. Seit Monaten fordern die Vereinten Nationen und die Europäische Union deshalb, die Gefangenen freizulassen und alle Lager zu schließen. In der vergangenen Woche hat der Innenminister der libyschen Einheitsregierung, Fathi Bashagha, nun genau das angekündigt. Zumindest die Menschen, die in den Lagern in Misurata, Tadschura und Chums festgehalten werden, sollen demnach entlassen und die Camps anschließend geschlossen werden. Doch mehr als eine Woche später ist immer noch nicht klar, inwieweit das bereits geschehen ist. (…) Angesichts der Bilder von Folteropfern wäre das ein Erfolg. Was aber passiert dann? Einen konkreten Plan für die Zukunft der Migranten und Flüchtlinge hat niemand. Die Vereinten Nationen hatten ursprünglich für eine „geordnete Freilassung“ geworben. Auch die EU müsste ein Interesse daran haben, dass die Betroffenen nicht auf der Straße landen. Schließlich unterstützt sie die libysche Küstenwache dabei, Migranten und Flüchtlinge auf dem Meer abzufangen und zurück ins Bürgerkriegsland zu bringen. Auf den Straßen ist es für Migranten in Libyen gefährlich. „Mit ihnen kann man gutes Geld verdienen – durch Zwangsarbeit, Prostitution oder Erpressung der Angehörigen in den Heimatländern“, sagt Zaccarias. Der 32-Jährige ist in Libyen für eine internationale Hilfsorganisation tätig, seinen Nachnamen will er lieber nicht veröffentlicht sehen. (…) Bleibt die gefährliche Flucht übers Meer in Richtung Europa. „Sie ist für viele Migranten und Flüchtlinge der einzige Weg, um ihre schreckliche Situation zu verändern“, sagt Sam Turner, Libyen-Beauftragter von Ärzte ohne Grenzen…“ Beitrag von on Markus Becker, Mirco Keilberth und Steffen Lüdke vom 13. August 2019 bei Spiegel online (dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft). Siehe dazu auch: Neue Route – Lage in Libyen verlagert Fluchtwege. Tunesische Regierung reagiert mit Repression auf Migranten
- Fluchtursachen: Wie Europa den Konflikt in Libyen schürt
„Der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wirft führenden europäischen Staaten vor, den Bürgerkrieg in Libyen durch Unterstützung gegnerischer Kriegsparteien anzuheizen und zu verlängern. Europa mache sich „mitschuldig“, dass der Krieg kein Ende finde. So treibe Europa auch die Fluchtbewegung über das Mittelmeer an. Die Europäische Union schaffe „die Voraussetzung dafür, dass der Migrationsdruck größer wird“, sagte Gabriel Panorama. (…) „Ich meine, wir streiten hier über die Frage, ob wir Schiffe anlanden lassen. Die Wahrheit ist, wenn wir dort nicht den Bürgerkrieg bekämpfen, dann vergessen wir bitte die Vorstellung, wir würden Leute zurückbringen können! Ja wohin eigentlich? Wieder zurück in die Konzentrationslager oder in die Finger derjenigen, die Krieg führen?“ Der eigenen Bevölkerung würden die Europäer sagen, „wir möchten weniger Migration“. Dabei schaffe die Europäische Union in Libyen „die Voraussetzung dafür, dass der Migrationsdruck größer wird.“ Rebellenchef Haftar wurde mehrfach vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Elyséepalast in Paris empfangen, zuletzt am 22. Mai, als sein Feldzug gegen die Regierung in Tripolis in vollem Gange war. Haftar in Paris „wie einen Staatspräsidenten“ zu behandeln, sei „das falsche Signal“, so Gabriel. Dieser wolle die „international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Sarradsch „mit militärischer Gewalt aus Tripolis vertreiben.“ (…) Gabriel kritisiert auch Waffenlieferungen an General Haftar. „Europa macht in Libyen einen fürchterlichen Eindruck,“ bilanziert der ehemalige Bundesaußenminister. „Wenn Europa mit unterschiedlichen Positionen dort auftritt und Bürgerkriegsparteien mit Waffen oder mit politischer Unterstützung versorgt, dann macht es sich mitschuldig an diesem Krieg“…“ Beitrag von Stefan Buchen in der ARD-Sendung Panorama vom 01.08.19 – die Kritik ist richtig, kommt aber nicht aus der Opposition dieser Politik…
- »Schlimmste Mittelmeertragödie dieses Jahres«: Mindestens 115 Migranten nach Bootsunglück vor libyscher Küste vermisst
„Vor der Küste Libyens hat sich möglicherweise das bislang schwerste Flüchtlingsunglück dieses Jahres abgespielt: Nach dem Untergang eines Flüchtlingsboots werden nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 110 Menschen vermisst. 145 Insassen des Boots seien von der libyschen Küstenwache gerettet worden, sagte IOM-Sprecherin Safa Msehli am Donnerstag. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ging allerdings von mehr als 250 Vermissten aus. IOM und Küstenwache machten unterschiedliche Angaben. (…) Nach Angaben von Überlebenden der Tragödie waren demnach insgesamt rund 250 Menschen an Bord des Holzbootes, als es rund neun Kilometer vor Choms sank. Unter den Insassen seien Kinder gewesen. Die geretteten Migranten seien in die libysche Hafenstadt Choms 120 Kilometer östlich von Tripolis zurückgebracht worden, sagte IOM-Sprecherin Msehli. Es handelte sich laut Kacem mehrheitlich um Eritreer, aber auch Sudanesen und Palästinenser. Die in der Seenotrettung aktive Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) gab an, ihr Team in Libyen habe 135 gerettete Insassen medizinisch betreut. Nach Angaben von Überlebenden seien am Mittwochabend drei hintereinander vertaute Boote mit insgesamt rund 400 Flüchtlingen aufgebrochen. Die Zahl der Vermissten würde sich demnach auf gut 260 belaufen. (…) Die Überlebenden seien aber nicht von der Küstenwache, sondern von Fischern gerettet worden. Der MSF-Vertreter kritisierte »die mangelnde internationale unabhängige und objektive Präsenz« in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten. Derzeit sind keine privaten Rettungsschiffe im Mittelmeer unterwegs. Die deutsche Organisation Sea-Eye kündigte allerdings am Donnerstag an, mit der »Alan Kurdi« in Richtung der Rettungszone vor der libyschen Küste aufzubrechen. Dort werde sie voraussichtlich Dienstag eintreffen, erklärte die Regensburger Organisation. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi schrieb beim Kurzbotschaftendienst Twitter, dass gerade die »schlimmste Mittelmeertragödie dieses Jahres« ihren Lauf nehme. Er forderte eine »Wiederaufnahme der Seenotrettung«, ein Ende der »Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen« und sichere Fluchtrouten aus Libyen…“ Agenturmeldung vom 26.7.2019 beim ND online
- Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee nehmen Seenotrettung wieder auf – Krise in Libyen und auf dem Mittelmeer hat sich verschärft
„Angesichts der verantwortungslosen Untätigkeit der europäischen Regierungen im Mittelmeer kündigt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen an, in Kürze wieder Seenotrettung zu starten. Die Rückkehr ins Mittelmeer ist eine Antwort auf die seit zwei Jahren andauernde Kampagne europäischer Regierungen mit dem Ziel, Seenotrettung zu verhindern, sowie auf die Normalisierung einer Politik, die zahlreiche Todesfälle im Mittelmeer und gewaltiges Leid im Konfliktgebiet in Libyen verursacht hat. „Europäische Politiker wollen glauben machen, dass das Ertrinken Hunderter Menschen und das Leid Tausender in Libyen gefangener Flüchtlinge und Migranten ein gerechtfertigter Preis dafür sind, Migration zu kontrollieren”, sagt Sam Turner, Leiter der Hilfe von Ärzte ohne Grenzen in Libyen und im Mittelmeer. „Während sie das angebliche Ende der sogenannten Flüchtlingskrise in Europa verkünden, verschließen sie bewusst die Augen vor der schweren humanitären Krise, die durch ihre Politik in Libyen und auf dem Meer verlängert wird. Solange diese vermeidbaren Todesfälle und dieses vermeidbare Leid weitergehen, weigern wir uns, tatenlos zuzusehen.” Das neue Rettungsschiff „Ocean Viking”, das von SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen gemeinsam betrieben wird, soll Ende des Monats die Seenotrettung im Mittelmeer aufnehmen…“ Pressemitteilung von Ärzte ohne Grenzen vom 21. Juli 2019
- Forderungen nach der Einrichtung von Flüchtlingslagern in Nordafrika: Das Meer des Todes / European Union/Libya: Act Now to Save Lives
„Vor dem heutigen Treffen der EU-Außenminister werden in Berlin zum wiederholten Mal Forderungen nach der Einrichtung von Flüchtlingslagern in Nordafrika laut. Während die Vereinten Nationen sowie Flüchtlingsorganisationen darauf dringen, die berüchtigten Lager in Libyen umgehend zu schließen und die dort festgehaltenen, misshandelten und oft auch gefolterten Flüchtlinge wenigstens zum Teil in die EU einreisen zu lassen, verlangt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, das UN-Flüchtlingshilfswerk solle in Libyen eigene Lager errichten, in denen eine „menschenwürdige Unterbringung“ gesichert sei. Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schlägt ergänzend die Schaffung einer „Schutzzone“ in Libyen vor. Ein deutscher General a.D. plädiert für einen EU-Militäreinsatz in dem nordafrikanischen Land, bei dem nicht nur die Küstenwache, sondern auch weitere, an Land operierende „Sicherheitskräfte“ ausgebildet werden könnten. Dem UNHCR ist es seit April gelungen, je knapp 300 Flüchtlinge aus Libyen nach Niger und nach Italien zu evakuieren. Von Evakuationen nach Deutschland berichtet die Organisation nichts…“ Eigener Bericht vom 15.07.2019 von und bei german-foreign-policy – siehe zum heutigen Treffen auch den Aufruf von Human Rights Watch: European Union/Libya: Act Now to Save Lives
- Italien baut Kooperation mit libyscher Küstenwache aus
„… Die libysche Küstenwache gilt als aggressiv und brutal. Menschen, die sie beim Fluchtversuch über das Mittelmeer aufgreift und aufs Festland zurückbringt, werden dort in Haftanstalten interniert und Berichten zufolge mitunter gefoltert und schwer misshandelt. Die EU wird deshalb immer wieder für ihre Zusammenarbeit mit Libyen scharf kritisiert. Italien aber will die Kooperation sogar noch ausbauen. Um vermeintliche Menschenschlepperei zu bekämpfen, werde man die libysche Küstenwache mit Material und Training noch stärker unterstützen, teilte die Regierung in Rom mit. Der von der EU unterstützte Deal sieht vor, dass die Libyer Bootsflüchtlinge auf dem Weg nach Europa auf dem Mittelmeer abfangen und wieder in das Bürgerkriegsland zurückbringen. (…) Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hatte noch am Dienstag die EU aufgefordert, die Regierung in Libyen zu einem anderen Umgang mit Migranten zu drängen. „Die Europäische Union muss dringend auf die international anerkannte Regierung in Libyen einwirken“, teilte Asselborn mit. Die libysche Küstenwache dürfe die geretteten Migranten nicht mehr wie bisher in Militärlagern, die leicht Ziel von kriegerischen Angriffen werden könnten, unterbringen – sondern solle sie in die Einrichtungen des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bringen…“ Meldung vom 11. Juli 2019 beim Spiegel online
- Migration aus Libyen: Die NGOs sind nur ein Teil der Diskussion. Es bringen auch andere Schiffe Migranten nach Italien
„Alan Kurdi“ mit neuen Geretteten an Bord und die ungelöste Frage, wie es weitergehen soll. (…) Der Sprecher der libyschen Küstenwache, Ayoub Qassem, warnt vor einem „Exodus von Migranten nach Italien“ und beschuldigt die NGOs, dass sie „von Schleppern direkt für jede gerettete Person Geld bekommen“. Begründet hat Qassem, der auf die libyschen Haftanstalten für Flüchtlinge nichts kommen lässt, seine Anschuldigung nicht mit einem Wort. (…) Der italienische Innenminister sprach sich auch gestern im Schlagabtausch mit der Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta gegen die EU-Operation aus. Er bleibt auf dem Standpunkt, den schon sein Vorgänger, allerdings weniger auffällig und mit mehr kompromissbereiter vertreten hat: Italien kann und will keine Migranten mehr, die vom Mittelmeer kommen aufnehmen. Schon gar nicht, wenn sie von Rettungsschiffen gebracht werden. Diese Position trägt ihm viel Popularität ein, wie derzeit häufig herausgestellt wird. (…) Einiges Aufsehen erregt CSU-Entwicklungsminister Müller, der auf eine Evakuierung der Haftlager für Migranten in Lager in Libyen drängt und eine „gemeinsame humane Initiative von Europa und den Vereinten Nationen zur Rettung der Flüchtlinge auf libyschen Boden“ fordert. Wie aber soll die Auflösung der Lager im failed state Libyen angesichts der gegenwärtigen Kriegshandlungen bewerkstelligt werden? (…) Die konzeptionelle Tendenz, dass über das Weiterkommen der Migranten außerhalb Europas entschieden werden soll, dürfte sich auf lange Frist durchsetzen. Allerdings ist derzeit nicht absehbar, wie solche Pläne realisiert werden sollen. Was die Seenotrettungen angeht, so wird es diesen Sommer wahrscheinlich bei mehr oder weniger schnellen Einzelfallentscheidungen bleiben.“ Beitrag von Thomas Pany vom 9. Juli 2019 bei Telepolis
- [Materialsammlung] Die Bombardierung des Flüchtlingslagers in Libyen ruft Proteste hervor – und europäische Zustimmung
Die mörderischen Bomben auf ein Flüchtlingslager in Libyen, das dokumentierte Vorgehen sogenannter Sicherheitskräfte gegen Menschen, die während des Angriffs aus dem Lager fliehen wollen haben zu heftigen Protesten geführt: Vor allem der bisher in diesem Lager gefangen gehaltenen Menschen selbst, aber auch aus anderen Lagern in Libyen. Auch zahlreiche internationale Proteste wurden durch dieses mörderische Vorgehen hervor gerufen – weltweit, aber nicht aus der EU, wie es ja bereits bei den Filmen über das Terror-Regime, das in den Lagern herrscht, gewesen war. Ein seit neuestem ehemaliger Bundeskanzler in Wien etwa äußerte am selben Tag – nichts zu den Bomben, klar. Weil er ja aber wieder Bundeskanzler werden will blökte er, Schiffe im Mittelmeer mit Flüchtlingen aus Libyen, müssten dorthin zurück geschickt werden. Wo sie dann von wem auch immer vollends „erledigt“ werden können – sagte er nicht, nichts anderes aber kann und soll es bedeuten. Siehe zu den Entwicklungen in Libyen und dem europäischen Krieg gegen die MigrantInnen eine kleine aktuelle Materialsammlung, die zur Aufgabe haben soll, auch die Hintergründe dieser Entwicklungen etwas besser verständlich zu machen:- „Survivors of deadly air attack in Libya demand evacuation“ von Sally Haiden am 07. Juli 2019 bei Al Jazeera ist ein Bericht über den Protest der Lager-Insassen, die nach dem Bombenangriff die Evakuierung des Lagers in Tajoura fordern. Flüchtlinge aus dem Sudan, Äthiopien, Eritrea und Somalia schlafen seitdem auf den Straßen außerhalb des Lagers, weil sie weitere Angriffe fürchten. Und einige von ihnen haben mit einem Protest-Hungerstreik begonnen, mit dem sie ihre Evakuierung fordern. (Der Bericht verbreitet auch ein Video zu diesen Protesten).
- „Der Angriff, der alles veränderte“ von Mirco Kleiberth am 07. Juli 2019 in der taz online zu den Auswirkungen der Bombardierung des Lagers: „… Auch al-Farasch suchte in roter Weste, Latex-Handschuhen und Mundschutz in den Trümmern nach Leichenteilen. Normalerweise behandelt der 26-Jährige Verletzte an der nahen Front. Aber in den letzten Wochen gingen immer wieder Granaten oder Raketen nieder, überrascht habe die Katastrophe niemanden, sagt er. Denn die Halle liegt neben einem Militärgelände, das schon zu Gaddafis Zeiten von Einheiten des Innenministeriums genutzt wurde. Nun herrscht hinter den hohen Mauern die Athman-Miliz. Die Gruppe steht den Islamisten der Ansar Scharia nahe sowie dem Schura-Rat aus dem ostlibyschen Bengasi. Die Bengasi-Schura war Haftars Hauptgegner im dreijährigen Krieg in Bengasi und floh nach Haftars Sieg nach Tripolis. Milizen wie Athman sind also Priorität für Haftars Luftwaffe. Ihnen galt der Angriff vom 3. Juli. Die Milizen haben aber auch Migranten aus Tajoura für Reinigungs- und Reparaturarbeiten eingesetzt, auch zum Ausheben von Schutzwällen, bestätigen westafrikanische Migranten der taz. (…) Die Zahl der Toten wurde zwar offiziell mit 44 angegeben, doch viele Helfer berichten der taz, dass niemand weiß, wie viele es tatsächlich sind. Von vielen Opfern wurden nur Arme oder Beine gefunden. „Ich arbeite seit 2011 an der Front, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen“, so al-Farasch. 130 Menschen erleiden teils schwere Verbrennungen, sie irrten stundenlang über das Gelände, berichtet ein Migrant aus Eritrea der taz am Telefon. Dabei eröffneten Bewaffnete auf sie das Feuer. Nun fordert das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR eine Untersuchung und die Identifizierung der Schuldigen, dazu die Einrichtung eines humanitären Korridors für Flüchtlinge und Migranten. Doch längst haben sich viele allein auf den Weg gemacht – an die Strände von Garabulli östlich von Tajoura oder Richtung Westen, nach Zuwara an der tunesischen Grenze…“
- „Libya: Detained refugees ‚terrified‘ as clashes near Tripoli rage“ ebenfalls von Sally Haiden bereits am 07. April 2019 bei Al Jazeera steht hier als Beispiel dafür, dass die tödlichen Ereignisse Anfang Juli keineswegs besonders überraschend kamen – schon damals äußerten Menschen, die in den Lagern gefangen gehalten wurden, sowohl Bedenken, als auch erste Erfahrungen damit, wie sie im Krieg um Libyen in besonderer Gefahr stecken.
- „Die Warlords der NATO „ von Lutz Herden im April 2019 bei den Freitags-Blogs zu einer Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet: „… Wenn UN-Generalsekretär António Guterres jetzt in Benghazi mit Khalifa Haftar verhandelt und den General zur Mäßigung ermahnt, ist seine Position nicht zuletzt wegen dieser Vorgeschichte schwach. Die Vereinten Nationen haben sich davon auch deshalb nie emanzipiert, weil sie zusahen, wie die westlichen Interventionsmächte nach dem Gaddafi-Sturz Libyen sich selbst überließen, Chaos, Anarchie wie einem Vormarsch und den Gräueln des Islamischen Staates (IS) auslieferten. Dass der sich ausbreiten konnte, war eine der zynischsten Konsequenzen der „humanitären Intervention“ des Westens. Nur entbehrte dies nicht der inneren Logik. Gaddafi wurde ja nicht gestürzt, weil er ein autoritärer Herrscher war (dann könnte man auch gegen das saudische Regime intervenieren, statt es mit Waffen zu verproviantieren), sondern weil er sich entschlossen zeigte, den Erdgas- und Erdölreichtum seines Landes für eine größere, gegen den Westen gerichtete Autonomie Nordafrikas, wenn nicht des gesamten Kontinents, einzusetzen…“
- Libyen: Saudis unterstützen Haftar“ von Peter Mühlbauer am 10. April 2019 bei telepolis zu den Allianzen in Libyen unter anderem: „… Ende letzter Woche startete der libysche Warlord Chalifa Haftar einen Angriff auf Tripolis, die bislang von Fajis al-Sarradsch beherrscht wird, der sich unter anderem auf Milizen aus Misurata und az-Zintan stützt. Inzwischen haben die Kämpfe, bei denen bislang etwa 50 Personen ums Leben kamen, den Flughafen der libyschen Hauptstadt erreicht. Hinter Haftar stehen (mehr oder weniger offen) unter anderem die ägyptische und die französische Staatsführung, die ihr Engagement nach dem Tod dreier französischer Soldaten beim Absturz eines Militärhubschraubers 2016 mit dem Kampf gegen Islamisten rechtfertigte. Dieser Rechtfertigung bedient sich auch Haftar, der „Charidschiten“ und „Takfiristen“ in Tripolis kritisiert, obwohl auch in seinen Reihen Salafisten kämpfen. Dabei handelt es sich um Madchaliten – Anhänger des saudischen Predigers Rabi al-Madchali, der sich vor etwa 30 Jahren von den Moslembrüdern lossagte und eine quietistischere Variante des Salafismus begründete, die das saudische Königshaus nicht infrage stellt und von ihm entsprechend gefördert wird. Insofern überrascht es nicht, dass sich Saudi-Arabien hinter Haftar stellte. Im letzten Monat empfingen der saudische König Salman, dessen faktisch herrschender Kronprinzen Mohammed Bin Salman und die saudischen Geheimdienstchefs Haftar sogar in der saudischen Hauptstadt Riad. Die Saudis sind mit dem Ölemirat Katar und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan verfeindet. Diese beiden orientalischen Regionalmächte fördern die Moslembrüder, die Einfluss auf die Regierung von Fajis al-Sarradsch und die ihn stützenden Milizen haben. Ob es Haftar gelingt, ganz Libyen unter seine Kontrolle zu bringen, hängt auch davon ab, wie viele davon gegen entsprechende Gegenleistungen die Seite wechseln. Bislang gelang es ihm recht gut, Milizen zum Seitenwechsel zu überreden (wie man unter anderem an der Karte sieht): Zum einen, weil viele Milizen lieber auf der Seite des mutmaßlichen Siegers standen, als zu verlieren – und zum anderen, weil ihnen der flexible 75-jährige Pfründe anbieten konnte. Deshalb kämpfen auch viele Söldner aus dem Tschad und dem Sudan auf Seiten des Generals, der vor 50 Jahren zusammen mit Muammar al-Gaddafi den damaligen libyschen König Idris stürzte. Nachdem er in den 1980er Jahren beim Versuch der Eroberung des Nordtschad für Libyen scheiterte (vgl. Die Rückkehr der Waffen ), zerstritt er sich mit seinem ehemaligen Kampfgenossen und ging bis zu dessen Sturz ins amerikanische Exil…“
- „Who will help the 600,000 migrants and refugees in Libya?“ von Camille Le Coz am 18. April 2019 in The New Humanitarian ist ein Beitrag, der eine Art Gesamtüberblick über die Lage der geschätzten rund 600.000 Menschen gibt, die in libyschen Lagern gefangen gehalten werden – und dies in einem Zeitraum, da der gegenwärtige Milizenkrieg in Libyen gerade begonnen hatte und natürlich von allen als reale Gefahr für die Menschen in den Lagern gesehen wurde. Die Reaktionen waren auf eigene Faust weiter fliehen, oder aber auch, von offizieller, EU getreuer Seite aus, sie in den Niger oder anderen Nachbarstaaten abzuschieben.
- „Die nächste Runde im libyschen Krieg“ am 09. April 2019 bei German Foreign Policy in etwa zum selben Zeitpunkt (Abo-Beitrag): „… Insbesondere die Bundesrepublik hatte sich schon vor Jahren für die Einsetzung der „Einheitsregierung“ stark gemacht, die nun von Truppen des ostlibyschen Generals Khalifa Haftar aus der Hauptstadt Tripolis verjagt zu werden droht. Allerdings waren Berlin und Brüssel nur an einer Anlaufstelle für die Flüchtlingsabwehr interessiert; dies habe dem offiziellen Ziel, „zur Wiederherstellung einer funktionierenden Regierung beizutragen“, „direkt entgegen[gestanden]“, urteilt ein Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Vom Westen nicht nur im Stich gelassen, sondern auch aktiv sabotiert, sei die Einheitsregierung faktisch eine leichte Beute für Mafia-Milizen geworden. Paris hingegen, von der Chancenlosigkeit der Einheitsregierung überzeugt, unterstützte bereits früh die Truppen von General Haftar…“
- „Libyen, Algerien: Die Versuchung einer Militärdiktatur“ am 09. April 2019 bei FFM-Online zum Thema: „… In den letzten Jahren hat es mehrfach kriegerische Auseinandersetzungen in und um Tripolis gegeben, die das aktuelle Ausmaß erreicht haben – aber es waren militärische Kämpfe lediglich unter westlibyschen Milizen. Die Kunde davon gelangte kaum in die Weltöffentlichkeit. Seit März 2019 haben sich die westlibyschen Milizen zu einer Front „gegen die drohende Militärdiktatur“ zusammengeschlossen, als der Eroberungsfeldzug von Haftars Truppen zunächst Richtung Süd-Libyen begonnen hatte. Eine Militärdiktatur in Libyen bedeutet Krieg rund um Tripolis und offene, mörderische Repression nach ägyptischem Vorbild. Die Herrschaft der skrupellosen westlibyschen Milizen, die die Internierungslager betreiben, die fliehenden Boat-people einfangen und foltern lassen, würde schlicht und einfach von den Haftar-Truppen, falls sie siegen, übernommen werden. Die vorverlagerte Festung Europa an der westlibyschen Küste wurde in der EU anscheinend zunehmend als obsolet betrachtet. Die sogenannte libysche Küstenwache war immer häufiger „out of order“, oder ihre schiessenden Kommandoaktionen gegen Boat-people und NGO-Schiffe gerieten für die EU zum Prestigeverlust. Richtige militärische Truppen könnten nicht nur im Gleichschritt paradieren, sondern würden auch nicht mehr auf das Milizengeschäft zurückgreifen: Erst durch Folter den Flüchtlingsangehörigen Geld abpressen, dann sie gegen Geld auf Boote setzen, um sie schließlich für EU-Geld wieder einzufangen – all das wäre vorbei. Eine richtige durchorganisierte Militärdiktatur in Libyen, die die Küsten effektiv kontrolliert – das könnte der stille Traum in so manchen EU-Gremien sein. Nun wird erstmal der Scherbenhaufen der italienisch-europäischen EU-Politik inszeniert…“
- „Haftar has clearly been given the green light to conquer Tripoli“ von Dr Mustafa Fetouri am 18. April 2019 im Middle East Monitor ist ein Beitrag zu Beginn der aktuellen Kmäpfe, der sowohl darauf verweist, dass alle in Libyen handelnden Milizen auch internationale Verbindungen haben – internationale Unterstützung oft genug auch – als auch, dass wenn dieser Krieg vorbei sein möge, der nächste bestimmt komme. Die einzige Lösung sei, wie es verschiedene Proteste der Bevölkerung bereits gefordert hätten, die Beseitigung aller Milizen im Lande. Was aber kaum ohne Gewalt vorstellbar wäre…
- Siehe zum Hintergrund die erste Meldung: Libyen: Mind. 40 Tote nach Luftangriff auf Flüchtlingslager
„In Libyen sollen Kräfte des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar ein Lager bombardiert haben. In der hauptstadtnahen Unterkunft wurden Hunderte Geflüchtete festgehalten.
Bei einem Luftangriff auf ein Flüchtlingslager nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis sind nach Angaben von Rettungskräften mindestens 40 Menschen getötet worden. 80 weitere Flüchtlinge seien in dem Lager im Vorort Tadschura verletzt worden, sagte Malek Merset, ein Sprecher der libyschen Gesundheitsbehörden, in der Nacht. Ein Sprecher der Rettungskräfte sagte, es handle sich um eine vorläufige Bilanz, die sich noch verschlimmern könne. Es ist offenbar unklar, wie viele Flüchtlinge und Migranten in dem Hangar festgehalten wurden. Zunächst war vermeldet worden, es seien etwa 120 Geflüchtete, später gab die die Nachrichtenagentur AP an, in der Unterkunft hätten sich 616 Geflüchtete aufgehalten. Die von den Vereinten Nationen unterstützte libysche Regierung machte die sogenannte Libysche Nationalarmee (LNA) des Generals Chalifa Haftar für den Angriff verantwortlich…“ Agenturmeldung vom 3. Juli 2019 bei der Zeit online
- Gewalt gegen Geflüchtete: »Ich höre immer wieder von den Menschen: Befreit uns!« Lager in Libyen: Italienischer Regisseur schafft Öffentlichkeit für gefolterte Flüchtlinge.
„… Viele der Geflüchteten nutzen ihre Handys, um über das Internet auf ihre Geschichten aufmerksam zu machen. Als ich davon hörte, nahm ich Kontakt auf und erfuhr aus erster Hand, wie die Situation in den Lagern ist. Für Journalisten war es in der jüngeren Vergangenheit sehr schwer, vor Ort zu recherchieren. Das wird zum Teil dadurch kompensiert, dass die Betroffenen ihre Geschichten selbst erzählen und von den Grausamkeiten berichten, die sie erleiden müssen. In Libyen werden viele von ihnen ausgebeutet, zu Zwangsarbeit gezwungen, gefoltert oder vergewaltigt. [Und Aufnahmen davon sind ebenfalls online?] So ist es, das hat mich sehr schockiert. Die Verantwortlichen versuchen so, Geld von den Familien der Flüchtlinge zu erpressen. Auf diese Weise gelangen Folteraufnahmen aus diesen Lagern in die Außenwelt – aus Gefängnissen, in denen Menschen sitzen, die kein Verbrechen begangen haben. (…) Dazu muss man wissen, dass die wenigen Berichte von Journalisten aus den Lagern nicht immer im Sinne der internierten Migranten waren. Viele von ihnen konnten nicht alles erzählen, um sich selbst zu schützen. Denn wer die Wahrheit sagt, riskiert es, gefoltert zu werden. Die Macht dort liegt vollständig in den Händen der Milizen. Selbst die UNO hat große Schwierigkeiten damit, zu ermitteln, wie es den Flüchtlingen in den Lagern geht. Mitarbeiter des UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, jW) dürfen sich im Land nicht frei bewegen. In den Lagern gibt es etwa 20.000 Migranten, aber außerhalb sind es rund 700.000. Von denen werden viele auf libyschem Boden regelrecht versklavt und von Betrieben rund um die Hauptstadt Tripolis eingesetzt. Ich höre immer wieder den gleichen Satz von den Menschen, mit denen ich in Kontakt bin: Befreit uns! Diese Perspektive fehlt mir in der bisherigen Berichterstattung. (…) Bislang wurden 300 Migranten per Flugzeug nach Rom gebracht. Die Zahl ist verschwindend gering, aber ein Anfang. Das UNHCR sagt, dass es rund 6.000 Flüchtlinge in geschlossenen Lagern gibt, die an der gegenwärtigen Front des Kampfes zwischen Milizen liegen. Sie müssten dringend evakuiert werden. Andere europäische Regierungen haben bislang nicht auf unseren Hilferuf geantwortet.“ Interview von Carmela Negrete in der jungen Welt vom 02.07.2019 mit dem Dokumentarfilmregisseur Michelangelo Severgnini – siehe den Videokanal mit dem Film „Exodus – fuga dalla Libia“
- [ai-Aktion] Seenotrettung ermöglichen und sichere Zugangswege aus Libyen nach Europa schaffen!
„Die europäische Flüchtlingspolitik setzt immer stärker auf Abschottung und nimmt dabei Tausende Todesopfer und schlimme Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen im Mittelmeer auf der Flucht ertrinken oder nach Libyen zurückgebracht werden. Dort werden Migrant_innen und Flüchtlinge willkürlich gefangen genommen und ihnen drohen Folter und schlimmste Misshandlungen. Die Europäische Union arbeitet seit Jahren eng mit Libyen zusammen, um zu verhindern, dass Migrant_innen und Flüchtlinge auf der zentralen Mittelmeerroute Europa erreichen. Deutschland hat gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten die libysche Küstenwache ausgerüstet und trainiert. Diese fängt die Menschen auf See ab und bringt sie nach Libyen zurück, wo sie Folter, Versklavung und Gewalt ausgesetzt sind. Damit machen sich die EU-Staaten wissentlich zu Komplizen eines für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Systems. (…) Fordere sichere Zugangswege nach Europa und die Freilassung der Flüchtlinge und Migrant_innen in Libyen! Die EU muss Seenotrettung wieder ermöglichen!“ E-Mail-Aktion an die Bundeskanzlerin Angela Merkel von und bei Amnesty International
- Protest eritreischer Refugees im Todeslager Zintan
„Channel 4 hat ein Video aus dem Lager Zintan, tief in der libyschen Wüste gelegen, veröffentlicht, das unter die Haut geht. In diesem Lager sind seit September 20 Menschen gestorben. Zu sehen ist in den 10 Minuten der Protest zahlreicher, überwiegend eritreischer Geflüchteter, die in diesem Lager gefangen sind. Ihre Transparente wurden mit Tomatenmark geschrieben, das sie sich vom Mund abgespart haben. Zu sehen sind die Lebensumstände im Lager, die Verteilung von einem Becher Wasser pro Person aus einem Eimer, eine stotternde Stellungnahme des EU Flüchtlingskommissars Avramopoulos und eine Stellungnahme des UNHCR-Sekretärs für Menschenrechte, Rupert Colville, der auf die Frage der Moderatorin, ob er die Verantwortung für die Ertrunkenen, die Push-Backs und die Lager bei der EU-Flüchtlingspolitik sehe, antwortet: „Yes, that is absolutely right“. (…) Colville sagt, die Zustände in den Lagern lägen „beyond the powers of the agency“. Allein die EU könne die dortigen Zustände durch eine Änderung ihrer Migrationspolitik beeinflussen. Offenbar wird UNHCR, der die Aktionen der libyschen Milizen und die Zustände in den Lagern bislang eher lautlos begleitet hat, nun nervös. Der Protest im Todeslager, die zwischen die Fronten geratenen Gefangenen und die Tatsache, dass im Lager von Al-Khums 170 Gefangene spurlos verschwunden sind, zeigt, dass die Dinge aus dem Ruder laufen. Das sind „die Bilder, an die wir uns“ nach den Worten des ehemaligen Innenministers de Maiziere, „gewöhnen müssen“. Müssen wir das?“ Beitrag von und bei FFM-Online vom 10 Juni 2019 mit Link zur sehenswerten britischen Reportage von 4 Channel vom 7.Juni
- Flüchtlinge in Libyen: Rechtsanwälte zeigen EU in Den Haag an
„In Libyen werden Menschen gefoltert und versklavt, vor der Küste ertrinken Flüchtlinge im Mittelmeer. Eine Gruppe internationaler Juristen erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die EU. (…) Die Gruppe um die Rechtsanwälte Omer Shatz und Juan Branco wirft der EU im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise im Mittelmeer „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor. Shatz ist Dozent an der Yale Law School und der Pariser Elitehochschule Science Po und hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von Menschenrechtsverfahren angestoßen. Die EU sei durch ihre Politik verantwortlich für „den Tod Tausender Menschen durch Ertrinken“, sowie die Gefangennahme, Versklavung, Folter und Ermordung von Flüchtlingen. Die Begründung: Die Europäische Union fördere den Rücktransport Zehntausender Geflohener nach Libyen durch die libysche Küstenwache, heißt es in der 241-seitigen Strafanzeige. (…) Der Vorstoß der Juristen um Shatz stellt einen weiteren Versuch dar, die Misshandlung und Tötung von Flüchtlingen und das Massensterben auf dem Mittelmeer strafrechtlich ahnden zu lassen. Nach SPIEGEL-Informationen wurden bereits bei Strafverfolgungsbehörden in mehreren Staaten Aktenzeichen wegen Vergehen gegen das Völkerstrafrecht im Zusammenhang mit der Situation in Libyen angelegt. Ob es sich dabei um reine Beobachtungen oder aktive Ermittlungsverfahren handelt ist allerdings unklar. Als Täter dürften diese Vorgänge allerdings libysche Akteure im Visier haben. Die aktuelle Anzeige in Den Haag geht einen großen Schritt weiter, indem sie die Verantwortung der EU thematisiert. So habe die EU mit dem Auslaufen der Operation „Sophia“ eine große Zone ohne Seenotrettungskapazitäten geschaffen, heißt es in der Anzeige…“ Artikel von Fidelius Schmid vom 03.06.2019 beim Spiegel online
- Hilfswerk UNHCR: Flüchtlinge sollen „auf keinen Fall“ zurück nach Libyen gebracht werden
„Anrainerstaaten weisen aus dem Mittelmeer gerettete Migranten regelmäßig ab. Daran äußert nun das Hilfswerk UNHCR Kritik. Insbesondere nach Libyen dürften Flüchtlinge nicht zurückgebracht werden. (…) Es müsse jede politische Einflussmöglichkeit – auch durch die Europäische Union – genutzt werden, um das Leid in den Lagern zu beenden, forderte Bartsch gegenüber der Zeitung. „Die humanitäre Situation der Menschen in den Lagern ist verheerend. Es fehlen Nahrung, Wasser und viele brauchen dringend medizinische Hilfe.“ (…) Er rief die Regierungen von EU-Ländern auch auf, private Retter auf dem Mittelmeer nicht länger zu kriminalisieren…“ Meldung vom 19.05.2019 beim Spiegel online
- Libyen: Routinemässig Folter und Vergewaltigung
„… Flüchtlinge und Migranten, die versuchen, von Afrika nach Europa zu gelangen, sind in offiziellen wie inoffiziellen libyschen Haftanstalten routinemässig sexueller Gewalt ausgesetzt, ergab eine Umfrage der «Women’s Refugee Commission». Die Grausamkeiten werden immer schlimmer, sagt die Organisation, die zwischen Oktober 2015 und November 2018 Flüchtlinge in Italien sowie Beteiligte wie Seenotretter, Menschenrechtsexperten und lokale Informanten befragt und Informationen anderer Organisationen zusammengetragen hat. Betroffen sei jeder, der durch Libyen fliehe, Männer wie Frauen, Erwachsene wie Kinder, Muslime wie Christen. Andere Organisationen bestätigen diese Angaben. «Sexuelle Gewalt wird zur Erpressung, Unterwerfung, Bestrafung und Unterhaltung eingesetzt und beinhaltet häufig Elemente tiefer Grausamkeit und psychologischer Folter», fasst der Bericht zusammen. Die Überlebenden, die es nach Europa schaffen, tragen die psychischen und physischen Spuren Libyens. Zu den sichtbaren Spuren zählen Verbrennungen, Schusswunden, Narben und ungewollte Schwangerschaften, zu den unsichtbaren Albträume, Schlaflosigkeit, Traumata. (…) 2018 befanden sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen 700‘000 und einer Million Flüchtlinge und Migranten in Libyen. Zehn Prozent davon sind Kinder, die Hälfte davon reist unbegleitet. Von den Erwachsenen sind etwa vier Fünftel Männer. Ungefähr 5‘000 Personen befinden sich in offiziellen Lagern der Regierung, schätzte «Médecins sans Fronières» Ende 2018. Wer in Libyen festgenommen oder von der libyschen Küstenwache ins Land zurückgebracht wird, landet dort. Ein- und Ausreise ohne gültiges Visum sind in Libyen illegal. In der Praxis heisst das Internierung ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit. (…) Die «Women’s Refugee Commission» appelliert an die EU-Länder, die Menschenrechte bei ihrem Handeln in den Vordergrund zu stellen und Flüchtende nicht länger in ein zunehmend rechtloses Bürgerkriegsland wie Libyen zurückzuschicken, wo ihnen schlimmste Gewalt droht. Sie fordert die europäischen Länder auf, diejenigen zu unterstützen, denen die Flucht nach Europa gelungen ist.“ Beitrag von Daniela Gschweng vom 12. Mai 2019 bei Infosperber
- Flüchtlingselend in Libyen: Barbarei im Namen Europas
„Die Europäer haben die Verantwortung für Flüchtlinge auf Staaten wie Libyen abgewälzt. Damit machen sie sich schuldig an den Verbrechen, die dort an diesen Menschen begangen werden. Die Bilder und Videos, die beinahe jeden Tag auf dem Handy von Michelangelo Severgnini eingehen, sind unerträglich: Sie zeigen Flüchtlinge in Libyen, die aneinandergekettet auf dem Boden kauern, die mit geschmolzenem Metall übergossen und tot geprügelt werden. Severgnini, Menschenrechtsaktivist aus Italien, steht über WhatsApp regelmäßig mit mehreren Hundert Migranten in Kontakt. Er dokumentiert, was die Europäer verdrängen oder ignorieren: die Entmenschlichung Tausender Flüchtlinge in Libyen, den Zivilisationsbruch im Namen Europas. Die EU-Staaten haben die Migrationsabwehr an Libyen ausgelagert. Sie bezahlen Verbrecherbanden und Milizen, damit diese Menschen an der Flucht nach Europa hindern – egal mit welchen Mitteln. Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) haben vielfach beschrieben, was mit Flüchtlingen passiert, die von der libyschen Küstenwache aufgegriffen werden. Sie landen in Haftanstalten, die vom Auswärtigen Amt mit Konzentrationslagern verglichen wurden. Sie werden misshandelt, vergewaltigt, gefoltert, versklavt, exekutiert. Der ehemalige Uno-Menschenrechtskommissar Zeid Raad al-Hussein spricht vom „schieren Grauen“. All das hindert die Europäer nicht daran, mit Libyen in der Asylpolitik zu kooperieren…“ Kommentar von Maximilian Popp vom 4. Mai 2019 beim Spiegel online
- Libyen: Flüchtlinge beschossen und verletzt – Ärzte ohne Grenzen fordert, Gefangene sofort außer Landes zu bringen
„Gefangene Flüchtlinge und Migranten sind in einem Internierungslager in der libyschen Hauptstadt Tripolis beschossen und verletzt worden. Das geht aus Belegen hervor, die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Libyen aus dem Lager Kasr Bin Gaschir erhalten haben, in dem sich auch Kleinkinder und Schwangere befanden. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen haben seit mehr als zwei Wochen mehrfach dringend gefordert, die etwa 3.000 Menschen aus den Internierungslagern in Tripolis in Sicherheit zu bringen. Sie werden in Einrichtungen der von der EU unterstützten libyschen Einheitsregierung nahe des Kampfgebiets willkürlich festgehalten. Viele von ihnen wurden von der libyschen Küstenwache mit Unterstützung der EU vom Mittelmeer nach Libyen zurückgebracht. „Wir sind mehr als schockiert. Nichts kann so einen gewaltsamen Angriff auf verletzliche Zivilisten rechtfertigen, die im Konfliktgebiet eingesperrt sind“, sagt Karline Kleijer, Leiterin der für Tripolis zuständigen Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen. „Der internationalen Gemeinschaft muss ihr völliges Nichthandeln vorgeworfen werden. Die bloße Verurteilung von Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten ist wertlos, wenn die internationale Gemeinschaft jetzt nicht sofort Maßnahmen ergreift. Wir fordern inständig in akuter Dringlichkeit, die Menschen außer Landes zu bringen. Sonst können sie erneut ins Kreuzfeuer geraten.“…“ Meldung vom 26. April 2019 von und bei Africa live
- Flüchtlingslager bei Tripolis – Verletzte bei Angriff in Libyen
„In Libyen tobt weiter der Kampf um die Macht im Land. Nun kommt es zu einem Angriff auf ein Flüchtlingslager bei Tripolis. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat sich besorgt über Angriffe auf ein Flüchtlingslager südlich der libyschen Hauptstadt Tripolis geäußert. Mehrere Flüchtlinge seien verletzt worden, die Situation sei angespannt, teilte das Flüchtlingswerk auf Twitter mit…“ dpa-Meldung vom 23.04.2019 beim ZDF
- Libyen: Ohnmacht und Angst der EU vor „Krieg“ und Flucht. Der unter Druck geratene libysche Regierungschef Serradsch bringt 800.000 mögliche Migranten in die Diskussion
„Die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR schätzt die Zahl der Binnenflüchtlinge in Libyen auf 34.000 Personen. Vor knapp einer Woche, am 17. April, nannte die Schätzung noch 25.000 Personen – mit einem deutlichen Bezug auf Kämpfe, die auch Wohnviertel im Großraum Tripolis in Mitleidenschaft ziehen. Am Ende der Kurzmitteilung stand der Appell, den „Konflikt zu beenden und Kriegsregeln zu beachten“. Der Appell dürfte sich wie auch andere Aufrufe, der militärischen Auseinandersetzung mit einer politischen Lösung beizukommen, kaum gegen die Wirklichkeit in Libyen behaupten. (…) Für die italienische Regierung, so die Zeitung, sei es wichtig, dass der Konflikt in Libyen nicht offiziell von der UN als „Krieg“ bezeichnet werde. Das würde vieles ändern, dann würde es nämlich sehr viel schwieriger, Migranten nicht mehr in Italien anlanden zu lassen…“ Artikel von Thomas Pany vom 24. April 2019 bei telepolis
- Libyen beendet Küstenwache-Aktivität? Konflikte brechen auf
„Die libyschen Küstenmilizen, die mit Patrouillenschiffen aus Italien und mit EU-Geldern eine sogenannte Küstenwache betrieben hatten, haben die Patrouillenschiffe abgezogen und nutzen sie jetzt für den laufenden Krieg. Dies berichtet die Vatikan-nahe Tageszeitung „Avvenire“ unter Berufung auf italienische Regierungsquellen. „Avvenire“ schreibt, die Libyer hätten die Seenotrettung im zentralen Mittelmeer einstweilen „unterbrochen“, man warte auf eine regierungsoffizielle Bestätigung. Mehrere Indizien deuten auf den Abbruch der ohnehin phantomhaften Küstenwachen-Aktivität hin. (…) Damit haben drei offene Konflikte begonnen: Rund um die Regierung in Tripolis, um die Überwachung des zentralen Mittelmeers und in der Regierung in Rom. Es ist höchste Not, dass die NGO-Rettungsschiffe wieder in die Todeszone fahren…“ Meldung vom 20. April 2019 bei der Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V.
- Libyen: Eingesperrt, geschunden und in den Krieg getrieben
„In Libyen sitzen Tausende Flüchtlinge und Migranten in Gefangenenlagern. Die Eskalation der Kämpfe bringt ihnen neues Leid. Einige werden zu Kriegsdiensten gezwungen. Der Krieg würde kommen, damit hatten die Gefangenen schon vor mehr als zwei Wochen gerechnet. Da holten die Wärter in einem Lager in Tripolis die Männer, die am kräftigsten aussahen, plötzlich aus der dunklen, überfüllten Halle – und zwangen sie, Panzerwagen zu waschen. Als sie fertig waren, mussten sie Kisten mit Gewehrkugeln schleppen. Neben dem Gebäude, in dem sie normalerweise ausharren, fiel den Häftlingen dabei auf, dass dort neuerdings Sprengkörper aufbewahrt wurden. „Ich fürchte mich, denn in diesem Lager (sind) zu viele Soldaten und Waffen“, sagte einer der Gefangenen, der ZEIT ONLINE von den Ereignissen berichtete. Einige Tage später, am 4. April, befahl der Mann, der den Osten Libyens kontrolliert, seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA), auf die Hauptstadt vorzurücken. (…) Laut dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR sind mehr als 1.500 Gefangene in Gegenden untergebracht, in denen derzeit gekämpft wird. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters warfen die Streitkräfte von Haftar der UN-gestützten Einheitsregierung in Tripolis vor, Migranten als menschliche Schutzschilder und Kämpfer einzusetzen. (…) Sollten die Berichte stimmen, dann könne diese Behandlung inhaftierter Migranten durch Milizen, die der Einheitsregierung in Tripolis nahestehen, Kriegsverbrechen darstellen, sagt Judith Sunderland, stellvertretende Direktorin von Human Rights Watch in der Abteilung Europa und Zentralasien. „Zivilisten zu zwingen, in einem Kriegsgebiet Waffen zu horten, gilt als missbräuchliche Zwangsarbeit, ist unrechtmäßig grausam und setzt sie einem unnötigen Risiko aus“, sagt sie. Dass die Menschen gezwungen würden, Uniformen zu tragen, deute darauf hin, dass sie als Geiseln oder menschliche Schutzschilde eingesetzt würden, was Kriegsverbrechen darstellt. „Statt festgenommene Migranten zu diesen gefährlichen Tätigkeiten zu zwingen, sollten alle Seiten alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um zivile Opfer zu vermeiden. Die Behörden sollten alle willkürlich inhaftierten Migranten freilassen und für ihre Sicherheit sorgen“, sagt Sunderland…“ Artikel von Sally Hayden vom 18. April 2019 bei der Zeit online (aus dem Englischen übersetzt von Andrea Backhaus)
- Krise in Libyen: Seenotretter suchen einen sicheren Hafen – das Dauerdrama hat nun einen Krieg zum Hintergrund
„Die Lage ist verfahren. 64 Migranten sind an Bord des Seenotrettungsschiffes Alan Kurdi, das im Mittelmeer unter deutscher Flagge fährt. Das Schiff sucht nach einem sicheren Hafen zum Anlaufen. Es ist nicht das erste Drama dieser Art. Die langen Verhandlungen unter europäischen Ländern, bis man sich über die Aufnahme der Migranten einigen kann, sind hinlänglich bekannt. Diesmal kommt allerdings eine weitere Schwierigkeit hinzu. Die Lage in Libyen ist alles andere als sicher. In der näheren Umgebung der Hauptstadt Tripolis und an deren Rändern toben schwere Gefechte zwischen Milizen. Verschiedene Aufrufe der Internationalen Gemeinschaft, der im Fall der letzten Erklärung der EU wiederum lange Verhandlungen zur Formulierung vorausgingen, haben keine wesentliche Wirkung ausgeübt. Die Kämpfe gehen davon unbeeindruckt weiter. (…) Einen sicheren Hafen in Libyen, der den Kriterien des Seerechts genügt, gibt es im Augenblick weniger denn je. Die libysche Küstenwache hat ihre Arbeit wegen der kriegerischen Gefechte eingestellt, nach Aussage des Kapitäns des Rettungsschiffs der NGO Sea-Eye. Die ohnehin miserablen Zustände in libyschen Flüchtlingslager haben sich durch die Kriegssituation weiter verschlimmert. Die Versorgungslage sei katastrophal, so die irische Journalistin Sally Hayden. Die Lager in der Nähe der Hauptstadt sind besonders gefährdet, manche wurden geräumt oder es wurde versucht, Flüchtlinge woanders hin zu bringen. Die IOM hat ihre Hilfsmaßnahmen bei Tripolis eingestellt…“ Artikel von Thomas Pany vom 12. April 2019 bei telepolis , siehe zur Problematik des Deals mit Lybien Lost-in-EU und zum konkreten Fall des Seenotrettungsschiffes Alan Kurdi unser Dossier: „Sea-Eye“ rettet 64 Menschen im Mittelmeer, 50 weitere vermisst
- Flucht übers Mittelmeer: „Das müsste jeden Europäer beschämen“
„Dass Flüchtlinge panische Angst haben, nach Libyen zurück zu müssen, darf niemanden überraschen, sagt Experte Knaus im tagesschau.de-Interview. Zwar kämen kaum noch Flüchtlinge übers Mittelmeer. Doch der Preis dafür sei hoch. (…) Es gab in der Vergangenheit schon ähnliche Situationen. Letztes Jahr im November weigerten sich Geflüchtete vor Misrata an Land zu gehen und wurden dann mit Waffengewalt dazu gezwungen. Gerettete haben panische Angst, nach Libyen zurückzukommen. Das darf niemanden überraschen. Wir wissen von zahlreichen Beobachtern und Diplomaten, dass diese Menschen in Lager eingesperrt und misshandelt, versklavt, vergewaltigt und ermordet werden. Ein UN-Bericht aus dem vergangenen Dezember liest sich wie eine Beschreibung aus Dantes Inferno. (…) Viele Menschenrechtsorganisationen sagen, dass Abschreckung nicht funktionieren kann, da Menschen, die Fluchtgründe haben, sich immer auf den Weg machen werden. Doch die Erfahrung zeigt, dass dies nicht stimmt. Im zentralen Mittelmeer sind die Zahlen Ankommender seit Mitte 2017 dramatisch zurückgegangen. Die wirkliche Frage ist moralisch und politisch. Welcher Methoden dürfen sich Demokratien bedienen, um das Ziel der Abschreckung zu erreichen? Man legt ja auch keine Landminen an der EU-Grenze zur Türkei, um Flüchtlinge fernzuhalten. Doch auf libysche Milizen zu setzen, die sich die Uniform der Küstenwache anziehen, und Gerettete der Folter zuführen ist moralisch kaum besser…“ Interview vom 28.03.2019 bei tagesschau.de
- Festnahmen nach Ankunft des gekapertens Handelsschiffes in Malta: „Selbstverteidigung gegen tödliche Grenzpolitik ist keine Piraterie“
„Auf dem Mittelmeer haben Flüchtlinge nach ihrer Rettung offenbar ein Schiff zum Kurs auf Malta gezwungen. Nach Libyen wollten sie nicht zurück. Nun sind sie an Land, aber einige in Handschellen. Ein von Flüchtlingen vor der libyschen Küste gekapertes Handelsschiff hat am Donnerstag den Hafen von Malta erreicht. Der Tanker sei von der maltesischen Marine eskortiert worden, nachdem zuvor zeitweise gerettete Flüchtlinge die Kontrolle an Bord der „El Hiblu 1“ übernommen hatten, wie die maltesische Tageszeitung „Times of Malta“ berichtete. Die 108 Flüchtlinge, darunter 12 Kinder und 19 Frauen, durften den Angaben zufolge in der Hauptstadt Valletta von Bord gehen. Einige küssten beim Verlassen des Schiffs den Boden. Vier der Männer wurden nach ihrer Ankunft in Malta festgenommen. Als Flüchtlinge die Kontrolle über das Schiff übernommen hatten, kamen laut der Zeitung keine Waffen zum Einsatz. Die Besatzung sei jedoch in der Minderheit gewesen. Sie habe daher den Eindruck gehabt, keine andere Wahl zu haben, als den Anweisungen der Flüchtlinge Folge zu leisten. Der italienische Innenminister Matteo Salvini schloss eine Aufnahme der Migranten aus. Er sprach von einem Fall organisierten Verbrechens und von einem „Akt der Piraterie“. Die deutsche Seenotrettungsorganisation Sea-Watch dagegen kritisierte die Kriminalisierung der Flüchtlinge. „Selbstverteidigung gegen eine tödliche europäische Grenzpolitik ist keine Piraterie“, betonte die Hilfsorganisation. Die Geretteten hätten die Kontrolle über das Schiff übernommen, um einer Rückführung nach Libyen zu entgehen, wo ihnen Folter und unrechtmäßige Haft drohten. Der Tanker sei im Begriff gewesen, eine völkerrechtswidrige Rückführung nach Libyen zu starten…“ Beitrag vom 29. März 2019 beim Migazin
- Der menschenverachtende Deal der EU mit Libyen
„12.748 Menschen starben zwischen 1. Januar 2015 und 31. Dezember 2018 im zentralen Mittelmeer. Und was macht Europa? Zivile Seenotrettung verhindern und weiter mit der »libyschen Küstenwache« zusammenarbeiten, damit diese Bootsflüchtlinge abfangen und in die Folterlager Libyens zurückschaffen kann. Die EU rüstet weiter die sogenannte »libysche Küstenwache« –Milizionäre, Menschenschmuggler und Menschenhändler – aus. In 2017 und 2018 hat die »libysche Küstenwache« mehr als 30.000 Bootsflüchtlinge auf dem Meer aufgegriffen. Im Rahmen ihrer Patrouillen und »Rettungseinsätze« wendet sie Gewalt gegen Männer, Frauen und Kinder an, zwingt die Betroffenen auf ihre Schiffe und bringt sie zurück nach Libyen. Wiederholt haben libysche Einheiten zivile Seenotretter*innen mit dem Tode bedroht und deren Schiffe beschossen. »Die Küstenwache besteht aus unterschiedlichen Warlords, die sich den Namen »Küstenwache« gegeben haben, um Geld von Europa zu kriegen«, sagt Nicole Hirt, Wissenschaftlerin am GIGA Institut für Afrika-Studien in Hamburg. »Sie sind selbst in Menschenschmuggel involviert, retten die Flüchtlinge also, damit sie verkauft werden.« Ungeachtet all dieser Verbrechen wird die »libysche Küstenwache« weiterhin von der EU hofiert, ausgebildet und finanziell unterstützt. (…) Die EU versucht, die Verletzung des Refoulement-Verbots durch Delegieren an ihre libyschen Stellvertreter zu umgehen. Auch diese »Pull-Backs« – das Abfangen und gewaltsame Zurückbringen von Flüchtlingsbooten nach Libyen durch die »libysche Küstenwache« – verletzen internationales Recht. Nach Libyen zurückgebrachte Bootsflüchtlinge sind systematisch schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ein Großteil wird direkt inhaftiert und unter grausamsten und unwürdigsten Bedingungen in Lagern und Gefängnissen festgehalten. UN-Berichte dokumentieren Folter, Vergewaltigungen und außergerichtliche Hinrichtungen. (Zur aktuellen Studie des Women Refugee Centre über sexuelle Gewalt gegen männliche Geflüchtete in Libyen geht es hier.) Salah Marghani, ehemaliger Justizminister in der libyschen Nachbürgerkriegsregierung stuft die Rückführungen von Flüchtlingen und Migrant*innen als völkerrechtswidrig ein. »Libyen ist kein sicherer Ort. Sie werden Opfer von Mord werden. Sie werden gefoltert werden. Das ist dokumentiert … Und Europa weiß es.«…“ Meldung vom 26.03.2019 bei Pro Asyl
- Libyen: Unmenschliche Bedingungen in Internierungslager in Tripolis – Mangelernährte Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht
„Fast ein Viertel der Flüchtlinge und Migranten im Internierungslager Sabaa in Tripolis sind akut mangelernährt oder untergewichtig. Das ist das Ergebnis eines Berichts von Ärzte ohne Grenzen, für den die Teams zweimal alle Gefangenen auf Mangelernährung untersucht haben. Die Inhaftierten berichten, sie bekämen oft tagelang kein Essen. In dem Internierungslager der libyschen Einheitsregierung, die von der EU unterstützt wird, werden derzeit mehr als 300 Menschen willkürlich festgehalten, darunter mehr als 100 Kinder und Jugendliche. Einige der Gefangenen waren in einem kleinen Raum zusammengepfercht worden, in dem jede Person weniger als einen Quadratmeter Platz hatte. Ärzte ohne Grenzen fordert die libyschen Behörden und die internationale Gemeinschaft auf, die unmenschlichen und krankmachenden Bedingungen in den libyschen Haftanstalten umgehend zu beenden…“ Pressemitteilung vom 21. März 2019 von und bei Ärzte ohne Grenzen
- Libyen soll für die EU Menschen im Mittelmeer retten – doch die Küstenwache geht nicht ans Telefon
„Wir veröffentlichen Funkmitschnitte und einen geheimen Bericht, die belegen: Wer im Mittelmeer auf die Hilfe der Libyer hofft, ist häufig verloren. Die von der EU aufgebaute libysche Küstenwache ist in Notfällen für Seenotretter nicht erreichbar. Recherchen von BuzzFeed News zeigen, dass auf den offiziellen Rufnummern so gut wie nie jemand antwortet. Die Libyer sprechen zudem kein Englisch. Beides ist ein klarer Verstoß gegen internationale Vorgaben. Darin werden sowohl eine 24-Stunden-Verfügbarkeit als auch Englisch-sprechendes Personal vorgeschrieben. BuzzFeed News liegen insgesamt fünf Nummern vor, die von libyschen Behörden als Kontaktnummern für Seenotrettungen angegeben wurden. Zwei davon sind in der Datenbank der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation der Vereinten Nationen (IMO) für Seenotrettungen hinterlegt. Dort ist für Tripolis auch von einem 24-Stunden-Betrieb die Rede. Ein Reporter von BuzzFeed News hat an drei verschiedenen Tagen und zu sechs verschiedenen Uhrzeiten versucht, diese Nummern zu erreichen. Von diesen 30 Kontaktversuchen scheiterten 29, weil der Anruf nicht beantwortet wurde. Unter den Nummern, auf denen niemand zu erreichen war, waren auch jene beiden Nummern, die in der internationalen Datenbank für Seenotfälle eingetragen sind…“ Beitrag von Marcus Engert vom 15. März 2019 bei BuzzFeed News Deutschland
- Tod im Mittelmeer: Diese fragwürdigen Typen halten der EU Geflüchtete vom Hals
„Im Herbst 2017 greift die libysche Küstenwache Ertrinkende und Seenotretter an, ein Video des Vorfalls sorgt international für Aufsehen. VICE hat mit den libyschen Seeleuten gesprochen. Als die Ertrinkenden versuchen, sich mit letzter Kraft auf das Schiff zu retten, guckt Ibrahim auf sein iPhone. Mit ernster Miene steht er an der Reling und filmt, wie ein Schlauchboot vor ihm im Meer versinkt. Wie Geflüchtete über Köpfe und Körper hinweg klettern, sich retten wollen und doch wieder zurück ins Wasser fallen. Das weiße Gummiboot, das sie nach Europa bringen sollte, kentert schon 30 Seemeilen vor der libyschen Hauptstadt Tripolis. Mindestens 20 sterben am 6. November 2017. Geflüchtete, deren Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Grund des Mittelmeers sinkt. Was in diesen Stunden auf offener See passiert, filmt die Crew des anrückenden Rettungsschiffes Sea-Watch 3. Die New York Times hat die Ereignisse in einem 15-minütigen Kurzfilm aufgearbeitet, eine Katastrophe im Schnelldurchlauf. Nachdem ich mir „It’s an Act of Murder“ angeschaut habe, sitze ich fassungslos vor dem Laptop. Das Verhalten der libyschen Küstenwache, deren eigentliche Aufgabe es ist, die Ertrinkenden aus dem Wasser zu ziehen, macht mich rasend. Wie die Libyer mit einem alten Militärschiff, das für die Rettung von Menschen völlig ungeeignet ist, auf das Gummiboot zusteuern. Wie sie Geflüchtete mit einem Tau schlagen und die Seenotretter attackieren. Weil mich die Videoaufnahmen nicht loslassen, klemme ich mich hinter meinen Rechner. Einen Monat später bin ich mit achtzehn Personen auf Facebook befreundet, die ich der Besatzung des Schiffs der libyschen Küstenwache oder ihrem Umfeld zuordne. Mit „Ibrahim“, der nicht nur am 6. November das Handy drauf hält. Auf seinem Facebook-Profil lädt er Bilder ertrunkener Kinder hoch. Mit „Aziz“, der die Seenotretter angriff und mir eine absurde Ausrede für sein Verhalten auftischen will. Und mit „Ahmed“, der in einem Post den Terror des Islamischen Staates in Paris feiert. (…) Im Mai 2018 haben 17 Überlebende am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Klage gegen den Staat Italien eingereicht. Sea-Watch gehört zu den Organisationen, die sie dabei unterstützen.“ Reportage von Paul Schwenn vom 7. März 2019 bei Vice.com mit vielen Fotos und Videos
- Flüchtlingsprotest in libyschem Lager: Mit brutaler Gewalt beantwortet
„Zustände in Lagern wie Triq al-Sikka sind ein Beleg dafür, dass es in Libyen keinen „sicheren Hafen“ gibt, da gerettete Menschen dort in lebensgefährliche Situationen geraten. Das Lager in der Hauptstadt Tripolis ist schon seit längerem berüchtigt; im September 2017 bezeichnete es ein BBC-Bericht als „Hölle“ . Daran hat sich nichts Wesentliches geändert, wie aktuelle Berichte zeigen. Vergangene Woche kam es nach dem Besuch des niederländischen Botschafters am Dienstag zu Protesten im Lager Triq al-Sikka , in deren Folge eine Hundertschaft Polizisten herbeikommandiert wurde, die auf Migranten einprügelten, bis sie ohnmächtig wurden. Mehrere Migranten wurden nach den Protesten in andere Lager verbracht, was auch als Spurenverwischen interpretiert werden kann. Denn im Zusammenhang mit der publik gewordenen Gewaltanwendung, die gestern von Hilfsorganisationen scharf gebrandmarkt wurde, wurde die Öffentlichkeit erneut auf unmenschlich harte Zustände aufmerksam gemacht. So werden festgehaltene Migranten in Kellerzellen gebracht, wo sie tage- oder möglicherweise gar wochenlang ohne Licht und schlecht versorgt ausharren müssen. Auch gibt es immer wieder Berichte von Folterungen…“ – aus dem Beitrag „Libyen: Migranten protestieren gegen Zustände im Lager“ von Thomas Pany am 06. März 2019 bei telepolis , worin das EU-finanzierte und geförderte Wirken der libyschen „Behörde zur Bekämpfung der illegalen Migration“ ausführlich dargestellt wird… Siehe dazu auch eine weitere aktuelle Meldung:- „Libye : Une protestation des migrants détenus contre les mauvais traitements durement réprimée“ am 06. März 2019 bei secours rouge gibt einige genauere Zahlen – etwa, dass rund 150 von 400 Lager-InsassInnen an dem Protest beteiligt waren – und dass die brutalen Attacken Männer wie Frauen gleichermaßen galten.
- Bundesregierung bestätigt: Libysche Behörden für Seenotrettung gar nicht erreichbar
„„Jede weitere Ausbildung der sogenannten ‚Küstenwache‘ in Libyen geht am Problem vorbei und dient lediglich dazu, die Truppe als Türsteher der Europäischen Union aufzubauen. Laut dem Auswärtigen Amt sei den Besatzungen das Menschen- und Völkerrecht, die Seenotrettung und die Nutzung maritimer Kommunikationskanäle erklärt worden. Angewandt werden die Kenntnisse aber nicht, die Einsätze der Libyer verlaufen weiterhin unprofessionell, brutal und häufig tödlich. Die Zusammenarbeit mit dieser Truppe muss deshalb beendet werden“, fordert der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. Die Bundesregierung bestätigt „Schwierigkeiten bei der elektronischen oder telefonischen Erreichbarkeit“ der libyschen „Küstenwache“. Das gleiche gelte „hinsichtlich sprachlicher Kommunikationshindernisse“. Für derartige Probleme hat die EU-Militärmission EUNAVFOR MED einen „Monitoring-Mechanismus“ gestartet, mit dem Einsätze zur Seenotrettung evaluiert werden sollen. „Dieser ‚Monitoring-Mechanismus‘ als Kommunikationskanal mit Libyen war im ganzen Sommer ausgesetzt, erfahren wir jetzt. Das war jene kritische Zeit, wo es Hunderte Tote im Mittelmeer gab, weil die NGO-Schiffe in Italien und Malta festgesetzt waren. Das belegt, dass die libysche ‚Küstenwache‘ kein verlässlicher Partner bei der Seenotrettung sein kann…“ Pressemitteilung vom 20. Februar 2019 von und bei Andrej Hunko , dort auch die Antwort auf die Kleine Anfrage „Anschluss der sogenannten libyschen Küstenwache an EU-Informationssysteme“
- Hilfsorganisationen: Beendet die Flüchtlings-Kooperation mit Libyen! Libyen ist für Schutzsuchende die Hölle auf Erden
„… Rund 20 deutsche Hilfsorganisationen haben eindringlich zu einem Ende der europäischen Kooperation mit der libyschen Küstenwache aufgerufen. Auch Deutschland dürfe nicht dabei zusehen, wie aus dem Mittelmeer gerettete Menschen in Folterlager zurückgeschleppt würden, hieß es in dem Appell vom Montag, den unter anderem „Brot für die Welt“, Pro Asyl, Misereor, Acat und medico international unterzeichnet haben. Bundestag und Bundesregierung müssten sich zudem für die sofortige Schließung der libyschen Flüchtlingshaftlager einsetzen. In den vergangenen zwei Jahren habe die libysche Küstenwache mehr als 30.000 Flüchtlinge und Migranten auf dem Meer aufgegriffen und nach Libyen zurückführt. Dort würden Menschen aber unter grausamsten und unwürdigsten Bedingungen in Lagern und Gefängnissen festgehalten, protestierten die Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen. Für die Gefangenen sei dies die Hölle auf Erden. (…) „Ärzte ohne Grenzen“ hat den Rücktransport von Bootsflüchtlingen vom Mittelmeer nach Libyen bereits vergangene Woche Mittwoch als völkerrechtswidrig kritisiert. „Die EU-Staaten inklusive Deutschlands zwingen Männer, Frauen und Kinder zurück in einen Kreislauf von Missbrauch und Gewalt“, sagte Florian Westphal, Geschäftsführer von „Ärzte ohne Grenzen“ in Deutschland. Statt für ausreichend Seenotrettung zu sorgen, ziehe sich die Bundesregierung sogar aus der EU-Operation „Sophia“ zurück, die zuletzt ohnehin kaum noch Menschen gerettet habe. Westphal: „Europa lässt Schutzsuchende ertrinken und zwingt die Überlebenden in akute Gefahr.“ In den Lagern um Misrata und Choms befänden sich 930 Menschen, darunter Schwangere, Kleinkinder und Babys…“ Bericht vom 29. Januar 2019 von und bei Migazin und der Appell bei medico international- EU-Kooperation mit Libyen: Wie lange noch?
„Die Kooperation zwischen EU und sogenannter libyscher Küstenwache ist untragbar. Das muss auch die Bundesregierung endlich verstehen. Wie lange noch? Die Abgeordneten des Menschenrechts- und des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag dürfen ihre Augen nicht verschließen: Die Kooperation zwischen EU und sogenannter libyscher Küstenwache ist untragbar. Da werden Flüchtende in Lager zurückgeschleppt und Zehntausende leiden. UNHCR und Human Rights Watch sprechen von Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen, von Menschenhandel, Sklaverei und Zwangsarbeit. Kurz: Libyen ist kein sicherer Ort…“ Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff am 280.1.2019 beim Tagesspiegel online
- EU-Kooperation mit Libyen: Wie lange noch?
- Verbrecher und ihre Mitwisser. Systematische Verletzung von Menschenrechten: Interner Lagebericht des Auswärtigen Amtes entlarvt deutsche und europäische Kooperation mit Libyen
„In regelmäßigen Abständen verfasst das Auswärtige Amt (AA) interne Länderberichte. Ein solcher, mit Fokus auf die »asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen«, liegt junge Welt nun vor. Das als »Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch« eingestufte Dokument soll die Öffentlichkeit nicht erreichen, wohl auch, weil die in ihm enthaltenen Einschätzungen die Kooperation der Europäischen Union und der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Migrationspolitik in keinem guten Licht erscheinen lassen. Das Papier mit Stand Juni 2018 zeichnet ein dramatisches Bild der Lage in jenem nordafrikanischen Land, dem Berlin und Brüssel eine Schlüsselrolle bei der Verhinderung von Migrationsbewegungen nach Europa zuschreiben. (…) Das libysche Staatswesen funktioniere »nur sehr eingeschränkt«, einen verbindlichen Rechtsrahmen gebe es nicht, Menschenrechtsverletzungen »sind in Libyen an der Tagesordnung«, bilanziert das Papier des AA. »Weder der Präsidialrat und die Einheitsregierung noch ihre Herausforderer üben effektive Kontrolle über die Vielzahl der bewaffneten Gruppen aus«, weiß man in Berlin. Und noch deutlicher: »Aufgrund der fragmentierten und nicht gesamtstaatlich kontrollierten Sicherheitslage ist es in Libyen kaum möglich, zwischen staatlicher Repression und Repressionen Dritter zu unterscheiden.« Folter, Entführungen, Morde seien auf allen Seiten zu finden. (…) All das allerdings scheint nun weder die Bundesregierung noch die Europäische Union davon abzuhalten, in Sachen »Flüchtlingsabwehr« Kooperationen mit Libyen einzugehen. Anfang Oktober bekundete EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos auf eine Anfrage der Linksfraktion im Europaparlament, dass die Unterstützung der »libyschen Küstenwache« weiter ausgebaut werden soll – und das, obwohl völlig unklar ist, welchem Warlord diese als korrupt verrufene Truppe überhaupt untersteht…“ Artikel von Peter Schaber in der jungen Welt vom 14.12.2018
- Das Geschäft mit den Flüchtlingen: Endstation Libyen
„Wenn sie aufgegeben haben, besteigen sie die Flugzeuge. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) transportiert verzweifelte Flüchtlinge und Migranten zurück in ihre Heimatländer – den Senegal, Niger oder Nigeria. Es ist die Rettung vor dem sicheren Tod und gleichzeitig ein Flug zurück in die Hoffnungslosigkeit. Für die Menschen, die Tausende Kilometer nach Libyen gereist sind, um nach Europa überzusetzen, wird die EU-Grenzsicherung zunehmend zur Falle. Denn die Schleuser in Libyen haben ihr Geschäftsmodell geändert: Nun verhindern sie die Überfahrt, kassieren dafür von der EU und verkaufen die Migranten als Sklaven. Die Rückkehrer sind die einzigen Zeugen der Sklaverei. Alexander Bühler hat sich ihre Geschichten erzählen lassen…“ Radiofeature von Alexander Bühler beim Deutschlandfunk vom 11. Dezember 2018 (Audiolänge: 44 Min.)
- Libyer stürmen Containerschiff. Flüchtlinge wollten aus Angst Schiff nicht verlassen
„Libysche Sicherheitskräfte haben das Containerschiff »Nivin« im Hafen der Küstenstadt Misrata gestürmt. Zehn Tage lang hatten sich auf dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge geweigert, das unter der Flagge von Panama fahrende Schiff zu verlassen. Die 92 Schutzsuchenden fürchteten, in libyscher Haft erneut Opfer von Misshandlungen zu werden. Viele der Eritreer, Sudanesen, Bangladeschis und Äthiopier hatten nach eigenen Angaben bis zu einem Jahr in libyschen Gefängnissen verbracht. Dort hätten sie Folter und Zwangsarbeit erlitten. Die Einheiten des lnnenministeriums schossen nach Angaben der Hilfsorganisation Roter Halbmond mit Gummigeschossen auf die mit Stangen bewaffneten Flüchtlinge. Zehn verletzte Schutzsuchende wurden in ein Krankenhaus in Misrata gebracht. Die Restlichen wurden wie die eher von Bord gegangenen 29 Minderjährigen in ein Flüchtlingslager gebracht. Der Einsatz dauerte mehr als zwei Stunden, auch weil viele Menschen wegen ihrer schlechten Verfassung von Bord getragen werden mussten. Die Helfer des Roten Halbmonds versorgten mehrere leicht Verletzte. (…) Amnesty International rief die Regierungen der EU wie auch von Panama auf, für die Flüchtlinge der »Nivin« eine Lösung zu finden.“ Beitrag von Mirco Keilberth bei neues Deutschland vom 21. November 2018- Schiff vor Libyens Küste: Gerettete wollen nicht an Land, sie befürchten, erneut in libysche Lager geschickt zu werden
„77 Migranten weigern sich, ein Containerschiff zu verlassen, dessen Besatzung mehr als 90 Schiffbrüchige am vergangenen Freitag auf dem Mittelmeer gerettet hat. Die unter libyscher Flagge fahrende „Nivi“ war auf dem Weg von der libyschen Hafenstadt Misrata in die Türkei, als sie ein Funkspruch von der Seenotrettungszentrale in Rom erreichte. Das Schiff liegt nun wieder im Hafen von Misrata. Mit einem Satellitentelefon hatten die Migranten einen Wassereinbruch sowie einen Motorschaden ihres Schlauchbootes gemeldet. Menschenhändler hatten das seeuntüchtige Gummiboot ohne ausreichend Wasser und Proviant Richtung Sizilien geschickt, berichteten Gerettete der taz am Telefon. Nach der Rückkehr der „Nivi“ nach Misrata weigerten sich die Schiffbrüchigen, das Schiff zu verlassen. „Wir haben Angst, in die Gefängnisse zurückzukehren, in denen viele von uns gefoltert und sexuell missbraucht wurden oder Zwangsarbeit leisten mussten“, berichtete ein 30-jähriger Mann aus Eritrea der taz am Donnerstag, der anonym bleiben wollte. Laut Julien Raikman, Koordinator der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, befinden sich 28 Minderjährige sowie zwei Schwerverletzte an Bord der „Nivi“. Mitarbeiter der Organisation konnten 60 Migranten medizinisch untersuchen und befragen. Es ist bislang jedoch nicht gelungen, die Verletzten mit Hautverbrennungen in Krankenhäuser zu bringen. Das Gemisch von Salzwasser und auslaufendem Benzin und Öl aus den Kanistern der Schlauchboote führt regelmäßig zu schweren Verbrennungen und Verätzungen von Bootsinsassen…“ Artikel von Mirco Keilberth vom 15.11.2018 in der taz online
- Schiff vor Libyens Küste: Gerettete wollen nicht an Land, sie befürchten, erneut in libysche Lager geschickt zu werden
- Flüchtlinge in Libyen: Retter und Beobachter unerwünscht
„Europa tut gerade alles dafür, keinen einzigen Flüchtling mehr an Land kommen zu lassen. Und dafür ist jetzt jedes Mittel Recht. Auch wenn es Unrecht ist. Das gilt nicht nur für die Türkei, sondern für das gesamte Mittelmeer. Dort ist jetzt dem letzten privaten Seenotrettungsschiff die Zulassung entzogen worden. Mit einer offensichtlich rechtswidrigen Begründung. Aber Recht scheint für die europäischen Staaten schon lange kein Kriterium mehr zu sein, wenn es nur darum geht, die lästigen Flüchtlingshelfer endlich loszuwerden. Und damit auch die letzten unabhängigen Augenzeugen eines Unrechts, das zum Himmel schreit. (…) Dabei ist sich die Bundesregierung über die Menschenrechtsverletzungen in Libyen bewusst. Auf eine „Kleine Anfrage“ antwortet sie, man habe Kenntnis von „inoffiziellen ‚detention centers‘“. Dass es bei „Einsätzen der libyschen Küstenwache […] zu Anwendung von Gewalt“ kommt. Und es „Zusammenarbeit von Angehörigen der libyschen Küstenwache mit Angehörigen von Strukturen der Organisierten Kriminalität“ gibt. Doch diese Antworten wurden als “Verschlusssache” eingestuft, sollten geheim gehalten werden. Begründung: Zitat: „Aus Gründen des Staatswohls […], da eine Offenlegung für die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein kann.“ Die Wirklichkeit – unter Verschluss, aus Gründen des Staatswohls…“ Bericht von Shafagh Laghai und Steen Thorsson vom 27. September 2018 bei Monitor (Videolänge: 7:28 Min., in der ARD-Mediathek abrufbar bis zum 27. September 2019)
- [14.September 2018] Proteste in sechs europäischen Ländern: Erst recht wegen des Milizenkriegs Schluss machen mit dem Lagerterror gegen MigrantInnen in Libyen – sofortige Evakuierung in sichere Drittländer
„Morgen, Freitag, den 14. September, finden Sit-ins und Aktionen statt, die vom internationalen Netzwerk eritreischer Migrant*innen ins Leben gerufen wurden, um die Inhaftierung, Folterung und Aussetzung jeglicher Art von Legalisierung von Migrant*innen, die in den libyschen Lagern gefangen sind, zu verurteilen. Die Situation hat sich in den letzten Wochen durch den bewaffneten Konflikt verschärft und gefährdet noch mehr das Leben der Hunderttausenden von afrikanischen und nicht-afrikanischen Migrant*innen, die daran gehindert werden, Libyen zu verlassen und Asyl zu suchen. Die eritreischen Migrant*innen fordern die sofortige Evakuierung aller Migrant*innen aus Libyen und eine rasche und direkte Umsiedlung in sichere Drittländer. Sie verurteilen die Zusammenarbeit der EU-Institutionen, der Mitgliedstaaten und Libyens bei einer Politik, die selbst die grundlegendsten Menschenrechte missachtet, wobei die Inspektionen des UNHCR durch den Ausbruch des bewaffneten Konflikts ernsthaft verhindert werden und im Allgemeinen nicht in der Lage sind, eine hochinformelle, chaotische und zunehmend dramatische Situation wirklich zu kontrollieren. Aber die UNO war nicht in der Lage, zu verhindern, dass Migrant*innen wie Sklaven auf öffentlichen Märkten verkauft werden, und es ist keiner Inspektion gelungen, die systematische Zusammenarbeit zwischen libyschen Offizieren und Menschenhändlern, die Vergewaltigungen, die Folterungen, Missbrauch, die Entführungen durch Menschenhändler und die willkürlichen Inhaftierungen durch die Polizei zu zerschlagen“ – das ist das Vorwort der Transnational Social Strike Platform vom 13. September 2018 zum Aufruf „14/09: Strike the borders. Against the silent massacre of migrants in Lybia“ bei Fratzebuch mit dem Proteste in Mailand, Bologna, Genf, London, Den Haag, Stockholm und Berlin am heutigen Freitag, 14.9 organisiert werden sollen.
- SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen fordern von EU-Staaten rasche Zuweisung eines sicheren Hafens
„Am 10. August rettete die Crew der Aquarius 25 Menschen, die auf einem Holzboot trieben. In einer zweiten Rettung konnten 116 weitere Menschen gerettet werden, darunter 67 unbegleitete Minderjährige. (…) Während der Rettungsaktionen hat die Crew der Aquarius alle zuständigen staatlichen Behörden informiert, darunter die Seenotrettungszentralen von Italien, Malta und Tunesien und das libysche „Joint Rescue Coordination Center“ (JRCC), welches bestätigte, es sei die Koordinierungsstelle für die Rettungen. Das libysche JRCC informierte die Crew der Aquarius, es werde ihr keinen sicheren Hafen für die Geretteten zuweisen und wies sie an, bei einer anderen Seenotrettungszentrale danach zu fragen. Libyen selbst kann in keinem Fall als sicherer Ort gelten. Menschen, die in internationalen Gewässern gerettet werden, dürfen nicht nach Libyen zurückgebracht werden, sondern müssen gemäß Völker- und Seerecht an einen sicheren Ort gebracht werden. Die Aquarius fährt nun nach Norden, um von einer anderen Seenotrettungszentrale einen nahe gelegenen sicheren Hafen zugewiesen zu bekommen. (…) „Die Bundesregierung trägt durch ihre aktive Unterstützung der so genannten libyschen Küstenwache dazu bei, dass Menschen in einem unmenschlichen System von Ausbeutung und Gewalt in Libyen gefangen bleiben. Zu Tausenden werden Menschen mit EU-Unterstützung nach Libyen zurückgebracht, oder sie haben gar nicht die Möglichkeit, von dort zu fliehen“, sagt Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Die Bundesregierung muss zumindest auf ihre europäischen Partner einwirken, ihre Häfen für die aus Seenot geretteten Menschen zu öffnen, und auch ihre eigene Bereitschaft zur Aufnahme der Geflüchteten bekunden. Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung ihrer humanitären Verantwortung wieder bewusst wird und endlich anfängt, sich entschlossen gegen die Kriminalisierung von Flucht und humanitärer Hilfe zu positionieren.“ …“ Pressemitteilung vom 12.8.2018 bei Ärzte ohne Grenzen
- Aufstand in libyschem Lager: Der alltägliche Terror der EU-Partner ruft Widerstand hervor
„Die Menschen in den Lagern führen ihren Kampf für die Freiheit dennoch weiter. Am Sonntag (05.08.18) brach im Internierungslager von Tarek al Matar, in dem momentan ungefähr 1 800 Menschen eingesperrt sind, eine Revolte aus. Die Nachricht des Protests und der blutigen Niederschlagung wurde von in Italien lebenden Eritreern verbreitet, die in Kontakt mit Menschen im Lager stehen. Nachfolgend einige Auszüge aus dem einzigen in Italien veröffentlichen Medienartikel über das Geschehene. „Die in den letzten Monaten aufgestaute Spannung ist am Sonntag im überfüllten libyschen Internierungslager Sharie (oder Tarek) al Matar, einem Aussenbezirk von Tripolis, explodiert. Die Verzweiflung und der Protest der Gefangenen über die von allen Beobachtern als unmenschlich beschriebenen Haftbedingungen und gegen die Überweisung in andere Lager aus Angst, an Menschenhändler verkauft zu werden, führte zu Auseinandersetzungen mit den Wärtern und drei Verletzten. Eine Angst, die durch das Verschwinden von 20 Gefangenen und 65 Frauen mit Kindern in den vergangenen Tagen ausgelöst wurde, was von den Libyern mit der Entlastung der überfüllten Struktur gerechtfertigt wurde…“ – aus dem Beitrag „Libyen: Revolte im Lager von Tarek al Matar“ am 09. August 2018 bei Aus dem Herzen der Festung , worin auch die ganz konkreten Anlässe der Widerstandsaktionen berichtet werden.
- Migranten von Libyen nach Italien: „Es kommt keiner mehr durch“
„Nach aktuellen Zahlen hat die neue italienische Regierung eines ihrer Ziele erreicht. Dem gegenüber steht, dass die Zahl der Vermissten und Toten im Mittelmeer steigt. Ausgeblendet wird die Härte der Lager in Libyen (…) Zweite Hälfte Juli 2018: „0 Prozent“ sollen es nach Europa geschafft haben. Vor ein paar Tagen, am 2. und 3. August, veröffentlichte Matteo Villa eine Reihe von Kurznachrichten über die augenblickliche Situation in Italien. Seine Zusammenfassung lautet: „Everyone goes back“. Das Verhältnis, das damit überschrieben wird lautet: Nur 24 Prozent aller Migranten, die von Libyen aus nach Europa wollten, schafften es im Juli tatsächlich nach Europa. Das sei der niedrigste Anteil, den man bisher beobachtet habe, „the LOWEST share ever“. „71 Prozent der Migranten wurden aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht“, 5,2 Prozent gelten als „vermisst oder tot“, zeigt die dazu gehörige Grafik. Ab 16. Juli verschiebt sich das Verhältnis sogar noch deutlicher: 99,5 Prozent der Migranten werden „aufgegriffen und zurückgebracht“, 0,5 Prozent werden als „vermisst oder tot“ registriert und „0 Prozent“ sollen es nach Europa geschafft haben (…) Allerdings ist wie eine weitere Grafik von Matteo Villa zeigt, die Überfahrt seit Juni 2018 auch deutlich riskanter geworden. „In den letzten beiden Monaten zählen 6,1 Prozent der Migranten, die von Libyen aus Richtung Europa aufbrachen, als „vermisst oder tot“. Das sei mehr als das Doppelte des Durchschnitts von 2,4 Prozent von Januar 2017 bis Mai 2018. (…) Und Villa macht darauf aufmerksam, dass in dieser Aufreihung die Zahl der gefangenen Migranten in Libyen ausgeblendet würden. Wie viele es sind, weiß niemand verlässlich, da es neben den Lagern für illegale Migranten, die unter offizieller Aufsicht stehen, viele gibt, die von Milizen, die nicht mit der Regierung in Verbindung stehen, dafür aber mit Schleppern, kontrolliert werden. Geschätzt wird, dass es mehrere Tausend sind…“ Beitrag von Thomas Pany vom 06. August 2018 bei telepolis
- Dieser Geheimbericht zeigt: Deutschland und die EU wissen von grausamen Menschenrechtsverbrechen in Libyen
„In Libyen werden Flüchtlinge gefoltert, vergewaltigt und für Organhandel verkauft. Die EU lässt sie trotzdem dorthin bringen. Wir veröffentlichen hier den gesamten Bericht. Die Bundesregierung und alle EU-Staaten sind nachweislich über massive Menschenrechtsverstöße in Libyen informiert. Das belegt ein bislang geheimer Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes EEAS, der BuzzFeed News Deutschland vorliegt. Der Bericht spricht von Folter, Vergewaltigung, Zwangsprostitution, menschlichem Organhandel und bewaffneten Milizen. Auch attestiert er Libyen, die Mindestanforderungen internationaler Vereinbarungen wie der EU-Flüchtlingskonvention nicht einzuhalten…“ Beitrag von Marcus Engert vom 31. Juli 2018 bei BuzzFeed News Deutschland
- Retter zeigen libysche Küstenwache an
„Ein Boot mit einer Überlebenden und zwei im Mittelmeer Gestorbenen ist auf Mallorca angekommen. Sie sollen von der libyschen Küstenwache zurückgelassen worden sein. (…) Italiens rechte Regierung hatte der NGO zuvor zwar ebenfalls einen Hafen auf Sizilien zum Anlanden zugewiesen. Rom wollte sich allerdings nur um die Überlebende, nicht aber um die Toten der Flucht über das Mittelmeer kümmern. Daraufhin steuerte Proactiva Spanien an. Hier sei der „Schutz“ der Überlebenden sichergestellt und gewährleistet, dass sie frei aussagen könne, teilte die Gruppe mit. (…) Italiens rechte Regierung hatte der NGO zuvor zwar ebenfalls einen Hafen auf Sizilien zum Anlanden zugewiesen. Rom wollte sich allerdings nur um die Überlebende, nicht aber um die Toten der Flucht über das Mittelmeer kümmern. Daraufhin steuerte Proactiva Spanien an. Hier sei der „Schutz“ der Überlebenden sichergestellt und gewährleistet, dass sie frei aussagen könne, teilte die Gruppe mit…“ Agenturmeldung vom 21. Juli 2018 bei der Zeit online
- Flüchtlinge in Libyen Das Problem liegt an Land
„Libyens Küstenwache steht in der Kritik – dabei macht die Marine bei der Abwehr von Migranten im Mittelmeer nur, was die EU von ihr erwartet. Viel verheerender ist die Lage für die Flüchtlinge an Land. Die Lage afrikanischer Migranten in Libyen wird immer prekärer. Kriminelle Gangs, Milizen und Schleuserbanden seien stärker denn je, warnte in dieser Woche Othman Belbeisi, Chef der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Libyen, die der Uno unterstellt ist. Nach Angaben der IOM leben derzeit mehr als 650.000 Migranten in dem nordafrikanischen Land. Mindestens 9000 von ihnen würden in Lagern festgehalten. Ihre Zahl hat sich seit Jahresanfang mehr als verdoppelt. Das liegt daran, dass die libysche Küstenwache in den vergangenen Monaten mehr Flüchtlingsboote im Mittelmeer gestoppt hat. Ein Großteil der geretteten Insassen wird anschließend in die Gefangenenlager gesteckt. Nach Einschätzung von IOM-Chef Belbeisi ist die Internierung in einem Lager jedoch keinesfalls das schlimmste Schicksal, das Migranten in Libyen droht. Die größte Gefahr drohe ihnen von bewaffneten Banden. (…) Die schlechte Wirtschaftslage und die weitgehende Machtlosigkeit der Regierung führten dazu, dass die Menschenhändler immer skrupelloser würden, warnt die IOM. Trotzdem setzt die Europäische Union bei der Lösung der Flüchtlingskrise auf Libyen. In dem Land sollten Asylzentren errichtet werden, in denen Flüchtlinge unterkommen, die aus dem Mittelmeer gerettet werden. Doch die zwar weitgehend machtlose, aber international anerkannte Regierung in Tripolis lehnt diese Auffanglager kategorisch ab…“ Artikel von Christoph Sydow vom 20.07.2018 beim Spiegel online
- Salvini: Libyens Häfen müssen sichere Häfen werden – EU-Einsatz Sophia gestoppt
„In Libyen sollen sich gegenwärtig mehr als 650.000 Migranten aufhalten, die ohne Visa über die Grenzen gekommen sind und keine Aufenthaltserlaubnis haben („illegale Migranten“) (…) Die postulierte Steigerung der in Libyen festgehaltenen Migranten wird mit einem „Stau“ erklärt, der sich daraus ergibt, dass mehr Migranten als früher von der Küstenwache zurück nach Libyen gebracht werden – oder gar nicht erst abfahren. Belbeisi spricht von einer Überbelegung (i.O: „overcrowding“), die mit „der Politik der Küstenwache zusammenhängt, dass gerettete Migranten sofort in Haft (i.O. „detention“) kommen. Das Problem, das damit verbunden ist, heißt, „es gibt keinen sicheren Hafen in Libyen“. Italien hat nun angefangen, sich des Problems anzunehmen. Erstmal ist es vor allem PR, die einen guten Willen dokumentiert (…) Die Hilfe wird von 3 Millionen auf 6 Millionen Euro aufgestockt, die investiert werden in „bessere medizinische Versorgung, Trinkwasser, Decken, Essen, Küchenausstattung, verbesserte Ausbildung des Personals, Spielplätze für Kinder“ und auch das ansonsten verfemte Kürzel „NGO“ taucht auf dem Plakat als Signal für eine bessere Welt in den „Migrationszentren“ auf. (…) Wahrscheinlich wird peu à peu eine neue Sprachregelung eingeführt. Es wäre auf jeden Fall keine große Überraschung, wenn künftig mehr von „Migrationszentren“ statt von Haftanstalten – die sie auch nach den strengen libyschen Gesetzen zur illegalen Migration sind -, die Rede ist wie auf dem oben erwähnten Plakat. Aber umso besser, wenn dies durch die Hilfe untermauert wird, die auf dem Plakat in Aussicht gestellt wird, wenn die UNHCR mit dabei ist und wie angekündigt NGOs und lokale Vereinigungen. (…) Wie die Zusammenarbeit zwischen Stämmen, Menschenschmugglern, Schleusern und Terrorgruppen wie dem IS im weitläufigen Grenzgebiet zwischen Ägypten und Libyen zeigt, sind die Verbindungen so, dass die Verbesserung der Verhältnisse eine Herkulesarbeit ist.“ Artikel von Thomas Pany vom 20. Juli 2018 bei telepolis
- Libyen lehnt EU-Flüchtlingszentren ab
„Der Regierungschef Libyens hat die Arbeit seiner Küstenwache gegen Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen verteidigt. EU-Flüchtlingszentren lehnte er ab, man werde keine Deals machen, sagte er. (…) Pläne zur Errichtung von EU-Flüchtlingszentren in Libyen lehnte al-Sarradsch ab. „Wir sind absolut dagegen, dass Europa ganz offiziell bei uns illegale Migranten unterbringen will, die man in der EU nicht haben möchte.“ Seine Regierung werde zu diesem Zweck „keine Deals mit Geld mit der EU machen“. Er wundere sich sehr darüber, „dass in Europa mittlerweile niemand mehr Migranten aufnehmen will, aber uns bittet, hier weitere Hunderttausende aufzunehmen“…“ Agenturmeldung vom 20.7.2018 beim Tagesspiegell online
- Tod mit Ansage. Libysche »Küstenwache« überlässt schiffbrüchige Flüchtlinge ihrem Schicksal. Hilfsorganisation erhebt schwere Vorwürfe
„Die Rettungsschiffe »Open Arms« und »Astral« der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms sind auf dem Weg nach Mallorca, wo sie am Sonnabend anlegen wollen. Das teilte die NGO am Donnerstag über Twitter mit. An Bord der »Astral« befinden sich eine gerettete Frau sowie die Leichen einer weiteren Frau und eines Kindes, die ihre Flucht nicht überlebt haben. Die Retter hatten die drei Personen am Dienstag in den Trümmern eines Schlauchbootes entdeckt, das etwa 80 Seemeilen (148 Kilometer) vor der Küste Libyens im Meer trieb. Nach Einschätzung der Besatzung waren sie von der als »libysche Küstenwache« agierenden Miliz, die von der Europäischen Union unterstützt wird, ihrem Schicksal überlassen worden. (…) Die Aussagen von Josefa, der geretteten Frau, scheinen die Vorwürfe der Retter jedoch zu bestätigen. Das italienische Onlineportal Internazionale zitierte sie mit der Aussage, die Gruppe sei bereits zwei Tage und zwei Nächte auf hoher See gewesen, als »libysche Polizisten« gekommen seien: »Sie haben uns geschlagen.« Sie wisse nicht, was danach geschah. Zudem scheint inzwischen klar zu sein, dass das Kleinkind erst kurz vor dem Eintreffen der Retter gestorben ist. Proactiva Open Arms macht deshalb die Blockadepolitik Italiens und anderer EU-Staaten für dessen Tod mitverantwortlich: Alles sei blockiert, »aufgrund derselben Diskussionen und derselben Verzögerungen, die ein namenloses Kind zum Tod verurteilt haben, das nun in einem weißen Sack im Schiffsbauch ruht.«…“ Artikel von André Scheer in der jungen Welt vom 20.07.2018
- Libysche Küstenwache soll Menschen zum Sterben zurückgelassen haben
„Spanische Seenotretter haben im Mittelmeer eine Frau gerettet. Neben ihr schwammen die Leichen einer weiteren Frau und eines Kindes. Nun machen die Helfer Libyens Küstenwache schwere Vorwürfe. Die spanische Hilfsorganisation Proactiva Open Arms wirft der libyschen Küstenwache unterlassene Hilfeleistung und das Zurücklassen von Migranten im Mittelmeer vor. Die Seenotretter entdeckten auf dem offenen Meer eine Überlebende, die sich an die Überreste eines zerstörten Schlauchboots klammerte, wie sie auf Twitter mitteilten. Neben ihr fanden sie die Leiche eines Kindes und die einer anderen Frau. Ein Video dokumentiert die Rettung der Frau am Fundort und die Leichen…“ Meldung vom 17.07.2018 bei der Welt online – siehe dazu Berichte, Bilder und Videos von @openarms_fund bei Twitter
- Libyen: Erstickungstod von acht Migranten. UN-Sondergesandter: Der gegenwärtige politische Zustand im Land ist unhaltbar
„Der Erstickungstod von acht Migranten, sechs Kindern und zwei Erwachsenen, in einem verschlossenen Gefriercontainer bei der libyschen Küstenort Zuwara ist die jüngste Schockmeldung aus einer ganzen Serie von Nachrichten und Bildern im Zusammenhang mit der Migration, die sich in der Öffentlichkeit zu einer Art hysterischem Stresstest von Humanität und Politik entwickelt hat (siehe: Warum nicht über Seenotrettung diskutieren?). Laut Reuters wurden 90 Personen aus dem Container gerettet, allesamt in einem kritischen Zustand. Offenbar wurden sie von Schleusern in einen Gefriercontainer für den Transport von Fisch und Fleisch gesteckt, um unentdeckt nach Zuwara zu kommen. Zuwara ist ein bekannter Ablegeort für Boote, die in Richtung Europa aufbrechen mit der Aussicht, dass sie entweder von der libyschen Küstenwache aufgegriffen werden oder weiter draußen von Schiffen der EUNAVFOR MED, Handelsschiffen oder anderen dort verkehrenden Schiffen, die von der Seenotrettungsleitzentrale in Rom zur Hilfe geschickt werden oder dass sie im Meer umkommen. Seetauglich sind die Boote nicht...“ Artikel von Thomas Pany vom 17. Juli 2018 bei telepolis
- Völkerrechtler über EU-Flüchtlingspolitik: „Libyen ist nicht sicher“
„Italien dürfe nicht das Ausschiffen von aus Seenot geretteten Flüchtlingen verbieten“, sagt der Bremer Völkerrechtsexperte Andreas Fischer-Lescano in einem Interview von Christian Jakob bei taz online vom 13. Juli 2018 : „…Wenn diese Art rechtspopulistische Politikverweigerung sich durchsetzt, käme unter Umständen ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Frage. Der könnte die sich nun abzeichnende Praxis der Rettungsleitstelle MRCC in Rom überprüfen, Flüchtlinge an Libyen abzugeben. (…) Diese Maßnahmen sind staatliche Maßnahmen Italiens. Sie fallen also unter die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und sie sind problematisch im Hinblick auf das Verbot der Kollektivausweisung und das Verbot der unmenschlichen Behandlung. Die rechtlich ungeklärte Frage ist aber, ob zwischen dem MRCC in Rom und den in Seenot befindlichen Personen eine so enge Rechtsbeziehung besteht, dass die Anwendung der EMRK ausgelöst wird. Da es aber jeweils um konkret betroffene Personen geht und die MRCC-Maßnahmen jeweils auf konkrete Schiffe bezogen sind, dürfte dies der Fall sein. (…)Die Frontex-Mission Themis unterliegt der Frontexverordnung und der Seeaußengrenzenverordnung der EU und damit dem einschlägigen Seevölkerrecht. Dafür hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO Regeln aufgestellt. Die verlangen, dass aus Seenot gerettete Flüchtlinge nicht in Länder gebracht werden, in denen ihr Schutz nicht sichergestellt werden kann. Beide Verordnungen beziehen sich auf diese völkerrechtlichen Normen. Die Seeaußengrenzen-VO verpflichtet zudem den jeweiligen Einsatzmitgliedstaat – im Fall der Themis-Mission ist das Italien – dazu, die Ausschiffung der geretteten Personen auf ihrem Territorium zu ermöglichen. Sofern Italien den Frontex-Beteiligten die Ausschiffung verweigert, bricht das Land also EU-Recht.“
- EU finanziert Rauswurf von Seenotrettern im Mittelmeer
„Die Europäische Union beauftragt Italien mit der Einrichtung mehrerer See-Leitstellen in Libyen. Küstenwache und Seepolizei werden an europäische Überwachungssysteme angebunden, die Behörden sollen direkt mit Frontex kommunizieren. Das Projekt kostet 46 Millionen Euro und beginnt im Juli. Italien ist aber längst mit der libyschen Küstenwache vernetzt. Medienberichten zufolge soll Libyen seit dieser Woche über eine offizielle Seenotrettungszone verfügen. Diese sogenannte SAR-Region ist demnach von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) offiziell notifiziert. (…) Die Beantragung der libyschen SAR-Region und Einrichtung des MRCC durch Italien wird von der Europäischen Union finanziert, mit der Umsetzung beauftragt ist das Innenministerium in Rom. Im Rahmen des Programms „Unterstützung für integriertes Grenz- und Migrationsmanagement in Libyen“ erhält Italien hierfür 42 Millionen Euro aus dem Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika. Zusätzliche zwei Millionen Euro stammen aus dem EU-Fonds für innere Sicherheit, weitere zwei Millionen steuert Italien bei. Das Programm wurde vor einem Jahr beschlossen, für die Durchführung unterzeichneten Rom und Tripolis Anfang dieses Jahres eine Vereinbarung. Bei der EU firmiert das Projekt unter dem Namen „Morgenröte“ („Aurora“), der Start soll jetzt im Juli erfolgen. (…) Die Projektleitung liegt bei der spanischen Guardia Civil, die die Umsetzung der operativen Maßnahmen eine öffentliche Ausschreibung gestartet hat. (…)Auch ohne den Aufbau der libyschen Küstenwache zum maritimen Türsteher Europas wäre es vermeidbar, dass so viele Menschen auf der Flucht ertrinken. Die Europäische Union überwacht das zentrale Mittelmeer lückenlos, sowohl die Grenzagentur Frontex als auch die Militärmissionen nutzen dabei hochauflösende Satelliten und das leistungsfähige Überwachungsnetzwerk EUROSUR, das nun weiter ausgebaut wird. Frontex verarbeitet unter anderem Satellitenbildmaterial mit einer Auflösung von bis zu 24 cm. Auch das weit fortgeschrittene EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus kontrolliert libysche Küstenregionen und die hohe See per Satellit. Diese Aufklärungsdaten stehen den privaten Seenotrettungsorganisationen jedoch weiterhin nicht zur Verfügung. Warum eigentlich nicht? Beitrag von Matthias Monroy vom 2. Juli 2018 bei Netzpolitik
- Libysche Lager – zum Teil von Deutschland finanziert…
„Die EU schlägt die Einrichtung von Sammellagern für Flüchtlinge in Nordafrika vor und will etwaige Asylgesuche dort exterritorial bearbeiten. Dies geht aus den Unterlagen für den EU-Gipfel Ende kommender Woche hervor. Demnach sollen künftig Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, nicht mehr nach Europa, sondern zurück nach Nordafrika gebracht werden. Werden ihre Asylanträge abgelehnt, werden sie von dort in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Der frühere deutsche Außenminister Sigmar Gabriel bringt parallel einen Militäreinsatz in Libyen ins Gespräch. Tatsächlich hat die EU den Schritt zur Nutzung von Lagern in Nordafrika im Rahmen ihrer Flüchtlingsabwehr längst vollzogen. So unterstützt sie internationale Organisationen, die sich in Libyen um in Lagern inhaftierte Flüchtlinge kümmern, um mit ihrer Hilfe einige wenige Flüchtlinge nach Europa zu holen, die Mehrheit hingegen zur vorgeblich freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu veranlassen. Die Maßnahmen werden zum Teil von Deutschland finanziert…“ Bericht vom 22.06.2018 von und bei German-Foreign-Policy
- Libyen: Schläger und Schlepper als „lokale Sicherheitskräfte“ zur Abwehr von Migranten?
„Der neue Innenminister Salvini will das Konzept seines Vorgängers Minniti fortführen. Wichtiges Element ist die Verhinderung von Abfahrten bereits an der Küste. Die libysche Küstenwache gilt als wenig zart besaitet; mehrmals wurde ihnen von Seenotrettern vorgeworfen, dass sie mit Waffen droht und rücksichtslose Seemanöver unternimmt, um Migranten ins richtige Boot zu holen, das sie nach Libyen zurückbringt und nicht in einen italienischen Hafen. Von NGO-Mitarbeitern war zu hören, dass es die libysche Küstenwache auf Einschüchterung anlegt. (…) Das „italienische Konzept“, wie es vom Innenminister der vorhergehenden Regierung, Marco Minniti, entwickelt wurde, bestand aus drei Grundelementen: das Verhindern von Abfahrten von Migranten bereits an der Küste Libyens, der Verstärkung der Küstenwache und der Ausdehnung der Such-und Rettungszone, in der die libysche Küstenwache das Sagen hat, und wo aus sie die aus Seenot Geretteten oder aufgegriffenen Migranten wieder zurück nach Libyen bringt. (…) Dass er an den EU-Außengrenzen ansetzen will, hat er schon betont, wie auch dass er dazu nach Libyen reisen wird. Wie die italienische Huffington Post gestern berichtete, will Salvini das „modello Gentiloni-Minniti“ übernehmen…“ Artikel von Thomas Pany vom 20. Juni 2018 bei telepolis
- EU befindet libysche Milizen kompetent im Kampf gegen Flüchtlinge: Keine wirkliche Kontrolle erwünscht
„Weiterhin agiert die libysche Küstenwache bei Seenotrettungsfällen äußerst rigoros und befiehlt anderen Organisationen, sich nicht an Einsätzen zu beteiligen. Dies steht völkerrechtlichen Verträgen entgegen. Zudem handelt die Küstenwache äußerst unprofessionell, indem bei Rettungseinsätzen weiterhin keine Festrumpfschlauchboote (Rigid Inflatable Boat, RIB) ausgebracht werden. Bei Rettungsorganisationen ist dies jedoch Standard. Die Europäische Kommission stellt den libyschen Marinesoldaten jetzt GoPro-Kameras zur Verfügung, um deren Menschenrechtsverletzungen zu ahnden. Ich bin jedoch überzeugt, dass keine belastenden Aufnahmen den Weg zu dem zahnlosen Monitoring-Mechanismus finden, mit dem die Europäische Union die Libyer kontrollieren will. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte hierzu gefordert, dass zu einem Monitoring auch Sanktionen gehören müssen. Jede Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache müsse von deren Respekt gegenüber Geflüchteten abhängig gemacht werden. Mit europäischer Aufrüstung und Ausbildung bringt die libysche Küstenwache immer mehr Geflüchtete nach Libyen zurück. Es ist bekannt, dass diese unter barbarischen Bedingungen eingesperrt, gefoltert oder getötet werden. Faktisch handelt es sich bei der libyschen Küstenwache also um Menschenjäger. Hier sehe ich tatsächlich eine Professionalisierung, der aber Einhalt geboten werden muss“ – aus der Presseerklärung „Keine Unterstützung für Menschenjäger der libyschen Küstenwache!“ des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko vom 09. Mai 2018 auf seiner Webseite, zur Antwort auf seine Anfrage über die Zusammenarbeit mit diesen Milizen (die am Ende der Erklärung verlinkt ist).
- Kein Durchkommen: Ein Gutachten des Bundestages legt nahe, dass europäische Schiffe die Seenotrettung von Flüchtlingen verhindern. Und so gegen das Völkerrecht verstoßen
„… Auf den ersten Blick scheinen die Rollen auf dem Mittelmeer klar verteilt: Die Europäer retten die Flüchtlinge und Migranten. So wie es das Internationale Seerecht von ihnen verlangt. (…) Die Libyer – die bei der Abwehr der Flüchtlinge mit Geld und Ausrüstung aus Deutschland, Italien und anderen EU-Staaten unterstützt werden – übernehmen den schmutzigen Part des Deals. Doch so eindeutig ist es nicht, wie ein Gutachten nun zeigt. In Auftrag gegeben hat es Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter und europapolitischer Sprecher der Linken. Erstellt hat es der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, ein Recherchedienst, der die Abgeordneten mit unparteiischer Expertise versorgen soll, etwa in juristischen Fragen. Das Gutachten, das der ZEIT vorliegt, besagt im Kern, dass nicht nur die libyschen Küstenwächter Menschenrechtsverletzungen begehen. Sondern auch europäische Kriegsschiffe. Und womöglich auch die italienische Seenotleitstelle in Rom. Weil die Europäer die Flüchtlinge mitunter nicht retten, sondern auf dem Meer festhalten und in die Arme der libyschen Küstenwache treiben. Und weil sie den Libyern bei gemeinsamen Rettungsaktionen in internationalen Gewässern das Kommando überlassen. (…) Tatsächlich könnten die Machtspiele bald ein Ende haben. Allerdings nicht, weil die EU mit den Libyern zu brechen gedenkt. Stattdessen spendet sie ihnen Geld, um eine eigene Rettungsleitstelle aufzubauen. Sobald die einsatzfähig ist, würden nicht mehr die Europäer entscheiden, wer die Flüchtlinge und Migranten an Bord nimmt, sondern die Libyer. Und die sind bislang nicht den Regeln von Menschenrechts- und Seerechtskonventionen gefolgt. Sondern ihren eigenen.“ Artikel von Caterina Lobenstein vom 21. Februar 2018 bei der Zeit online
- Internationaler Aktionstag 18. Dezember: City Plaza Athen ruft auf, den europäischen Lagerterror in Libyen zu beenden
Das Ende der Finanzierung der libyschen Miliz-Lager und das Ende des Krieges gegen die Flüchtlinge – das sind die zentralen Forderungen des Internationalen Aktionstages am 18. Dezember 2017, zu dem City Plaza Athen die Initiative ergriffen hat. Der Aufruf „18d2017: Stop Europe Funding Slavery in Libya – Stop Wars Against Migrants“ vom 01. Dezember 2017 auf der (Fratzebuch)Seite der Initiative dokumentiert eine Reihe von Aussagen von betroffenen Flüchtlingen über die Lager ebenso, wie die Entwicklung der libyschen Milizenlager und deren Finanzierung skizziert wird. Zweiter zentraler Punkt dieses Aufrufes ist naheliegender Weise die Situation geflüchteter Menschen auf den griechischen Inseln, wo gerade jetzt die Repression gegen jene beginnt, die sich gegen die Verhältnisse zur Wehr gesetzt haben. Von der Seite aus gibt es auch eine Verlinkung zu jenen Orten, an denen an diesem 18. Dezember Aktionen stattfinden sollen.
- Amnesty dokumentiert libyschen Terror gegen Flüchtlinge: Im Auftrag der EU
„In diesem Jahr wurden nach offiziellen Angaben bisher 19.452 Menschen von der libyschen Küstenwache auf dem Mittelmeer abgefangen. Ehemalige Gefangene der Haftzentren berichteten Amnesty von Folter und Zwangsarbeit. „Die hilflosen Menschen in Libyens Haftzentren werden inhaftiert, ausgeraubt und erpresst. Oft müssen ihre Familien am Telefon miterleben, wie der Vater oder die Schwester schwer misshandelt werden, um das Lösegeld zu erpressen“, erklärt Beeko. „Jede Kooperation mit libyschen Stellen darf nur unter dem sofortigen Vorbehalt eines wirklichen Schutzes der inhaftierten Menschen fortgesetzt werden. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union müssen bei den libyschen Behörden einfordern, dass die willkürlichen Inhaftierungen und Misshandlungen von Flüchtlingen und Migranten sofort enden und die Menschen unverzüglich aus den Haftzentren freigelassen werden. Die libysche Regierung muss die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnen, das Mandat des UNHCR anerkennen und diesem den vollumfänglichen Zugang zu schutzbedürftigen Menschen gewähren…“ – aus dem Artikel „EU-Staaten unterstützen systematische Misshandlungen zehntausender Menschen“ am 12. Dezember 2017 bei amnesty international , der Vorstellungstext einer neuen Dokumentation von ai zur Wirklichkeit des Lebens der Flüchtlinge im EU-finanzierten Libyen ist. Siehe dazu auch den Link zur (englischen) neuen Dokumentation von ai über Flüchtlinge in Libyen und die EU Verantwortung: „Libya’s dark web of collusion“ vom Dezember 2017 ist eben der genannte Bericht, der über 66 Seiten zu der Schlussfolgerung kommt, wenn die EU es irgendwie ernst meine mit Menschenrechten dürfe sie die Zusammenarbeit in dieser Form „keinen Tag länger“ betreiben…
- Nach dem Gipfel in Abidjan: Libyen-Deal gegen Flüchtlinge 2.0?
„Berlin und Paris treiben die Massenabschiebung von Flüchtlingen aus Libyen voran und wollen nicht abschiebbare Flüchtlinge in Lagern in zwei Wüstenstaaten Nordafrikas festsetzen. Dies haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit weiteren Staats- und Regierungschefs aus Europa und Afrika beschlossen. Demnach sollen Mitarbeiter des UNHCR und der International Organization for Migration (IOM) Migranten in Libyen überprüfen. Wer politische Fluchtgründe geltend machen kann, wird in Lager in Niger und Tschad gebracht und kann in europäische und außereuropäische Länder weiterverteilt werden. Alle anderen werden auf Kosten afrikanischer Staaten in ihre Herkunftsländer gebracht. Mit dem Vorstoß kommen Konzepte zum Tragen, wie sie in Australien gegen Protest der UNO und verschiedener Menschenrechtsorganisationen praktiziert werden und wie sie der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) schon 2004 vorgeschlagen hat. Zu ihrer Realisierung ist ein Militäreinsatz in Libyen im Gespräch“ – aus dem Beitrag „Ab in die Wüste“ am 01. Dezember 2017 bei German Foreign Policy über die Ergebnisse des EU-Afrika-Gipfels für das europäische Kernthema Krieg gegen Flüchtlinge. Siehe zur Anpassung des Flüchtlingsdeals mit Libyen auch eine Pressemitteilung von Pro Asyl:- „Ein neuer Libyen-Flüchtlingsdeal?“ am 30. November 2017 bei Pro Asyl ist eine Pressemitteilung zu den Gipfel-Ergebnissen , in der unterstrichen wird: „Die CNN-Bilder über die Versklavung von Flüchtlingen und Migranten haben die Welt aufgerüttelt und zwingen nun auch die Architektinnen des Libyen-Deals aus Rom, Paris und Berlin zum Handeln. Es ist von »Evakuierung« von Opfern von Folter und Vergewaltigung aus den libyschen Haftlagern die Rede. Die UN vermeldet den Aufbau eines Transit- und Abreisezentrums in Libyen. Wie, wohin und wann Schutzsuchende ausgeflogen werden, ist weiter unklar. Es ist zu befürchten, dass der noch nicht ausformulierte »Merkel- Macron- Plan« das Ziel verfolgt, den Großteil der Evakuierten in ihre Herkunftsländer zurück zu schaffen oder in »Aufbewahrzentren« in afrikanischen Drittstaaten zu transportieren“.
- Ab in die Wüste
„Berlin und Paris treiben die Massenabschiebung von Flüchtlingen aus Libyen voran und wollen nicht abschiebbare Flüchtlinge in Lagern in zwei Wüstenstaaten Nordafrikas festsetzen. Dies haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit weiteren Staats- und Regierungschefs aus Europa und Afrika beschlossen. Demnach sollen Mitarbeiter des UNHCR und der International Organization for Migration (IOM) Migranten in Libyen überprüfen. Wer politische Fluchtgründe geltend machen kann, wird in Lager in Niger und Tschad gebracht und kann in europäische und außereuropäische Länder weiterverteilt werden. Alle anderen werden auf Kosten afrikanischer Staaten in ihre Herkunftsländer gebracht. Mit dem Vorstoß kommen Konzepte zum Tragen, wie sie in Australien gegen Protest der UNO und verschiedener Menschenrechtsorganisationen praktiziert werden und wie sie der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) schon 2004 vorgeschlagen hat. Zu ihrer Realisierung ist ein Militäreinsatz in Libyen im Gespräch…“ Bericht vom 1. Dezember 2017 von und bei German-Foreign-Policy
- Proteste gegen libyschen Sklavenhändler wachsen weiter an – ihre EU-Hintermänner lassen prügeln
„Sklaven-Auktionen, Massenvergewaltigungen, Hunger und Schläge – Flüchtlinge, die in libyscher Gefangenschaft waren, berichten von brutalen Vergehen. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich auf dem bevorstehenden EU-Afrika-Gipfel damit beschäftigen. Wo in dieser Woche rund 80 Staats- und Regierungschef aus Afrika und Europa ankommen und in Limousinen zu ihrem Gipfeltreffen chauffiert werden, da standen vor wenigen Tagen noch Busse und Krankenwagen für Heimkehrer aus Libyen. Auf dem Flughafen der ivorischen Hauptstadt Abidjan berichteten sie Reportern von ihren Erfahrungen – wenn sie denn überhaupt dafür noch Worte fanden. „Es ist ihr Geschäft, Menschen zu verkaufen“, sagt die 34-jährige Sonia, wenn sie über ihre libyschen Peiniger spricht. „Man kann das nicht beschreiben, es ist zu schlimm. Sie kommen und schlagen dich, es gibt oft nichts zu essen. Man sitzt da fest. Sie vergewaltigen die Frauen. Nur mit Gottes Hilfe bin ich hier angekommen““ – aus dem Beitrag „Sie machen mit dir, was sie wollen“ von Stefan Ehlert am 26. November 2017 bei der tagesschau , der im Vorfeld des neuerlichen EU-Afrika-Gipfels in Abidjan informiert, dass die Situation in Libyen dort – immerhin – „auf der Tagesordnung“ stehe. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag, einen Bericht über abermalige Polizeiangriffe auf Proteste gegen Sklavenhandel – diesmal in Brüssel – und die gemeinsame Erklärung der Black Community in der BRD:- „Proteste gegen Sklaverei in Libyen“ von Marina Mai am 27. November 2017 in neues deutschland ist ein Bericht von der Berliner Protest-Demonstration am 25.11, worin es unter anderem heißt: „Auf den zahlreichen Transparenten, die die Teilnehmer mit sich führten, stand unter anderem »Sklavenhalter in Libyen – Wachhunde für die EU-Abschottung«, »Wir sind keine Ware« oder »Stoppt die Versklavung, Vergewaltigung und Ermordung von Afrikanern«. Zwei Männer hatten sich vor der libyschen Botschaft zudem in Ketten gelegt und riefen »Freiheit«, um den Sklavenhandel optisch sichtbar zu machen. Sie sprachen Arabisch, damit die libyschen Diplomaten ihre Worte verstehen konnten. Die Polizei hatte die Botschaft abgeschottet. Viele Demonstrationsteilnehmer zeigten sich enttäuscht darüber. Sie hatten gehofft, ihren Protest den libyschen Vertretern persönlich übermitteln und mit ihnen reden zu können“.
- „Brüssel: Ausschreitungen bei Protest gegen Sklavenhandel in Libyen“ am 26. November 2017 bei Der Standard ist ein Bericht über die Brüsseler Demonstration – und, wie üblich, sind nicht die Ausschreitungen der Polizei gemeint, sondern: „Laut Polizei hatte sich eine Gruppe von zunächst rund 30 vorwiegend jungen Demonstranten gegen Ende der Kundgebung am Samstagnachmittag vermummt und angefangen, Geschäfte und auch einen Polizeiwagen anzugreifen. Die laut Medienberichten zwischen 15- und 18-Jährigen beschädigten mindestens drei Geschäfte, mehrere Fahrzeuge sowie Straßenschilder. Ein Polizist erlitt durch ein Wurfgeschoss eine „Fraktur am Kopf“, teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ine Van Wymersch, mit. Er befand sich demnach am Sonntag weiter im Krankenhaus. Nach einem Bericht der belgischen Nachrichtenagentur Belga wurden ein Wasserwerfer und ein Hubschrauber als Verstärkung geschickt. Einem Großaufgebot der Polizei gelang es erst am Abend, die Ruhe wiederherzustellen. Vier der Festgenommen, darunter drei Minderjährige, müssen sich laut der Sprecherin der Staatsanwaltschaft nun unter anderem wegen versuchten Einbruchdiebstahls, Sachbeschädigung und Körperverletzung vor Gericht verantworten. Gegen den Erwachsenen solle ein Haftbefehl erwirkt werden“.
- „GEMEINSAME ERKLÄRUNG DER BLACK COMMUNITY DEUTSCHLAND GEGEN DIE VERSKLAVUNG, VERGEWALTIGUNG, ERMORDUNG, FOLTER, GEFANGENSCHAFT UND ERNIEDRIGUNG VON UND DEN HANDEL MIT SCHWARZEN MENSCHEN IN LIBYEN“ am 25. November 2017 bei The Voice hebt in den 10 Punkten, nach ausführlicher Kritik der Zustände in Libyen und der EU, sowie der Untätigkeit afrikanischer Regierungen abschließend hervor: „Angesichts der oben genannten Unfähigkeit und Unwilligkeit afrikanischer Staaten, Schwarze Menschen weltweit vor fremden rassistischen Versklavern und Unterdrückern, imperialistischen Ausbeutern und perversen Vergewaltigern zu schützen, müssen Schwarze Communities für ihren Schutz, ihr Überleben und ihre Freiheit selbst sorgen. Es ist nicht unser Schicksal, die passive Beute von rassistischen Verbrechen weltweit zu sein. Daher ruft die Black Community in Deutschland alle Schwarzen Frauen* und Männer*, Kinder und Erwachsene dazu auf, sich in allen Bereichen und Formen der Selbstverteidigung, von Selbstschutz und Selbstbehauptung auszubilden und sich lokal, regional, bundesweit und global zu vernetzen und sich gegenseitig zu unterstützen“.
- Seenotretter beklagen Behinderungen bei Flüchtlingssuche – Libysche Küstenwache verzögert Rettungseinsatz
„Hilfsorganisationen haben eine zunehmende Behinderung bei der Suche nach schiffbrüchigen Flüchtlingen auf dem Mittelmeer beklagt. Die deutsche Organisation Mission Lifeline erklärte am Freitag, dass ein EU-Marineschiff sie von einer Suchaktion abgehalten habe. Man habe die Aufforderung von einem Schiff der EU-Operation Eunavfor Med erhalten, aus dem Suchgebiet abzufahren, sagte ein Sprecher der sächsischen Organisation. Als Grund sei eine militärische Übung angegeben worden. Der Vorfall sei ein weiteres Zeichen, wie Hilfsorganisationen abgedrängt würden, um Migranten zu suchen. Die deutsch-französisch-italienische Organisation SOS Mediterranee erklärte, von der italienischen Küstenwache zum „Stand-by“ angewiesen worden zu sein, damit die libysche Küstenwache mit der Marine eine Rettungsaktion von drei Schlauchbooten durchführen könne…“ Meldung vom 24. November 2017 bei kleinezeitung.at , siehe dazu: Rettungseinsatz vor Libyen: Junge Frau stirbt auf der Flucht über das Mittelmeer. Pressemitteilung vom 24. November 2017 von und bei SOS Mediterranee mit detailierter und erschütternder Darstelleung der letzten Aktionen
- Wachsende weltweite Empörung und Kritik an libyschen Zuständen nach Sklavenhandel-Video: Die europäischen Hintermänner tun so, als ob sie das nichts anginge
Während nicht nur in zahlreichen afrikanischen Staaten und Migrations-Gemeinschaften in europäischen Ländern Empörung und Kritik nach der weltweiten Verbreitung des CNN Videos über Sklavenhandel zunehmend höhere Wellen schlagen – neben erneuten Demonstrationen etwa in Frankreich nun auch in Berlin (siehe weiter unten) – wird, zumindestens in einem guten Teil der so entfachten Medienschlacht, die Rolle der Finanziers der Sklavenhalterbanden, der EU also, (absichtlich) vergessen. Die EU selbst schweigt lautstark. Lässt aber in Paris eine spontane Demonstration zusammen prügeln – und wird mit Sicherheit auch bei der Berliner Demonstration am 25. November 2017 der libyschen Botschaft Schutz angedeihen gegen die gefährlichen Protestierer. (Sklavenhändler sind nicht gefährlich – nur für Sklaven). Die libysche Regierung: Setzt eine Kommission ein. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge und einen Demonstrationsaufruf für Berlin am 25. November:- Das CNN-Video : Migrants being sold as slaves in Libya
- „ITUC Joins Call for Action to End Migrant Slave Trade in Libya“ am 22. November 2017 beim Internationalen Gewerkschaftsbund ist eine Erklärung der Föderation gegen den Sklavenhandel mit MigrantInnen vor allem in Libyen. Mit dieser Erklärung schließt sich ITUC der Erklärung der Afrikanischen Union an – und beide klammern in ihren Erklärungen die Rolle der EU als Finanzier der Sklavenhändler aus…
- „’Where is the world?‘: Libya responds to outrage over slave auctions“ von Raja Razek und Lauren Said-Moorhouse am 23. November 2017 bei der CNN ist ein Beitrag zu einer Erklärung der libyschen Teilregierung, die von der UN anerkannt wird, in der hervor gehoben wird, dass man einen Untersuchungsausschuss beschlossen habe, diese Regierung alleine aber das Problem nicht lösen könne.
- „Sklavenmarkt Libyen“ von Knut Mellenthin am 24. November 2017 in der jungen welt befasst sich unter anderem mit dem „Medienecho“ auf die Sklavenhalter-Enthüllungen und der Propaganda des Abschiebungs-Dienstleisters IOM: „Öffentliche Sklavenmärkte in libyschen Städten sind unter praktischen Gesichtspunkten eher unwahrscheinlich. Das US-Nachrichtenmagazin Time veröffentlichte schon am 21. Oktober 2016 eine Fotogeschichte unter dem Titel »Libya’s Migrant Economy Is a Modern Day Slave Market« (»Libyens Migrantenwirtschaft ist ein moderner Sklavenmarkt«). Um Sklavenmärkte im historischen Wortsinn ging es dabei jedoch nicht. Menschen käuflich als dauerhaftes Eigentum zu erwerben macht unter kapitalistischen Verhältnissen nur in Ausnahmefällen Sinn. Bei der Time-Story ging es hauptsächlich um zwangsgestützte Tagelöhnerverhältnisse wie etwa im folgenden Beispiel: Die IOM meldete im März 2015 den erfolgreichen Abschluss einer von ihr in mehreren Schüben durchgeführten Abschiebungsaktion. Insgesamt hatte der Dienstleister nach eigenen Angaben seit dem 27. Februar 401 Senegalesen in ihr Heimatland zurückbringen lassen. Sie waren in Libyen »gestrandet«, nachdem sie monatelang auf Baustellen gearbeitet hatten, aber im Dezember 2014 aus irgendwelchen Gründen nicht mehr benötigt wurden. Sie wurden bei nächtlichen Razzien festgenommen und zusammen mit anderen Tagelöhnern zunächst in einem Gebäudekomplex gefangengehalten und von ihren Bewachern ausgeplündert, bevor sie die IOM-Formulare mit der »freiwilligen« Bitte um Hilfe bei der Heimreise unterschrieben. An der Massenabschiebung waren neben der IOM auch der Libysche Rote Halbmond und das Libysche Direktorat zur Bekämpfung Illegaler Migation (DCIM) in Tripolis beteiligt. Letzteres ist einer der wichtigsten Partner der EU bei der radikalen Eindämmung der Migrationsbewegungen nach Europa“.
- „Wer rettet die Sklaven?“ von Dominic Johnson am 23. November 2017 in der taz hat – neben einer ruandischen Aufnahme-Initiative – vor allem die afrikanischen Reaktionen insgesamt als Thema: „Ruanda übernimmt 2018 den Vorsitz der AU und hat ambitionierte Reformpläne, um den Staatenbund handlungsfähiger zu machen. Kommende Woche findet in der Elfenbeinküste der regelmäßige EU-Afrika-Gipfel statt, bei dem Fragen der Migrationspolitik eine wichtige Rolle spielen dürften. Mehrere afrikanische Regierungen haben angekündigt, die Versklavung von Afrikanern in Libyen und Europas Unterstützung für Libyen zu thematisieren. Nach Protestaufrufen aus der Zivilgesellschaft haben in den letzten Tagen mehrere afrikanische Länder ihre Botschafter aus Libyen abgezogen und die UNO sowie den Internationalen Strafgerichtshof eingeschaltet. Von Barbarei und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist die Rede“.
- [25. November 2017] Demonstration vor der libyschen Botschaft in Berlin: Schluss mit dem Sklavenhandel
Wir dokumentieren den Aufruf:
DEMONSTRATION FÜR EIN ENDE DER VERSKLAVUNG, FOLTER, VERGEWALTIGUNGEN UND ERMORDUNGEN VON SCHWARZEN MENSCHEN IN LIBYEN!
Die SCHWARZE COMMUNITY IN DEUTSCHLAND lädt alle Schwarzen Organisationen, Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen und ihre FreundInnen und UnterstützerInnen zu einer bundesweiten Demonstration vor der libyschen Botschaft in Berlin ein, um das sofortige Ende der Versklavung, des Verkaufs, der Vergewaltigungen und Tötungen von schwarzen Menschen in Libyen zu fordern.
Datum und Uhrzeit: Samstag, 25. November um 13:00 Uhr / Ort: Lybische Botschaft in der Podbielskiallee 42 in 14195 Berlin. WIRD EINE/R VON UNS ANGEFASST, WURDEN WIR ALLE ANGEFASST! VEREINT, WERDEN WIR SIEGEN!
- Jetzt kritisiert sogar die UNO die EU-Förderung libyscher Milizen im Krieg gegen Flüchtlinge. Viele andere auch
„Das Vorgehen sei unmenschlich, sagte Menschenrechtskommissar Al-Hussein. Die EU trage mit ihrer Politik dazu bei, dass die Flüchtlinge zurück nach Libyen gebracht würden, wo sie unter grausamen Umständen leben müssten. Mitarbeiter der Vereinten Nationen seien nach einem Besuch der Haftzentren dort schockiert gewesen. Sie hätten ausgemergelte und traumatisierte Männer, Frauen und Kinder gesehen. Die Menschen würden auf engstem Raum weggesperrt, nichtmals mit dem Nötigsten versorgt und ihrer menschlichen Würde beraubt. Nach libyschen Angaben befanden sich Anfang November fast 20.000 Menschen in den Lagern – und damit etwa 7.000 mehr als noch Mitte September. Die EU unterstützt die libysche Küstenwache seit Mitte des Jahres dabei, Boote mit Flüchtlingen abzufangen, bevor sie internationale Gewässer erreichen“ – aus der Meldung „Kritik an Zusammenarbeit der EU mit Libyen“ am 14. November 2017 bei DLF24 über die weltweit stetig wachsende Kritik an der EU-Förderung libyscher Banden in der Kriegsführung gegen Flüchtlinge. Siehe dazu auch Dokumentationen zu einem angeblichen „Unfall“ eines Flüchtlingsschiffes und zum Sklavenverkauf in Libyen- „Sea-Watch: Complete Footage of Libyan Coast Guard Escalation During Rescue on November 6, 2017“ am 13. November 2017 bei Enough is Enough ist eine halbstündige Video-Dokumentation von Sea Watch über einen „Zwischenfall“ bei einer Bootsaktion, in der die ganze mörderische Haltung der von der EU bezahlten Söldnerbanden deutlich wird – in diesem Fall der sogenannten Küstenwache. Eine Dokumentation im Übrigen, die – zufällig? – außerhalb Europas von zahlreichen Fernsehsendern übernommen wurde…
- „TV flagra ‚leilão‘ de africanos como escravos na Líbia“ am 14. November 2017 beim Jornal do Brasil ist wiederum ein Beitrag in der brasilianischen Zeitung über einen CNN-Bericht, der einen Sklavenverkauf in Libyen dokumentiert – die Kritik an der EU ist außerhalb ihrer eigenen Grenzen täglich weiter verbreitet…
- Wenn der schmutzige Deal mit libyschen Milizen platzen sollte – es war nicht der Wählerwille. Sondern der Streit der Lagerkommandeure
„Im westlibyschen Küstenort Sabratha kämpfen Soldaten der libyschen Armee und Milizen des berüchtigten ehemaligen „Schmugglerkönigs“ Ahmed Dabashi seit Sonntag um strategische Punkte im Stadtzentrum. Damit stehen die Bemühungen von italienischer Seite, durch Zusammenarbeit mit Dabashi ein Ende der Fluchtbewegungen über das Mittelmeer zu erreichen, wieder vor dem Aus. Nachdem im Sommer die Zahl der afrikanischen Migranten im Mittelmeer deutlich zurückgegangen war, steigen die Zahlen inzwischen wieder: Vergangene Woche brachten Seenotretter rund 2.000 Flüchtlinge aus dem Meer nach Italien, 3.000 wurden von Libyens Küstenwache abgefangen und zurückgebracht, davon allein 1.047 am vergangenen Samstag“ – aus dem Beitrag „Flüchtlingsdeal zerplatzt“ von Mirco Keilberth am 19. September 2017 in der taz , worin zum neuen Flüchtlingsbeauftragten der EU noch berichtet wird: „Dabashis Kontakte nach Italien sind nicht neu. Vor seiner Machtübernahme in Sabratha stand er in den Diensten des libyschen Verteidigungsministeriums, als Chef der Wachtruppe des nahen Industriekomplexes von Italiens staatlicher Ölfirma ENI“. Siehe zu den libyschen Lagern im Dienste der EU zwei weitere Beiträge:- „Vom Mittelmeer zurück in die Hölle“ von Christian Jakob am 20. September 2017 in der taz , worin beschrieben wird: „Das Auswärtige Amt hat die Antworten auf neun Fragen zu Al Biya mit Verweis auf Quellenschutz der Geheimdienste als „Verschlusssache“ eingestuft: Sie dürfen nur von Abgeordneten und ihren Mitarbeitern eingesehen werden. Die Veröffentlichung könnte „für die Interessen der Bundesrepublik schädlich“ sein, so das Auswärtige Amt. „Die Bundesregierung bestätigt: Die EU und Italien tragen mit dazu bei – und sie sind deshalb auch mit dafür verantwortlich –, dass die durch die sogenannte libysche Küstenwache im Mittelmeer Geretteten in inhumane Unterkunftsbedingungen zurückverbracht werden“, sagt Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke“.
- „Sabha: The desert internment camp is Europe’s migrant solution“ von Alfredo Marsala am 20. September 2017 bei Il Manifesto Global ist eine Reportage aus dem Internierungslager Sabha, bei der deutlich wird, dass jegliche Aufforderung an die EU oder eines Mitgliedsstaates, irgendwo auf der Welt für die Wahrung von Menschenrechten einzutreten, heute zutage purer Zynismus ist, denn die EU Lösung der Flüchtlingsfrage ist für nicht wenige eine Endlösung…
- Bundestag-Gutachten: Libyen verstößt gegen Völkerrecht
„Die Verhinderung von Seenotrettern weit vor den Küsten Libyens verstößt einem Gutachten des Bundestages zufolge gegen Völkerrrecht. Libyen hatte eigenmächtig eine „Such- und Rettungsregion“ ausgerufen, die bis weit in internationales Gewässer ragt….“ Beitrag vom 5. September 2017 bei Migazin
- Abschottung Europas in Libyen: Jetzt wird’s ernst – Ausbildung der Grenzpolizei, Deportationen nach Niger, Präsenz in der Wüste
„… Nach dem europäisch-afrikanischen Migrationsgipfel in Paris vor einer Woche werden nun Maßnahmen bekannt, mit denen Deutschland, Frankreich und Italien den Ausbau der Grenzkontrollen in Nordafrika und im Sahelraum gegen illegale Migranten vorantreiben wollen. Die Details gehen aus zwei Antworten der Bundesregierung auf parlametarische Anfragen der Linken hervor, die der taz vorliegen. Frankreich und Deutschland wollen demnach im Sahel eine Schule für Grenzpolizisten errichten. (…) Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf Libyen. Mit Unterstützung der EU hat das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR demnach einen neuen „Nottransfer-Mechanismus“ mit Niger vereinbart. Der sieht vor, dass schutzbedürftige Flüchtlinge aus Libyen nach Niger ausgeflogen werden können. Von dort soll nach Ausreisemöglichkeiten in die EU gesucht werden. Die Bundesregierung hat dem UNHCR für seine neuen Aktivitäten in Libyen 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Laut dem Auswärtigen Amt hat Libyen nun offiziell eine Such- und Rettungszone im Mittelmeer benannt. Angaben zu deren Ausmaß macht das Amt nicht. Die libysche Küstenwache hatte im August erklärt, die Zuständigkeit für Seenotfälle in internationalen Gewässern vor ihren Küsten zu übernehmen. Privaten Seerettungsschiffen hatte sie unter Androhung von Gewalt den Zugang verboten. Bislang ist unklar, welchen Umfang das Gebiet hat und ob die libysche Zuständigkeit international anerkannt wird. Die EU-Marinemission „Sophia“, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, soll die libysche Küstenwache künftig auch auf deren eigenen Booten trainieren. Die dafür notwendige Einladung der libyschen Regierung stehe allerdings noch aus, so die Bundesregierung…“ Artikel von Christian Jakob vom 3. September 2017 bei der taz online
- Seenotrettung: Das sind die Gesetze des Meeres
„Darf Libyen freiwillige Helfer aus seiner Rettungszone vertreiben, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer ziehen wollen? Kann die EU wegschauen? Eine rechtliche Einordnung. (…) Grundsätzlich darf Libyen nach den genannten Abkommen vor seiner Küste eine Such- und Rettungszone ausrufen und seine Küstenwache dort für zuständig erklären. Das ist sogar erwünscht, nach den Verträgen wäre Libyen ohnehin in erster Linie für in Seenot geratene Migranten und Flüchtlinge vor seiner Küste zuständig. Doch soll eine solche Ausweitung der Rettungszone stets in Absprache mit den unmittelbaren Nachbarn geschehen. Zudem dürfen außerhalb der eigenen Territorialgewässer (in der Regel eine Zwölf-Seemeilen-Zone) keine Hoheitsrechte ausgeübt werden. Kurzum: Libyen hat kein Recht, private Rettungsschiffe aus internationalen Gewässern zu vertreiben. (…) Denn in internationalem Gewässer, also außerhalb der libyschen Zwölfmeilenzone, dürfen private Rettungsboote nicht nur frei kreuzen. Entdecken sie Schiffbrüchige, müssen sie sogar von Rechts wegen sofort zu Hilfe eilen, selbst dann, wenn die Unglücksstelle in libyschem Gewässer liegt. Unabhängig davon hat ohnehin jedes zivile Schiff ein Recht auf friedliche Durchfahrt durch die Territorialgewässer eines Küstenstaates. (…) Außerdem wird das Seevölkerrecht, wie der Völkerrechtslehrer Daniel Thym vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration sagt, „menschenrechtlich überlagert“. Das heißt: Ob ein Ort für Flüchtlinge „sicher“ ist, muss auch nach den Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention beurteilt werden. Zu beachten ist vor allem das Verbot, Flüchtlinge dort an Land zu bringen, wo ihnen Folter, politische Verfolgung, Tod oder menschenunwürdige Behandlung drohen. Nach Libyen darf also niemand zurückgebracht werden.“ Beitrag von Martin Klingst vom 20. August 2017 bei Zeit online
- Die Seenotrettung und die europäische Flüchtlingspolitik: Seenotrettung als Déjà-vu
„Über die völkerrechtliche Pflicht zur Seenotrettung wird derzeit in der EU heftig gestritten. Stichwortgeber für die Kriminalisierung von Seenotrettern sind stets auch deutsche Innenminister. (…) Es ist nicht das erste Mal, dass die Seenotrettung privater Organisationen kriminalisiert wird. Am 20. Juni 2004 rettete das Schiff Cap Anamur südlich von Lampedusa 37 Menschen vor dem Ertrinken, die in Libyen in See gestochen waren. Als die Crew den Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien erreichte, wurde sie zwölf Tage lang mit militärischen Mitteln am Einlaufen gehindert. Otto Schily (SPD), damals Innenminister der rot-grünen Bundesregierung, spekulierte offen darüber, ob sich die Besatzung der Cap Anamur an einer illegalen Schleusung beteiligt habe. Er forderte die Errichtung von Flüchtlingslagern in Libyen. In dieselbe rhetorische Tradition stellt sich auch Thomas de Maizière (CDU), wenn er zivile Organisationen ohne konkrete Belege der Kooperation mit Schleusern bezichtigt. 2007 erging es tunesischen Fischern ähnlich wie der Besatzung der Cap Anamur, als sie in Seenot geratene Flüchtlinge nach Lampedusa brachten und wegen der Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt wurden. Obschon beide Prozesse nach vielen Jahren mit Freisprüchen endeten, hatten die Verfahren fatale Folgen: Viele Schiffsbesatzungen wurden abgeschreckt, Flüchtlingen in Seenot zu helfen. Als Italien dann 2013 nach der Katastrophe vor Lampedusa, bei der rund 390 Menschen ertranken, selbst eine Rettungsmission unter dem Namen Mare Nostrum einsetzte, war de Maizière erneut nicht zurückhaltend mit Kritik: Mare Nostrum baue eine »Brücke nach Europa« und begünstige das Geschäft der Schleuser. Dieses Mal war Italien der Adressat der Vorwürfe. Auf Betreiben des deutschen Innenministers wurde Mare Nostrum eingestellt und durch die deutlich weniger effektive Frontex-Mission Triton ersetzt. Die Kriminalisierung der Seenotrettung im Kontext der EU-Flüchtlingspolitik, sie bleibt ein ständiges déjà-vu.“ Beitrag von Maximilian Pichl bei jungle.world 2017/33
- Shame on you, Europe! Sea-Eye und Seefuchs: Protest im Mittelmeer
„Am Donnerstagmorgen spannten die beiden Schiffe der Organisation Sea-Eye und Seefuchs ein Banner mit der Aufschrift „Shame on you, Europe!“ (Schäme dich, Europa!) rund 110 Seemeilen vor Tripolis auf. Die Stelle markiert die Grenze, die das libysche Marionettenregime mit Duldung der europäischen Staaten und unter den Augen der Operation Sophia proklamiert hat. Seither werden private Seenotretter, wie die von Sea-Eye, von der libyschen Küstenwache mit Gewalt bedroht. Trotz der ungeheueren Militärpräsenz im westlichen Mittelmeer lassen es die europäischen Marineeinheiten zu, dass Lebensretter bei ihrer Arbeit behindert werden….“ Sea-Eye-Meldung vom 17.8.2017 – wahrlich unsere Helden der Woche und eine Schande für das ach so humanistische Europa: Shame on you, Europe!
- Der Einsatz libyscher Banden durch die EU wird sogar von der UNO kritisiert
Kopfprämien sind anscheinend noch keine ausgesetzt worden – aber der Einsatz libyscher Folterbanden im europäischen Krieg gegen Flüchtlinge, inklusive massiver Finanzierung, geht in diese Richtung. So brutal und offensichtlich, dass selbst UNO-Rapporteure auf Distanz zu dieser neuen Variante der Kriegsführung gehen. Der Beitrag „EU ‘trying to move border to Libya’ using policy that breaches rights – UN experts“ am 17. August 2017 bei der UN-Menschenrechtskommission gibt diese Kritik wieder. Darin werden der Special Rapporteur zu Menschenrechten von Flüchtlingen, Felipe González Morales und der Special Rapporteur über Folter, Nils Melzer mit ihren entsprechenden Aussagen ausführlich zitiert, die sich sehr konkret auf die libyschen Lager beziehen, die bisher noch niemand Vernichtungslager genannt hat – bisher.
- Libyen: General Haftar will 17 Milliarden von der EU für die Grenzsicherung
„Eine weitere NGO stellt ihre Seenot-Rettungsmission vorübergehend ein. (…) Die Frage ist allerdings, ob sich ein extrem erfolgreiches Geschäftsmodell wie das der Schlepperei, davon abschrecken lässt. Laut einem Papier der Crisis-Group bringt das Schleusergeschäft durch Libyen jährlich Einkünfte von geschätzt zwischen 1 und 1,5 Milliarden Dollar. Davon profitieren mehrere Milizen und Stämme. (…) Auch in diesem Papier wird General Haftar als derjenige genannt, dessen Truppen ein Machtschwergewicht bilden. Insgesamt sei der Süden Libyens aber durch ein staatliches Machtvakuum gekennzeichnet, das vielen Milizen den Anreiz gibt, dort ihre Vorteile zu sichern. Diese sind mit dem Schmuggelnetzwerk verbunden. (…) Abgesehen von politischen Machtrangeleien zwischen ihm und Sarradsch, die im Interview erneut deutlich werden, betont Haftar, dass die Migration aus Libyen an der südlichen Grenze gestoppt werden müsse. Darum gehe es hauptsächlich. Er bietet sich als dank seiner Machtstellung – „Ich kontrolliere mehr als drei Viertel des Landes“ – als Mastermind für einen Masterplan an. (…) Den Plan habe er, ihm würden nur die Mittel fehlen. Auf seiner Forderungsliste an Macron stehen Waffen, Munition, gepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber, Nachtsichtgeräte und befestigte Anlagen, die alle 100 Meter an der 4.000 Kilometer langen Grenze im Süden Libyens aufgestellt werden müssten, um eine effektive Kontrolle auszuüben. Kostenpunkt für die EU laut Haftar: etwa 17 Milliarden Euro. Das sei keine übermäßige Summe, da sie sich auf 20 bis 25 Jahre verteile und die EU dies ja in einer kollektiven Anstrengung aufbringen könnte. An die Türkei werde mehr bezahlt, so Haftar…“ Beitrag von Thomas Pany vom 14. August 2017 bei Telepolis- Anm.: Wenn es um die Flüchtlingsabwehr geht, gehört der Begriff „illegal“ zum Standardrepertoire deutscher Flüchtlingspolitik. Wie das Beispiel Libyen zeigt, ist das illegale Handeln der Bundesregierung allerdings kaum zu toppen. Unterstützt sie doch die libyschen völkerrechtswidrigen Praktiken gegen Flüchtlinge und libysche Verstöße gegen Art.86 ff des Seerechtsübereinkommen der Vereinigten Nationen sogar mit Geld. Als wie legal kann man eine deutsche Regierungspolitik noch betrachten kann, die eher rassistische Stereotypen bedient als den Schutz der Menschenrechte zum obersten Prinzip verfassungsrechtlichen Handelns zu machen?
Lese daher unbedingt dazu: „Woher kommt der Hass auf die Seenotretter? Die Hetze gegen die NGO-Schiffe im Mittelmeer zielt auf die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland“, Beitrag von Thomas Moser vom 14. August 2017 bei Telepolis – einer der Besten seit längerem hierzu! – in unserem Dossier: Neue Debatte um Schleuser und Schlepper – richtet sich gegen Fluchthelfer
- Anm.: Wenn es um die Flüchtlingsabwehr geht, gehört der Begriff „illegal“ zum Standardrepertoire deutscher Flüchtlingspolitik. Wie das Beispiel Libyen zeigt, ist das illegale Handeln der Bundesregierung allerdings kaum zu toppen. Unterstützt sie doch die libyschen völkerrechtswidrigen Praktiken gegen Flüchtlinge und libysche Verstöße gegen Art.86 ff des Seerechtsübereinkommen der Vereinigten Nationen sogar mit Geld. Als wie legal kann man eine deutsche Regierungspolitik noch betrachten kann, die eher rassistische Stereotypen bedient als den Schutz der Menschenrechte zum obersten Prinzip verfassungsrechtlichen Handelns zu machen?
- „Nicht wir handeln illegal, sondern die libysche Regierung“ Die Organisation Ärzte ohne Grenzen beschuldigt die Regierung in Libyen, illegal gegen Seenotretter vorzugehen.
„… Deutschlandchef Westerbarkey fürchtet, dass „mehr Menschen im Mittelmeer sterben, weil es weniger Schiffe vor Ort gibt“. (…) Am Freitag haben die libyschen Behörden die Einrichtung einer Such- und Rettungszone angekündigt und damit den Zugang für Schiffe von Hilfsorganisationen zu internationalen Gewässern vor der libyschen Küste eingeschränkt. Unmittelbar danach warnte uns die Leitstelle für Seenotrettung in Rom (MRCC) vor den damit verbundenen Sicherheitsrisiken. Nach diesen zusätzlichen Beschränkungen und der zunehmenden Blockade von Geflüchteten in Libyen haben wir die Such- und Rettungshilfe unseres Schiffes „Prudence“ vorübergehend ausgesetzt. (…) Wir retten im Rahmen des geltenden Seenotrechts Menschen aus dem Wasser, die vor grausamen Zuständen in libyschen Internierungslagern fliehen. Nicht wir handeln illegal, sondern die libysche Regierung, wenn sie unseren Mitarbeitern droht, legale Rettungsaktionen in internationalen Gewässern mit Gewalt zu verhindern. (…) Wir wissen natürlich, dass viele Menschen aus ihren Heimatländern nicht nur vor Gewalt und Krieg fliehen. Spätestens wenn sie dann in Libyen sind, gibt es reale Fluchtgründe, weil die Lage dort unerträglich ist. Grundsätzlich gilt: Wir müssen nicht in die Zukunft schauen, es reicht der Blick in die Gegenwart. Weltweit gibt es eine riesige Anzahl an Flüchtlingen. Die meisten davon wollen nicht nach Europa; es handelt sich um Menschen, die innerhalb Afrikas flüchten. Uganda hat 2016 mehr Flüchtlinge aufgenommen als die ganze EU…“ Interview von Adrian Arab und Philip Kuhn mit Volker Westerbarkey bei Welt N24 vom 14. August 2017
- Mittelmeer: Immer mehr NGOs stoppen Rettungseinsätze
„Nach „Ärzte ohne Grenzen“ haben weitere NGOs ihre Rettungseinsätze im Mittelmeer gestoppt. Die Bedrohung durch die libysche Küstenwache sei ein Grund. „Ärzte ohne Grenzen“ will darüber hinaus vermeiden, Migranten auf Anweisung zurück nach Afrika bringen zu müssen. (…) „Die libysche Küstenwache hat für sich eine eigene Such- und Rettungs-Area proklamiert, die sie aber gar nicht in ihrer Ausdehnung verifizieren und haben den NGOs deutlich gedroht, diese Zone nicht ohne ihre Erlaubnis zu befahren.“ Es sei eine „sehr konkrete Drohung, die wir auch leider sehr ernst nehmen müssen“, sagt Buschheuer [„Sea Eye“]. Seine NGO hätte gar keine Möglichkeit, anders zu handeln, „weil man das Gebiet nicht definiert hat“. (…) Die Kehrseite des Rückzugs aus dem Mittelemeer kennen die NGOs auch. Wenn weniger Schiffe im Mittelmeer humanitäre Hilfe leisten, dann ist die Gefahr für die Migranten, die es durch die Kontrollen der libyschen Küstenwache schaffen, deutlich höher, zu ertrinken. Trotz der Rettungsaktionen der NGOs sind allein in diesem Jahr mindestens 2400 Menschen im Mittelmeer gestorben – das macht es zum tödlichsten aller Meere…“ Artikel von Lisa Weiß, ARD-Studio Rom, vom 13.08.2017 bei der Tagesschau
- [Petition] EU-finanzierte Gewalt gegen Flüchtende durch Libysche Küstenwache beenden!
„… Die europäische Abschottungspolitik will Menschen, die ein Recht auf Schutz vor Gewalt und Verfolgung haben, daran hindern, Europa zu erreichen. Dafür arbeitet die EU auch mit repressiven Regimen zusammen. Besonders fragwürdig ist die Kooperation mit der Libyschen Küstenwache, deren Mitglieder internationales Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention missachten – und das, obwohl sie seit Monaten von europäischen und deutschen Marinesoldaten ausgebildet werden…“ Sea-Watch-Petition an Bundeskanzlerin Merkel – und sie ist dringend:
- Merkel stellt mehr Geld in Aussicht: Libyen bei Bekämpfung von Flucht übers Mittelmeer wieder im Fokus
„Um die Flüchtlingsmigration nach Europa zu stoppen, will Merkel stärker mit Libyen zusammenarbeiten. Die Bundeskanzlerin kann sich ein Abkommen vorstellen – Vorbild: Türkei. Sorgen bereiten die katastrophalen menschenrechtlichen Zustände im Land…“ Beitrag vom 14. August 2017 beim Migazin
- Hilfsorganisationen in Europa: Weg mit den Rettern
„Erst von Italien kriminalisiert, jetzt von Libyen verjagt: Die Hilfsorganisationen, die schiffbrüchige Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten, stehen offenbar der großen Politik im Weg. (…) In der riesigen SAR-Zone werden dann fortan libysche Schiffe retten – und die Geretteten zurück an Land bringen – und vielleicht auch die EU-Einsatzkräfte der Mission „Sophia“ – oder auch gar keiner. Dann wird dort eben wieder mehr gestorben. So wie früher, ehe die privaten Helfer kamen. Damit wäre das politische Nahziel, die Zahl der Flüchtlinge, die in Italien anlanden, zu reduzieren, ja schon ein Stück weit geschafft. Und das Fernziel, diese Flüchtlingsroute genauso dichtzumachen wie die türkisch-griechische, scheint dann zumindest denkbar. Zynisch? Ja….“ Kommentar von Hans-Jürgen Schlamp vom 14.08.2017 beim Spiegel online
- Zwischen Bürgerkrieg, Migration und EU-Interessen: „Libyen ist die Hölle“
„Libyen ist ein Land, das nie ein Staat war und vielleicht auch nie einer werden wird. Genau das ist ein großes Problem – vor allem für die EU. Denn sie muss die Frage beantworten, wie sie mit dem Transitland Libyen als Partner in der Flüchtlingsfrage umgeht. (…) Die libysche Küstenwache soll abgefangene Flüchtlinge und Migranten in „angemessenen Aufnahmekapazitäten“ abliefern – so heißt es im Aktionsplan, der im Frühjahr auf dem EU-Gipfel von Malta beschlossen wurde. Libyen soll die Menschen versorgen und eine Bürokratie aufbauen, um völkerrechtskonforme Asylverfahren durchzuführen. Anerkannte könnten dann in „Kontingenten“ auf europäische Länder verteilt werden, Abgelehnte will die EU dann bei ihrer „freiwilligen Rückkehr“ unterstützen. (…)“Das ist alles Gerede“, sagt der Journalist Michael Obert. Die Realität sehe ganz anders aus. „Wer aus dem Mittelmeer gezogen wird und wieder in Libyen landet, wird unter kaum vorstellbaren und absolut unmenschlichen Bedingungen inhaftiert.“ Folter und sexuelle Gewalt seien an der Tagesordnung, berichtet der Reporter, „und das in Gefängnissen der vom Westen anerkannten Regierung. Das sind die Orte, an denen Tausende nicht nur mit dem grünen Licht aus Europa, sondern auf Anweisung und finanziert von Europa abgefangen werden.“ (…) Menschen setzten sich nicht ohne Grund in Bewegung, sagt Michael Obert. Nigerianer etwa müssten nicht fliehen, wenn sie vom großen Erdölreichtum ihres Landes profitieren könnten. Stattdessen profitiere der Westen – von Rohstoffen, von aus afrikanischer Sicht unfairen Handelsbedingungen etwa für landwirtschaftliche Produkte. Da müsse Europa viel stärker ansetzen, so Obert. Es müsse ein Umdenken stattfinden, denn das, was wir sehen, sei erst der Anfang. „Libyen ist die Hölle“, sagt Michael Obert. Er hat diese Hölle gesehen – und mit ihm reist hr-iNFO Politik genau dorthin.“ Beitrag von Alexander Göbel beim hr-Inforadio vom 11. August 2017 mit Podcast (Dauer: ca. 34 Min.)
- Militäreinsatz Italiens in libyschen Gewässern und Drangsalierung der Seenotrettungsorganisationen. PRO ASYL: Menschenverachtende Arbeitsteilung, um Bootsflüchtlinge direkt in die libysche Hölle zurück zu schicken.
„PRO ASYL kritisiert vehement den beschlossenen Militäreinsatz Italiens in den Gewässern vor Libyen. Das Eindringen in libysche Territorialgewässer und das Zurückschleppen von Fliehenden nach Libyen ist nach Auffassung von PRO ASYL ein Völkerrechtsbruch. »Es droht eine menschenverachtende Arbeitsteilung: Italien interveniert, die libysche Küstenwache schleppt die Bootsflüchtlinge zurück in die Hölle«, so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. In Libyen herrschen Rechtlosigkeit und Willkür. Folter und Vergewaltigungen sind in den Flüchtlingshaftlagern an der Tagesordnung. Die von der italienischen Regierung forcierte Strategie, gedeckt von der EU, ist darauf ausgerichtet, Bootsflüchtlinge durch Aufrüstung der zwielichtigen libyschen Küstenwache an der Flucht zu hindern. Doch dieser werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. So dokumentiert ein UN-Bericht vom Juni 2017, dass die libysche Küstenwache mehrfach Flüchtlingsboote beschossen hat und gerettete Flüchtlinge schwer misshandelt wurden. Italien und die EU mit ihrer Militär-Operation »Sophia« sind im Begriff, ein unkalkulierbares militärisches Abenteuer auf Kosten der Menschenrechte von Schutzsuchenden einzugehen. Sie nennen es »Krieg gegen Schlepper«, aus Sicht von PRO ASYL ist es faktisch ein »Krieg gegen Flüchtlinge«….“ Pressemitteilung vom 03.08.2017
- Hilfsorganisationen gegen EU-Flüchtlingspolitik in Libyen: „Libyen: Der Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Schleusern und Kooperation mit lybischen Behörden setzt Menschen Misshandlungen und willkürlicher Verhaftung aus“
Ein Bündnis von mehr als 70 Organisationen ruft die Europäische Union auf, die bisherige Linie aufzugeben. Sie fordern legale Zugangswege nach Europa. Offener Brief von rund 50 sozialen Organisationen an Bundeskanzelerin Angela Merkel, Brüssel, den 22. Februar 2017
- Flüchtlingslager in Libyen: “Furchtbar, entsetzlich, grauenhaft”
“Um seine Nachfolge gibt es bereits Streit mit den USA, doch noch ist Martin Kobler Gesandter der Vereinten Nationen für Libyen. Mit deutlichen Worten warnte der deutsche Diplomat nun vor Plänen in Berlin und Brüssel, gerettete Bootsflüchtlinge nach Libyen zurückzubringen. Die Lager dort seien “furchtbar, entsetzlich, grauenhaft”…” Beitrag vom 21.02.2017 beim Deutschlandfunk online
- Europäischer Gewerkschaftsbund gegen Flüchtlingsdeal mit Libyen
Der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes Luca Visentini hat in einer Stellungnahme zu den Ergebnissen des Treffens in La Valetta den beabsichtigten Deal mit Libyen erstmals offen kritisiert. In der Pressemitteilung „EU to pay Libya to keep refugees out of Europe“ des ETUC am 03. Februar 2017 wird von Visentini die Tatsache, dass ein Abkommen mit einem Land geschlossen wird, in dem es höchstens eine Teilregierung gibt, ebenso kritisiert, wie der Zynismus unterstrichen wird, solche Maßnahmen aus dem Entwicklungsfonds zu bezahlen – das sei, als ob es Trump gelänge, Mexiko für den Mauerbau bezahlen zu lassen. Nur eben, dass die EU genau eine solche Absicht verwirklicht habe.
- [Lybien] Rückschub in die Hölle
“Neue Berichte über die furchtbaren Zustände in libyschen Haftzentren für Flüchtlinge belasten den informellen EU-Gipfel an diesem Freitag in Valletta. Auf dem Treffen sollen Pläne besprochen werden, die zum Ziel haben, das Ablegen von Booten mit Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa künftig so weit wie möglich zu unterbinden. Dazu ist eine engere Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache vorgesehen, die schon jetzt im Rahmen der EU-“Operation Sophia” trainiert wird – auch von deutschen Soldaten. Die Küstenwache ist dafür berüchtigt, Gewalt gegen Flüchtlinge anzuwenden – zuweilen mit Todesfolge – und auch vor Angriffen auf Schiffe von Hilfsorganisationen nicht zurückzuschrecken. Außerdem überstellt sie aufgegriffene Flüchtlinge in Haftzentren an Land. Seit Jahren ist bekannt, dass die Flüchtlinge in diesen Haftzentren nicht nur furchtbaren Lebensbedingungen ausgesetzt sind, sondern auch regelmäßig vom libyschen Wachpersonal erniedrigt, verprügelt, in die Zwangsarbeit verkauft und vergewaltigt werden. Immer wieder kommt es zu Morden an Internierten. Ein am Wochenende in kurzen Passagen bekannt gewordener Bericht der deutschen Botschaft in Niger nennt die Verhältnisse in den Haftzentren “KZ-ähnlich”. Beschließt die EU am Freitag den geplanten Ausbau der Kooperation mit der Küstenwache, dann ist mit einem deutlichen Anstieg der Zahl in libyschen Haftzentren internierter und gequälter Flüchtlinge zu rechnen…” Bericht vom 31. Januar 2017 von und bei German-Foreign-Policy
- EU, Libyen: Schmutziger Deal geplatzt
“Die EU-Kommission hat gestern den italienisch-maltesischen Plan eines schmutzigen EU-Deals mit Libyen fallen gelassen. Der Plan sah vor, dass EU-Kriegsschiffe die libyschen Häfen blockieren und die libysche Küstenwache alle abgefangenen Boat-people an das libysche Festland zurücknimmt. Aber auch auf längere Sicht wird es keine libysche Küstenwache geben. Stattdessen prägen verfeindete Milizen in den Küstengewässern das Bild. Zudem nimmt die libysche Kritik an der wachsenden italienischen Machtpräsenz in Libyen zu. Ohne libysche Partner wagt die EU keine systematischen Push-Back-Operationen im zentralen Mittelmeer. – In den vergangenen Monaten ist ebenfalls der EU-Plan gescheitert, abgefangene Boat-people in Lager nach Tunesien, Ägypten oder gar nach Algerien oder Marokko zu verbringen…” Meldung vom 26. Januar 2017 bei der Forschungsgesellschaft Flucht & Migration
- Libysche Partner der EU im „Kampf gegen Migration“: Milizen
162.000 Menschen sind im letzten Jahr über den „libyschen Weg“ geflüchtet. Das soll jetzt die libysche Küstenwache verhindern – nach einem Abkommen vom August 2016. Welcher Miliz diese sogenannte Küstenwache auch immer angehören mag: Sie werden von der EU ausgebildet, nachdem überprüft wurde, dass sie nicht zu Isis gehören – zu anderen im Lande aktiven Banden dürfen sie aber schon gehören. Bis zum Frühjahr 2017 soll die Ausbildung weitgehend beendet sein. Dann erwartet die EU einen Rückgang der Flüchtlingszahlen aus dem Bürgerkriegsland. In dem Beitrag „Flüchtlingsdeal mit Libyen: Brutale Milizen als Partner Europas?“ am 19. Januar 2017 von Nikolaus Steiner beim WDR-Monitor werden diese mehr als seltsamen Partner vorgestellt. Der zentrale Satz eines ägyptischen „Kollegen“ über die Aufgaben diverser Küstenwachen ist banal: „Vorrang behält der Kampf gegen die Migration“.
Siehe zu den Hintergründen:
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Dossier: Ein Flüchtlingsbekämpfungs-Deal nach dem anderen: Die EU und ihre »Migrationspartnerschaften«
- Dossier: Italienische Flüchtlingspolitik